Esprits d´Alsace – Imbsheim, Bouxwiller, Uberach und der geheimnisvolle Bastberg

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Spirituelles hat die Schnapsbrennerei – ach, wie viel feiner klingt es doch auf Französisch: Die DistillerieHepp im Sinn. Das traditionsreiche Familienunternehmen unter Leitung von Yannick Hepp wollte nicht nur drei, vier Monate im Jahr Kirschen, Mirabellen und Birnen zu Likören und Eaux de Vie brennen, sondern sich ganzjährig einbringen. Also versuchte man sich 2005 in der Whisky-Produktion. So erfolgreich, dass von gerademal 3 Versuchsfässern auf mittlerweile 600 Fässer pro Jahr aufgestockt werden musste. Destilliert wird in Kupferdampfkesseln, gelagert in Sherry- und Eichenfässsern. „Warum aber“, so frage ich Madame Hepp, „stehen in den gut sortierten Regalen nicht wenigstens 12 Jahre alte Malts?“ „Unsere Whiskies sind so nachgefragt“, erklärt sie, „dass wir einfach nichts auf Lager halten können.“ Ein Hit also, das elsässische Pendant zu irischem, schottischen Single Malt. Und Humor hat der artisan distillateur dazu: Auf einem rustikalen Fass, umgeben von Gläsern steht eine Flasche Johnny Hepp. Irgendwie aus dem Leben gegriffen. Nomen est omen. Das Malz liefert übrigens die bekannte Brauerei Meteor in Hochfelden.

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Die Hepp´schen Schätze

Wir probieren. Wie herrlich! Es ist Samstagnachmittag. Und wir machen eine Whisky- bzw. Obstbrand-Dégustation! Ich beschränke mich eh aufs Schnuppern. Einer muss schließlich fahren. Außerdem wollen wir noch eine Wanderung machen. Äh, wir wollen noch eine Wanderung machen? Gut, aber dann nicht so weit. Erst mal entspannen…

„Einen mirabelligeren Mirabelle d´Alsace habe ich noch nie getrunken.“, schwärmt mein Mann. Die Nase hart am Glas erscheint vor meinem inneren Auge eine pralle, saftige, rotwangige Frucht. Ein Mirakel. Mir fällt der junge Goethe ein, dem auf seiner Frühlingsreise zwischen Traum und Wachen ein wohl ebenfalls pralles, rotwangiges Mägdelein erscheint, das ihm realiter erst viel später über den Weg laufen wird. Denke, er hatte noch eine Flasche Mirabelle in der Satteltasche. Als Neunzehnjähriger, zu Pferde, erkundete er nämlich Lothringen, das Elsass, sogar das Saarland. In Gesellschaft zweier Freunde: Holla, die Waldfee. Da kann einem Dichtung und Wahrheit schon mal durcheinander geraten. Ich mümmele am Williams: Da ist Magie im Spiel! Nachdem im 17. Jahrhundert ein Mönch auf die Idee kam, aus dem Fruchtfleisch der Kirsche ein lecker Eau de Vie zu brennen, ließ sich der Siegeszug der Sparte nicht mehr aufhalten. „Der Destillateur ist ein Handwerker, ein Künstler“, lese ich in der aufwendig gestalteten Broschüre, „der sich im Einklang mit der Natur, den „gesunden“ und „wahren“ Produkten befindet. Diesem Erbe verpflichtet brennt die Familie Hepp seit mehreren Generationen die elsässischen Obstler.“ (frei übersetzt, Anmerkung der Redaktion). Nur die Besten kommen ins Töpfchen: „La sélection est (…) extrèmement rigoureuse“. Aha, extrem rigorose Auswahl. Französisch kann so einfach sein. Wir halten fest: Schnaps ist gesund. Schon mein Vater hat sich bis ins hohe Alter einen Obstler täglich gegönnt. Wohlgemerkt: Einen! Nebst Trockenpflaume.

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Die Obstbrände

Wer die köstlichen Obstbrände und anderen Spirituosen der Familie Hepp kosten möchte, kann sich auf der Webseite über Öffnungszeiten und Angebot der Destillerie informieren. Wer allerdings dunkle Balken, ausgeleierte Ledersofas sowie zigarrenschwangeres Ambiente im Verkaufsraum erwartet, wird enttäuscht. Niemand bläst zudem den Dudelsack oder gar die Tin Whistle. Hallo? Wir sind im Elsass. Man präsentiert sich elsässisch aufgeräumt. Modern, gediegen, pieksauber. Übrigens: Die Destillerie liefert auch zu euch nach Hause. Eine wirklich informative Übersicht zu Whiskies, Herstellung und Produzenten in Frankreich und anderswo findet ihr hier: https://www.ralf-zindel.de/whisky-frankreich/franz%C3%B6sische-whisky-hersteller/distillerie-hepp/

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So. Das war doch schon mal ein beschwingter, inzwischen später Nachmittag. Halt, da war noch was: Die Wanderung. Auf die Anhöhe hinauf, dahin wollen wir. Man sieht sie schon von weitem, zumal ein überdimensionales Kreuz in den Berg gerammt wurde. Circuits de découvertes lese ich auf einem kleinen Schild. Fast hätte ich´s übersehen. Klingt spannend. Achtung, Berg, der Tag geht, Johnny Walker kommt!

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Wunderschöner Garten…

Steht man auf dem Plateau des nordelsässischen Bastbergs, könnte man fast daran glauben, dass sich in hellen Frühlingsnächten runzlige und weniger runzlige sorcieres, Hexen, hier treffen um ihr Unwesen zu treiben. In Deutschland ist es der Blocksberg, in Schweden der Blȧkulla, hier im buckligen Elsass der Bastberg. In illustrer Lage. In unmittelbarer Nähe zu Saverne, dem Tor zum Elsass, und dem Regionalpark Nordvogesen, im Hanauer Land. Der Hausberg des beschaulichen und geschichtlich extrem interessanten Städtchens Bouxwiller.

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Memento mori

Der Bastberg. Unendliche Weiten. 326 Höhenmeter Muscheln auf Kalkstein, weshalb es auch einen geologischen Pfad zu erwandern gibt. Alljährliches Ziel für Sternengucker und Spökenkieker, so, von Juli bis August, der Ciel d’Alsace und die Nuit des étoiles.  „Die völlig paradiesische Gegend“, wie Goethe über den Blick vom Bastberg in die elsässische Ebene mit ihren kleinen Dörfern, auf Vogesen und Schwarzwald anlässlich seiner Frühlingsreise 1770 durch die Region schrieb. Mag sein, dass die Legenden, die um den platten Berg geistern, den Dichter zu seinem Hexentanz in Faust II inspiriert haben. Sollte an der Geschichte vom Hexensabbat auf diversen Anhöhen was Wahres dran sein, dann wünsche ich den Beteiligten einen kurzweiligeren Aufenthalt als den im Oeuvre des Dichterfürsten beschriebenen.

Jedenfalls: Der mystische Berg gilt als Kraft-Ort, Energiespender, Ladestation für Ausgebrannte und Zivilisationsmüde. Zahlreiche Legenden ranken sich um ihn. Was sind das z.B. für kleine Flämmchen, die nächtens auf dem Berg zu tanzen scheinen? Ein Hexenfeuerchen, Irrlichter, die den arglosen Nachtwanderer anlocken, um ihn dann in einer Felsspalte verschwinden zu lassen? Bevor er sich – blubber! – in einer ekligen Krötensuppe wiederfindet? Kein Wunder, dass der Klerus hier ein überdimensionales Kreuz errichten ließ, das man weithin sieht. Auf dem Berg selbst tritt es völlig in den Hintergrund. Zumal ein für Sagenhaftes unabdingbarer Drache hier sein Unwesen treiben soll. Nach einem Gewitter (Warum denn erst danach?) hat er sich ein paar Bauern aufgedrängt, die keinen Sinn für Spirituelles hatten. Gut, dass gleich ein Priester samt Kreuz zur Stelle war, um etwaige Besitzansprüche von vornherein abzublocken. Die gesamte Region birgt einen riesigen Sagenschatz. Meist germanischen Ursprungs. Gemischt mit Legenden anderer Völker. Weltvorstellungen eben. Hexen sind da immer trendy. Hässlich, niedlich, als quietschende Wetterfahne – irgendwie mögen es die Menschen ein wenig gruselig. Hexenkessel, merkwürdige Steinbecken, findet man nicht selten in den Vogesen. Auch – und gerade – Hexen müssen der Erotik wegen baden. Grausame Realität des Hexenwahns: Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert wurden Tausende von Männern, Frauen und Kindern im Elsass wie in ganz Europa der Hexerei bezichtigt und ermordet. Ich stelle mir den Bastberg in waberndem Nebel, in fahler Dämmerung vor. Man könnte schon auf Unheimliches kommen…

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Zwei, die sich auskennen.

Ein Paar aus Bouxwiller in wetterfester Kleidung, erzählt uns von seiner schönen Gegend. Stolz sind die beiden. Auf ihr Städtchen, den Berg, die Wanderwege. Wenn wir Tipps bräuchten… Vielleicht eine Zusammenstellung schöner Touren? Klar, immer doch! Vital wirken die beiden. Ist wohl doch was dran, an der Energie des Berges. Auf den Schautafeln lesen wir vom Sentier géologique, dem Sentier nature mit seltenen Orchideen sowie dem Sentier Patrimoine, der feengelenktes Eintauchen in märchenhafte Sphären verspricht. Vielleicht sogar die Sichtung einer Weißen Frau. Kraxeln muss man dafür nicht, und auch der nächste Gasthof ist nie weit. Auf dieser Seite erfahrt ihr mehr über die circuits de découvertes, die Rundwege für wahre Entdeckungsreisende: https://www.museedupaysdehanau.eu/informations-touristiques/

In Bouxwiller , einem der schönsten Städtchen des Nordelsass, soll es übrigens eine wunderbaren Weihnachtsmarkt geben. Außerdem starten vom dortigen Museum 9 verschiedene Rundwanderwege, darunter ein Circuit Jardins oder der Circuit Fermes. In Imbsheim lockt das s´Bastberger Stuewel mit traditioneller elsässischer Küche und – endlich – karierten Tischdecken. Damit man weiß, dass es in der Gegend um den Bastberg nicht geheuer ist, fliegt schon mal eine riesige Hexe um die Veranda.Imbsheim_alsace_elsass_bastberger_stuewel_restaurant

bastberger_stuewel_imbsheim_elsass_alsace_restaurant_essen_elsässisch_küche_spezialitätAbends im Wintergarten. Über dem Felsen von Dabo geht die Sonne unter. Die Amsel singt ihr trauriges Lied. Ein wenig Melancholie schadet nie. Mein Mann öffnet die zierliche Flasche mit dem Hepp´schen Mirabelle. Der Elektrokamin flackert. Kein Dudelsack pfeift. Wir stoßen an. Wir trinken. Da ist er, der Geschmack des Sommers. Draußen, im dunklen Grün spielen die Elfen. Ein Wichtel klopft an die Scheibe, schwenkt grüßend seine Laterne. Johnny Walker ist längst zuhause. Sein roter Frack hängt lässig über dem Stuhl. Und wir finden das ganz normal…

Auf einen märchenhaften Sommer

Eure Stina

 

Distillerie Hepp

L´Alsace fleurie – Blühendes Elsass

Unser Wildkirschbaum war in die Jahre gekommen, trieb nur noch spärlich aus. Nach gefühlten 100 Jahren nordvogesischen Wintern nicht verwunderlich. Wie schön wäre es, regte mein Mann an, ihn von zwei üppig blühenden Rambler-Rosen umrankt zu sehen! Doch im Internet zu bestellen ist, finde ich, nur die halbe Freude. Ich möchte gern sehen, wo die Pflanzen aufgewachsen sind. Gar nicht so leicht, jemanden zu finden, der in dieser Region Rosen züchtet. 100 km fahren, nach Deutschland, wie es übrigens auch viele Elsässer machen? Lieber nicht. Wir wollen heute noch pflanzen. Mal sehen, die Suchbegriffe Pflanzen, Alsace und Nord bringen nichts. Also spezifischer.

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Monsieur René Barth kennt sich aus.

Voilà, in einem Ort namens Lochwiller gibt es einen Rosenzüchter mit langer Tradition. Hört sich nach Passion an. Monsieur Barth ist so einer, ein Produkteur en Alsace mit Leidenschaft. Die Webseite ist übersichtlich, umfangreich. Keine 25 Minuten später stehe ich in einem typisch elsässischen Innenhof: Die Rosiers René Barth in voller Pracht. Hier findet man sie, die Raritäten, auf die man im Internet, da derzeit nicht verfügbar, wochen-, sogar monatelang warten muss. Ich lese verheißungsvolle Namen wie Ghislaine de Féligonde, Guirlande d´amour. Monsieur hört sich elsässisch gelassen meine Wünsche an, aha, rosiers lianes, erfahre ich, heißen Rambler auf Französisch. Weiß, lila oder rosa? Rot ist nicht so meins. Da muss ich immer an die starren Exemplare auf Geburtstagstischen aus den Siebzigern denken. Oder an Udo Jürgens. Monsieur Barth zeigt mir geduldig Bilder von den Rosen im erblühten Zustand, damit ich eine Vorstellung habe. Wie wär´s mit Veilchenblau  (nach Maiglöckchhen duftend) und Pauls Himalayan Musk? Wie? Die hat er auch? In einer Nische stehen sie: Meine Schätze in spe. Ihr werdet es gut haben, an unserem alten Kirschbaum. Und der bekommt ein Second life, kann hie und da ein paar schüttere Ästchen Richtung Sonne strecken. Und auch die Bienen haben was zu naschen. Bin wieder mal beseelt. Liebe Saarländer: Wenn ihr Rosen braucht, fahrt mal hin. Die Auswahl in der Roseraie der Familie Barth ist schier unglaublich. Vieles ist selbst gezogen. In der alten Scheune befindet sich die Kinderstube mit vielen altehrwürdigen Kostbarkeiten. Von Edelrose, über Bodendecker, Strauchrose, Kletterrose, Rambler findet der Rosenliebhaber hier alles, was das Herz begehrt. Zu absolut guten Preisen. Monsieur Barth berät sachkundig. Der Mann weiß Bescheid. Auch das ein Pluspunkt gegenüber vielen Gartenmärkten und, leider auch, Gärtnereien. Seine Pflanzen strotzen vor Gesundheit. Zurück in den Vogesen pflanzen mein Mann und ich die beiden wüchsigen Rambler vorsichtig in ihr neues Zuhause. Jeden Morgen schauen wir. Da, trotz der derzeit kühlen Witterrung, sind die Triebe bereits länger geworden, erobern den rauen Stamm. Haben sogar Knospen angesetzt. Den Rosenzüchter unseres Vertrauens? Wir haben ihn gefunden.

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Die Edlen.

Wer sich auf den Weg zur Roseraie Barth macht, sollte einen Besuch in Marmoutier einplanen, ein malerisches Städtchen, das mit seiner prächtigen Abtei-Kirche in jedem Kunstgeschichte-Führer zu finden ist. Wer dann noch ein wenig wandern und elsässisch speisen möchte, dem sei das nahe gelegene Birkenwald und das Hôtel des Vosges empfohlen.

Blumenladen in Wasselonne
Überraschung in Wasselone

 

Verträumt und verspielt präsentiert sich das Côté coeur fleuriste im nahegelegenen Wasselonne. An der Fassade, an Blumengirlanden: Herzen über Herzen, damit man gleich sieht: Hier gibt es nicht nur frische Blumen sondern auch Blumenkränze, Gebinde und die dazugehörige Jahreszeiten-Deko. Kleine Feen in Pastell, schlafende Engelchen, putzige Hasen, Hühner und, natürlich, allerlei Herzen gilt es zu entdecken. Herzlich, chalereuse, ist auch Madame, die beim gekonnten Blumenbinden ein Liedchen summt. Und jeder weiß: Wer bei der Arbeit summt, dem bereitet sie Freude. So muss es sein, denn das Ladengeschäft im geschäftigen Zentrum des kleinen Orts, strahlt eine wunderbare Ruhe aus. Ma vie en rose. Irgendwie frohlockend. Die Klientel besteht an diesem Samstagmorgen, gegen 11 Uhr, ausschließlich aus Frauen, die nicht nur Blumen kaufen, sondern auch Inspiration für ein heimeliges Zuhause suchen. Vielleicht steht sogar eine Hochzeit an, für die noch der blumige Rahmen fehlt. Mit mir gehen 3 Elfen nach Hause. Die schweben jetzt an meiner ljuskrona, meinem Kristallleuchter. Bei jedem Luftzug zittern ihre rosa Tutus. Herzig.

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Zauberhafter Frühlingsreigen

Voll der Frühling.

Wer bei Madame einkaufen möchte, sollte auch ein wenig durch Wasselonne spazieren. Das kleine Städtchen verfügt über ein ausgezeichnetes Fischrestaurant, sowie kleine Brasserien, von deren Terrasse aus sich das lebhafte, samstägliche Treiben, vortrefflich beobachten lässt.

Unser Weg führt uns weiter nach Avolsheim, in der Nähe von Molsheim. Zur alljährlichen Foire aux plantes. Im Schatten einer großen Kastanie, auf einem kleinen Platz neben einem mittelalterlichen Kirchlein (mit wunderbaren Deckenmalereien) bieten Händler, aber auch private Pflanzenliebhaber aus der Region ihre Schätze an. Dabei findet man neben alten Gemüsesorten auch Pflanzenraritäten, die dem Baumarkt-Allerlei den Rang ablaufen. Im eigenen Garten mit Liebe großgezogen hat auch Régine ihre Pflanzen. Dackelliebhaberin sei sie, erzählt sie. Das sind wir auch. Régine strahlt Robustheit und Lebensfreude aus. Moment, sagt sie, und öffnet für das Foto ihr langes blondes Haar. Wenn schon, denn schon. Eine Blume unter Blumen. Das Schöne an diesem kleinen, aber feinen Event? Man kommt ins Gespräch. Fachsimpelt. Bekommt Tipps, Wissenswertes rund um die Region gratis dazu. Für das leibliche Wohl gibt es hier die allgegenwärtigen Bretzels. Schon seit dem 12. Jahrhundert gibt es sie, Symbol jeder elsässischen Bäckerei. Dreimal, so heißt es, sieht man darin die Sonne. Heute leider nicht. Es nieselt. Dennoch sitzen die Elsässer an langen Tischen und genießen ihren Jambon mit Kartoffelsalat. Nach selbstgebackenem Kuchen und café schlendert man wieder von Stand zu Stand.

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Régine entre régines

Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, sollten den wunderbaren Weg am Canal de la Bruche Richtung Strasbourg von hier aus starten. In der Pâtisserie Klugesherz in Soultz-les-Bains kann man sich zuvor mit einer heißen Schokolade und erlesenen Tortenspezialitäten stärken. Nicht billig, aber ihr Geld allemal wert.

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Idyllisches Ambiente: Pflanzenmarkt in Avolsheim

Irgendwann mache ich mal eine Rallaye durch sehenswerte Parks und Gärten im Grand l´Est. Alle wichtigen Details zum Thema findet ihr in einer Broschüre. Das Portal zu öffentlichen wie privaten Gärten. Nach Stilen geordnet, geographisch übersichtlich. An so manchem Juwel der Gartenkunst würde man sonst vorbeifahren. Wäre doch schade.

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Musée du papier peint – Colmar

Noch nicht genug von Rosen und Co? Im Musée du papier peint  in Rixheim bei Mulhouse findet man floral Bedrucktes aus alter Zeit.

Einen blumigen, feenhaften Frühling und Sommer wünscht euch

Stina

 

Nur eine kleine Notiz: Pflanzen-Messe in Avolsheim

https://www.jds.fr/agenda/manifestations/foire-aux-plantes-a-avolsheim-103316_A

Zum neunten Mal findet in Avolsheim die Foire aux plantes statt. In mittelalterlichem Ambiente, klein aber fein, im Schatten alter Bäume, mit Kaffee und Kuchen bieten Händler und Private Pflanzen aus der Region an. Dann wachsen sie auch! Ein Besuch lohnt sich, weil man von Avolsheim aus auch wunderbar mit dem Fahrrad nach Molsheim oder Strasbourg fahren kann.

Wann: 27. April 2019 von 10.00 bis 17.30

Wo: Parc Audéoud im Zentrum des Dorfes

Weihnachtsmärkte im Elsass und den Vogesen 2018, 2019 – Links

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Auch dieses Jahr, 2019, wird das Elsass wieder zum Winter-Weihnachts-Wunderland. Alles, was ihr für eine unvergessliche Weihnachtszeit braucht, findet ihr hier!

Im Elsass und den Vogesen gibt es wunderschöne Weihnachtsmärkte mit oft wohltuend traditionellem Charakter. Zauberhafte Fachwerkstädtchen, wehrhafte Burgen, tiefe Wälder: Weihnachten, wie man es sich wünscht. Glänzt der Schnee dann auf den steilen, hohen Dächern der historischen Städtchen, ist das Glück perfekt. Neben den Highlights wie Straßburg, Colmar, Kaysersberg (Ich liebe es!) gibt es auch weniger spektakuläre bzw. überlaufene Weihnachtsmärkte, im Elsass z.B. Boersch und Barr an der elsässischen Weihnstraße, oder Oberhaslach. Wegweisende Beschreibungen und Termine findet ihr auf der offiziellen Seite des elsässischen Tourismusverbandes, Tourisme Alsace. In einer Maske könnt ihr euer Anreise- bzw. Abreisedatum eingeben und/oder die Suche geographisch eingrenzen. Eine sehr gute Übersicht bietet auch folgende Seite des Tourismes Lorraine. Unter der Vielzahl der erscheinenden Weihnachtsmärkte fällt es schwer zu wählen. Gleichzeitig erhaltet ihr Tipps, wo man übernachten bzw. weihnachtlichen Essgenüssen frönen kann.

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Wunderbare Weihnachtszeit

Weitere phantasievolle Events, bei denen oftmals die ganze Bevölkerung mitmacht, gibt es unter der Bezeichnung „7 Weihnachtsländer“  , ebenfalls auf Tourisme Alsace zu entdecken:

Sucht ihr den Weihnachtsmann? Im Elsass und den Vogesen werdet ihr ganz sicher fündig. Ganz sicher findet ihr ihn aber in Kaysersberg. Interessantes zu diesem wunderschönen Vogesenort gibt´s unter diesem Link.

Eure Stina

À la recherche du thé des muses

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Manchmal sind es die kleinen Trips, die den nachhaltigsten Eindruck machen. Von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hasten? Heute mal nicht. Platz nehmen, schauen, innehalten, sich ganz einfach treiben lassen. Dinge entdecken, nach denen man nicht gesucht hat, die aber guttun, den Blick öffnen.

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Gare Centrale de Strasbourg

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Tor zum Paradies?

Los geht´s vom Parkhaus Sainte Aurélie, 1 Boulevard de Metz, 67000 Strasbourg, 2 Minuten vom Bahnhof entfernt. Als Startpunkt untypisch für uns, aber heute soll es so sein. Im Bahnhofsviertel herrscht lebhaftes Gewusel, internationale Geschäftigkeit, Damen in Chanel ziehen chicke Trolleys hinter sich her, Yuppies in hippen Anzügen (sind die nicht irgendwie zu klein?) rennen, das Handy am Ohr, zum nächsten Geschäftstermin, Kleinkriminelle warten ebenfalls auf Kunden. Bahnhof eben. Wir bewundern – Jah RastafarI! – die exotischen Auslagen der kleinen Shops, erschnuppern exotische Gewürze, bestaunen orientalische Hochzeitskleider, schlendern langsam Richtung Zentrum, vorbei an Graffitis, auf Stromkästen, Mülltonnen, Häuserwänden.

Von der Muse geküsst

Unser Ziel: Das Le Thé des Muse in der Straßburger Innenstadt, genauer gesagt, in einer Seitenstraße der Grand Rue, jenem Eldorado für Shopping-Begeisterte.

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Der erste Mönch auf dem Weg zur Kathedrale

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Tee wollen wir trinken. Am liebsten grünen. Und hier gibt´s den besten. Wochentags ist es hier lauschig. Hat man Glück, erwischt man einen Sitzplatz mit Blick auf den kleinen, irgendwie exotisch anmutenden Innenhof. Jetzt, am Samstagnachmittag finden wir kaum einen freien Tisch.  Zum Glück navigiert uns ein freundlicher junger Mitarbeiter zwischen Tischchen, bequemen Sesseln hindurch zu unserer kleinen Oase inmitten der pulsierenden Großstadt. Keine Frage, Le Thé des Muses ist in. Man plaudert, diskutiert, sinniert, nippt einfach nur glücklich an seinem Tee. Genießt ein Stück hausgebackenen Kuchen. Natürlich kann man den Tee hier auch kaufen und zuhause genießen. Das passende Equipment – Tassen, Kannen, Teefilter – inklusive. Oder man bestellt ganz einfach via Internet.

Das Thé des Muses in Straßburg ist in.

Das Sortiment ist hervorragend sortiert, komponiert, wird stilvoll präsentiert, im Kännchen serviert und überrascht mit seinen mal wilden, mal zarten, mal oppulenten Aromen. Wer kann schon einem Automne à Pushkar, einem Tee namens Après la Pluie oder einem Les Bains de Smyrne widerstehen? Passend zur Jahres- bzw. Festzeit werden spannende Tee-Kompositionen angeboten. Wie wäre es zur Weihnachtszeit mit ein wenig Du Bonheur pour nous? Eine Mischung aus aromatisiertem Grüntee „construit autour de la mangue, de fruits de la passion et de fruits rouges, relevé d’une note de gingembre, adouci par des touches de lotus et de rose. Il évoque une sensualité faite de douceur et de passion, d’élégance et de charme.“ – so beschreibt es die Internetseite des Le Thé des Muses durchaus poetisch. Und wer möchte nicht Le Secret de Tante Berthe – das Geheimnis von Tante Bertha – in Form einer Kräuterteemischung aus u.a. Zimt, Basilikum und grünem Anis ergründen? Ob Grüntee, Schwarztee, weißer Tee, Kräutertee, Rooibos-Tee, Mate, Bio – die Auswahl fällt schwer. Zum Glück hat man Zeit – im Thé des Muses.

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Au Thé des Muses à Strasbourg

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Une muse…

Übrigens: Das Thé des Muses veranstaltet auch wechselnde Kunstausstellungen. Die ganze Vielfalt des Le Thé des Muses findet ihr auf der Website des Unternehmens. Dort ist auch jeder Tee ausführlichst beschrieben. Aber welch Glück, die Ziehzeit des Tees vor Ort mithilfe eines Eierührchens selbst einzustellen… Jeder Tee braucht fünf Minuten? Beutel rein, Beutel raus? Au contraire! Jeder Tee hat seine ganz speziellen Bedürfnisse. Hier wird Teetrinken zelebriert. Und gleichzeitig die hohe Kunst der Gelassenheit.

Ein kleiner Hund…

Vom Tee beseelt, von der Muse geküsst beschließen wir einem ganz besonderen Kleinod mittelalterlicher Baukunst einen Besuch abzustatten. Dazu müssen wir zum Straßburger Münster. Wer genau hinschaut, entdeckt dort, am Aufgang zur Kanzel, einen kleinen Hund aus Sandstein. Die Augen geschlossen, fast ein wenig trutzig, liegt er dort seit mehr als 500 Jahren. Ausharren, das musste er auch. Denn er begleitete sein Herrchen Jean Geiler von Kaysersberg, den berühmtesten Prediger des ausgehenden Mittelalters, auf die Kanzel, wenn dieser seine donnernden, oftmals vor Ironie triefenden Predigten hielt. Die schrieb er übrigens auf Latein, hielt sie aber auf Deutsch, damit die Botschaft auch ankam. Ein geistiger Waffenbruder Martin Luthers also. Und weil der Steinboden des Münsters gar so kalt war, legte sich das Hündchen mit Vorliebe über die Füße seines Herrn, der sich dadurch in seinem Redefluss nicht beirren ließ. Im Gegenteil: Je wärmer die Füße, desto länger die Predigt. Ob die Gläubigen tatsächlich, wenn ihnen der Sermon zu lang wurde, an der Leine zogen, der Hund daraufhin zu bellen anfing, und Geiler sich besann, gehört zu den kauzigen Geschichten rund um die Kathedrale. Rücken an Rücken dösen, ebenfalls an der Kanzel, ein steinerner Mann samt Frau vor sich hin. Könnte es sein, dass selbst die flammendste Rede ein Ende finden muss?

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Das Hündchen also: Generationen von Besuchern haben dem kleinen Tierchen seitdem über den Kopf gestreichelt um sich etwas zu wünschen. Ganz glatt, glänzend wie eine Speckschwarte ist es schon, das Köpfchen. Geht das so weiter, verschwindet der treue Kumpan irgendwann ganz. Vor lauter Streicheln und Wünschen. Also: Bitte nicht streicheln. Das Hündchen erkennt auch so eure Wünsche. Reicht, wenn ihr ein kleines Gebet für den Kleinen sprecht.

Die Kanzel wurde übrigens eigens für Magister von Kaysersberg gebaut. Stellt sich die Frage, ob das Hündchen nachträglich – aufgrund seiner sonntäglichen Schlafgewohnheiten – in den Sandstein gemeißelt wurde, oder ob nicht doch eine andere Theorie vorzuziehen ist. Sollte es ein Verweis des Baumeisters auf die Dominikaner sein, ein steingewordenes Wortspiel also: Dominis canis = Hund des Herrn, oder gar eine Reminiszens an Sankt Remigius, der seinen Gott angeblich so treu erwartete wie ein Hund seinen Herrn?

Wie dem auch sei, hübscher ist die Geschichte mit Geilers treuem Gefährten. Und ja, auch uns juckt es in den Fingern ihn zu streicheln und dabei einen Wunsch in den Orbit zu senden. Aber, wir haben eine Replik des Hundes im münstereigenen Shop gekauft. Jetzt schläft der Kleine bei uns zuhause, wird gestreichelt und hat es warm.

Wer war jetzt dieser Johann (Jean) Geiler von Kaysersberg, der mit dem geilen Namen? 1445 in Schaffhausen geboren, im elsässischen Kaysersberg aufgewachsen, studierte er in Freiburg und Basel, wurde sogar Rektor der Universität Freiburg. Ab 1478 predigte er in Straßburg, Von 1486 bis zu seinem Tod 1510 hielt er als Prediger die Schäfchen im Straßburger Münster in Atem. Leider ließ auch er sich von der allgemeinen Hysterie der Hexenverfolgungen mitreißen. Berühmt geworden sind seine wortgewandten Ausführungen zum Thema Milchhexen. Wenigstens sah er in den als Hexen Verfolgten nicht das grundsätzlich Böse, sondern betrachtete sie „nur“ als vom Teufel Verführte. Eine Art abgestufter (?) Hexenwahn also. Im Ergebnis war das für die Ärmsten, die auf dem Scheiterhaufen landeten, wohl dasselbe.

Wer mehr über die Geschichten rund um das Straßburger Münster lesen möchte, dem sei folgendes – dreisprachiges – Buch empfohlen: Sûzel Pailhes: Petites histoires de la Cathédrale de Strasbourg

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Langsam werden wir müde. Zurück also zum Parkhaus über den Place Kléber. Um uns herum samstägliche Hektik. Wir flanieren durch die Menge, lassen uns treiben. Kein Shoppingfieber heute, nur Tee, Hündchen und… eben Samstag.

Samstagnachmittag in Straßburg: Place Kléber und Umgebung
Samstagnachmittag in Straßburg: Place Kléber und Umgebung

Place Kléber. Strasbourg Straßburg, Blumenstand

Zuhause genießen wir das Detoxbrot, das wir, nebst einem Riesenkürbis, auf dem Weg nach Straßburg in Furdenheim an einem Bauernstand gekauft haben. Kohlrabenschwarzes Brot mit Datteln, Rosinen und Nüssen. Interessant. Dazu ein Tome d´Alsace und ein Glas Klevener de Heiligenstein. (Siehe mein Artikel über den Mont Sainte Odile!) Noch eine Entdeckung. Detox hin oder her: Besser geht´s nicht.

Gewöhnungsbedürftig aber lecker: Detoxbrot à la Furdenheim
Gewöhnungsbedürftig aber lecker: Detoxbrot à la Furdenheim

Lasst euch mal wieder von der Muse küssen

Eure Stina

Von Äbtissinnen, heiligen Steinen und edlen Tropfen

Mont Sainte Odile Restaurant im Elsass Odilienberg im Alsace Kloster

Wir sind auf dem Weg zum Freizeitpark Rust. Es ist Samstag, Viertel nach neun, und mir steht der Sinn nach Gebrannten Mandeln, gruseligen Kürbisgesichtern und kindertauglichen Karussellfahrten. Im Auto: Noch eine ganze Stunde trennt uns von Zuckerwatte und Co., da verdüstert sich vor uns der Himmel. Die Aussicht darauf, völlig durchnässt, mit anderen Vergnügungssüchtigen in einem runden Gummiboot zu sitzen und rotierendem Wildwasser ausgeliefert zu sein, erscheint ab jetzt nicht mehr ganz so prickelnd. Ein Blick über die Schulter: In den Vogesen herrscht nach wie vor strahlender Sonnenschein. Hinter uns erhebt sich – Oh, Wunder – der Mont Sainte Odile. Ein Wink des Himmels. Wir kehren um, Richtung Ottrott, schlängeln uns den Berg hinauf, weichen faustgroßen Steinen aus, die auf die Fahrbahn gerutscht sind, sowie sehnigen Rennradfahrern, die in einem Affenzahn und knapp an der Mittellinie ins Tal sausen.

Am Mont Sainte Odile, dem wichtigsten Wallfahrtsort des Elsass, herrscht wie immer reges Treiben. Kein Gedränge. Eher ein beschauliches Lustwandeln durch die alte Klosteranlage, ausgerüstet mit Handy oder Profi-Kamera. Kinder traben lustlos ihren Eltern hinterher, manch ein Spross schreit sich gar in Rage. Pssst! Hier ist Stille angesagt: Silence, mahnen dezente kleine Tafeln. Aber Kinder sind Kinder – gut so. Über Neoprenjacken, Jeans und dunklen Anzügen (Würdenträger!) wacht – die Hand segnend über das elsässische Umland ausgestreckt – die hoffentlich überlebensgroße Statue der heiligen Odile, zu deutsch: Ottilie. Bevor der göttliche Funke auf uns übersprühen kann, verspüren wir Hunger. Es ist Mittagszeit, und beim Essen verstehen wir keinen Spaß. Im Restaurant nehmen die ersten Gäste Platz – vor überwältigender Mittelgebirgskulisse, die man durch große Fenster bewundern kann. Während genervte Eltern ihren Nachwuchs in die Kantine schieben, genießen hier die betuchteren Pilger sowie Bildungsreisende – und das sind wir heute auch – ihr typisch elsässisches Menu, das übrigens ausgezeichnet ist. Manch einer blickt bereits durchdrungen vom heiligen Geist, der ein oder andere Pfarrer dirigiert derweil noch seine Schäfchen an den richtigen Tisch. Trotz dezentem Geschirr- und Gläsergeklirre: Hier herrscht gediegene Konversation und wohltuende… Silence.

Restaurant auf dem Odilienberg
Im Restaurant

Der Maitre erläutert mir, das Bild am Eingang des Restaurants stelle die Eltern der Heiligen dar. Ich gewahre einen düster dreinblickenden Germanen, Alderich (zusammengesetzt aus alt und Macht), mit Riemen um die strammen Waden, neben ihm eine mittelalterliche Dame mit einem Anflug von Revolte um die zierliche Nase. Und das papierne Platzdeckchen, auf dem mein Kir soeben einen heidelbeerfarbenen Rand hinterlassen hat, zeige die getreuen Nonnen um Odile. Zu jener Zeit konnten sie, allesamt aus adligen Familien, noch tragen, was sie wollten. Nichts da mit schwarzer oder grauer Einheitskluft. Stattdessen mittelalterliches Graublau, Altrosa, Lachs und Ockergelb. Stilvoll!

Mont Sainte Odile Restaurant
Zum Abschluss einen Espresso

Wir begeben uns Richtung Grabkapelle. Vom Restaurant aus links sehen wir sie noch einmal: Die Frauen um Odile samt klösterlichem Rang. Adlig hin oder her. War Odile wohl eine gute Chefin? Wir werfen einen Blick in den kleinen Klostergarten, schlüpfen durch die niedrige Holztür wieder nach drinnen. Mittelalterliche Friese mit biblischen – teils grausigen – Szenen zieren die Wände. Plastische Darstellungen der Zehn Gebote. Mittelalterliche Krimiszenen. Jetzt flüstern wir. Ja, dieser Ort strahlt eine besondere Energie aus. Gut gewählt, der Berg. Der kleine Raum mit Odiles Sarkophag ist dunkel, Kerzen spenden spärliches Licht. In der nächstgrößeren Kapelle haben Gläubige viele rote Kerzen angezündet. Auf dem Fußboden kniet eine Frau, ihre Hände berühren den Sockel eines Steinpfeilers. Erst nachdem sie aufgestanden ist, sehe ich die paarweise aus dem Stein herausgemeißelten Hände. Odile, sind das deine?

In der dritten Kapelle wieder die merkwürdige Mischung aus selbstversunken Betenden und forsch voranschreitenden Touristen – Jack Wolfskin sei mit dir! Selbst werde ich ruhiger. Als wir blinzelnd in den Sonnenschein hinaustreten erfasse ich – oder erfasst mich – die wunderbare Aura dieses Ortes mit voller Wucht. Hoch oben über den Vogesen. Da sind die drei alten Linden, die zu einer zusammengewachsen sind, die schon so vieles gesehen hat, in der Kinder Verstecken spielen, die den Blick nach oben in den blauen Himmel kanalisiert. In die klare Luft, den kühlen Wind. Und da oben ist Odile, die über allem wacht.

Wer war Odile?

Odile/Ottilie wurde um 660 im Elsass oder Burgund als Tochter von Herzog Adalric vom Elsass und seiner Frau Bereswinde  geboren. Gestorben ist sie 720 im Kloster Niedermünster am Mont Sainte Odile. Die Äbtissin wird seit dem 15. Jh.  als Schutzpatronin des Elsass und des Augenlichts verehrt. Der Legende nach kam sie blind zur Welt, weshalb ihr Vater sie töten wollte. Die Heiratschancen standen wohl schlecht für Odile. Ihre Mutter brachte sie daraufhin in ein Kloster. Als sie zwölf Jahre alt war, erlangte sie während einer Taufe ihr Augenlicht wieder und kehrte zu ihren Eltern zurück, musste jedoch abermals vor ihrem Vater fliehen, der sie erneut töten wollte, musste sich sogar in  Höhlen verstecken. Vater und Tochter versöhnten sich letztendlich. Odile hat sich wohl durchgesetzt. Ihr Vater schenkte ihr den Odilienberg, auf dem sie 690 ein Kloster gründete. Auf ihr Konto geht auch das Kloster Niedermünster. Die Heilige liegt auf dem Odilienberg begraben und tausende Pilger machen sich alljährlich zu ihr auf, damit sie von ihren Augenleiden geheilt werden. So weit die Legende. Nochmal, warst du eine freundliche Frau, Odile? Oder haben dich die Verfolgungen durch deinen Vater bitter und streng werden lassen?

Schon meine Oma hat sich hier ihr Heilwasser abgefüllt. Und so pilgern auch wir zur heiligen Quelle und füllen uns eine Flasche von dem wundertätigen Wasser ab. Benetzen unsere Augen, schließlich werden die ab 50 nicht besser. Der Legende nach begegnete Odile an diesem Fels einem Aussätzigen, der sie um Wasser bat. Odile schlug mit einem Stock gegen den Fels (warum auch immer; war sie wütend, dass sie nichts zu Trinken dabei hatte?) Später wird mein Mann behaupten, er würde die Anzeigen im Auto jetzt wieder richtig lesen können. Beruhigend. Den Aufstieg absolvieren wir mit nassen Gesichtern, ich mit verschmiertem Eyeliner. Die Uneingeweihten mustern uns einigermaßen verwundert. Nein, wir haben nicht geweint, wir testen nur die Heilkraft des Wassers. Dieses kann man übrigens auch im Kloster für 1,50 Euro die Flasche erstehen. Die Quelle selbst erreicht man entweder mit dem Auto oder über ausgetretene Steinstufen, durch dichte Eichenwälder. Im Herbst kann es hier rutschig werden. 10 Minuten Abstieg, 10 Minuten Aufstieg bei normaler Kondition und mit guten Schuhen. Eine Menge Wanderwege starten hier. Übrigens: Eine halbe Stunde entfernt sind die sog. Grottes des druides (Druidenhöhlen). Bin mir ziemlich sicher, dass auch der Odilienberg ein keltisches Heiligtum war.

Außer Atem und beseelt steigen wir ins Auto. Wir kommen wieder, Odile! 2020 ist übrigens Jubiläumsjahr. Mehr dazu erfahrt ihr auf der Homepage des Mont Sainte Odile. Einen stimmungsvollen Radiobeitrag findet ihr beim Deutschlandfunk „Wanderung um den Klosterberg. Zu Besuch bei der Heiligen Odilie“.

Mont Sainte Odile

 

 

 

Über Klingenthal mit seiner traditionsreichen Waffenfabrik erreichen wir Heiligenstein, ein typisch elsässisches Dörfchen am Fuße des Odilienbergs an der Route des Vins d´Alsace.

Domaine Meckert, Heiligenstein, Route des Vins d´Alsace

 

Für WeinliebhaberInnen ein absolutes Muss. Mit einem Wein, der nur hier angebaut werden darf: Klevener de Heiligenstein. Ein Weißwein in den Varianten trocken, halbtrocken und mit hoher Restsüße, hervorragend als Aperitif geeignet. Die Domaine Meckert Michel baut bereits in der sechsten Generation Weine an. Und wird es wohl auch weiterhin tun. Jedes Jahr werden 120.000 Flaschen abgefüllt. Bio und zu guten Preisen.

Nach einer kleinen Weinprobe im gemütlichen Verkaufsraum steht unser Favorit fest: Klevener de Heiligenstein Clos Schwendehiesel 2016, halbtrocken. Ein wunderbar würziger, dabei ausgewogener Weißwein mit leichter Zimtnote. Gewonnen aus der Rebsorte Savagnin rosé; die Trauben sind nämlich rötlich. Die Spezialität des Dorfes, seit 1742 angebaut auf nur 97 ha rund um Heiligenstein. An einem Südhang am Ortseingang, 250 m über dem Meeresspiegel, liegt der Weinberg. Der Boden besteht aus Kieseln, Ton und Sandstein. Die Beratung durch den Hausherrn persönlich ist zurückhaltend freundlich und fachkundig. Hier wird einem nichts aufgedrängt. Die Weine sprechen für sich selbst. Familie Meckert ist stolz auf ihre Arbeit, ihre Erzeugnisse. Das merkt man.

Monsieur Meckert bei einer Weinprobe, Heiligenstein, Klevener de Heiligenstein, Routes des Vins d´Alsace, Elsass, Mont Sainte Odile
Monsieur Meckert bei der Arbeit

Delikate Eaux-de-Vie-Spezialitäten der Domaine Meckert sind Marc de Klevener de Heiligenstein, Marc de Gewurztraminer oder Marc de Muscat. Auch Honig und Marmeladen stehen zum Verkauf.

Zuhause genießen wir unseren Klevener de Heiligenstein. Mit Baguette und einem Tome d´Alsace. Mein Mann wird später behaupten, er habe eine leicht psychedelische Wirkung verspürt…

Messti Klevener de Heiligenstein
Besucht mich auf Pinterest!

Einmal im Jahr findet in Heiligenstein ein Weinfest statt mit Verkostung und allerlei Unterhaltung. Ein kleines, lustiges Volksfest, das einem Einblicke in elsässische Kultur und Gastfreundschaft gibt. Übernachten und gut essen kann man im Relais du Klevener

Ausführliche Reisetipps samt Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants findet ihr hier und hier. Fahrt mal hin. Gönnt euch a psychedelic weekend!

Eure Stina

(Photos (außer Wirtshausschild mit Elsässern, Canva) und Texte von Julclub)

 

Strasbourg im Regen – es glänzt der Asphalt

Design in Les Halles, Strasbourg

Wird es uns heute lieben? Die Rede ist von Strasbourg und die Frage stellen mein Mann und ich uns jedes Mal, wenn wir die Stadt besuchen. Denn nicht immer tut sie das. Mal erstrahlt sie in warmherzigem Miteinander, mal zeigt sie sich arrogant, beinahe abweisend. Oder sind wir es, die zu langsam geworden sind für die junge Stadt in Fachwerk?

Einkaufsstraße
Einkaufen im Viertel der Pâtisserie Christian

Ganz gegen unsere Gewohnheit – am Musée Moderne zu parken – hatten wir unseren Wagen gestern im Parkhaus Place les Halles abgestellt. Wo wir schon mal hier waren, schlenderten wir durch das angeschlossene Einkaufszentrum und genehmigten uns einen Kaffee in einem auf altelsässisch getrimmten Café. Bis die Servicekräfte ihre Aufgaben ausdiskutiert sowie den Posteingang ihrer Handys gecheckt hatten, strebten sechs Gäste schon wieder unverrichteter Dinge dem Ausgang zu. Und unser Kaffee war nur noch lauwarm, als er endlich bei uns ankam. Dabei hätten wir der recht spröden Brezel gerne geholfen, ihren Weg in unseren Magen mit Hilfe von etwas Flüssigem zu finden.

Spaciges in Les Halles Strasbourg / Straßburg Design
Les Halles – Spacig

„Liebt uns Straßbourg heute?“, fragte mein Mann mit zitroniger Miene. Wir schüttelten uns, pusteten dabei kräftig das Yang aus den Lungen und setzten unseren Weg fort, fest davon überzeugt, dass die Stadt uns ab jetzt lieben müsse. Tatsächlich gibt es in diesem Einkaufszentrum – in dem wirklich jede verkaufsstarke Ladenkette vertreten ist – ein paar interessante Designideen zu bewundern. Architektonischer Art. Von Graffities bis Space-Ambiente – man muss nur die Augen von den angebotenen Herrlichkeiten lösen und auf die Kunst, die sich nützlich macht, richten – hier hat sich jemand Gedanken gemacht.

Design Vogel Les Halles
Wären beinahe daran vorbeigelaufen – aber: Wow!

Les Halles Sitze
Verschnaufen in Apfelgrün

Shopping Design beflügelt
Shopping beflügelt

Selbst die Toiletten waren gestylt, allerdings brauchte es die nette Hygienebeauftragte, damit die Besucher die Schranke passieren konnten, ohne unverrichteter Dinge wieder abzuziehen oder gar innere Verletzungen durch das digitale Drehkreuz zu erleiden. 50 Cent gab´s als Bon für 50 Cent Eintritt. Die Einlöse-Vorgaben allerdings waren so kompliziert, dass wir die Tickets schließlich ungenutzt in den Untiefen unsere Portemonnaies versinken ließen.

Nachdem sich die Schiebetüren des Einkaufs-Palastes lautlos hinter uns geschlossen hatten, liefen wir an haufenweise ansprechenden Gaststätten und Cafés vorbei, in denen wir lieber unseren Kaffee getrunken hätten. Rechter Hand lag das Bahnhofsviertel, doch wir gingen geradeaus Richtung Place Kléber. Ab jetzt waren wir auf Designtour. Auf Einkaufs-Center-Designtour im Regen, denn Einkaufs-Zentren sind praktischerweise überdacht.

Das Einkaufscenter L´Aubette am Place Kléber: Magisch angezogen vom hypermodernen Apple-Store tauchten wir ein ins Jahr 2018 mit seinen superteuren Mobiltelefonen und computergesteuerten Nachtleuchten für Kleinkinder.

Appelstore Straßburg
Der Apple-Store

Doch halt, wir wollten den Blick nach oben richten: Wunderbare Gewölbe, erlesene Details alter Bausubstanz. Und ein mittelalterlich anmutender Steindrache. Was will man mehr! Ja, Strasbourg, das war eindeutig, liebte uns!

L´Aubette, Place Kléber
L´Aubette, Place Kléber

Wach-Drache, L´Aubette
Wach-Drache, L´Aubette

Über den Place Kléber in ein schönes Geschäft namens Labonal, 5, Rue de l’Outre, wo ich  ein paar Söckchen für meine Schwiegermutter erstand. Die Verkäuferin – elegant, kompetent und freundlich – vermittelte mir das Gefühl, etwas wirklich Erlesenes erstanden zu haben. Konnte man das toppen? Wie eine Erscheinung aus Zuckerbäckerhausen tauchte beim Verlassen der Sockerie die Pâtisserie Christian, 12 Rue de l’Outre, auf, rosa, beige, lachsfarben bemalt, mit glänzenden Törtchen in der Auslage.

Patisserie Christian
Patisserie Christian. Hinten rechts mein Dôme.

Kaufte ein hochpreisiges aber delikates Mirabelleneis für meinen Liebsten und ein Dôme au caramel für mich. Für zuhause. Strasbourg, ich liebe dich!

Zurück auf dem Place Kléber fing uns der Rummel an zu nerven. Dagegen gibt es ein Rezept: Hebt die Augen und ihr werdet ein anderes Straßburg entdecken, auch – oder gerade – wenn es regnet. Oder fahrt nach Hause. Was auch wir – mit vor Wasser triefenden Jackenärmeln – taten.

Pâtisserie Christian und kleine Boulangerie
Pâtisserie Christian und kleine Boulangerie

Also Richtung Vogesen. In einem Einkaufs-Centrum bei Marlenheim (Hallo?!!? Wir waren auf Center-Tour!) frische Muscheln entdeckt. Perfekt für unser Abendessen (Rezept alsbald unter Stinas Moules frites)

Zuhause packte ich das hübsche türkisfarbene Päckchen von Christian aus.

Mein karamelisierter Dôme bestand aus Mousse au chocolat. Ich wollte Karamell!!! Nun ja, die Mousse zerging dann doch untadelig auf der Zunge.

Liebte uns Strasbourg gestern? Ich bin mir wirklich nicht so sicher…

(Alle Fotos in diesem Beitrag von Julclub)

 

Kaffeetrinken mit Wichtelmädchen Cathy

Etwas für Elsass-LiebhaberInnen. Klar, Cathy ist Elsässerin und Wichtel. Entstanden ist sie, als wir das Logo für ein Gasthaus von Freunden entwarfen. Wir, das sind Stina und Steve in einem mobilen Atellier im Saarland und den Vogesen. Ganz einfach Julclub! Gemalt mit Filzstiften, Wachsmalkreiden und Buntstiften lassen wir unsere Hopla-Designs auf Kaffeebecher drucken, und zwar beidseitig (außer Hoppla s´kougelt). Achtung: Der Slogan wurde auf „Hopla“ mit einem „p“ abgeändert, da dies dem Elsässischen Wörterbuch entspricht. Schaut auch gerne mal bei Pinterest unter„tassen elsass“ rein! Hier findet ihr auch weitere Rezepte und Pinnwände zu Elsass, Vogesen und Skandinavien.

Seht euch auch die Serie mit den anderen Wichteln an!

Bis bald

Eure Stina

(Alle Fotos in diesem Beitrag von Julclub)