Saint Quirin – Kleine Perle in den Nordvogesen

Saint Quirin auverreluisant glasmanufaktur nordvogesen mannele

Ich weiß im Grunde gar nicht so genau, warum ich Saint Quirin im Département Moselle so mag. Weder verzückt es mit mittelalterlichen Fachwerkornamenten, noch gewinnt es den sprichwörtlichen Blumentopf mit überbordenden Geranien vor den Fenstern. Es kommt eher mit rauem Charme daher. Trotzdem wurde die Gemeinde zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs gewählt. Meiner Meinung nach zu Recht. Vielleicht wegen des sehr überschaubaren Tourismus, der Saint Quirin belebt und motiviert jedoch nicht überformt. Vielleicht, weil man spürt, dass hier Menschen wohnen, die ihr Dorf lieben. Dabei gibt es hier längst keine Boulangerie mehr, sondern nur noch ein kleines Brotdepot im Bureau d’Information Touristique, das sich in der Mairie befindet. Denn ohne Flûte und Baguette geht auch in Saint Quirin gar nichts. Und wer mal eine Wildschweinterrinne oder Honig direkt vom Erzeuger braucht, findet das Gesuchte in der kleinen Épicerie, die dort ebenfalls untergebracht ist. Im Café des Vosges/Bar Tabac werden dafür immer noch ein cremiger Café au Lait oder ein ehrlicher Pastis serviert. Auf unspektakuläre, aber sehr französische, ja, auch vogesische Weise. Ein Restaurant, Atelier Food, für den OttoNormalVerbraucher ist ebenfalls sur place. Sowie ein Gourmetrestaurant, immerhin im Guide Michelin erwähnt: Die elegante Hostellerie du Prieuré. Und dann sind da noch die niedlichen Kanälchen, die Saint Quirin mit seinen Kopfsteinpflaster-Gässchen durchziehen, auf denen es sich so verträumt schlendern lässt. Ein Mini-Mini-Venedig sozusagen. In der Wunderquelle des heiligen Quirinus können PilgerInnen ihre müden Füßen baden, bewacht vom steinernen Äquivalent des stämmigen Soldaten, der seinerzeit vom Gefängnisaufseher zum Märtyrer avancierte, als ihn Kaiser Hadrian enthaupten ließ. Besonders wundertätig soll sich die Source Miraculeuse auf Skrofulose, eine Hautkrankheit, auswirken. Für einen so kleinen Ort ebenfalls bemerkenswert: Die Prioratskirche mit ihren drei markanten, für Lothringen untypischen Zwiebeltürmen. Das alles überragende Bauwerk punktet mit einem Gutteil von Quirinus´ Gebeinen, außerdem einer Silbermannorgel, die regelmäßig für Konzerte bespielt wird. Im Kuriengarten könnt ihr von rührigen Dorfbewohnern hergestellte Dekoobjekte in einem Gewürzkräuter- und Blumengarten bestaunen, bevor ihr dann den ältesten Ortsteil, das Croix Guillaume, erkundet. Die Überreste der gallo-romanischen Siedlung stammen aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Über einen kleinen Waldweg erreicht ihr die leichte Anhöhe fast ohne Anstrengung. Umgeben ist Saint Quirin von dunklen Vogesenwäldern, nicht weit entfernt befindet sich der sagenumwobene Donon. Warum also nicht nach einer Wanderung in Saint Quirin das süße Leben genießen? Und wenn es nur ein Café au Lait im Sonnenschein wäre…

Saint-Quirin ist eine französische Gemeinde mit ca. 703 Einwohnern im Département Moselle, Groß-Region Grand Est. Das Vogesendorf wurde mit dem Prädikat Les Plus Beaux Villages de France zu einem der schönsten Frankreichs gekürt. Nicht weniger als 75 denkmalgeschützte Bauwerke nennt es sein Eigen. Zu empfehlen ist der alljährliche Weihnachtsmarkt, bei dem das ganze Dorf mitmacht, wenn es sein muss, als Wichtel. Unten habe ich euch meinen Artikel dazu verlinkt. Mehr über den bemerkenswerten Ort erfahrt ihr hier.

saint quirin Moselle Grand Est

Schon beinahe am Ortsausgang, Richtung Lettenbach, befindet sich ein ganz besonderes Schmankerl: Das Atelier für Glas Au Verre-Luisant. Die Tochter designt und werkelt, die Mutter verkauft. Seit 1999 stellt Anne Holtzer wunderhübsche Glaskunststücke für jeden Geldbeutel her. Besonders mag ich die niedlichen Vitrails, Glasanhänger, die jedes Fenster zum Strahlen bringen. Leider, wie in meinem Fall, auch mahnen, dass das Fenster dringend mal wieder geputzt werden müsste. Wirklich entzückend: Die Mannele, Pfefferkuchenmännlein aus Glas, mit breitem Grinsen, die sich auch als Kühlschrankmagnet gut machen. Angeschlossen an das Atelier ist ein stilvoller, anheimelnder Laden, in dem ihr auch Erzeugnisse anderer KunsthandwerkerInnen erstehen könnt, z.B. herzallerliebste Filzmäuse. In Lila, Beige, Rosa. Die braucht man zwar nicht unbedingt, sind aber gut für die Seele. So wie die hübschen Riesentassen mit den niedlichen Katzen, die Kosmetikbeutelchen mit den lustigen Dackeln, die filigranen Ohrringe und märchenhaften Kolliers. Um nur einiges zu nennen. Je nach Jahreszeit werden Atelier nebst Garten höchst inspirierend dekoriert. Madame Holtzer steht mit ihrem Unternehmen übrigens in einer langen Tradition, denn schon im 16. Jahrhundert siedelten sich in Saint Quirin und Umgebung die ersten Glasmanufakturen an.

Schöner Empfang: Atelier Au Verre Luisant
Idyllisch: Au Verre Luisant, Saint Quirin

Für einen historischen Überblick kann ich euch diesen SR-Artikel wärmstens empfehlen.

Saint Quirin auverreluisant glasmanufaktur nordvogesen phantome halloween
Phantome mit Esprit aus der Verrerie

Schaut´s euch mal an

Stina Julclub Leben bei den Wichteln

Zum Essen fast zu schade: Die Köstlichkeiten der Douceurs des Rohan

Monsieur Fabien de Almeida Chocolatier Douceurs des Rohan Lutzelbourg

Vielleicht habt ihr ja schon einmal eine Schiffstour durch die Schleusen des Rhein-Marne-Kanals gemacht. Oder ihr seid durch die Burgruine Lutzelbourg gestreift, habt den Blick auf die blauen Berge der Nordvogesen genossen, oder sogar der freundlichen Dame am ortseigenen Kiosk eine Crêpe Suzette, einen Café au Lait abgekauft. Gut möglich, dass ihr dann mit euren Spezereien an einem der Picknickplätze Platz genommen, den kleinen Schiffen zugeschaut habt, wie sie durch das Füllen des Schleusenbeckens sachte auf Niveau gehoben werden.

Zarte Versuchung: Guimauves Maison

Bis weit in den Herbst hinein könnt ihr das quirlige Treiben in dem kleinen Nordvogesen-Städtchen am besten von dort aus betrachten. Möchtet ihr etwas essen, so solltet ihr euch an die kleinen Restaurants, Bistros, oder eben jenen Kiosk halten. Psst, ich habe nichts gesagt.

Also, die Bootstour steht noch aus. Alles andere aber ist für meine schwedophilen FreundInnen längst Ritual geworden. Ende August, Anfang September feiern wir nämlich das schwedische Kräftskiva in den Nordvogesen. Tragen Papierhütchen und Lätzchen mit roten Flusskrebsen und Dill drauf. Der Wintergarten ist festlich mit Krebsgirlanden und Lampions geschmückt. Wir singen alte schwedische Volksweisen und klönen. Eine schöne Abwechslung, bevor der Herbst beginnt. Der hat an diesem Samstag nämlich schon mit ziemlich kalten Winden geprahlt, erste bunte Blätter durch die Luft gewirbelt, sodass man die warmen Jacken gut gebrauchen konnte. Der richtige Zeitpunkt also für

Obwohl wir jetzt schon so lange in den Vogesen wohnen, waren mir die bislang entgangen. Erst das Stöbern im Internet hat mich drauf gebracht. Ehrlich, habe mich wie ein Kind im Schokoparadies gefühlt. Womit wieder einmal erwiesen wäre, dass Schokolade in erster Linie glücklich macht. Und verjüngt. Ja genau, man spricht ja auch von Babyspeck. Den habe ich mir noch im fortgeschrittenen Alter bewahrt! Und das wird wohl auch nicht anders werden, solange diese kleine Süßigkeiten-Manufaktur die köstlichsten Köstlichkeiten herstellt. Rohan bezieht sich übrigens nicht auf das Königreich in Mittelerde (obwohl in Lutzelbourg auch Zwerge hergestellt werden), sondern auf ein einflussreiches, französisches Adelsgeschlecht. Ich berichte euch hier also von wahrhaft edlen Gaumenfreuden.

Douceurs des Rohan Schoko Bär Confiserie Chocolaterie Lutzelbourg Vogesen

In einer kleinen Villa, die Einfahrt ein wenig versteckt, befindet sich eine Chocolaterie/Confiserie der Extraklasse. Spitztürmchen und elsässisch Rotweißkariertes inklusive. Ein Märchenschlösschen also. Hier findet ihr alles, was das Schleckermäulchenherz begehrt. Und was uns in dieser Jahreszeit so Schokoladiges in den Sinn kommt. Kommen sollte. Das Douceurs des Rohan also: Neben hochfeiner Grand-Cru-Schokolade könnt ihr Nougat, überzogene Mandeln, Geleewürfel, erlesenste Pralinen, sogar Brotaufstriche und Konfitüren erstehen. Alles handgemacht in der kleinen Manufaktur, in die ihr vom Verkaufsraum aus einen Blick werfen könnt. Dort rühren fachkundige Damen und Herren mit adretten weißen Häubchen auf dem Kopf in großen Töpfen, gießen sahnig Schimmerndes in jene Formen, aus denen später, oh Wunder, Eichhörnchen, Einhörner, Störche, Bärchen, Frankensteins Monster, Gnome, Hexen, Autos, in der Erdumlaufbahn schwebende Astronauten, ziselierte Wichtel und trendige Handtaschen mit rosa Schleife entstehen. Alles aus feinster Schokolade versteht sich.

Douceurs des Rohan, 11, Rue À J Konzett, 57820 Lutzelbourg, FRANCE

Für gleichbleibende Qualität, meisterhaftes Können und Einfallsreichtum bei Geschmack- und Formvollendung stehen Fabien et Laurence de Almeida sowie ihr Sohn Florian, les maîtres confiseurs. Bereits seit zwölf Jahren führen sie die kleine Manufaktur. Und das äußerst erfolgreich. Gerade jetzt, Anfang September, erföffneten sie in Sarrebourg ein zweites Geschäft. Unter den Fliegenpilzen findet ihr den Link zu der prima Webseite der beiden Läden samt Angebot. Dort erfahrt ihr auch, wie alles begann, welches Konzept hinter dem Ganzen steht.

Das vachement freundliche Team der Douceurs des Rohan erklärt euch alles, schickt euch auf Entdeckungsreise in süße, unerforschte Gefilde. Gleich vor Ort gibt es immer etwas zum Probenaschen. Bei einem Spaziergang entlang des Kanals, vielleicht sogar einem Anstieg zur Burg könnt ihr die Pfunde dann wieder purzeln lassen. Auch ein Ausflug zum Rocher de Dabo, einem weithin sichtbaren Felsen samt Kapelle, dazu mit grandioser Aussicht, würde sich als figurfreundlich erweisen. Oder ihr nehmt einfach wieder am Ufer des Kanals Platz und seht den FreizeitkapitänInnen beim mehr oder weniger erfolgreichen Navigieren zu. Während ihr überlegt, ob ihr ein weiteres Stück von der köstlichen Schokolade aus Venezuela abknabbern solltet…

Grand Cru bedeutet bei Schokolade übrigens, dass die verwendeten Kakaobohnen alle aus einem bestimmten geografischen Gebiet stammen.

Aber nochmal zurück zur Schokolade: Klar, an den witzigen Gnomen und glänzenden Fliegenpilzen kommt keiner vorbei. Besonders die Wichtel sind so schön, dass wir uns gar nicht trauen sie zu verputzen (Was aber dennoch irgendwann geschehen wird). Die Fotos von den kleinen Gesellen stammen übrigens von Doerthe, Sabine und Gisela, die so lieb waren, mir ihre Errungenschaften fototechnisch zukommen zu lassen. Bei allem Sagenhaften solltet ihr aber auch unbedingt die Guimauves kosten. Zarte Marshmellows in Frucht- und Blumennuancen. Obwohl der Begriff Marshmellows diese luftigen Kreationen nicht ganz trifft. Denn die pastellfarbenen Würfel, die aus Eibischwurzelsaft hergestellt werden, zergehen auf der Zunge und sind – vips! – verschwunden. Wie das mit süßen Träumen eben so ist.

Na, hab ich euch Lust gemacht, euer Wochenende, euren Vogesenurlaub mit einem Besuch der Douceurs des Rohan zu krönen? Hoffentlich doch!

Übrigens: Douceurs des Rohan ist MOSL-zertifiziert. Unter diesem Gütesiegel sind Handwerksbetriebe, Restaurants uvm. gelistet, die im Département Moselle lokale Produkte auf genuine Art herstellen. Ich glaube, so kann man´s sagen.

Fahrt mal hin!

Stina Julclub Leben bei den Wichteln

Einfach wunderbar: Circuit Scharrach, Rundwanderweg um und über den Scharrachberg bei Scharrachberg-Irmstett im Elsass

Scharrachbergheim-Irmstett_Elsass_Alsace_Wanderung_Sentier_Circuit_Rundwanderweg_Wandern

Lange habe ich nach ihr gesucht, der ultimativen Elsass-Wanderung. Mit wunderschönen Ausblicken auf die blauen Bergkämme von Vogesen und Schwarzwald, hypergrünen Weinbergen, bunten Wiesenblumen und reizenden Fachwerkdörfchen. Et voilà, ich habe sie gefunden, bewandert und für super genial befunden! Als leicht bis mittel würde ich den abwechslungsreichen Rundwanderweg einstufen, also durchaus zu bewältigen, selbst wenn ihr keine Wandercracks seid. Allerdings: Zwei etwas anstrengende, jedoch nicht zu lange Anstiege sowie ein Abstieg, bei dem ihr die Füße etwas höher als gewöhnlich heben müsst, sind zu bewältigen. Festes Schuhwerk setze ich mal voraus. Obwohl ich schon Leute mit Flip-Flops auf Wanderwegen hab langeiern sehn. (Leute, ich denke, das ist mehr was für den Strand.)

Für den Circuit Scharrach solltet ihr euch einen sonnigen Tag aussuchen, da die Ausblicke sonst vielleicht nebelverhangen sind, und das wäre schade. Denn sie sind grandios!

Stefan und Nuri among the coquelicots

Also, nach der langen Regenperiode in diesem Jahr, lockte der 22. Juni zumindest im Nordelsass mit stellenweise ziemlich blauem Himmel. Nur ab und zu zuckelten ein paar weiße Schafswölkchen übers Azur. Merkwürdigerweise sind viel mehr Wolken auf meinen Fotos, als ich wahrgenommen habe. Im Nachhinein werte ich das mal als gutes Zeichen. Für mich war alles sonnig, sonnig, sonnig. Wir fuhren also nach Scharrachbergheim, einem schnuckeligen Fachwerkdörfchen, und begaben uns zum Ancienne Gare, der Bushaltestelle gegenüber dem Restaurant Le Musculus (das Mäuschen), Ausgangspunkt für die Tour mit dem gelben Balken auf der Schautafel. Euer Wandersymbol ist der gelbe Kreis.

Scharrachbergheim-Irmstett_Elsass_Alsace_Wanderung_Sentier_Circuit_Rundwanderweg_Wandern

Wir und Wanderweg-Symbole

Ein besonders spannungsreiches Verhältnis haben wir zu Wanderwegsymbolen. Entweder wir starten in die falsche Richtung, oder Waldarbeiter haben den Baum mit dem kleinen Hinweisschildchen unlängst gefällt, oder wir verlieren die Kreuze, Kreise, Rauten usw. nach einer Weile ganz aus den Augen. Liebe Wanderfreund:Innen, schätze mal, wir sind nicht allein mit dem Problem. Tatsächlich ist auch bezüglich dieses Wanderweges der ein oder andere kleine Sherlock gefragt. Da ihr aber auf diesem Trail irgendwie und im wahrsten Sinne des Wortes auch immer den Überblick behaltet, werdet ihr nicht hungernd, durstig und frierend ins Ziel einhumpeln, sondern euch als strahlende Wanderchampions im Dorfkrug ein (alkoholfreies) Bier hinter die Binde kippen.

So, jetzt ist also Adventure angesagt. Denn wir sind den formidablen Weg ANDERSHERUM gegangen. Haben Schusters Rappen sozusagen von hinten aufgezäumt. Behauptet zumindest mein Mann. Da es ja ein Rundweg ist, muss euch das nicht beunruhigen. Zudem fanden wir in dieser Laufrichtung die Ausblicke schöner. Wer weiß schon, was in seinem Rücken liegt bzw. dreht sich dauernd um? Außerdem liegen die Steigungen so am Anfang, wenn wir noch fit und wohlriechend sind.

Der Weg

Euer Wandersymbol ist also – nochmal – der gelbe Kreis. Ihr steht an eurem Startpunkt, einer großen Schau-Tafel mit der Aufschrift La Porte des Sentiers. Wendet euch nach rechts und geht ein kleines Stück. Ihr gelangt direkt zum Ortsausgang, überquert einen kleinen Fluss. Das müsste die Mossig sein. Dann geht’s rechts ab auf einen Feldweg. Geradeaus, bis ihr nochmals in den Ort (Scharrachbergheim-Irmstett) hineinkommt. Es geht rechts ab, ganz kurz links, dann nochmal nach rechts über eine kleine Brücke. Jetzt überquert ihr die Hauptstraße. Der Weg führt bergauf durch Weinberge. Oben folgt ihr dem Weg mit dem gelben Kringel nach rechts. Hier erwartet euch schon ein erster schöner Ausblick.

Jetzt heißt es aufgepasst. Ihr befindet euch immer noch in Scharrachbergheim-Irmstett. Seid also nur einen Bogen gelaufen. Nachdem ihr die ersten Häuser passiert habt, geht ihr nach rechts Richtung Dorfmitte. Wir hätten uns an dieser Abbiegung unseren gelben Kreis gewünscht; er taucht aber alsbald wieder auf. Ihr lauft also jetzt auf einer Dorfstraße auf die evangelische Kirche, die église protestante zu, die rechterhand liegt. Ihr seht sie überdies schon von weitem.

Geht immer geradeaus. Der Weg führt jetzt in die Weinberge auf der Rue des Vignes. Ein etwas steiler Anstieg, an dessen Anfang liebevoll kleine Gärten angelegt wurden. Linkerhand liegt sogar ein Weingut. Hier könnt ihr schon einen ersten Blick auf das Straßburger Münster werfen, das in der Ferne emporragt.

Auf dem Kamm findet ihr ein Schild mit dem gelben Kreis: Aller – Retour. Bin ich jetzt auf dem Hin- oder schon wieder auf dem Heimweg? Die Verwirrung steigt. Jedoch: Ihr wendet euch nach rechts. Dem Entschlussfreudigen gehört die Welt!

Die französische Gemeinde Scharrachbergheim-Irmstett ist Mitglied der Communauté de Communes Mossig et Vignobles und hat 1280 Einwohner. Sie liegt in der Region Bas-Rhin, westlich von Strasbourg, im Kanton Molsheim, gehört zur Großregion Alsace/Grand Est. Bemerkenswert sind die protestantische Kirche im neugothischen Stil und das hübsche Château de Scharrachbergheim. Scharrachbergheim und Irmstett waren ursprünglich zwei Gemeinden, die zusammengelegt wurden. Daher der Doppelname. Und um Verwirrung zu stiften.

Plötzlich steht ihr in einer Säulenhalle aus Bäumen, die wirklich etwas Sakrales hat. Atmet tief durch und nehmt die Stille in euch auf. In der Baumhalle wendet ihr euch nach rechts, folgt einem kleinen Pfad durch einen kleinen Urwald. Folgt dem Pfad nach links. Ihr kommt zum Scharrachberg, 316 Meter hoch, und habt dort einen schönen Ausblick auf Vogesen und Schwarzwald, umrahmt von duftenden Wiesenblumen. Das gesamte Gebiet gehört zu einer den Vogesen vorgelagerten Hügelkette mit reicher Fauna und Flora.

Vom Scharrachberg aus führt der Pfad nach links. Folgt diesem. Linkerhand findet ihr eine Wiese, die sich für ein Picknick anbietet. Jetzt geht es geradeaus. Ihr lauft wieder auf Weinberge zu. An der nächsten Wegbiegung geht ihr nach rechts bergab. Linkerhand befindet sich, zur Orientierung, ein Spielplatz. Ihr lauft jetzt auf ein Dorf zu, das linkerhand liegt. Es müsste Dahlenheim sein.

Ihr aber geht am Fuße des kleinen Abhangs nicht nach links ins Dorf, sondern geht nach rechts. Ein leichter Anstieg führt euch zum Engelberg, einem renommierten Anbau-Gebiet für Riesling Grand Cru, von wo ihr ebenfalls eine schöne Aussicht habt. Kinder ab sechs Jahre dürfen auf der Seilschlange schaukeln. Natürlich war mein Mann nicht zu halten. Hier gibt es auch Picknickbänke und – tische. Nachdem ihr euch (vielleicht) gestärkt habt, folgt ihr dem Pfad, auf dem ihr gekommen seid, weiter. Linkerhand wandert ihr wieder an den Weinreben des Engelberg vorbei.

Folgt dem gelben Kringel kurz nach rechts. Dann geht es wieder nach links.

Wandert geradeaus. Vorbei an Weinbergen, durch ein Naturschutzgebiet mit wunderschönen, wiesenblumenbewachsenen Böschungen, wirklich grandiosen Ausblicken.

Passt auf, jetzt geht es nämlich nach links einen betonierten Weg zwischen Reben hindurch nach unten. Der gelbe Kringel ist an einem Baum rechts vor euch angebracht, wird aber leider von einem Ast verdeckt, ist also leicht zu übersehen. Auf der anderen Seite des Baumes findet sich auch ein ausgebleichtes Wandersymbol-Schild. Man kann aber nichts mehr drauf erkennen. Und nochmal Achtung: Der Weg ist gerillt, hebt also die Füße an, damit ihr nicht stolpert! Am Fuße des Weges wendet ihr euch nach rechts. Leider haben wir den gelben Kreis nicht mehr gesehen, nur noch rote Symbole. Aber: Nur ein paar Meter weiter wandert ihr entlang einer Stadtmauer, die linkerhand liegt. Ihr seid jetzt wieder/immer noch in Scharrachbergheim. Die erste Gasse nehmt ihr nach links. Ihr erreicht wieder die Hauptstraße. Wendet euch nach links, geht geradeaus, und ihr seid wieder am Ausgangspunkt, gegenüber dem Restaurant mit dem Mäuschen im Emblem.

Die reine Wanderstrecke beträgt ca. 9 km. Dafür braucht ihr im Normalfall 2-2,5 Stunden. Mit Picknicks, Verweilen sowie Bestaunen der herrlichen Ausblicke wird´s natürlich entsprechend länger.

Essen könnt ihr traditionell elsässisch in Scharrachbergheim z.B. im traditionsreichen Le Musculus oder in Kirchheim im Arbre Vert. Hier könnt ihr in den wärmeren Jahreszeiten buchstäblich sogar unter drei grünen Bäumen euer Essen genießen. In Traenheim gibt´s das Restaurant Zum Loejelgucker, das ich sehr empfehlen kann, ebenfalls mit Außenterrasse. Meinen Artikel dazu hab ich euch unten verlinkt.

Der abwechslungsreiche Rundweg hält als kleine Überraschung für Kinder ein Naturquiz auf Tafeln bereit, Größere können etwas über die Weinherstellung auf den Sentiers de Bacchus lernen, die teilweise auf demselben Weg verlaufen.

Wandert`s mal nach!

Stina Julclub Leben bei den Wichteln

Mystischer Wasserwald bei Hultehouse

Wasserwald Hultehouse Nordvogesen Frankreich France vosges du nord wanderungen ballade verstiges

Es gibt Orte, die haben eine ganz besondere Atmosphäre. Hier zwitschern die Vögel lauter, Blätter rascheln geheimnisvoll im Wind, die Strahlen der Sonne wirken wärmer. Euch streift der Atem der Geschichte. Ja, es wird einem ganz spirituell zu Mute. So ein Ort ist die keltisch-römische Siedlung im Wasserwald.

Nasses Moos auf glitschigen Felsen ist gar nicht so selten, jetzt, Ende Januar. Zumal in den Nordvogesen. Immerhin ein Mittelgebirge. Mit bisweilen rauem Charme. Die warme Decke liegt ganz allein zuhause, während mein Mann und ich uns auf einem Felsen, auf meinem Schal, drängeln, die letzten Lebkuchen knabbern und heißen Pfefferminztee trinken. Dackel Nuri inspiziert derweil die Gegend. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre sind wir jetzt schon dem – zumindest am Anfang – gut beschilderten Pfad mit dem gelben Punkt auf den Leim gegangen. Immer hat er uns über unwegsames Gelände, durch matschiges Gras, über rutschige Baumstämme geführt. Man hätte es eigentlich wissen müssen. Mystisch ausgedrückt: Irgendjemand wollte nicht, dass wir so mir nichts dir nichts – oder überhaupt – zum Wasserwald kommen. Einfacher: Wir haben´s vermasselt. Damit euch das nicht passiert, ihr safe and sound am Wasserwald ankommt, findet ihr am Ende des Artikels eine Wegbeschreibung.

Die kleine Ansiedlung ist nämlich ganz leicht über einen gut begehbaren Fußweg von Hultehouse aus zu erreichen. Packt eine Decke zum Draufsitzen ein, eine Thermoskanne mit Tee oder Kaffee und ein paar Brote, Kuchen, Croissants. Was immer euch einfällt. Denn ihr werdet verweilen. Auf den alten Steinmauern sitzen. Durchatmen, zur Ruhe kommen. Auch mal ruhig sein, nicht reden. Eben dem Wald, der Natur, dem besonderen Ort die Kommunikation mit euch überlassen.

Ist das nicht schön? Einfach mal nicht reden!

Die Überreste des Dorfes im Wasserwald aus gallo-römischer Zeit (3. vorchristliches Jahrhundert) befinden sich an der Grenze der Departements Bas-Rhin und Moselle auf einer kleinen Hochebene der Nordvogesen. Die einstigen Bewohner des kleinen gallischen Dorfes gehörten zu dem Stamm der Mediomatriker, die sich erfolgreich gegen die römischen Invasoren (Romans go home!) und deren Kultur zur Wehr setzten. Asterix, ick hör dir trapsen. Sie waren Selbstversorger, lebten das, was historisch gesehen als Kultur der Vogesengipfel gilt.

Seht ihr ihn auch, den blauen Punkt neben unserem kleinen Hund? Muss eine Elfe sein oder so was ähnliches. Natürlich könnt ihr den Wasserwald auch als einen Haufen bemooster Steine, ein paar übriggebliebene Grundmauern betrachten, euch die Sonne auf der Nase tanzen lassen. Aber vielleicht ist da doch noch etwas mehr… Oder ihr stammt, wenn ihr aus dem Saarland kommt, sogar von den ehemaligen Bewohnern, den Mediomatrikern, ab. Ihr seid besonders rebellisch? Allergisch gegen Römertöpfe? Ganz klar: Potentielle Wasserwald-Fans!

Archäologische Fundstücke aus dem Wasserwald könnt ihr übrigens im Musée de Sarrebourg ebendort bestaunen.

Nur ein Haufen alter Steine oder Kraftort? Probiert´s aus!

Wasserwald Hultehous France Frankreich Vosges du nord Nordvogesen gallo romain keltisch römisch ruine siedlung wanderung
Bitte nach links abbiegen!

Ausgangspunkt ist der kleine Weiler Hultehouse oberhalb von Lutzelbourg in den Nordvogesen. Von Lutzelbourg aus schlängelt sich eine Straße nach Hultehouse, die dort in die Hauptstraße übergeht. Dieser folgt Ihr immer weiter nach oben Richtung Chalet Club Vosgien du Limmersberg. An der Kreuzung Rue de la Côté und Route de Dabo seht ihr schon die Wanderwegweiser. Biegt nach links ab. Immer geradeaus, den Berg hoch. Am Wasserhäuschen könnt ihr parken. Oder auch im Ort, der sehr beschaulich ist.

Grenzwertig: Borne

Jetzt wird es ein bisschen tricky. Nur NICHT nach rechts auf den Wasserwaldweg mit dem gelben Punkt abbiegen! Haltet euch links. Der Weg zum Wasserwald war nämlich ehemals mit diesem gekennzeichnet, endet aber im Nirgendwo. Der neue Weg wurde mit dem blau-weißen liegenden Rechteck bzw. dem roten Kreis, und dem grünen Punkt zusammengelegt. Am einfachsten ist es, wenn ihr dem Wegweiser vom Parkplatz am Wasserreservoir aus zum Chalet des Club Vosgien du Limmersberg mit dem gelben Dreieck folgt, am Chalet, das linkerhand liegt, vorbei und immer geradeaus wandert. Ab hier ist der Weg gut ausgeschildert (mittleres Bild) und führt euch schnurgerade zum Wasserwald.

So könnt ihr auch wieder zurückwandern. Auf dem Weg werdet ihr an ein paar interessanten Grenzsteinen aus dem 18. Jahrhundert vorbeikommen, sog. bornes. Für Hin- und Rückweg braucht ihr bei normalem Tempo eine gute Stunde.

Viel Spaß! Grüßt mir die Waldgeister und Ahnen

Stina Julclub Leben bei den Wichteln
#julclubmeinlebenbeidenwichteln

Les délices de la campagne

Warum die Hochebene von Saint Louis in Lothringen einen Besuch wert ist

Es ist vielleicht nicht der spektakulärste Ort am Rande der Nordvogesen, aber die friedvolle Weite der sonnigen Hochebene lohnt einen längeren Spaziergang allemal. Die Rede ist vom lothringischen Saint Louis, das umgeben ist von Weiden, Wiesen und Feldern, kleinen Wäldchen und sonst… recht wenig. Und das ist gut so. So kann man den Blick auf die blauen Berge der Vogesen auch wirklich genießen. Ein knackiger, roter Apfel markiert den Wanderpfad, der gerade durch das Fehlen von Berg und Tal wunderbar kontemplativ wirkt. Obwohl, eine abschüssige Passage bzw. Steigung bleibt euch doch nicht erspart. Entscheiden könnt ihr aber, ob ihr lieber am Anfang aus der Puste kommen, oder am Ende, beim Abwärtsgehen, stramme Waden bekommen möchtet. Findet ihr das Apfel-Symbol erst später, ist das auch nicht schlimm. Im Grunde lenkt die Landschaft eure Füße, trägt euch. Ganz weit weg von allem seid ihr hier. Im wahrsten Sinne des Wortes erhaben über das stressige Gewusel und Gewimmel, welches Menschen sich leider allzu oft abhalten. Ein zwei Bänke gibt es, auf denen ihr verweilen solltet. Am besten mit einer heißen Tasse Tee und etwas mürbem Gebäck. So wird es perfekt. Betrachtet die Kopfweiden, überlegt, was die schon alles gesehen haben mögen. Unter Umständen wohl ebenfalls nicht so viel. Vielleicht sind sie deshalb so alt geworden. Ungefähr in der Mitte eurer Wanderung werdet ihr ein Couvent, einen Konvent finden, der allerdings nicht mehr bewohnt ist. Irgendjemand kümmert sich jedoch. Wohl ein paar rührige DorfbewohnerInnen. Denn da sind junge, gepflegte Bäume und auch das Gebäude selbst macht keinen verlassenen Eindruck. In der kleinen Kapelle, Chapelle Saint-Vincent de Paul, zünden wir eine rote und eine grüne Kerze an. Bei dieser Kombi kann nichts schief gehen. Nur, falls eine Kerzenfarbe einen besseren Draht/Docht nach oben hat.

Saint Louis liegt ca. zehn Kilometer östlich von Sarrebourg, im Nordwesten des Vogesenmassivs, zwischen 215 und 393 m über dem Meeresspiegel. Es gehört zum Departement Moselle des Grand Est, ist Teil des Arrondissement Sarrebourg-Château-Salins und der Pays de Phalsbourg. Freizeitkapitänen wird das Schiffshebewerk in Saint-Louis Arzviller bekannt sein. Nicht weit entfernt liegt natürlich auch das hübsche Städtchen Sarrebourg. 1634, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Saint Louis vollständig zerstört und entvölkert. Will heißen, wer nicht fliehen konnte, wurde getötet. Erst 1705 siedelten hier wieder Menschen. Immer wieder wurde das Dorf in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zerrieben. Heute hat die Gemeinde um die 660 Einwohner, les Ludoviciens, deren Vorfahren aus allen Himmelsrichtungen hierher eingewandert sind. So hat der derzeitige Bürgermeister von Saint Louis, Monsieur Gilbert Fixaris, irische Ahnen! Saint Louis ist ein typisches lothringisches Straßendorf. Die eindrucksvolle Kirche liegt genau im Schnittpunkt der beiden Hauptachsen. Verfahren oder verlaufen kann man sich deshalb tatsächlich nicht. Wenn ihr mehr über die wechselvolle Geschichte des Örtchen wissen möchtet, klickt hier.

Unser Geist ist jetzt wirklich Om, im Einklang mit Körper und Seele. Vor allem, weil ich nicht kraxeln muss. Wer mich kennt, weiß, dass ich eher Flachlandtirolerin bin. Tirilli, tirilla! Der erste Zitronenfalter flattert durch die laue Luft, ein Sperber steht hoch am Himmel, ich habe Kuhmist am Schuh, aber es ist… egal!

Glücklich und beseelt machen wir uns auf dem Heimweg, und da entdecken wir:

Les Délices de nos Campagnes

Schade, wir haben eindeutig zu viele Kekse gemampft um hier anzukehren. Aber am nächsten Tag sind wir wieder zur Stelle. Unter dem Motto «De la fourche à la fourchette»*, das im Deutschen nicht so recht klingen mag – verarbeitet Marine Reichheld in ihrem Restaurant und Cateringunternehmen nur frischste Zutaten, überwiegend solche, die dem Bauernhof ihrer Familie entstammen. So können Zwischenhändler, lange Wege, Tierleid vermieden werden. Nun ja, sieht man davon ab, dass Wurst und Fleisch leider noch nicht aus der Retorte kommen. Als echtes Baurenkind weiß Marine, worauf es bei nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln ankommt, bietet gutes Essen Made im Département Moselle an. Zu vernünftigen Preisen. Und was da auf den Teller kommt, kann sich sehen lassen. In unserem Falle ist das:

Eine delikate Gemüsesuppe, gefolgt von einem großen Stück Pizza, und zum Abschluss eine überdimensionale Schwarzwälderkirschtortenvariation. Ja, das Stück war genauso üppig wie das Wort.

Im hinteren Bereich wird ein großer Saal fleißig für Familienfeste, Geschäftsessen usw. genutzt. Gerade gestern hätte sie eine große Kindtaufe gefeiert, erklärt Marine gutgelaunt. Man sieht ihr an: Die Zubereitung von Essen macht ihr Freude. Flugs zeigt sie uns einen Ordner mit Ihren köstlichen Kreationen. Vom pfiffig dekorierten Lachsschnittchen bis hin zum cremigen Bûche de Noël ist alles dabei. Getreu ihrer Maxime , dass jede von ihr zubereitete Mahlzeit von Herzen komme, reist sie sogar bis in die Schweiz, um dort für das leibliche Wohl ihrer Kunden zu sorgen. Will man allerdings einen der zwei bis drei Tische im vorderen Gastraum ergattern, sollte man reservieren. Denn die sind begehrt, kann man von dort doch einen Blick in die Küche erhaschen.

Also, wenn ihr euch kulinarisch verwöhnen lassen möchtet:

lesdelicesdenoscampagnes@gmail.com

Tel: 0033-684732369 (von Deutschland aus)

119 Rue Du 18 Juin, 57820 Saint Louis, France

Hier erfahrt ihr noch mehr über Les Délices de nos Campagnes.

Ihr seht, viele Gründe führen nach Saint Louis!

Saint Louis Nordvogesen Lorraine Lothringen Vosges du Nord

*Von der Gabel auf die Gabel. Wir möchten hier nur spekulieren, dass mit Ersterem die Mistgabel gemeint ist.

Fahrt mal hin!

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Happy Halloween!

Halloween Jutta Stina Strauß Julclub Geist Gespenst

Sagt euch der Name Frank Zappa noch etwas? Ich hoffe schon, denn dieser geniale Musiker hat einen der schönsten Halloweensongs ever geschrieben. Das Goblin-Girl. From the mystery world, versteht sich. Ist es nicht schön, mit dem Fest der grinsenden Kürbisse und unheimlichen Gestalten in die düstere Jahreszeit (die gerade mit goldenen 20 Oktobergraden glänzt) zu gleiten? Trick or treat? Die einen hassen, die anderen lieben es. Es gehört nicht hierher? Wenn´s aber doch schön ist und das Jahr bereichert? Für mich bedeutet die Zeit um Halloween: Ich kann abends endlich wieder mit einer Tasse Tee, einem guten Buch, einer spannenden Serie auf dem Sofa entspannen, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss, weil draußen der Berg ruft, oder ich im Garten so schön Unkraut rupfen könnte. Ehrlich, ich glaube, selbst den abgebrühtesten Naturgeistern war dieser vor Hitze knackende Sommer des Guten zu viel.

Also: Die dunkle Jahreszeit. Spooky, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt wieder Kürbissuppe, die eine oder andere Hexe huscht um die Ecke, merkwürdige Geräusche lassen uns einmal mehr ängstlich über die Schulter blicken. Warum schaut der Hund jetzt so ins Leere und bellt dabei wie verrückt? Und was geht über jenen angenehmen Schauder, den eine gute Gespenstergeschichte uns über den Rücken jagt. Wie jene von Jerry Bundler, von einer versierten Geschichtenerzählerin mit vor Dramatik bebender Stimme vorgetragen. In der Serie Ghosts (auch als BBC-Produktion sehenswert) sind die Geister so liebenswert, dass man direkt Teil der unfreiwilligen Wohngemeinschaft in Button House werden möchte. Selbstverständlich nicht als Gespenst. Dreimal schwarzer Kater!!! Eine unserer ersten Gemeinsamkeiten entdeckten mein Mann und ich, als wir über den Namen eines Schwarz-Weißfilms aus den Sechzigern rätselten. Dabei ging es um ein metaphysisches Experiment auf einem unheimlichen Herrensitz. Und, soviel sei verraten, im Haus wohnt das personifizierte Böse. Der schicksalsschwangere Satz einer Protagonistin „Oh, mein Gott! Wessen Hand habe ich gehalten.“,  war uns beiden im Gedächtnis geblieben. Der Film heißt übrigens Bis das Blut gefriert nach dem Roman Hill House von Shirley Jackson. Und die Hand war nicht jene der Zimmergenossin. Äh, kann jemand die Haare an meinen Armen glätten?

Ähnlich eindringlich, nichts für zarte Seelen ist Die Frau in Schwarz mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe. Die Serie Evil sorgt ebenfalls für schauriges Dämonengruseln, bringt dabei jedoch eine Art von Gemütlichkeit in die Wohnstube, die irgendwie gar nicht sein dürfte. Aber da sind eine tuffe Psychologin, ein zweifelnder Priester, eine medial versierte Nonne, ebenfalls tuff, und eine Menge düstere, olivgrüne Tapeten, wie sie für Horrorfilme obligatorisch sind. Was will man mehr? Insgeheim vermute ich ja, dass besagter Wandschmuck in vielen amerikanischen Behausungen zur Standardausrüstung gehört und bedauerlicherweise gar nicht stört. Halloween hin oder her.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Die Bilder in diesem Beitrag stammen übrigens aus dem kleinen Ort Fénétrange am Rande der Nordvogesen, im Département Moselle. Abseits der Touristenströme, mit einer Menge verblichenen Charmes. Ein verlassenes Genesungsheim, in dem es garantiert spukt, ist sozusagen das gruselige Sahnehäubchen. Unheimlich heimelig dagegen sind die Stadtwanderungen mit dem Nachtwächter bei Einbruch der Dunkelheit.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Tatsächlich werden wir am kommenden Sonntag mit anderen Halloweenfans auf dem Château Lichtenberg im Krummen Elsass herumgeistern. Diese lädt am letzten Oktoberwochenende zu einem Event, das für Kinder nicht geeignet ist, und also auch mich das Fürchten lehren wird. Erinnere mich da an einen alemannischen Faschingsumzug mit gar grauslichen Gestalten, der ein ansonsten beschauliches Schwarzwalddörfchen und ja, auch mich in Angst und Schrecken versetzte. Nur ein gewaltiges Schinkenbrot konnte mich damals wieder erden, ein ebenso gewaltiges Bier meine Kehle besänftigen. Die war nämlich von meinen unzähligen Schreckensschreien ein wenig angegriffen. Nun also Château Lichtenberg. Mein Mann als maskierter Frontman (ist ja schon schrecklich genug) aus der noch schrecklicheren Serie Squidgame, die ich, das möchte ich betonen, nicht schaue, da sie mir zu blutig ist. Ich erscheine, Achtung, Kontrastprogramm! als putziges, wenn auch schon betagtes Goblingirl. Dazu bringe ich naturgegeben alles mit, was ein solches Wesen braucht, außer der grünen Gesichtsfarbe, die ich aber, je nach Schreckenslevel, vielleicht gratis dazubekomme. Denn was, wenn ein echter Psychopath sich, sagen wir mal, als Ersthelfer verkleidet, schwächelnden Burgbesuchern teuflisch grinsend eine echte, unheilvolle Spritze in den Oberarm jagen würde? Gar mit einem Serum, das noch nicht vollständig ausgetestet ist! Oder ich müsste mal für kleine Goblins und erblicke beim ausgiebigen Händewaschen im Spiegel hinter mir eine Freddy KrügerIn mit einem Messer, das nicht von Pappe ist?

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Da kann man dann nichts machen, tröstet mein Mann verhalten. Nun, hoffen wir das Beste. Und wenden uns kulinarischen Hotspots zu:

Im Restaurant Hotel Muhlheim au Soleil gibt es, wie uns das offenbar übermotivierte Übersetzerprogramm verrät, als Menübestandteile Bein vom Wildschwein und Gemüsegärtner. Also, wem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft…

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Auf Französisch hört sich das doch besser an. Traut euch einfach hin!

Wer mit der ganzen Familie halloweenmäßig unterwegs sein möchte, kann sich ebenfalls auf der Lichtenberg austoben. Nur solltet ihr vorher das Programm lesen, das ich euch unten verlinkt habe, damit ihr nicht am falschen Tag mit euren Kids anrückt. Vielleicht habt ihr ja Lust den wunderbaren, preisgekrönten Film Coco anzusehen. Übrigens, habe gerade recherchiert: Von wegen Goblins und putzig! Die sind ja richtig fies! Aber jetzt hab ich, wie gesagt, schon alles parat. Vielleicht gibt es ja auch Goblins ohne spitze Ohren. Die hab ich nämlich vergessen.

Übrigens: Fénétrange mit seiner mittelalterlichen Altstadt geht auch so:

Fenetrange

Oj. Mein Mann hat mir gerade eine oberscharfe Pfefferone als Paprika kredenzt. Brauche einen Arzt. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Eure Stina

Traenheim: Zum Weinen schön

Wichtel lutin Herbst Pfifferling Aquarell Stina Julclub

Ich habe Spinnweben im Gesicht, und dabei ist es noch nicht mal Halloween. Nein, der Altweibersommer schüttet seine güldenen Strahlen über mir aus. Und eben auch eine Menge Spinnweben. Nach einer langen Dürreperiode hat es endlich geregnet. Die Natur atmet auf. Eigentlich wollten wir ja auf den Flohmarkt nach Marmoutier. Wer aber stattdessen nach Wasselonne fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn in diesem Vogesenstädtchen sonntägliche Stille herrscht. Wo wir allerdings schon hier sind, können wir auch die Gegend erkunden. Alles im kraftstoffmäßig abgesteckten Rahmen, versteht sich. Wir wollen ja keinen Kredit für einen kleinen Ausflug aufnehmen müssen. Nach Traenheim wollten wir immer schon. Nicht wegen des Namens sondern weil der kleine Ort von Weitem so anheimelnd durch die Weinberge schimmert. Es ist der vierte September. Die größte Hitze ist vorbei. Unser Dackel braucht Auslauf. Und ich liiiebe Weinberge!

Der Altenberg de Bergbieten ist eine elsässische Weinlage. Seit 1983 ist sie Teil der Alsace Grand Cru Appellation, gehört damit zu den 50 potentiell besten Lagen des Elsass. Das Weinanbaugebiet gehört zur Gemeinde Bergbieten, liegt allerdings zwischen den beiden pittoresken Dörfern Traenheim und Bergbieten, ca. 25 km westlich von Straßburg. Das günstige Mikroklima sowie die Bodenqualität lassen die Traube für Riesling und Gewürztraminer zu hervorragenden Weinen reifen. Diese werden derzeit von vier Winzern aus Traenheim sowie einer Genossenschaft produziert und verkauft.

Nur selten gelingt es mir, meinen Mann in die Reben zu locken. Dabei gibt es doch nichts Schöneres als dieses transparente Zusammenspiel aus Weinblättern, knorrigen Stämmen, prallen Weintrauben, in blaudunstigen Nebel gehüllten Bergkämmen. Die Rebstöcke schön ordentlich in Reihen und irgendwie Toscana. Traenheim selbst zeigt sich an diesem frühherbstlichen Sonntagmorgen in strahlendem Sonnenschein. Brunnen plätschern, Schmetterlinge und Schwalben segeln glückselig durch die frische, klare Luft. Vielleicht werden die Schmetterlinge auch von den Schwalben gejagt, flattern um ihr Leben. Nun denn, kein Paradies ist vollkommen. Traenheim also: Ein sauberes, aufgeräumtes Dörfchen mit schmucken Fachwerkhäusern, edlen Weingütern und einem Gasthaus, in dessen lauschigem Innenhof man sich elsässische Spezialitäten schmecken lassen kann. Wein wird hier seit dem Jahre 1050 angebaut. Merowinger und Römer haben in dem kleinen Ort ihre Spuren hinterlassen.´´´ Von wegen Wein und dem guten Klima für die Knochen.

Folgt einfach der Hauptstraße, und ihr findet linkerhand eine große Schautafel mit Standortbestimmung. Sentier Viticole klingt verlockend, und schon durchwandern wir in einem großen Bogen Weinberge und Dorf. Dazu braucht man inklusive kleiner Pausen auf den Aussichtsbänken nicht mehr als eine Stunde. Diese Zeit solltet ihr euch allerdings nehmen, da ihr großartige Ausblicke auf die Vogesen wie die elsässische Ebene genießen könnt. Wenn ihr die die Informationen auf den edlen Plexiglastafeln allesamt lesen möchtet, solltet ihr eine halbe Stunde mehr einplanen. Alternativ könnt ihr den Sentier Viticole auch an der Place de la Fontaine beginnen.

Le Loejelgucker: Ein stilvolles, nicht ganz billiges, dafür exquisites Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert. In Gaststube, Winstub und Gewölbe kommen FeinschmeckerInnen auf ihre Kosten Natürlich darf der Flammkuchen, die tarte flambée nicht fehlen. Montags- bis Freitagsmittags gibt es die Plat du Jour, entweder Vorspeise und Hauptspeise oder nur Hauptspeise, zu einem überaus guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Sehenswert: Die Wandmalereien von Jean
Cramer
aus dem Jahre 1946, die die Arbeiten im Weinberg im Jahreslauf zeigen.

Le Loejelgucker – Auberge de Traenheim

Einen gelungenen Ausflug zu diesem sonnenverwöhnten Fleckchen Erde stelle ich mir so vor: Erst eine kleine Wanderung durch den Sentier viticole, dann die Einkehr im Le Loejelgucker. Bei einem guten Glas Wein könnte man auch schon eine Fahrradtour planen, die sich, auf der ebenfalls hier verlaufenden, idyllischen Route des Vins anbietet. Gen Abend machen sich WeinkennerInnen während einer Weinprobe mit den Spitzenerzeugnissen der hiesigen Domänen vertraut. Dann allerdings braucht man einen BOP, eine noch bewusst operierende Person, die einen wieder nach Hause kutschiert.

Fahrt mal hin

Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina

Cimetière Gallo-Romain / Keltisch-Römischer Friedhof im lothringischen Walscheid

Walscheid Lothringen Keltisch-Romanischer Friehof Cimetiere gallo-romain

Ob wir den Wanderweg zum keltisch-römischen Friedhof, dem Cimetière Gallo-Romain, auch wirklich in 2 Stunden packen, ist fraglich. Denn der Anstieg vom Rande des kleinen lothringischen Ortes Walscheid hinauf ist schweißtreibend und anstrengend. Aber auch abwechslungsreich. Kleine Bäche bahnen sich sprudelnd ihren Weg ins Tal, spektakuläre Felsformationen, die so typisch für die Nordvogesen sind, ragen unvermittelt neben uns auf. Aber wir wollen sie unbedingt sehen, die geheimnisvolle Ruhestätte von Kelten und Römern. Schnaufend folgen wir dem roten Kreis-Symbol. Nach ca. 40 Minuten entlohnt uns der atemberaubende Ausblick vom Hohwalschplatz für die Mühen. Ein kleines Schmankerl zwischendurch, bevor es zum eigentlich Hotspot geht. Wer es schon mal bis zu diesem Felsen geschafft hat, braucht nur noch ein paar Meter Geduld. Die Grillhütte ist ganz neu. Ich könnte hier auch bleiben, Merguez grillen, kauend und sinnierend auf die samtig grünen Bergketten schauen und warten, ob sich um Mitternacht etwas tut.

Immer dem roten Kringel nach. Ob rechts oder links herum. Viele Wege führen nach Rom.

Uff, die Hälfte ist geschafft. Auf einer kleinen Lichtung liegt er dann endlich. Le Cimetière. Das Wort kommt übrigens von Coemeterium, Spätlateinisch für Ruhestätte. Das liegt nahe. Wie die Verstorbenen, die an diesem Ort ihre letzte Heimstatt gefunden haben. Und irgendwie ist es hier auch ruhig und friedlich. Mitten im Wald. Auf dieser Anhöhe, die jetzt so still erscheint. Nur das stetige Summen diverser Hummeln und Bienen ist hörbar. Wir wandern bewegt zwischen den Stelen umher. Wer hier wohl seine letzte Ruhe gefunden haben mag? Wie kleine Häuser sehen sie aus, die Grabstätten, haben verschiedene Größen. Alle ruhen auf einem Sockel, werden geschützt von einem Satteldach. Durch ein kleines Loch konnten Opfergaben gesteckt werden. Nach einer großangelegten Ausgrabung 1862 wurden die schönsten Stücke in die Museen von Saverne, Strasbourg, Colmar und Metz überführt. Offenbar findet man sie aber auch in Parks und wohl leider auch bei privaten Sammlern. Wir spüren, das ist ein alter Platz. Hier ist viel passiert. Wer weiß, ob uns nicht gerade jetzt so ein alter Kelte beobachtet, gestützt auf seinen Stock…

Knorrige Zeitzeugen

Still ist es hier also. Man hört den Wald, die Vögel. So war es hier nicht immer. Denn die Anhöhe wurde schon im 9. Jahrhundert vor Christus besiedelt. Von dem einstigen Dorf Les Trois Saints – abgeleitet von drei Figuren auf einem Grabmal – und seiner Burg sind nur noch ein paar Steine übrig. Einige Jahrhunderte lang lebten die Menschen dort von Ackerbau, Viehzucht und Jagd. Wie sollen wir uns das vorstellen? Sah es aus wie bei Asterix und Obelix? Vertrugen sie sich mit den Römern. Hatte man untereinander geheiratet, Kinder gezeugt? Trägt der alte Kelte, der uns beobachtet, karierte Hosen? Der kleine Friedhof gehört zu einer Reihe von Überbleibseln aus längst vergangenen Zeiten. Säuberlich umrahmt von einer neuzeitlichen kleinen Mauer, damit man nicht zufällig dran vorbeiläuft. Einige Grabstätten sind mit geometrischen Mustern geschmückt, manche tragen sogar ein Abbild der Dahingeschiedenen. Das bringt sie uns näher. Sind ja nur durch ein paar Jahrhunderte von uns getrennt. Ganz still sind wir jetzt, nehmen die gelassene Atmosphäre in uns auf. So viele waren vor uns da. So viele werden nach uns da sein.

Quelle: Schautafel am keltisch-römischen Friedhof Walscheid

Auf dem Rückweg kommen wir an eine immense Wanderweg-Kreuzung mit den Steinkreuzen von Hengstbourg und Beimbach. Ab hier verwandelt sich das beschauliche Bergabwandern in eine aparte Kletterpartie. Bäume wurden gefällt, liegen quer über dem Weg. Da ich kein Klettergenie bin, absolviere ich den Parcours, indem ich mich auf den jeweiligen Stamm setze, die Beine dann auf die andere Seite schwinge. Das ist nicht schwierig, nur ein wenig umständlich. Und ein wenig beängstigend. Habe die beunruhigende Vision auf einem dieser riesigen Ungetüme talabwärts zu sausen. Aber normalerweise hält so ein Stamm…

Urig.

Geschafft! Nach tatsächlich 2 Stunden, inklusive Verweildauer. Ein Erlebnis! Ist es besonders heiß, könnt ihr nach der Tour ein erfrischendes Bad im Étang de Walscheid nehmen, danach im Café de la Grotte Volkstümliches – natürlich auch Flammekueche – speisen. Oder ihr fahrt einfach nach Hause, vielleicht in euer Feriendomizil und lasst diesen wunderbaren Ort der Stille in eurem Geiste noch etwas nachwirken. Wir vergessen dich nicht, alter Kelte.

Immer dem roten Kringel nach: Der Wanderweg ist supergut ausgeschildert. Hier findet ihr genauere Infos! Und hier. Verlaufen könnt ihr euch nicht. Und ihr müsst auch nicht auf dem Friedhof übernachten.

Wandert mal hin!

Stina Advent

Waldbaden um Guirbaden

Unseren 20. Hochzeitstag wollten wir mit einer kleinen Wanderung samt anschließendem Essen feiern. Denn hat man in den Vogesen erstmal einen Hügel erklommen, passt nichts besser als ein zünftiges Mahl. Wie ihr spätestens jetzt wisst, bin ich keine übermäßig ausdauernde Wandersfrau, sondern eher eine Flachlandtirolerin. Ich esse aber gern. Wie man ebenfalls sieht. Wenn ich eine Strecke heim- pardon – heraussuche, handelt es sich meist um eine von 2,5 bis 3 Stunden. Rundweg oder hin und zurück (Auf dem Rückweg sieht alles eh nochmal anders aus). Pausen exklusive. Spätestens nach 2,75 Stunden fange ich an zu nörgeln, weil mir scheint, dass meine großen Zehen auf Untertassengröße angeschwollen, meine Wanderschuhe gleichzeitig um mindestens 20 % geschrumpft sind. Oder ich ganz einfach genug Grün gesehen habe. Waldbaden ist ja super, aber in der Badewanne absolviere ich ja auch kein Hochleistungsprogramm. Sondern entspanne beim munteren Plantschen in Fichtennadelgrün. Wie auch hier liegt in der Kürze die Würze. Mit Staunen verfolge ich die stolzen Ausführungen jener, die sechs, sieben Stunden durch unwegsames Gelände traben und dabei ihren einzigen Proviant, einen Proteinriegel aus dem Jahre 2018, für den nächsten Tag aufsparen.

Ein Stina-Weg sollte demnach keine zu steilen Passagen beinhalten, da ich dazu neige den Abstieg auf dem Hosenboden zu absolvieren, weswegen ich schon in Po-polsternden Fahrradhosen gewandert bin. Fesche Wanderer, die durch mich erheitert, in jedem Falle aber ausgebremst werden, mutmaßen für gewöhnlich zweierlei: „Die Arme ist sicher mit ihrem Fahrrad gestürzt und zwar so, dass sie sich nur noch rutschend bewegen kann. Ihr Bike liegt derweil wohl am tiefsten Grund der Schlucht. In diesem Alter sollte man sich nicht überschätzen“ (Falsch!) oder „Was für eine Zimperliese!“ (Richtig!) „Was macht die erst am Donon?!“ Mein Pech also, dass ich Burgen liebe. Denn die muss man sich meist erkraxeln. Da lob ich mir doch das Château de Guirbaden, das auf der Mitte eines angenehm zu gehenden Wanderweges thront.

Château de Guirbaden. Ist zwar eine Burgruine, allerdings die größte im Elsass. Wer hätte das gedacht? 270 m lang, 70 m breit. Eine Höhenburg aus der Stauferzeit, 11. bis 13. Jahrhundert. Ein riesiges Monument, in liebevoller, ehrenamtlicher Arbeit von Freiwilligen aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Schon der beeindruckende Plan an der Burgmauer weist auf die Gewaltigkeit des Projekts hin. Hungerturm, Zitadelle, Wohnbereich, Kapelle, Donnerbalken. Alles da. Ehrfürchtig bestaunen wir die mächtigen Quader, die schon verbaut wurden, sowie jene, die noch einzusetzen sind. Eine Herkulesarbeit. Und da läuft auch schon eine fleißige Helferin mit grasgrünem Helm und Schubkarre hurtig den Berg hinan. Ich denke Muskeln, Ausdauer und ja, die feste Gewissheit, hier etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun, zu bewahren.

Wanderer räkeln sich träge im Sonnenschein. Umsummt von Bienen, Hummeln, umflattert von Schmetterlingen auf bunten Kräuterwiesen. Es duftet würzig. Die Aussicht: Grandios. Von einer Höhe von 565 Metern bestaunen wir die blauen Vogesen um den kleinen Ort Grendelbruch. Schauen schaudernd die steilen Hänge hinab. So, wie die Burg bereits seit über tausend Jahren auf das Vallée de la Bruche blickt. Auf Fototafeln wird das Vorher-Nachher des Projekts anschaulich erklärt. Auch die wechselvolle Geschichte der Burg, die mehrmals zerstört und wiederaufgebaut wurde.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie sogar von den Bewohnern selbst geschleift, weil die Schweden im Anmarsch waren. Ab und an lebt das Mittelalter in einem Burgfest farbenprächtig – vor allem auch unblutiger – auf. Dann werfen sich die Einheimischen in Schale, Ritterrüstung genannt, binden sich Schürzen um, setzen sich Kopftuch oder Helm auf, greifen zu Heugabeln und Schwertern um das umtriebige Treiben nachzustellen, das hier wohl einst herrschte. Natürlich weilte auch Friedrich Barbarossa hier. Wo tat er das eigentlich nicht?

Selbstverständlich gibt es auch eine Legende um einen Schatz und eine Odile, Nachfahrin der Templer, die einst mit ihm (mit dem Schatz, nicht mit Friedrich) begraben werden wollte. „Sie wollte nie heiraten und starb jung an einer Krankheit.“, erläutern die Bewahrer von Guirbaden. Das hat man also davon, wenn man unbedingt Junggesellin bleiben will. Niemand sollte erfahren, wo Grab und Schatz zu finden waren. Nun, jemand hat geplaudert. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Chateau Guirbaden Grendelbruch Vallee de la Bruche Vosges Vogesen Wander
Freundliche, engagierte Helfende auf Guirbaden

Sehr viel Genaueres erfahrt ihr auf der Homepage der Burg. Auch über Feste, Führungen und die Möglichkeiten den Fortbestand der Burg durch eine Spende oder sogar Mitarbeit zu sichern. Also auf, ihr Hobby-Archäologenden, frisch ans Werk!

Die angrenzende Gemeinde Grendelbruch ist ein uriges, ruhiges Vogesendörfchen inklusive Wochenmarkt und plätschernden Brunnen. U.a. im Grenouille und Pot au feu soll man sehr gut essen können. Lasst euch am besten vor Ort inspirieren, denn im Umkreis gibt es viele interessante Restaurants. Ausprobiert haben wir das La Schlitte in La Broque,ein apartes Blockhaus am Rande des kleinen Ortes. Hier gelingt das Kunststück traditionell französisch-elsässische Küche mit Experimentierfreude zu paaren. Der norwegische Lachs war ein Gedicht. Das animal glacé für die kleinen Lutins sollte man allerdings nicht wörtlich nehmen. Übrigens war der Service ausgezeichnet. Etwas hochpreisiger geht es in der Auberge Metzger in Natzviller zu, wo ihr auch übernachten könnt. Vergesst aber nicht zu reservieren, denn die Auberge wurde vom Guide Michelin immerhin zum kulinarischen Highlight mit super Preis-Leistungsverhältnis gekürt.

Eine informative Erlebniskarte mit u.a. Fahrradrouten, Fermes Auberges, Themenwanderungen, traditionellen Handwerksbetrieben findet ihr hier. Die jedes Jahr neu erscheinende Broschüre Sentiers plaisir informiert über Wanderungen sowie Veranstaltungen im Vallée de la Bruche.

Guirbaden Chateau Burg Vosges Vogesen Wander Vallee de la Bruche

Der Wanderweg: Am Ortseingang Grendelbruch liegt linkerhand der Friedhof. Ihr aber fahrt rechts in das Quartier du Guirbaden. Rechts an einem Mast seht ihr schon das Wanderweg-Symbol: Ein liegendes Rechteck, rot-weiß-rot. Am Ende der Straße liegen linkerhand Parkplätze. Parkt das Auto und geht weiter geradeaus durch einen Schlagbaum hindurch, auf dem ebenfalls obiges Wanderweg-Symbol zu sehen ist.

Jetzt geht es für ca. 50 Minuten geradeaus (Der Weg ist super gut ausgeschildert). Dann macht der Weg eine Linkskurve. Dieser folgt ihr NICHT. Stattdessen geht ihr immer geradeaus. Haltet euch also rechts. Und da ist auch direkt wieder das Symbol. Der Weg wird jetzt schmaler, uriger, schlängelt sich aufwärts zur Burg. Nach deren Besichtigung geht ihr denselben Weg wieder zurück bis zum Ausgangspunkt. Wetten, dass ihr jetzt Hunger habt! Oder gehört ihr etwa zu jenen Unverdrossenen, die auf dem ebenfalls hier verlaufenden Chemin des Châteaux-Forts d´Alsace von Burg zu Burg wandern möchten? Sei´s drum, essen müsst ihr trotzdem.

Lasst´s euch gutgehn!

Stina Advent