We all live in a yellow submarine oder don´ t panic, it´ s organic

Resonances foire Strasbourg Latimeria Finlande foire exposition

Beherzt gedrechselte Holzpferdchen neben hippem Silikonschmuck? Geht das? Résonances, die Kunsthandwerkmesse im elsässischen Strasbourg zeigt, wie´ s gelingt. „Mitschwingen oder Mittönen eines Körpers mit einem anderen“, so lautet die Erklärung für Resonanzen. In der Physik, in der Musik. In Straßburg nun auch zwischen Kunst, Handwerk, Fiktion und Funktion, Erde und Mensch. Eine kreative Explosion, die nach außen drängt, Ausdruck findet für das, was im Innern lange rumorte, brauste, brodelte. Will sagen: Es gab extrem was auf die Augen. 178 internationale Kunstschaffende und -handwerkerInnen trafen sich zu einem illustren Salon européen des métiers d´ art, um zu zeigen, was sich alles aus Metall, Papier, Glas, Ton, Leder, Wolle und anderen – mir bislang nur von diversen Zahnarztbesuchen geläufigen Materialien – erschaffen lässt. Dass dabei auch besagte Holzpferdchen aus elsässischer Produktion nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Obgleich hier nur die Crème de la Crème wunderschön zart bemalter Holztiere brav im Regal verharrte um möglichst bald ein neues Zuhause zu finden. In einem anderen Regal. Wenn´ s gut läuft, in einem Kinderzimmer.

Ansonsten allenthalben ungezügelter Farbenrausch. Allen voran die Designenden. In intellektuellem Schwarz oder paradiesvogelbunter Gewandung harmonierten manche von ihnen gar so sehr mit ihren Werken, dass sie selbst zum Kunstobjekt stilisierten. Alle sehr freundlich und kultiviert, irgendwie gediegen. Angenehm. Enfants terribles toben anderswo.

Beherrschendes Thema war dieses Jahr, ganz klar: La Mer! Korallenriffs aus Porzellan, moränengleiche Röhren, scheinbar pulsierende Drüsen aus Stoff konkurrierten mit artifiziellen Seepferdchen, Kugelfischen sowie manch maritimen Ungeheuer. Überhaupt die Natur: Undurchdringliche Wälder zogen den Betrachtenden in schlingendes Grün, purpurrote Fliegenpilzkolonien, schimmernde Seerosenteiche, Hasen mit Schildkrötenpanzer, quirlige Eichhörnchen lockten uns in unergründliches Dickicht, dunkle Höhlen, Wagemutiges, Rundes, Organisches. All überall Getöpfertes für den umweltbewussten Tisch in erdigen, manchmal auch wasserblauen Tönen, zuweilen ungewohntem Pastellrosa, Teppiche, so dick, dass man glaubt, das Schaf noch blöken zu hören, welches dem Weber die Wolle geschenkt hat. Folgt uns back to nature! Natürlich, auf unserer Erde geht es um die Wurst, die vegane. Da greift eins ins andere.

Woher also nimmt der zurückhaltende, freundliche Finne Juha Luukkonen seine Ideen für sein zierliches Latimeria-Salatbesteck? Aus der Natur. Gibt´ s ja auch ganz viel davon in seinem Heimatland. Auf was sitzen wir diesen Herbst? Auf Kieselsteinen nachempfundenen Filzkissen. Wir öffnen uns. Interieur wird Exterieur. Und umgekehrt. Die farbtiefe, florale Tapete mit hervorlugenden Buschbabies leitet nahtlos zum Kirschlorbeer im Garten über. „Entschuldigung, du hast da einen Käfer am Hals.“ „Mais non, das ist meine neue Kette!“ Wir holen uns Baumstämme ins Haus und bestücken sie mit quallenartigen, schwebenden Papierleuchten. Dass man sich da bisweilen wie bei einem Besuch im Naturkundemuseum vorkommt, ist, denke ich, durchaus gewollt. Filigran ausgestattete Schaukästen entführen uns in eine Welt, die voller Wunder ist. Ein bisschen gruselig auch. Ein Gesamtkunstwerk, das sich im Werk dieser Kreativen in alle Richtungen verzweigt, um dann wieder zusammenzufließen. Nachbildungen menschlicher Organe werden zu unter Glasglocken ausgestellten Preziosen: Ein blutrotes Herz, eine Lunge aus ätherischem Gewebe, die Bläschen aus Pailletten, zart verästelt wie ein Lebewesen aus dem Ozean. Aus dem wir – Nicht vergessen! – alle irgendwann gekrabbelt sind. Perlenbestickte Geschmeide aus Seide, Filz, Silikon oder Metall lassen uns zur Meerjungfrau, wenn nicht gar zur Unterwasserkönigin, mutieren. Schlingpflanzenbewehrtes, schleifenverziertes Schuhwerk, das einer Madame Pompadour zur Ehre gereicht hätte, umschmeichelt kokett unsere Füße. Diese Aufmerksamkeit haben die Hochleister, die uns durch den Alltag tragen, ja auch allemal verdient.

Wunderbar sind auch die japanisch inspirierten Papierkunstwerke. Eine Fleißarbeit, die ihren Preis hat. Nähme man all diese phantastischen Ausgeburten kreativer Köpfe zusammen, ergäbe sich eine überaus prächtige, opulente, magische Komposition, eine Szenerie, der man sich schwer entziehen kann. Sozusagen die Quintessenz all dessen, was auf unsere Erde zu verschwinden droht, weil wir zu doof und zu bequem sind, seine Einzigartigkeit zu erkennen.

Marie Claire Z ERNY: Le bon motif

Erde an Menschheit. Ich habe verstanden: Es geht um Texturen, in Beziehung setzen, unerwartete Kombinationen, Spannungen aus verschiedenen Materialien schaffen, neue Perspektiven eröffnen. Darum ging es bei Kunstschaffenden wohl schon immer. Jedoch so spielerisch, überbordend, achtsam, schillernd, dekadent und gleichzeitig ursprünglich – das ist neu. Hier hat niemand Angst vor Stilverletzungen, hier ist Freude an Farbe, Form und Materie. Das möchte man anfassen, darüberstreichen, auf der Haut fühlen. Und dieser merkwürdige schwarze Hut, den die Dame am Stand von Nelly Bichet Chapeaux trägt, erinnert mich stark an einen Zylinder. Nur umgekehrt. Reminiszenz an Casablanca, den Verrückten Hutmacher? Hauptsache, das Gehirn assoziiert, gerät in Schwingung, zeigt Resonanz. Diese Messe ist wie Alice im Wunderland, Rotkäppchen und der böse Wolf, Jenseits von Afrika, Bernd das Brot, Kuriositätenkabinett und Andy Warhol in einem. Ein Farbenrausch, ein Fest für die Sinne.

Und dann ist da noch die umwerfende Stine von Happy Knit in Kopenhagen. Sie stellt Kleidung, Heimtextilien und Accessoires mit Tiefgang her. So wie den Schal mit den stilisierten Toren, der den Gedanken des Verzeihens sich und anderen gegenüber bestrickt. Dreiecke, die in Kreise übergehen, symbolisieren Trauer. Das Eckige, Schmerzhafte wird zur kostbaren Perle, zum Kleinod, zum Andenken an die Verstorbenen, die so für immer in uns bleiben. Doch das erzählt euch Stine in diesem kleinen Video am besten selbst.

Und da wären wir wieder bei den ziselierten Holzherzchen, Pferdchen und Brezeln der elsässischen Kooperative Alsatrucs, die den MessebesucherInnen entzückte Ah´ s und Oh´ s entlocken. Sie passen mit ihrer Heile-Welt-Attitude genauso auf die Résonances wie die plakative Silikonplastik in grellem Fleischrosa, die man sich – abgesehen vom Preis – nur schwerlich im heimischen Wohnzimmer vorstellen kann. Denn im Wunderland darf alles nebeneinander bestehen, miteinander kommunizieren, sich inspirieren. Den Geschmack – gibt´´´ s nicht. Reden wir doch lieber von Vielfalt. Und dem, was uns eint. Alles, was wir wollen, ist eintauchen, mit der Welt, die uns umgibt, verschmelzen, uns im Farbenrausch verlieren, Neues erfahren, im Wesentlichen wiedergeboren werden. Ist doch NATÜRLICH!

Liebe AusstellerInnen resp. Kunstschaffende, verzeiht, wenn ich nicht allen den ihnen gebührenden Platz in diesem Artikel eingeräumt habe, manchmal sogar nicht mehr wusste, von wem die wundervolle Skulptur, die hübsche Brosche stammte. Daher verlinke ich jetzt mal die Ausstellenden, die offizielle Seite, sowie die Seite für BewerberInnen. Denn vielleicht wollt ja auch ihr Teil des Ganzen werden. Von hier aus könnt ihr euch locker zu den jeweiligen Interessensgebieten durchklicken.

Résonances ist eine Hommage an den genialen wie berühmten Straßburger Manfred Thierry Mugler, einen herausragenden Kreativen der Modebranche. Die Messe fand dieses Jahr zum zehnten Mal statt, widmet sich der Quintessenz des Kunsthandwerks mit einer außergewöhnlichen Auswahl an 180 DesignerInnen aus sieben europäischen Ländern. Auf einer Ausstellungsfläche von 6100 qm werden wegweisende Trends aus den Bereichen Möbel, Dekoration, Skulptur, Mode, Beleuchtung, Grafik und Tischkultur gezeigt. Komplettiert wird die Messe durch Performances, Workshops und Vorträge.

Besucht die nächste Messe!

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Eildieweil ich´s mag: Maison Kammerzell in Strasbourg

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„Geht doch mal ins Kammerzell!“, riet uns meine Freundin Sylvie, deren Großmutter schon am Platz vor der Kathedrale wohnte, da sie einer Familie von Steinmetzen entstammte. Im Schatten des Straßburger Wahrzeichens ein Choucroute essen? Mal ehrlich: Da denkt man doch gleich an überteuerte Touristenfallen. Dennoch. An einem stürmischen Montag im Februar fuhren wir nach Strasbourg um das weltberühmte Choucroute aux poissons von Chefkoch Guy-Pierre Baumann zu kosten. Draußen toste der Sturm, die Schirme bogen sich, ein paar Nonnen segelten mit ihren langen Trachten über den Platz. Nur wenige Touristen hatten sich bei diesem Wetter nach draußen gewagt. Ehrfurchtsgebietend neigt sich das altersdunkle Haus, die Maison Kammerzell, über das normalerweise emsige Treiben auf dem Platz. Direkt gegenüber: La Cathédrale, das Straßburger Münster. Zwei alte Schlachtschiffe, die den Stürmen und Gezeiten der Welt seit langem trotzen.

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Schnuges Dekor

Immer schon hat das Kammerzellhüs, das 1427 erbaut wurde, betuchten Händlern gehört. Zuletzt dem Gemischwarenhändler Phillipe-François Kammerzell, der das Haus zu Beginn des 19. Jahrhunderts sein Eigen nannte und dem es seinen Namen verdankt. Seit 1988 ist das spätgotische Gebäude mit den üppigen Schnitzereien an der Fassade UNESCO-Weltkulturerbe, gilt als das schönste Haus der historischen Altstadt. Hundert Mal sind wir dran vorbeigegangen. Heute werden wir praktisch hineingeweht.

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Zwei alte Schlachtschiffe…

Die buchstäbliche Ruhe nach dem Sturm umfängt uns. Unaufgeregt. Man führt uns an unseren Tisch. Serviert uns einen Pernod, einen Kir mit Crème de cassis. Wir sind im Caveau, der Winstub. Der schönsten Straßburgs, wie es heißt. Irgendwo zwischen mittelalterlicher Schenke und Rittersaal. Ein wenig Canterbury Tales, ja, auch. An Decke und Wänden Fresken des Künstlers Léo Schnug, dem man Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts den Auftrag zur Ausschmückung gab. Siebenundzwanzig Jahre war er da erst alt. Ocker, Weinrot, mattes Grün. Wir befinden uns – so scheint es – inmitten einer mittelalterlichen Buchmalerei. Mein Blick fällt auf Sebastian Brandts Narrenschiff. Nein, die Verrücktheiten der Welt bleiben heute vor der Tür. Ich habe eher den Eindruck von gediegener Entrücktheit. Bin begeistert.

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Stilleben

Persönlich

Ein riesiger, eiserner Kronleuchter taucht das Restaurant in weiches Licht, durch Butzenscheiben fällt helles Grau. Noch weitere Salons gilt es zu entdecken. Einer schöner als der andere. Ich will die anderen Gäste aber nicht stören. Denn hier sitzt man zuweilen ganz für sich. Salon Evêque, der Salon des Bischofs, Salon Vigneron, der Winzer-Salon, der Alkoven… Verbunden durch eine massive Wendeltreppe aus Sandstein, an der entlang sich Ikone an Ikone reiht. Vom französischen Filmsternchen bis Präsident Obama: Alle waren sie hier.

Von Januar bis April lockt das Restaurant mit einem Spezialangebot: Das weltberühmte Choucroute aux poissons, genauer gesagt „aux trois poissons“, das Monsieur Baumann erfunden hat und seitdem wie seinen Augapfel hütet, gibt es dann zum Preis von einem für zwei. Von den Nebentischen duftet es schon verführerisch. Auch wir wollen das Geheimrezept probieren, das von Weitem ein wenig wie Lasagne aussieht. Zwischen drei dünn geschnittenen Lagen Fisch befindet sich das – jawohl – duftige Sauerkraut. Umgeben von einer safrangelben, buttrig-zarten Soße. So unaufdringlich, so delikat. Das Gericht zergeht auf der Zunge. Der Geschmack ist so exquisit, dabei so eindringlich, dass ich ihn noch heute schmecken kann, wenn ich meine Augen schließe. Ein Meisterwerk.

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Kompetent und freundlich: Das Team

Zum Nachtisch gönnen wir uns einen Kougelhopf glacé, eine tarte aux pommes mit den aromatischsten Äpfeln, die ich je gegessen habe. Und natürlich einen café. Ihr wisst, der darf nicht fehlen. Großartig. Wir schwelgen im sanften Licht dieses Nachmittags. Spüren nach. Wenn wir das nur früher gewusst hätten… Herzlichen Dank, Silvie!

Die Maison Kammerzell beherbergt nicht nur das Restaurant, in dem exquisite elsässische Küche zu angemessenen Preisen geboten wird. Im Dachgeschoss gibt es auch ein Hotel mit allem modernen Komfort. Ein bisschen Burgfräulein bzw. Renaissancedame steht eben jeder Frau.

Um Tischreservierung wird gebeten. Sogar die Ankunftszeiten sind vorgegeben, was ich zunächst ein wenig irritierend fand. Sie sind aber wohl der Qualität der Speisen, dem reibungslosen Service geschuldet. Würde man den Touristenströmen ungeplant Einlass gewähren, wäre es wohl um das Wohl der Pilger – Pardon! – Gäste geschehen. Gerade ein Narrenschiff wie Straßburg mit seinem unablässigen Strom an Touristen muss schließlich in ruhiges Fahrwasser gesteuert werden.

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Brat mir keinen Storch…

Fahrt mal hin und lasst euch verzaubern

Eure Stina

 

 

À la recherche du thé des muses

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Manchmal sind es die kleinen Trips, die den nachhaltigsten Eindruck machen. Von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hasten? Heute mal nicht. Platz nehmen, schauen, innehalten, sich ganz einfach treiben lassen. Dinge entdecken, nach denen man nicht gesucht hat, die aber guttun, den Blick öffnen.

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Gare Centrale de Strasbourg

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Tor zum Paradies?

Los geht´s vom Parkhaus Sainte Aurélie, 1 Boulevard de Metz, 67000 Strasbourg, 2 Minuten vom Bahnhof entfernt. Als Startpunkt untypisch für uns, aber heute soll es so sein. Im Bahnhofsviertel herrscht lebhaftes Gewusel, internationale Geschäftigkeit, Damen in Chanel ziehen chicke Trolleys hinter sich her, Yuppies in hippen Anzügen (sind die nicht irgendwie zu klein?) rennen, das Handy am Ohr, zum nächsten Geschäftstermin, Kleinkriminelle warten ebenfalls auf Kunden. Bahnhof eben. Wir bewundern – Jah RastafarI! – die exotischen Auslagen der kleinen Shops, erschnuppern exotische Gewürze, bestaunen orientalische Hochzeitskleider, schlendern langsam Richtung Zentrum, vorbei an Graffitis, auf Stromkästen, Mülltonnen, Häuserwänden.

Von der Muse geküsst

Unser Ziel: Das Le Thé des Muse in der Straßburger Innenstadt, genauer gesagt, in einer Seitenstraße der Grand Rue, jenem Eldorado für Shopping-Begeisterte.

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Der erste Mönch auf dem Weg zur Kathedrale

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Tee wollen wir trinken. Am liebsten grünen. Und hier gibt´s den besten. Wochentags ist es hier lauschig. Hat man Glück, erwischt man einen Sitzplatz mit Blick auf den kleinen, irgendwie exotisch anmutenden Innenhof. Jetzt, am Samstagnachmittag finden wir kaum einen freien Tisch.  Zum Glück navigiert uns ein freundlicher junger Mitarbeiter zwischen Tischchen, bequemen Sesseln hindurch zu unserer kleinen Oase inmitten der pulsierenden Großstadt. Keine Frage, Le Thé des Muses ist in. Man plaudert, diskutiert, sinniert, nippt einfach nur glücklich an seinem Tee. Genießt ein Stück hausgebackenen Kuchen. Natürlich kann man den Tee hier auch kaufen und zuhause genießen. Das passende Equipment – Tassen, Kannen, Teefilter – inklusive. Oder man bestellt ganz einfach via Internet.

Das Thé des Muses in Straßburg ist in.

Das Sortiment ist hervorragend sortiert, komponiert, wird stilvoll präsentiert, im Kännchen serviert und überrascht mit seinen mal wilden, mal zarten, mal oppulenten Aromen. Wer kann schon einem Automne à Pushkar, einem Tee namens Après la Pluie oder einem Les Bains de Smyrne widerstehen? Passend zur Jahres- bzw. Festzeit werden spannende Tee-Kompositionen angeboten. Wie wäre es zur Weihnachtszeit mit ein wenig Du Bonheur pour nous? Eine Mischung aus aromatisiertem Grüntee „construit autour de la mangue, de fruits de la passion et de fruits rouges, relevé d’une note de gingembre, adouci par des touches de lotus et de rose. Il évoque une sensualité faite de douceur et de passion, d’élégance et de charme.“ – so beschreibt es die Internetseite des Le Thé des Muses durchaus poetisch. Und wer möchte nicht Le Secret de Tante Berthe – das Geheimnis von Tante Bertha – in Form einer Kräuterteemischung aus u.a. Zimt, Basilikum und grünem Anis ergründen? Ob Grüntee, Schwarztee, weißer Tee, Kräutertee, Rooibos-Tee, Mate, Bio – die Auswahl fällt schwer. Zum Glück hat man Zeit – im Thé des Muses.

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Au Thé des Muses à Strasbourg

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Une muse…

Übrigens: Das Thé des Muses veranstaltet auch wechselnde Kunstausstellungen. Die ganze Vielfalt des Le Thé des Muses findet ihr auf der Website des Unternehmens. Dort ist auch jeder Tee ausführlichst beschrieben. Aber welch Glück, die Ziehzeit des Tees vor Ort mithilfe eines Eierührchens selbst einzustellen… Jeder Tee braucht fünf Minuten? Beutel rein, Beutel raus? Au contraire! Jeder Tee hat seine ganz speziellen Bedürfnisse. Hier wird Teetrinken zelebriert. Und gleichzeitig die hohe Kunst der Gelassenheit.

Ein kleiner Hund…

Vom Tee beseelt, von der Muse geküsst beschließen wir einem ganz besonderen Kleinod mittelalterlicher Baukunst einen Besuch abzustatten. Dazu müssen wir zum Straßburger Münster. Wer genau hinschaut, entdeckt dort, am Aufgang zur Kanzel, einen kleinen Hund aus Sandstein. Die Augen geschlossen, fast ein wenig trutzig, liegt er dort seit mehr als 500 Jahren. Ausharren, das musste er auch. Denn er begleitete sein Herrchen Jean Geiler von Kaysersberg, den berühmtesten Prediger des ausgehenden Mittelalters, auf die Kanzel, wenn dieser seine donnernden, oftmals vor Ironie triefenden Predigten hielt. Die schrieb er übrigens auf Latein, hielt sie aber auf Deutsch, damit die Botschaft auch ankam. Ein geistiger Waffenbruder Martin Luthers also. Und weil der Steinboden des Münsters gar so kalt war, legte sich das Hündchen mit Vorliebe über die Füße seines Herrn, der sich dadurch in seinem Redefluss nicht beirren ließ. Im Gegenteil: Je wärmer die Füße, desto länger die Predigt. Ob die Gläubigen tatsächlich, wenn ihnen der Sermon zu lang wurde, an der Leine zogen, der Hund daraufhin zu bellen anfing, und Geiler sich besann, gehört zu den kauzigen Geschichten rund um die Kathedrale. Rücken an Rücken dösen, ebenfalls an der Kanzel, ein steinerner Mann samt Frau vor sich hin. Könnte es sein, dass selbst die flammendste Rede ein Ende finden muss?

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Das Hündchen also: Generationen von Besuchern haben dem kleinen Tierchen seitdem über den Kopf gestreichelt um sich etwas zu wünschen. Ganz glatt, glänzend wie eine Speckschwarte ist es schon, das Köpfchen. Geht das so weiter, verschwindet der treue Kumpan irgendwann ganz. Vor lauter Streicheln und Wünschen. Also: Bitte nicht streicheln. Das Hündchen erkennt auch so eure Wünsche. Reicht, wenn ihr ein kleines Gebet für den Kleinen sprecht.

Die Kanzel wurde übrigens eigens für Magister von Kaysersberg gebaut. Stellt sich die Frage, ob das Hündchen nachträglich – aufgrund seiner sonntäglichen Schlafgewohnheiten – in den Sandstein gemeißelt wurde, oder ob nicht doch eine andere Theorie vorzuziehen ist. Sollte es ein Verweis des Baumeisters auf die Dominikaner sein, ein steingewordenes Wortspiel also: Dominis canis = Hund des Herrn, oder gar eine Reminiszens an Sankt Remigius, der seinen Gott angeblich so treu erwartete wie ein Hund seinen Herrn?

Wie dem auch sei, hübscher ist die Geschichte mit Geilers treuem Gefährten. Und ja, auch uns juckt es in den Fingern ihn zu streicheln und dabei einen Wunsch in den Orbit zu senden. Aber, wir haben eine Replik des Hundes im münstereigenen Shop gekauft. Jetzt schläft der Kleine bei uns zuhause, wird gestreichelt und hat es warm.

Wer war jetzt dieser Johann (Jean) Geiler von Kaysersberg, der mit dem geilen Namen? 1445 in Schaffhausen geboren, im elsässischen Kaysersberg aufgewachsen, studierte er in Freiburg und Basel, wurde sogar Rektor der Universität Freiburg. Ab 1478 predigte er in Straßburg, Von 1486 bis zu seinem Tod 1510 hielt er als Prediger die Schäfchen im Straßburger Münster in Atem. Leider ließ auch er sich von der allgemeinen Hysterie der Hexenverfolgungen mitreißen. Berühmt geworden sind seine wortgewandten Ausführungen zum Thema Milchhexen. Wenigstens sah er in den als Hexen Verfolgten nicht das grundsätzlich Böse, sondern betrachtete sie „nur“ als vom Teufel Verführte. Eine Art abgestufter (?) Hexenwahn also. Im Ergebnis war das für die Ärmsten, die auf dem Scheiterhaufen landeten, wohl dasselbe.

Wer mehr über die Geschichten rund um das Straßburger Münster lesen möchte, dem sei folgendes – dreisprachiges – Buch empfohlen: Sûzel Pailhes: Petites histoires de la Cathédrale de Strasbourg

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Langsam werden wir müde. Zurück also zum Parkhaus über den Place Kléber. Um uns herum samstägliche Hektik. Wir flanieren durch die Menge, lassen uns treiben. Kein Shoppingfieber heute, nur Tee, Hündchen und… eben Samstag.

Samstagnachmittag in Straßburg: Place Kléber und Umgebung
Samstagnachmittag in Straßburg: Place Kléber und Umgebung

Place Kléber. Strasbourg Straßburg, Blumenstand

Zuhause genießen wir das Detoxbrot, das wir, nebst einem Riesenkürbis, auf dem Weg nach Straßburg in Furdenheim an einem Bauernstand gekauft haben. Kohlrabenschwarzes Brot mit Datteln, Rosinen und Nüssen. Interessant. Dazu ein Tome d´Alsace und ein Glas Klevener de Heiligenstein. (Siehe mein Artikel über den Mont Sainte Odile!) Noch eine Entdeckung. Detox hin oder her: Besser geht´s nicht.

Gewöhnungsbedürftig aber lecker: Detoxbrot à la Furdenheim
Gewöhnungsbedürftig aber lecker: Detoxbrot à la Furdenheim

Lasst euch mal wieder von der Muse küssen

Eure Stina

Strasbourg im Regen – es glänzt der Asphalt

Design in Les Halles, Strasbourg

Wird es uns heute lieben? Die Rede ist von Strasbourg und die Frage stellen mein Mann und ich uns jedes Mal, wenn wir die Stadt besuchen. Denn nicht immer tut sie das. Mal erstrahlt sie in warmherzigem Miteinander, mal zeigt sie sich arrogant, beinahe abweisend. Oder sind wir es, die zu langsam geworden sind für die junge Stadt in Fachwerk?

Einkaufsstraße
Einkaufen im Viertel der Pâtisserie Christian

Ganz gegen unsere Gewohnheit – am Musée Moderne zu parken – hatten wir unseren Wagen gestern im Parkhaus Place les Halles abgestellt. Wo wir schon mal hier waren, schlenderten wir durch das angeschlossene Einkaufszentrum und genehmigten uns einen Kaffee in einem auf altelsässisch getrimmten Café. Bis die Servicekräfte ihre Aufgaben ausdiskutiert sowie den Posteingang ihrer Handys gecheckt hatten, strebten sechs Gäste schon wieder unverrichteter Dinge dem Ausgang zu. Und unser Kaffee war nur noch lauwarm, als er endlich bei uns ankam. Dabei hätten wir der recht spröden Brezel gerne geholfen, ihren Weg in unseren Magen mit Hilfe von etwas Flüssigem zu finden.

Spaciges in Les Halles Strasbourg / Straßburg Design
Les Halles – Spacig

„Liebt uns Straßbourg heute?“, fragte mein Mann mit zitroniger Miene. Wir schüttelten uns, pusteten dabei kräftig das Yang aus den Lungen und setzten unseren Weg fort, fest davon überzeugt, dass die Stadt uns ab jetzt lieben müsse. Tatsächlich gibt es in diesem Einkaufszentrum – in dem wirklich jede verkaufsstarke Ladenkette vertreten ist – ein paar interessante Designideen zu bewundern. Architektonischer Art. Von Graffities bis Space-Ambiente – man muss nur die Augen von den angebotenen Herrlichkeiten lösen und auf die Kunst, die sich nützlich macht, richten – hier hat sich jemand Gedanken gemacht.

Design Vogel Les Halles
Wären beinahe daran vorbeigelaufen – aber: Wow!

Les Halles Sitze
Verschnaufen in Apfelgrün

Shopping Design beflügelt
Shopping beflügelt

Selbst die Toiletten waren gestylt, allerdings brauchte es die nette Hygienebeauftragte, damit die Besucher die Schranke passieren konnten, ohne unverrichteter Dinge wieder abzuziehen oder gar innere Verletzungen durch das digitale Drehkreuz zu erleiden. 50 Cent gab´s als Bon für 50 Cent Eintritt. Die Einlöse-Vorgaben allerdings waren so kompliziert, dass wir die Tickets schließlich ungenutzt in den Untiefen unsere Portemonnaies versinken ließen.

Nachdem sich die Schiebetüren des Einkaufs-Palastes lautlos hinter uns geschlossen hatten, liefen wir an haufenweise ansprechenden Gaststätten und Cafés vorbei, in denen wir lieber unseren Kaffee getrunken hätten. Rechter Hand lag das Bahnhofsviertel, doch wir gingen geradeaus Richtung Place Kléber. Ab jetzt waren wir auf Designtour. Auf Einkaufs-Center-Designtour im Regen, denn Einkaufs-Zentren sind praktischerweise überdacht.

Das Einkaufscenter L´Aubette am Place Kléber: Magisch angezogen vom hypermodernen Apple-Store tauchten wir ein ins Jahr 2018 mit seinen superteuren Mobiltelefonen und computergesteuerten Nachtleuchten für Kleinkinder.

Appelstore Straßburg
Der Apple-Store

Doch halt, wir wollten den Blick nach oben richten: Wunderbare Gewölbe, erlesene Details alter Bausubstanz. Und ein mittelalterlich anmutender Steindrache. Was will man mehr! Ja, Strasbourg, das war eindeutig, liebte uns!

L´Aubette, Place Kléber
L´Aubette, Place Kléber

Wach-Drache, L´Aubette
Wach-Drache, L´Aubette

Über den Place Kléber in ein schönes Geschäft namens Labonal, 5, Rue de l’Outre, wo ich  ein paar Söckchen für meine Schwiegermutter erstand. Die Verkäuferin – elegant, kompetent und freundlich – vermittelte mir das Gefühl, etwas wirklich Erlesenes erstanden zu haben. Konnte man das toppen? Wie eine Erscheinung aus Zuckerbäckerhausen tauchte beim Verlassen der Sockerie die Pâtisserie Christian, 12 Rue de l’Outre, auf, rosa, beige, lachsfarben bemalt, mit glänzenden Törtchen in der Auslage.

Patisserie Christian
Patisserie Christian. Hinten rechts mein Dôme.

Kaufte ein hochpreisiges aber delikates Mirabelleneis für meinen Liebsten und ein Dôme au caramel für mich. Für zuhause. Strasbourg, ich liebe dich!

Zurück auf dem Place Kléber fing uns der Rummel an zu nerven. Dagegen gibt es ein Rezept: Hebt die Augen und ihr werdet ein anderes Straßburg entdecken, auch – oder gerade – wenn es regnet. Oder fahrt nach Hause. Was auch wir – mit vor Wasser triefenden Jackenärmeln – taten.

Pâtisserie Christian und kleine Boulangerie
Pâtisserie Christian und kleine Boulangerie

Also Richtung Vogesen. In einem Einkaufs-Centrum bei Marlenheim (Hallo?!!? Wir waren auf Center-Tour!) frische Muscheln entdeckt. Perfekt für unser Abendessen (Rezept alsbald unter Stinas Moules frites)

Zuhause packte ich das hübsche türkisfarbene Päckchen von Christian aus.

Mein karamelisierter Dôme bestand aus Mousse au chocolat. Ich wollte Karamell!!! Nun ja, die Mousse zerging dann doch untadelig auf der Zunge.

Liebte uns Strasbourg gestern? Ich bin mir wirklich nicht so sicher…

(Alle Fotos in diesem Beitrag von Julclub)