Nürnberg!

Nürnberg Weißgerbergasse Reisetipp Städtetrip

Immer schon wollte ich einmal nach Nürnberg. Am besten in der Vorweihnachtszeit. Dachte an das Christkind (samt Christkindlesmarkt), das zu Beginn der Adventszeit segnend seine Arme über die Marktbesucher breitet, mich mit seiner Rede jedes Jahr aufs Neue zu Tränen rührt, weil die Botschaft eine einfache, leicht zu verstehende, jedoch nicht minder schwer umzusetzende ist. Jedes Jahr zu Weihnachten schaue ich mir die medienwirksame Veranstaltung via Internet an, und jedes Jahr schiele ich in die linke Gehirnhälfte um – vergebens – meine Ratio einzuschalten. Nürnberg war bislang so etwas wie der fliegende Holländer meiner Reisewünsche. Spukte, durchsetzt von diffusem Lebkuchenduft, überstrahlt von festlichem Lichterglanz, in meinem Kopf herum, war aber nicht zu greifen. Eigentlich wusste ich gar nicht mehr, ob es wirklich Nürnberg war, wohin ich wollte. Stand es vielleicht nur stellvertretend für etwas, was man sucht, aber nicht beschreiben kann? Etwas, das dann doch nicht so wichtig ist, als dass man es in die Tat umsetzte? Oder für etwas, das gar nicht real werden sollte, weil meine Vorstellungen, gewonnen aus zahlreichen historischen Romanen, nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben würden?

Der Schöne Brunnen. Einfach am schwarzen Ring drehen, und deine Wünsche werden wahr.

Eines Tages Ende Oktober rief mein Mann mich auf der Arbeit an und meinte, wir führen übers Wochenende dann also nach Nürnberg. „Ach!? Ziemlich weit.“, gab ich gleichermaßen überrumpelt wie skeptisch zu bedenken. „Wir wechseln uns ab.“, meinte mein Mann gelassen. Plötzlich nahm dieses seltsame Nürnberg Gestalt an. Jemand hatte meinen alljährlich geäußerten Wunsch tatsächlich ernst genommen. Ich dachte. Dachte, klar, auch an die Nürnberger Prozesse. An Fremdenfeindlichkeit, inszenierten Nazigrößenwahn. Aber auch an Dürers Hasen. An Lebkuchen. Die Meistersinger. An mein Christkindl. Wir reisten also in eine ambivalente Stadt. Eine Stadt, erbaut auf felsigem Grund. In mehrerlei Hinsicht. Mit über einer halben Million Einwohnern. Die zweitgrößte Stadt Bayerns. Im zweiten Weltkrieg zu 90 % zerstört. Studentenstadt. Kulturhochburg. Freitag, Samstag, Sonntag: Ab mit Lottchen!

Spätestens ab Heidelberg wandelte sich unser Automobil in einen History-Train. Stulle und Thermoskanne inklusive. Denn welcher Mittelalteraffine würde bei Ortsnamen wie Wolframs Eschenbach nicht ins Schwärmen geraten? Tiefhängende Wolken waberten über Burgruinen, über dicken, runden Bergfrieden wehten herzögliche Wimpel mit Wildtierheraldik zwecks Ritterromantik.

Und dann: Das Leonardo Hotel. Leute, es liegt in einer ziemlich heruntergekommenen Gegend. Die Fassade ist gerade noch so einladend. Der Empfang ist jedoch freundlich, die Zimmer recht schnuckelig, Hunde sind erlaubt, es gibt eine Dachterrasse, und das FRÜHSTÜCK: GROSSARTIG!  Das Beste aber: In nicht mal fünf Minuten seid ihr an der Stadtmauer, z.B. am Spittler Tor, Eingang zu Nürnbergs Zentrum. Damit in einer Stadt, die ziselierte gotische Bauwerke mit Sechzigerjahre Stahl und Glas gekonnt und lässig zu vereinen weiß. Deshalb wirkt Nürnberg historisch gewachsen, jedoch keineswegs antiquiert. By the way könnt ihr auch durch jedes andere Tor in die quirlige Stadt eintauchen, denn die Altstadt der fränkischen Metropole ist von einer Stadtmauer umgeben, an der sich zudem ein hübscher, 5 Kilometer langer Stadtgraben entlangschlängelt. Den Grabenspaziergang im südlichen Stadtgraben, auf dem es Spannendes rund um Biodiversität zu entdecken gibt, kann ich nur empfehlen.

Auf dem Weg zu den Fußgängerzonen rund um den Weißen Turm ist erstmal Orient angesagt. Für uns heißt das: Ein Päckchen mit delikatem arabischem Gebäck von Elan und Ranya, Ludwigstraße 67, und eine frischgepresste Obstkreation von Fruchthaus Strawberry am Jakobsplatz mit einem unglaublichen Angebot an z.T. recht exotischen Früchten. Das Zentrum bequem und fußläufig zu erkunden, mit Hund? Kein Problem. Am berühmten Ehekarussell– oder Hans-Sachs-Brunnen klettern Kinder über die deftigen Szenen einer Ehe, sodass einige Bronzefiguren schon Teile ihrer Goldauflage eingebüßt haben. Ganz wie so manches Eheleben. Dieser Brunnen ist übrigens der größte Figurenbrunnen des 20. Jahrhunderts in Europa. Seine Entstehung verdankt er dem Gedicht Das bittersüße eheliche Leben, welches der Nürnberger Schuhmachermeister und Meistersinger Hans Sachs für seine Gattin geschrieben hat. Sozusagen exponiert tanzt der handwerklich geschickte Dichter selbst auf einer Art riesigem Maiskolben. Warum? Da können wir jetzt gerne spekulieren. Eine ausführliche, aufschlussreiche Deutung des Brunnens findet ihr hier.

Arabisches Gebäck Elan Ranya Nürnberg Bäckerei
So schmeckt der Orient

Daneben wacht also der Weiße Turm, drumherum wuselt das Leben. Mit Weiß hat der Turm, Teil der vorletzten Stadtmauer von ca. 1250, nur noch insofern zu tun, als dass er es nicht mehr ist. Weiß, meine ich. Mein Mann knabbert an seinen Nürnberger Bratwürstl vom Büdchen. 3 im Weckla. Nürnberg spielt nicht nur städteplanerisch auf verschiedenen Ebenen, es scheint als wäre die Luft erfüllt vom rauschenden Raunen unterschiedlichster Zeitalter, die uns staunend zwischen all den Sehenswürdigkeiten, Leuchtreklamen, Einkaufstaschen, Essensdüften umhertaumeln lassen. Über Brückchen, Treppen, Schrägen. Ja, sind wir schon auf dem Narrenschiff? Die Stadt ist offen, luftig, wie die Leute hier. Fachwerk, Gotik, Sixties. futuristische Glasfassaden. Passt scho´. Der Regen wird immer stärker. Wir sind im Nürnbergfieber. Geschäfte gibt’s hier! Inklusive dessen, was wir von zuhause als Versandhaus kennen, nur eben als livehaftigen Konsumtempel. Trotz der vielen Leute bleibt es irgendwie beschaulich. On a du temps.

Wir müssen noch unbedingt zu Gudrun Sjödén, dem Eldorado für Fans nachhaltiger, kunterbunter Mode für die wagemutige Frau. Made in Sweden. Bei Gudrun ist es heimelig, farbstark, würde sie wohl sagen. Wir tauchen ein ins Farbenmeer, werden von ihm umfangen, wandeln durch Blumenmuster, Punkte, Streifen. Eine Art textiler Mutterleib, dieser Konzeptladen: Rot, rot, rot, grün, grün, grün, blau, blau, blau, gelb, schwarz, weiß, orange, lila. Die Verkäuferinnen ebenfalls ein Erlebnis: Sjödén as Sjödén can. Von Kopf bis Fuß. Sehr kompetent, sehr engagiert. Eine verschworene Gemeinschaft. Corporate Identity. Ich erzähle ihnen, dass ich aus den alten Katalogen Kollagen mache. Wo man sich zuhause fühlt, wird man schon mal mitteilsam. Mein Mann versucht unauffällig im massiven Holzboden zu versinken. Plötzlich stehe ich in der Umkleide. Bin verwandelt. Eine Gudrun-Sjödén-Walküre! Meinem Mann schwant Böses, er steht ja mehr auf italienischen Chic. Ich aber fühle mich wohl in meiner weiten Bluse, dem superbequemen Unterkleid mit praktischer Tasche für Krimskrams. Und wisst ihr was? Vor lauter Farbenpracht habe ich doch vergessen zu fotografieren. Deshalb nur Außenbilder. Da muss ich nochmal hin.

Voll also der Städtetrip-Marathon. Zwischendurch ins Hotel. Ein Nickerchen. Abends ins Côcô Taste of Asia Sushi in der Schlotfegergasse 2. Das Essen ist frisch, verzichtet auf übliches Glutengelage. Zu einem wirklich guten Preis. Wer mag, bekommt Vegetarisches, sogar Veganes. Fusionsküche at its best! Das Ambiente gibt sich schnörkellos, das Publikum ist gemischt. Und es ist nicht weit zum Hotel. Klaue ein Bierdeckelchen. Blau, Weiß, Rot, Rosa. Ich liebe japanische Holzschnitte!

Am nächsten Tag: Wieder lassen wir uns einfach durch Nürnberg treiben, trinken ein alkoholfreies Bier im Irish Pub (Grässlich laut und überall Fußball) kaufen nochmal Gebäck von Elan und Ranya bei dem supernetten Verkäufer. Auch das muss einfach sein: Meistersinger-Lebkuchen in nostalgischer Dose für die Schwiegereltern aus der Lebküchnerei Wicklein am Hauptmarkt, wo ihr das leckere Backwerk im Café gleich selbst probieren oder sogar an einem Lebkuchen-Workshop teilnehmen könnt.

Kürbis Fest Halloween Erntedank Julclub
Was sich aus einem Gudrun-Sjödén-Katalog sonst noch alles machen lässt…

Eigentlich sollte das Wetter heute besser sein. Wir schlendern an den berührenden Stehlen der Straße der Menschenrechte am Germanischen Nationalmuseum vorbei. Die Sonne kommt raus. Eine Ahnung, wie genial es hier im Sommer ist. Der Handwerkerhof ist irgendwie Disneyland. Eine mittelalterliche Gasse für Hobbits. Es riecht nach Bratwurst, Bier und Zimt. Und es ist ziemlich eng. Wer möchte, kann in den mannigfachen Werkstätten den Meistern bei der Arbeit zusehen.

Wo ist denn jetzt der berühmte Wunschring am Schönen Brunnen? Mir wird ganz schwindlig von der wahnsinnig aufwendigen Schmiedearbeit. Wahrscheinlich befindet er sich am Kopf der kleinen Schlange aus Glücksrittern, die sich links neben mir gebildet hat. Wunschlos glücklich kehren wir beim Spiessgesellen ein. In der historischen Gastwirtschaft im Alten Rathaus genieße ich den besten Obatzda meines Lebens. Mit Blick auf den weitläufigen Marktplatz sowie roten Zwiebeln. „Ein Geheimrrrezept“, raunt der Kellner in sanftestem Fränkisch. Drinnen, im urigen Gewölbe, kann man wahlweise an langen Tafeln oder in intimen Nischen speisen. Manchmal kommt ein mittelalterlicher Henker vorbei und köpft hoffentlich nur die Radirübe. Unser Dackel sieht einen Dobermann und verrückt den Tisch um einen Meter fünfzig. Zünftig. Ich sinniere, dass ich zu einem Achtel Bayer bin. Daher also die Vorliebe für gehaltvolle Mehlspeisen, zermantschten Camembert sowie kümmel- respektive anislastiges Brot.

Auf dem Heimweg landen wir – SuperGAU für meinen Geldbeutel – bei Rosegardens in der Vorderen Sterngasse 24. Schon von weitem sehe ich sie: Die witzigen, zarten Tieraquarelle von Hannah Dale, die mir zum ersten Mal in Cornwall aufgefallen sind. Der schlimmste, schönste (abgesehen von Gudruns) Laden in Nürnberg. Soll ich das zauselige Meerschweinchen auf der Müslischale oder das Tablett mit der Maus auf dem Fliegenpilz nehmen? Oh, es gibt ja noch englische Seife. Und Parfüm. Wie von Zauberhand verteilt sich das Blumenaroma einer Sommerwiese auf meinem Handgelenk. Es war der Tester… Bin traumatisiert. „Entschuldigung, können Sie mir bitte helfen? Ich nehme alles!“ Zum Dank für mein ambitioniertes Kaufverhalten bekomme ich noch einen schönen Prospekt. Damit meine Nase zuhause noch länger werden kann.

Im Hotel: Vorsichtig stelle ich das kleine Tütchen mit meinen Rosegardens-Schätzen auf meinem Nachtschränkchen ab. Während wir so gegen Sieben durch das angenehm ruhige Viertel Gostenhof schlendern, schnuppere ich noch ein wenig an dem frischen Blütenduft Made in England. Gostenhof grenzt in südwestlicher Richtung an die Altstadt, besticht durch schöne Bürgerhäuser und eine bunt gemischte Bevölkerung. Nicht zuletzt Studierende finden hier Alternatives. Unter einer Vielzahl interessanter Restaurants und Cafés entscheiden wir uns für das Eleon, wo ihr genuine griechische Küche mit ausgesuchten Rohwaren samt ausgefallener Gewürze genießen könnt. Das Besondere: Euer Mahl stellt ihr aus verschiedenen kleineren Gerichten zusammen. Das Angebot wechselt ständig, die Rezepte stammen aus allen Teilen Griechenlands sowie auch der Küche des alten Konstantinopel. Im Sommer könnt ihr im lauschigen Biergarten Platz nehmen. Auf dem Heimweg leuchten Kürbisse aus den Vorgärten. Ach ja, es ist Halloween. Doch wir sind müde, zufrieden und bettschwer. Genug herumgespukt.

„Diese Kulturbanausen!“, werdet ihr sagen, „Rasen in der Stadt rum, schlagen sich den Bauch voll und lassen die Kulturschätze links liegen!“ Ja. Ich bekenne mich schuldig. Jedoch bedenkt:

Mit Hund in einer Stadt ist es nicht immer einfach. Museen sind zumeist passé. Dabei gibt es in Nürnberg eine unschlagbare Zahl an interessanten Orten, die wir mit unserem Dackelchen nicht besuchen konnten. Und so alleine im Hotel lassen wollten wir den kleinen Mann ja auch nicht. Also, da wären das Germanische Nationalmuseum, das Spielzeugmuseum, das Reichstagsgelände, das Dürerhaus, die Frauenkirche, um nur einige zu erwähnen. Schade, aber so war´s. Zunächst einmal wollten wir die Atmosphäre Nürnbergs in uns aufsaugen. Und das hat geklappt. Wobei ich das Gefühl habe, dass es zuweilen eher umgekehrt war.

Hier ist ein sehr schöner Blog von echten Nürnberg-Fans, der auch uns Lust auf die Stadt gemacht hat. O.K., eins muss ich noch loswerden: Mein Bruder meint, selten habe er solch eine Anhäufung subjektivster Eindrücke wie in meinem Blog gelesen. Das hängt wohl damit zusammen, dass manche Städte geradezu faustgroße, langfristig prägende Eindrücke bei mir hinterlassen. Objektivität adé. Dafür habt ihr jetzt aber vielleicht den Duft von 3 Nürnberger Bratwürstln im Weckla in der Nase. Ist doch auch was. Oder?

Aber jetzt: Die Kaiserburg. Sonntag. Die Geschäfte haben zu. Nachdem wir den Stadtgrabenspaziergang, der z.T. an der beschaulich dahinfließenden Pegnitz entlang verläuft, genossen haben, schrauben wir uns gemächlich bergan. Vorbei am Spielzeugmuseum, vorbei am Albrecht-Dürer-Haus, vorbei am Hasen, vorbei an der Alten Küch´n, in der man so vortrefflich fränkisch speisen soll, bis wir auf eine unglaublich restaurierte riesige Burganlage stoßen, deren Silhouette hinlänglich durch eine ortsansässige Versicherung bekannt ist. Die Kaiserburg, so lesen wir auf der Schautafel, sei eine der bedeutendsten Kaiserpfalzen des Mittelalters, und weiter:

Nürnberg Fembo-Haus Museum
Fembo-Haus

„Zwischen 1050 und 1571 hielten hier alle deutschen Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches ihre Hof-, Reichs- und Gerichtstage ab. Bereits im 11. Jahrhundert entstand eine salische Königsburg auf dem Burgfelsen. Im 12. und 13. Jahrhundert erbauten Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1123-1190) und seine Nachfolger auf dem westlichen Burgfelsen eine der größten und prachtvollsten Burganlagen des Reiches.“

Zitat: Schautafel Kaiserburg Nürnberg

Nichts wurde bei dieser Instandsetzung dem Zufall überlassen. Alles wird in extenso erklärt. Kein „Wozu mag denn dieser Steinhaufen gehört haben?“ Derartige Phantasiespiele braucht ihr hier nicht zu spielen. Basta. Stattdessen könntet ihr stante pede in euer ledernes Wams schlüpfen, die groben Wollstrumpfhosen überstreifen und sofort einziehen. Zumal gerade ein Burg-Café eröffnet hat. Eine Dependance des renommierten Café Beer aus der Innenstadt. Ich erspähe leckere Kuchen und Backwerk. Doch das üppige Leonardo-Frühstück hat alle freien Plätze belegt. Da habe ich die ganze Zeit von Torten und einem aromatischen Kaffee geträumt, und jetzt… Sphärische Klänge eines Keyboardspielers begleiten uns bei unserem Rundgang, lenken mich ab von verpassten Gaumenfreuden. Wir schweben. Und die Aussicht! Nürnberg ist ja riesengroß! Und grün! Und alles!

Wir blicken auf die Sebalder Altstadt und das Handwerkerviertel. Tatsächlich birgt der pittoreske Stadtteil eine Vielzahl kleiner mehr oder weniger traditionsreicher Handwerksbetriebe, Läden, Restaurants, Cafés und Galerien. Schade, dass heute Sonntag ist. Unbedingt solltet ihr nach dem pittoresken Weinmarkt (Achtung: Tolle Wolle!) durch die Weißgerbergasse schlendern, ein fast vollständig erhaltenes Häuserensemble.

An ihrem Ende solltet ihr in die Kaffeerösterei Bergbrand einkehren, wo zwei freundliche Kaffeefeen (ein prima Wort!) röstfrische Spezialitäten samt einer delikaten heißen Schokolade für uns bereiten. Und das, obwohl ich gar nicht an dem Schöner-Brunnen-Ring gedreht hatte. Neben einer kleinen Auswahl an Kuchen und Gebäck könnt ihr vor dem Café das sonntägliche Treiben beobachten. Stöbert mal auf der Bergbrand-Website. Die im Online-Shop beworbenen Kaffeesorten klingen nach viel Herzblut, Liebe zu Natur und Bergen. Als da z.B. wären: Hasenalarm, Sonnenkind, Nordwand, Spritztour, Neue Welt oder Kraftpaket. Und die Verpackungen sind so schön, dass ihr sie wahrscheinlich einrahmt und über eure Kaffeemaschine hängt.

Wurden meine Erwartungen an Nürnberg enttäuscht? Nein, ganz im Gegenteil! Inzwischen habe ich sogar schon einige Leute getroffen, die Nürnberg zu ihrer Lieblingsstadt erkoren, ja, sich als regelrechte Nürnbergfans geoutet haben. Nicht zuletzt, weil die fränkische Metropole Alt und Neu, Traditionelles und Multikulturelles auf so erfrischende Weise miteinander vereint. Der freundliche Verkäufer von Elan und Ranya bezeichnet die Stadt als einen Ort, wo es sich gut leben lässt. Tatsächlich scheinen mir die Nürnberger sehr zufrieden mit der Wahl ihres Wohnortes. Und nächstes Mal ist das Spielzeugmuseum dran. Aber nur, weil es nebenan eine Gartenwirtschaft namens Frischling – die kleine SommerSAUse gibt… Spaaaß.

Fahrt mal hin!

Stina Advent

Wie immer erfolgte dieser Artikel unaufgefordert und unbezahlt.

Turin: Emsig, laut, elegant, gelassen

Italien Turin Reise Tipp

Wo soll ich bei einer Stadt wie Turin anfangen? Sie ist riesengroß, dabei aber so umsichtig, ja, schachbrettartig geplant, dass ein Sich-Verlaufen im Prinzip ausgeschlossen ist. Und sie wimmelt von eleganten Menschen jedweden Alters. Einer teutonischen Ente gleich watschele ich auf breiten Korksohlen durch das pittoreske System aus Gassen, Boulevards, Piazze und Arkadengängen. Diametral entgegengesetzt zu jenen Damen, deren zierliche Sandaletten mit Riemchen, Blümchen, falschen Diamanten geschmückt sind und damit sommerliche Leichtigkeit vermitteln. Allesamt schweben diese jungen Damen schlank und braungebrannt, mit langen, rabenschwarzen, perfekt geplätteten Haaren, auf Stöckelschuhen oder zierlich flachen Ledersöhlchen durch Turin. Noch dazu hatte irgendjemand etwas von schlechtem Wetter erzählt. Die Sonne allerdings wusste davon nichts, briet mich in herbstlichem Strick bei 28°C. Hurrah, ich hatte kurze Jeans und ein langärmeliges T-Shirt dabei! Die waren eigentlich für Wanderungen im kontaktarmen Grün gedacht. Kurz und gut: Ich sah stämmig aus. Sollte ich, so stellte sich mir die bange Frage, auf leckeres Gelatti verzichten, mir die pistaziencremegefüllten Hörnchen, gar die Profiteroles mit gesüßter Sahne verkneifen, damit der Knopf meiner Jeans, sollte er schon nicht abspringen, wenigstens nicht von übermäßigem Bauchspeck eingeklemmt würde? Mein Mann, wie immer hilfreich und gut, meinte gar, meilenweit sei mein Erscheinen von dem hier angesagten italienischen Chic und Haute Couture entfernt. Danke! Sollte ich auch noch die Spaghetti weglassen? Den primi piatti keine secondi folgen lassen? Das könne ich vergessen, half mein Mann weiter, mein Knochenbau sei anders. Noch nie habe er so viele hübsche, junge Menschen an einem Platz gesehen. Doppeldanke!

Im weiteren habe ich nur ältere oder ebenfalls stämmige Menschen fotografiert. Nein. Spaaaß! Lustigerweise verleihen auch andere weibliche Reisende, die ich getroffen habe, ihren Erfahrungen mit dem Modebewusstsein norditalienischer Städte anschaulich Ausdruck. In wahlweise bewunderndem Raunen oder abfälligem Geschnaube. Allen Frauen, die sich auf Reisen zweckmäßig und bequem in Filzjacke und festes Schuhwerk kleiden, rufe ich hiermit zu: „Bleibt, wie ihr seid! Ihr seid nicht allein.“ Obwohl schon der Tausch meines knallblauen Schlabberpullis gegen ein trendiges, schwarzes Oberteil – innerhalb des persönlichen Bezugsrahmens, versteht sich – meine Stimmung eklatant hob.

Wenn frau sich nach ungefähr zwei Tagen mit der Übermacht allgegenwärtiger weiblicher Hyperanatomie abgefunden hat, wird ihr Augenmerk unweigerlich zu den ebenfalls im Überfluss vorhandenen architektonischen Schönheiten switchen. Großartig, venezianisch, maurisch, klassizistisch – Turin hat alles zu bieten. Es lohnt sich, den Blick von den üppigen Auslagen der Geschäfte in die Höhe schweifen zu lassen. Wunderbar ist es auch durch die vielen Bogengänge zu schlendern, die verschnörkelten Pfeiler, Gewölbekonstruktionen, die Böden aus feinstem Marmor zu bestaunen. Außerdem beherbergen die Arkaden unzählige Cafés, Bars und Trattorien mit all ihren Köstlichkeiten. Wenn ihr wissen wollt, warum noch immer so viel Plastikmüll unseren Planeten zerstört, findet ihr die Antwort auf den hiesigen Wochenmärkten, die grell, bunt und absolut bedenklich sind. Allerdings gibt es hier auch die schmackhaftesten Trauben, die süßesten Pfirsiche und, da es sich um eine Tuchregion handelt, auch wunderschöne Baumwollstoffe.

Die Parks: Überquert ihr vom Stadtzentrum aus die große Brücke über den Po, gelangt ihr rechterhand nach knapp einem Kilometer in einen großen Park namens Valentino. Er beherbergt nicht nur eine mittelalterliche Burg nebst ebensolchem Dorf sondern auch den Botanischen Garten, allesamt äußerst sehenswert. In den weitläufigen Grünanlagen könnt ihr die TurinerInnen bei ausgelassenem Tanzen in einer Freiluftdisco, versonnenem Yoga, beim Spielen mit ihren Kindern und/oder Hunden erleben. Vorsicht ist geboten bei den verlockenden Stufen zum Po hinunter. Eigentlich möchte man sich nur die Füße kühlen und vips! rutscht man auf dem grünsten, glitschigsten Algenbelag aus, den ihr euch vorstellen könnt. Bestenfalls landet ihr auf dem gleichnamigen Körperteil. Nur meinem überaus trainierten Körper (Hi!) ist es zu verdanken, dass mein Steißbein nun keinen Aufwärtsbogen beschreibt. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass oben erwähnte Gesundheitssandalen mit Korkfußbett wasserdicht sind und schnell trocknen. Habe sie dann auch beim späteren Plantschen im Meer einfach angelassen. Wegen der glatten Kieselsteine. Hatte was von Gewichten an den Füßen. Durchaus sportlich. Ragten meine beschuhten Füße aus dem Wasser, hätte man sie glatt für zwei Meeresschildkröten halten können. Parco Valentino also: Nehmt auf den zierlichen Eisenstühlchen Platz, kauft euch an einem der zahlreichen Kioske einen Espresso, schlendert unter den hohen Bäumen hindurch, knabbert an einem wirklich hervorragenden Eistütchen und fragt euch, warum die Turinenden in diesem Park so glücklich aussehen. Sie laufen sogar freiwillig durchs getrimmte Grün um mit langen Zangen Müll aufzupicken. Etwas im Pulk zu tun, ist hier übrigens in. Ein Renner ist der sogenannte Sausage Walk. Auf dem Schlossplatz hatten sich gegen 10 Uhr etwa 30 Teckel nebst Frauchen/Herrchen eingefunden, um gemeinsam einem unbekannten Ziel (Das sei ja das Besondere!) entgegenzustreben. Es würden, so versicherte man uns, noch deutlich mehr werden. Allein, ich war noch nicht bereit für dieses Wackeldackeln, denn ich hatte ja gerade erst mein „Zierliche-Riemchen-Trauma“ überwunden. Und so liefen wir schon mal vor. Kamen gerade rechtzeitig zu einem anderen turintypischen Event, dem Zusammenstoß zwischen einem Pkw und einer Vespa. Gerade rappelten sich zwei junge Damen in Skinny-Jeans vom Asphalt hoch. Gott sei Dank unversehrt. Auf Ampeln achtet hier so gut wie keiner. Jeder rettet sich irgendwie über die Fahrbahn, hofft aufs´´ Überleben in einer wenig verkehrsberuhigten Metropole. Allerdings gewöhnt man sich auch daran, hoppelt alsbald mit den anderen über zuweilen unebene Pflastersteine, wendet wagemutig, um mit einem pinkfarbenen Tütchen das aufzuklauben, was Fiffi soeben als seine Interpretation des Sausage Walks abgeseilt hat. Gerüchteweise gibt es neben der Straßenbahn in Turin auch eine U-Bahn. Ähm, ehrlich gesagt, haben wir die Zugänge nicht gefunden…

Die Bogengänge: Wunderschön anzusehen, im Sommer schattenspendend, im Winter vor Zugluft schützend, prägen sie das Stadtbild der norditalienischen Stadt. Besonders interessant finde ich, dass es hier noch genuine kleine Geschäfte gibt. Buchhandlungen, Boutiquen, alteingesessene Schuhmacherwerkstätten à la Pinocchio. Pasticcerie locken die TurinerInnen auf die Straße. Man könnte sogar sagen: In Massen. Hunderte von Cafés bieten kleine, köstliche Gebäckstücke an, begleitet von einem Cappuccino, dessen schneeweißes Milchhäubchen seidig glänzt oder einem Espresso, der die Augen auf Untertassengröße erweitert. 10 Varianten von Aperol Spritz trinken, Tramezzini – Turiner Sandwiches –  verspeisen gehört hier zum Tagesgeschäft. Besonders gut schmeckt all das an einem Samstagabend, kurz vor Geschäftsschluss im Caffè Nuovo Nazionale, Via Accademia Albertina 1. Von hier aus kann man sie ungeniert betrachten: Den Herrn Im feschen, stahlblauen Anzug, die Dame im tief dekolletierten, körpernahen Cocktailkleid, falsche Wimpern bis zum Haaransatz, Gucci-Handtaschen, echte wie gefakte…

Einer angesagten, vorgelagerten Piazza, der Piazza Palatina, haben wir es zu verdanken, dass wir in unserem Appartement von einer ständigen Geräuschkulisse aus Stimmengewirr, Gläserklirren Geschirr-/Besteckklappern, knatternden Motoren umgeben sind. Noch nachts um zwei, drei. Dann wird es leiser. Bis jemand von den umliegenden Restaurants, Cafés, Gelatterien, Bars um Viertel vor Vier beschließt, Hunderte von Flaschen in einen Container zu entsorgen. Dreimal hintereinander. Und dann nochmal um fünf. Nach vier Tagen hat man sich daran gewöhnt, hebt nur noch lässig ein Augenlid um dann weiter zu schlummern. Woher, so frage ich mich, haben die Turinenden die Ausdauer für diese permanente Kommunikation und Konsumation diverser Getränke und Speisen, welche am Wochenende ihr absolutes Crescendo findet? Sicher denken Sie jetzt, das sei nicht schön geschweige denn erholsam? Doch, abstruserweise ist es das. Denn es ist so anders. So italienisch.

Es ist warm, es gibt viele Autos, viele Menschen. Irgendwie ist immer jemand am Reden. Es riecht nach Pizza, süßem Gebäck, Mandeln. Mancherorts auch nach etwas, was ebenfalls mit Pi anlautet. Schieben wir es auf die Hunde, die hier ebenfalls in Massen, an der Leine geführt werden. Zumeist kleine, denn die lassen sich beim Shopping schnell in der Chanel-Tasche verstauen. Turin scheint hundeverrückt zu sein. Nicht selten werden wir angehalten, weil jemand unsern kleinen Dackel Nuri „bellissimo“ findet, ihn gar ausgiebig herzt. Das tun hier sogar die schnieken Herren im Anzug. Sogar ein obercooler Designer in schwarzer Tuchhose und ebensolchem Rolli, auf der Nase die obligatorische Hornbrille, fand unser Dackelchen zum Niederknien. Ein klarer Fall von Triebsublimierung. Obwohl… solche Kneeling Ovations bekam ich nicht mal vor dreißig Jahren. Und zu trinken gibt es für die vierbeinigen amici auch überall. Unsere Wohnung erklimmen wir übrigens über gezählt 96 Stufen. Eine sportliche Angelegenheit. Die Katzenklappe in Richtung ewige Jagdgründe haben wir gleich mal verriegelt.

Von dem kleinen vorgelagerten Steinbalkon aus, gehalten durch rostige, filigrane Metallgeländer, geht es beachtlich in die Tiefe. Vorbeisegeln würde man an einem Haufen anderer baufälliger Balkone, durstiger Sukkulenten, nicht gurrender Taubenpärchen sowie zum Trocknen aufgehängter Unterwäsche. Da blicken wir doch lieber geradeaus auf die lichtgraue Kuppel des Turiner Doms mit dem weltberühmten Grabtuch, die weißen Sonnenschirme und das Kopfsteinpflaster der Piazza. In der Ferne grüßen die schneebedeckten Alpen. An die mit Eisenspangen verstärkte Tafeldecke aus Eiche, direkt über unserem Bett, mussten wir uns ebenfalls erst gewöhnen. Unsere Wohnung punktet dafür mit WiFi, einer Waschmaschine sowie einer dieser typischen Kaffeezbereiter, wo das Wasser durch ein Rohr nach oben drückt um durch das Kaffeepulver im Sieb wieder nach unten zu fließen. Was braucht man mehr?

Überhaupt: Die Via Porta Palatina, ein römisches Stadttor ist Namensgeber, ist der ideale Ausgangspunkt für die angesagten Viertel in und um die Altstadt. Hier gibt es kleine Gassen mit Restaurants aller Preisklassen. Oft besucht haben wir das Palatino Ristorante, wo ihr zu gutem Preis-Leistungsverhältnis von Calamari bis Panna Cotta viele traditionelle Gerichte bekommt. Viele Einheimische essen hier. Ein gutes Zeichen, sagt mein Mann. Der Salat ist lecker angemacht, die Portionen so angelegt, dass man satt wird. Während das Jungvolk vor der Inkneipe nebenan Schlange steht, um ein paar schüttere Nudeln aus einer hippen Bowl aufzupicken, rücke ich mein wohlgefülltes Bäuchlein zurecht. „Du bist genau dort, wo du gerade sein sollst.“ Lautet nicht so ein bekanntes Yoga-Mantra?

Wer Abwechslung zu italienischem Superfood möchte, findet im Daiichi Sushi-Schiffchen und excellente Thai-Gerichte. Shoppen könnt ihr überall. Natürlich gibt es auch die berühmt-berüchtigten Einkaufsstraßen wie die autofreie Via Garibaldi oder die Via Po. In der Via Roma gönnen sich die Betuchteren eine Kleinigkeit von Prada & Co. In den Nebenstraßen findet ihr dann die kleineren Läden. Die Straßen um den Corso Emanuelle II sind weitläufiger, bieten ebenfalls wunderschöne Arkadengänge mit vielen Restaurants und Geschäften. Ein Blick lohnt sich auch in die wunderschönen historischen Apotheken bzw. Drogerien, die sehr schöne Pflegeprodukte aus heimischen Wildpflanzen anbieten, z.T. sogar eigene Kosmetikserien kreieren. Nach ausgiebigem Shopping könnt ihr in den Giardini Reali, den königlichen Gärten, entspannen. Dort ist auch das Caffè Reale Torino, das Einheimische nach einem Besuch der ebenfalls dort befindlichen Museen gerne aufsuchen. Regnet es, sollte ihr die Galleria Subalpina mit historischem Caféhaus/Restaurant sowie einem interessanten Antiquariat besuchen. Unter einem Glasdach hört ihr dann dem prasselnden Regen zu. Ebenfalls einen Besuch wert ist die Galleria San Frederico. Sehen und gesehen werden heißt es rund um das berühmte Caffe Torino an der Piazza San Carlo. Gönnt euch eine der üppigen, herzhaften Aperitivo-Platten um den Abend gebührend einzuläuten.

Modisch: Dante und seine Beatrice

Filmenthusiasten sollten das interaktive Filmmuseum besuchen, das im Turm der sehenswerten Mole Antonelliana eingerichtet ist, Hobby-Archäologen das Ägyptische Museum, Autofans das riesige Automobilmuseum. Aber, weil das Wetter so schön war…

Turin ist die Hauptstadt der norditalienischen Region Piemont. Im Nordwesten erheben sich die Alpen, sodass man sich an klaren Tagen an einer wunderschönen Bergkulisse erfreuen kann. Mit ca. 871.000 Einwohnern ist Turin Italiens viertgrößte Stadt. Bekannt ist sie für ihre großartige Architektur, gutes Essen, Autos und Fußball und, wie wir jetzt wissen, haufenweise schöne Frauen.

Für einen Abstecher an die Küste müsst ihr ziemlich viel Fahrzeit einräumen. Über die Autobahn ca. 2 Stunden (Baustellen!), über die Landstraße vier. Das ganze mal zwei. In Ligure Finale gibt es einen Hundestrand, damit ihr mit Vierbeiner in einer pud(d)elwarmen Adria baden könnt. D.h. falls nicht zwei ponygroße dänische Doggen auf Frischfleisch warten, wie in unserem Falle. Liegen, Sonnenschirm nebst Wassernapf sind für ca. 19 Euro/1/2 Tag zu mieten. Die Küste ist recht steinig, gesäumt von Fisch- und Hamburgerrestaurants und Parkplätzen. Dennoch fand ich´ s pittoresk. All die rosa-, lachs- und ockerfarbenen Häuser mit ihren grünen Fensterläden und schnörkeligen Eisenbalkons. Besonders die verkehrsberuhigten Sträßchen hinter der Strandpromenade sind hübsch. Esst ein Profiterole, einen Mini-Windbeutel mit gesüßter Sahne, und genießt das Dolce Vita.

Blick in die Tiefe: Aus dem Fenster unseres Appartements

Wer ein bisschen Piemonteser Wein-Luft schmecken möchte, begibt sich Richtung Langhe. Den Weg dorthin, von Turin aus, fand ich oberhässlich. Flachland, Industriegebäude, Maisanbau, Tankstellen, Supermärkte. Um und in den kleinen Städten Alba, Asti sowie Allesandria ist es nett, aber nicht umwerfend. Hatte allerdings das Gefühl, dass wir womöglich diagonal an den Hotspots vorbeigefahren sind. Manchmal hat man eben nicht den richtigen Riecher.

Schön war der Abstecher in die Valli die Lanzo. Dort befindet sich auch der sehenswerte Parco la Mandria mit einheimischen Tieren und Pflanzen, wo Hunde allerdings nicht erlaubt sind. Da wir mit unserem Nuri wandern wollten, fuhren wir weiter nach Lanzo Torinese. Eineinhalb Stunden habe ich Blut und Wasser geschwitzt und den Weg zur Teufelsbrücke beschritten. Dann wurde es für mich zu klettrig. Trotz meiner Wanderschuhe hatte ich das Gefühl auf rutschigen Dino-Eiern zu wandeln. Das ging nicht jedem so, denn lächelnd kam uns ein Herr entgegen gejoggt. Bin ein Angsthase. Gebe es zu. Im Ort selbst, haben wir vor der Bar Pasticceria Al Torcet wieder mal ausgezeichnete Profiteroli gemampft um meine Seele zu glätten. Die freundlichen Besitzer, echte Spaßvögel, haben uns sogar über das Außenmegafon verabschiedet. So erfuhr das ganze Dorf, wer wir sind und was wir wurden. Also: Gutes Schuhwerk für das Wandernetz der Valli di Lanzo ist anzuraten, sonst gibt es Windbeutel mit Ansage!

Was bringt man mit? Das Piemont ist berühmt für seine kulinarischen Köstlichkeiten. Natürlich Wein, Kaffee, aber auch weiße Trüffel, Nougat und in buntes Papier verpackte Amaretti. Die sind sogar gluten- und weizenfrei. Außerdem Feingebäck mit Pistaziencreme und Haselnüssen. Dann gibt es die traditionellen Tuchwebereien, deren Produkte ihr in ausgewählten Läden kaufen könnt. Oder auf dem Markt wie wir bei Le.Stoffe.di.Dario. Ausgefallenen, erschwinglichen Schmuck findet ihr bei Vestopazzo. Die Designs aus recyceltem Alu sind besonders schön. Würde sie archaisch im besten Sinne nennen.

Auf dem Weg: Das Aosta-Tal, umgeben von schneebedeckten Berggipfeln ist wunderschön. Aber das ist eine andere Geschichte…

Besançon, die Stadt des blauen Steins und der zahlreichen Schornsteine, ist ein beschauliches Städtchen, in dem die Künste großgeschrieben werden. Einen Besuch unbedingt wert. Schon wegen ihrer freundlichen, offenen Bewohner. Das umgebende Département Doubs lockt mit herrlicher Natur.

Würden wir nochmal nach Turin fahren? Auf jeden Fall, denn es gibt noch so viel zu entdecken. Stelle mir die Stadt auch im Winter reizvoll vor. Einer Sache bin ich mir jedenfalls sicher: Weder weiß man, wo man bei Turin anfangen, noch, wo man aufhören soll. Fahrt mal hin! Einen schönen Herbst wünscht euch

Stina

Iwwa die Brick – Mannheim sehen und leben

Mannheim. Keine zwei Stunden von hier entfernt, und ich war noch nicht ein Mal da. Das lag nicht unwesentlich an Joy Fleming, die stimmgewaltig den Neckarbrückenblues sang. Der Karl, den Hut in den Nacken geschoben, schlumpfte darin mit schöner Regelmäßigkeit zu einer anderen. Ich geb`s zu: Das Lied lud mich als Jugendliche nicht zu einer Besichtigungstour ein. Die besungene Stadt in meiner Vorstellungskraft somit ebenfalls nicht. Dachte: Rauchende Schornsteine, verbrennende Kohle, Männer mit rußverschmierten Gesichtern, Schutzhelme, Wirsingrouladen, Maschendraht mit Stacheldraht-Ambitionen. Kinder, die, barfüßig, im verdreckten Hemdchen auf der Straße stehen und selbstversunken in der Nase bohren. Ich weiß, auch hochwohlgeborener Nachwuchs bohrt in der Nase. Alle Kinder tun das irgendwann mal. Manche bleiben dabei. Und dann ist da noch Ludwigshafen, sozusagen die Creme de la Creme industrieller Tristesse.

Bei Engelhorns.

Also, Mannheim. Ein immerwährender Kalauer meiner Jugendzeit ging so: Wenn ein Mann auf Reisen geht, hängt seine Frau das Schild „Schweinfurt“ an die Haustür, ist er wieder zuhause, ihr ahnt es schon, eins mit „Mannheim“. Der Witz war ungefähr so prickelnd wie eine Socke in Aspik. Noch ein Grund mehr die Stadt an Neckar und Rhein weiträumig zu umfahren. Bis…

Bis mir ein honoriger Herr, seines Zeichens Architekt, auf der Arbeit sein Leid über die Flut an Billigläden klagte, die eine Stadt im Null Komma Nix kommerziellem Dünnschiss preisgäben. Dieser ist leicht erkennbar, denn er riecht durchdringend nach Nylon und anderen Chemiefasern. Der honorige Herr drückte das natürlich feiner aus. Also er, er fahre aus just diesem Grunde immer nach Mannheim. Dort hätten sich die Gewerbetreibenden zusammengeschlossen, um ein abwechslungsreiches Einzelhandelswesen zu erhalten. Ich recherchierte. Was ich fand, hörte sich nicht schlecht an, passte aber so gar nicht in mein selbstgebasteltes Bild.

Residenzstadt im Quadrat – oder alle Wege führen zum Schloss: Die Innenstadt, zwischen Rhein und Neckar gelegen, ist als Gitter konzipiert: Die Mannheimer Quadrate. Drumherum läuft eine Ringstraße, die strahlenförmig vom Schloss ausgeht: Die Bismarckstraße. Dazwischen liegen die rechtwinklig angelegten Straßenzüge, die Kurfürst Friedrich IV von der Pfalz um 1600 anlegen ließ. Deshalb tragen die meisten Straßen im Zentrum keine Namen sondern eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Der Traum eines jeden Briefträgers also… Zwei breitere Hauptstraßen durchziehen die Innenstadt. Die Breite Straße, auch Kurpfalzstraße genannt, verbindet das Schloss mit dem Neckartor und mündet in die Haupteinkaufsstraße Planken.

Unterwegs Richtung Planken.

Flugs erzählte ich meinem Mann vom neuen Image der bislang von uns geschmähten Kommune. Mein Mann sagte: „Also, ich habe gehört, Mannheim sei wirklich das Letzte.“ Worauf ich, ganz selbsternannte Anwältin unterschätzter Einkaufsparadiese, antwortete: „Du meinst bestimmt Ludwigshafen.“  Das saß. Ich konnte ihn zu einem Ausflug nach Mannheim überreden. Auf dem Weg vom Saarland aus durchquerten wir Baden-Württemberg, landeten in Hessen, dann wieder in Baden-Württemberg, zu dem Mannheim schließlich gehört. Über eine lange Straße fuhren wir ein, bis diese sich in ein imposantes Rondell, den Friedrichsplatz, merke! eines der größten zusammenhängenden Jugendstilensembles Deutschlands, erweiterte. Mit Arkaden, Fontänen, Parkanlagen, Wasserturm. Mondän und unerwartet. Nach der Ampel parkten wir in einem Parkhaus in der multikulturellen Fressgasse, was sie auch im besten Sinne war, stiegen aus und waren sofort mitten im Geschehen. Aus gegebenem Anlass waren die zahlreichen Hotels, Restaurants, Bars und Cafés zwar geschlossen, dennoch konnte man sich lebhaft vorstellen, wie großstädtisch es hier außerhalb Coronas zugeht. Tempuswechsel: Geradeaus geht´s zum oben erwähnten Planken, der Mannheimer Shoppingmeile. Mit natürlich den üblichen Ketten und einer etwas verträumten Galleria-Kaufhof.

Immer im Blick: Der 60 Meter hohe Wasserturm. Aber: In den Seitenstraßen dieses Einkaufsnetzes findet ihr eine Menge kleiner, interessanter Geschäfte. Als alter Skandinavien-Design-Fan muss ich natürlich zu Cotto Wohnaccessoires. Viel Sechziger-Jahre-Architektur gehört zum Zentrum von Mannheim, schenkt ihm einen gewissen Retro-Schick. Musste tatsächlich an Kopenhagen denken. Allerdings im Mini-Format. Oder an Jacques Tatis Herrliche Zeiten. Man bewegt sich also durch die Stadt, entdeckt Überraschendes, Barockes, wie die älteste Pfarrkirche Mannheims, St. Sebastian, die innen sehr prachtvoll gestaltet sein soll. Vor ihren Toren findet außerdem ein üppiger Wochenmarkt statt. Verlaufen ist, wegen der umsichtigen Ideal-Stadt-Planung extrem unwahrscheinlich.

Das Mannheimer Schloss: Größter Barockschloss-Komplex Deutschlands und Sitz der renommierten Mannheimer Universität. Zusammen mit der Jesuitenkirche, der Alten Sternwarte, dem Alten Rathaus und St. Sebastian ein wunderbares Barockensemble. Schon unter dem schöngeistigen Kurfürst Carl Theodor gediehen die Schönen Künste gar vorzüglich. Heute darf sich Mannheim UNESCO City of Music nennen. Und das trotz Xavier Naidoo. Kleiner Scherz am Rande…

Wir lassen uns also treiben, biegen mal rechts, mal links ein. Betrachten fasziniert die Steiff-Dekoration bei Kaufhof. Mit Bären, Katzen, Hunden, Affen, Maulwürfen in einer Art Wirtshaus-im-Spessart-Szenerie. Oh sel´ge Kindheit, in der ich einen kleinen Plüschaffen namens Jocko mein eigen nannte! In Quadrat Q5 14 -22 gibt es übrigens noch einen Original-Steiff-Spielzeugladen, aktuell von einer Frau Dörselen geleitet, wie ich lese. Klingt sehr sympathisch.

Etwas ganz Besonderes ist das traditionsreiche Kaufhaus Engelhorn. Das Sortiment ist exquisit. Es gibt sogar Lakrids by Bülow, das ihr unbedingt mal probieren solltet. Etwas teurer, aber raffiniert. Selbst, wenn einem das nötige Kleingeld fehlt (Seufz!), sollte man alleine schon wegen der großstädtischen, an Frühstück bei Tiffany erinnernden Atmosphäre des Engelhorn-Haupthauses, eintreten. Zwischen den einzelnen Kaufhaus-Gebäuden spannen sich zur Weihnachtszeit Lichterketten mit Herrnhuther Sternen. Wann sieht man die denn mal in dieser Menge? Ein bisschen weiter, die Straße runter, liegt linkerhand eine kleine Papeterie mit nützlichen und weniger nützlichen Preziosen. Ich kaufe… nichts! An uns vorbei radeln junge Leute mit Instrumentenkoffern auf dem Rücken, denn es gibt hier auch eine Musikhochschule. Muss ja, wegen City of Music. Platz zum Lustwandeln hat man hier wirklich. E yo, Mennhaim, yo! Ddu bist offffen und luffftisch! Vorsicht ist einzig vor der Straßenbahn geboten. Wusste gar nicht, dass ich noch so schnell rennen kann.

Mannheim, nach Stuttgart die zweitgrößte Stadt im Dreiländereck – Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, ist tatsächlich das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Metropolregion Rhein-Neckar mit derzeit ca. 318.301 Einwohnern. Industrie-, Handel-, Universitätsstadt – all dies trifft auf die ehemalige Residenzstadt zu, die außerdem über Deutschlands zweitgrößten Rangierbahnhof sowie einen der wichtigsten Binnenhäfen Europas verfügt.

Die Masken im Gesicht, versuchen wir einen leckeren Kakao zu trinken. Man ist ja schon so an sie gewöhnt. So kurz nach dem Genuss eines Fischbrötchen vielleicht etwas verwegen. Wie Strauchdiebe verziehen wir uns in eine dunkle Seitengasse, drücken uns in einen Ladeneingang. Ein erschrockener Händler räumt seine Apfelsinen weg. Eine Südfrucht hätte uns jetzt zur Gärung noch gefehlt! Wir taumeln zurück ins Parkhaus. Verlassen die weihnachtlich geschmückten Straßen. Gekauft haben wir nur eine Packung Kaffee und, immerhin, Schuhe für Stefan. Wir überqueren eine Riesen-Brücke. Rauch steigt aus riesigen Industrie-Schloten. High-Tech, Chemie. Ja, ist denn heut´ schon Ludwigshafen?

Fazit: Mannheim ist keine Postkarten-Idylle wie Heidelberg, dafür sehr quirlig und lebendig. Sechziger Jahre Stahl trifft Jugendstil, Barock, Gründerzeit. Parks begrünen das Stadtbild. Wie z.B. der Luisenpark. Mit seinen 80.000 Quadratmetern eine riesige grüne Oase mitten in der Stadt. Ich lese, es gibt ein original chinesisches Teehaus, tausende Tier- und Pflanzenarten (Echt jetzt?!), und auch dem Storch gefällt es hier so gut, dass er gar nicht mehr gen Süden fliegen will, stattdessen wie wir im Nest hockt.

Auf jeden Fall muss es in einer Universitätsstadt ein Studenten-Viertel geben. Das sehen wir uns im Frühling an. Hoffentlich ohne Maske. Habe von einem namens Jungbusch gelesen. Aha, am Hafen liegt es. Das Kreativ-Eldorado Mannheims für die ganze Familie samt Galerien, Szene-Kneipen und hippen Bars. Gut, Szene ist nicht so mein Ding. Aber ansehen lohn sich wohl trotzdem. Und dann sind da noch die ganzen historischen Sehenswürdigkeiten. Stelle es mir so vor: Wir sitzen uns in ein Straßen-Café, lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen und beobachten das Monnemer Treiben. Abends könnte man sogar dem Theater einen Besuch abstatten. Oder mit dem Handy und meinem Mann eine Partie Riesenschach spielen, mit sich selbst als Figur. Meinte ja nur, wegen der akkuraten Straßenaufteilung…

Ich entschuldige mich hiermit offiziell bei den Mannheimern, dass ich annahm, ihre Stadt sei ein chemieverseuchtes, rußiges Etwas. Dabei ist sie doch so spannend, im Aufbruch und grün! Sollte ich mich auch mal nach Ludwigshafen wagen?

Danke auch, Herr Architekt, für den wirklich wertvollen Tipp! Und Joy Fleming war eine super Sängerin und Frau!

So, der zweite Corona-Shutdown ist amtlich. Nehmt´s mir nicht übel, dass ich gerade jetzt einen solchen Artikel einstelle. Doch ich hoffe, dass vielleicht schon nächstes Jahr ein unbeschwerter Weihnachtsbummel möglich sein wird. Und dann kommt Monnems große Stunde.

Eine frohe Adventszeit wünscht euch Stina

Auf dem Moselradweg

Moselradweg

Es gibt Tage, da stimmt einfach alles. Amseln zwitschern. Meisen piepen durchs geöffnete Fenster. Eine Hummel summt aufgeregt zur nächsten Blüte. Wir beobachten die kleine Camera obscura, die jeden Morgen an der Wand erscheint, sobald sich die ersten Sonnenstrahlen auf unsere Nasenspitzen schleichen. Die Tannen im Garten stehen Kopf, die Dächer ebenfalls. Zum Frühstück backe ich finnische Roggen-Blini mit Preiselbeerquark. Dazu gibt es eine Tasse heißen Kaffees und die Aussicht auf einen wunderschönen Ausflug mit dem Rad. Dem Elektrorad. Denn ich bin ein Fan davon.

Wir fahren an die Mosel. Dahin zog es mich bis dato nicht. Die Erinnerung an endlose Besichtigungen von deutschen Kirchen und Klöstern, für die mein Vater schwärmte, hatte mich auf Jahre negativst geprägt. Nun also doch. Und sie ist schön, die Mosel! Komme mir vor wie im Süden. Die Toskana vielleicht. So vollständig von schwindelhohen Weinbergen umgeben. Dazwischen das glitzernde Wasser des Flusses. Aus waldigen Höhen kommend, genießen wir bei Leiwen den Blick auf die schönste Moselschleife zwischen Trier und Bernkastel. Hier führt übrigens auch der Moselsteig entlang, ein herrlicher, 365 km langer Fernwanderweg, mit unglaublichen Ausblicken, den wir sicher irgendwann mal begehen. Heute aber stellen wir unser Auto auf einem Parkplatz in Neumagen-Dhron ab, direkt neben einem Premium-Platz für Camper und ebenso direkt am Ufer. Die Vorderräder sind schnell montiert, der Dackel in der neuen Do-it-yourself-Wäschekorb-Konstruktion mit Polster, jeder Menge Luft und einem Kauknochen sicher untergebracht. Wir überqueren die Moselstraße, halten auf den Haupteingang des altehrwürdigen Hotel-Restaurants „Zum Anker“ zu. Gehen nach links, biegen nach rechts in die Pelzergasse ein, folgen ihr bis zur Römerstraße, biegen die erste wieder links ab. Dem Fahrradsymbol folgend geht´s gleich wieder nach links, leicht bergab, wo auch die Feuerwehr stationiert ist.

Wir sind auf dem Moselradweg. Passieren wunderbar grüne Auen. Leise schnatternde Enten dümpeln unter schattenspendenden Weiden, am strahlend blauen Himmel kreisen die Merlane. Es wird eben bleiben, so entlang des Flusses. Ich freue mich. Kleine Buchten mit Kieselbänken laden uns zum Verweilen, wegen des rauen Windes allerdings nicht zum Baden ein. Außer das Dackelchen. Es badet, paddelt Stöckchen hinterher, schnaubt fröhlich ins Wasser. Kinder spielen mit Eimerchen und Schaufel, wohlbehütet durch flatternde Sonnenhütchen. Die Eltern lesen, dösen auf mitgebrachten Klappstühlen. Nein, es riecht nicht nach Sonnencreme. Es ist beschaulich. Ein Gemälde in sanften Farben.

Irgendwie fontanesk!

Vorbei geht´s an Gründerzeit-Villen, schieferverkleideten Häuschen und traditionsreichen Weingütern. In einem kleinen Ort namens Brauneberg können wir nicht widerstehen, obwohl wir zum Auftakt der Fahrt jeder ein hartgekochtes Ei samt Stulle verzehrt haben. Doch eine lauschige Straußenwirtschaft, ein Winzerhotel folgt dem anderen: Plötzlich haben wir Hunger. Wir entscheiden uns für das schmucke Restaurant Steinmetz, sitzen in dem in kleine Inseln unterteilten Garten – nebst plätscherndem Koi-Teich. Brav fülle ich unseren Corona-Zettel aus. 1 Hausstand. Ungetestet. Die Pfingsrosen blühen, Insekten summen, der Salat mit Garnelenspieß ist delikat, die Maispoularde zart. Das Tüpfelchen auf dem i ist jedoch die Schorle aus dem hauseigenen weißen Traubensaft, ein äußerst delikates Nebenprodukt der Weinherstellung. Die hausgebackenen Kuchen und Torten sollen auch ganz famos sein, aber wir wollen ja auf den Sattel kommen. Deshalb blicken wir, nur an einem Espresso nippend, über die grüne Wiese hinweg auf die Mosel, sehen Schiffe vorbeiziehen, den Winzern, die keinen Sonntag kennen, bei ihrer steilwandigen Arbeit zu.

Moselradweg Neumagen-Dhron

Hier könnten wir verweilen, zumal es sechs Gästezimmer gibt, die, sobald die Lockerungen greifen, stante pede belegt sein werden. Frischgeduscht in kühle Laken sinken ist nicht. Wir treten in die Pedale. Bernkastel-Kues also. Wieder einmal wird mir klar: Der Weg ist das Ziel. Trotz seiner pittoresken Fachwerkkulisse ist mir dieser Hotspot heute zu touristisch. Dass der Radweg einige Kilometer an einer Schnellstraße vorbeiführt ist auch nicht prickelnd; dafür aber entschädigen die übrigen Abschnitte der Tour. Doch ein Kaffee an der Mole muss sein, bevor wir uns wieder auf die Räder schwingen und so zurückstrampeln, wie wir gekommen sind.

Neumagen-Dhron ist übrigens der älteste Weinort Deutschlands. 1878 hat man hier ein Grabmal in Form eines römischen Weinschiffs gefunden. Auszubildende der Handwerkskammer Trier haben es in Holz nachgebaut, damit man mit ihm in echt die Mosel befahren und dabei Wein trinken kann. Wenn es dann mit dem Rudern nicht mehr klappen sollte, übernimmt ein Dieselmotor. Derzeit wartet die Stella Noviomagi, der Stern Neumagens, auf Corona-Freigabe. Meine das nicht wörtlich. Hach, wie aufgeräumt, wie freundlich alle sind. Die Menschen winken. WINKEN! In der hellen Frühsommersonne, mit einem Getränk, einem Schnitzel mit Pommes, gar einem Eis mit Erdbeeren, glänzt das Versprechen auf ein Stück Normalität. Beflügelnd! Glücklich und voller Eindrücke landen wir nach knapp 47 Kilometern vor unserem Kofferraum. Klopfen uns auf die Schulter. Nur noch schnell mit dem Auto nach Brauneberg zurück, um 6 Flaschen dieses außergewöhnlichen Traubensafts zu erstehen. Über waldige Passagen mit kleinen Bächen geht´s dann, wohlig in die Polster gedrückt, nach Hause. Motorradfahrer mögen die kurvenreiche Strecke wohl auch. Mein Moseltrauma ist überwunden. Alte Schrecken lassen sich neu entdecken. Alles ist schön. Alles wird gut. Ich hab´s doch gesagt: Der Weg ist das Ziel.

Moselradweg

An Unterkunftsmöglichkeiten mangelt es der Mosel nicht. Wenn Hotels, Gästezimmer, Pensionen wieder uneingeschränkt Besucher empfangen können, ist es jedoch sinnvoll zu reservieren.

Mosel radfahr

Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina (P.S. Das Rezept für die Blinis stelle ich euch später ein!)

Wer kennt Gent?

Schokolade_Gent

In Gent braucht man – fast – keinen Stadtplan. So gut ist der Weg zu den Hotspots ausgeschildert. Man kommt einfach nicht dran vorbei. Ein Grund mehr, sich ganz entspannt treiben zu lassen um Spannendes zu entdecken.

Gent ist Belgiens bestgehütetes Geheimnis. So wirbt zumindest die dortige Tourismuszentrale. Lebhafter als Brügge – immerhin schieben sich jährlich um die 8 Millionen Besucher durch die verwinkelten Gassen des belgischen Kleinods – überrascht die große Schwester mit gutbürgerlicher Gediegenheit und weltoffenem Charme. Und leibhaftigen Einwohnern, ca. 250.000 an der Zahl. Nur ein paar Kilometer von Brüssel entfernt, lockt historisches Kulturerbe neben pfiffiger moderner Architektur. Gegensätze ziehen sich seit jeher an. Im Mittelalter war Gent so bedeutend, dass es in einem Atemzug mit Paris genannt wurde, diesem sogar Konkurrenz machte. Die altehrwürdige historische Innenstadt ist weitgehend autofrei, weshalb man eines der Parkhäuser aufsuchen sollte, um nicht mit den zahlreichen Fietsen sowie Straßenbahn und Bussen zu kollidieren. Wir parken im Kouter am gleichnamigen Plein und ziehen unseren Trolley – ja, einen für zwei plus Dackel – durch belebte Straßen, enge Gassen, großzügige Boulevards.

Unser Best-Western-Hotel, Résidence Cour St-Georges, liegt am Hoogpoort, einer Seitenstraße zur St-Baafs-Kathedrale mit dem berühmten Genter Altar. Vom Konservatorium wehen klagende Geigenklänge herüber. Aus einem hellerleuchteten Fenster perlt ein Sopran. Der Empfang an der Rezeption ist freundlich, locker. Wir haben Zimmer 1. Wegen des Dackels. So ist der Weg nach draußen, falls er mal Gassi muss, nicht weit. Aha, man denkt mit. Allerdings kommen wir so auch in den Genuss aller an- und abreisenden Gäste. Aber für den günstigen Preis inklusive Frühstück kann man nichts sagen. Das Zimmer selbst ist modern, geschmackvoll. Ein Bad mit Badewanne (Hurra!), ein kleiner Flur. Gegenüber das sehenswerte, uralte Brauhaus Sint Jorishof, am Botermarkt 2, aus dem 15. Jahrhundert, eins, wie aus dem Bilderbuch. Dunkle Balken, holzvertäfelte Wände, flämisch Gedrechseltes, flaschengrüne Hochlehner, altersdüstre Porträt-Schinken an den Wänden, schwere Orientteppiche auf dem Boden. Der fröhliche Zecher, der Esser, irgendwie Franz Hals. Gut speisen soll man hier, im ehemaligen Zunfthaus der Schützen. Leider nur mit Reservierung, wie wir feststellen müssen, als wir am Samstagabend gutgelaunt ins Lokal stürmen – und enttäuscht wieder raus. Sint Joris alias Drachentöter St. Georg war nicht mit uns. Auch nicht mit den armen Tieren, die ausgestopft auf die Besucher herabblicken. Der Abend hier hätte durchaus Erlebnischarakter gehabt. Schade.

Doch beginnen wir von vorne. Es ist Freitagnachmittag, wir haben eingecheckt. Habe den wirklich informativen Stadt- und Eventführer visitgent , der kostenlos an der Rezeption ausliegt, inspiziert. Möchte jetzt ein wenig städtisches Flair atmen, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Altstadt in Augenschein nehmen. Fünf Minuten später stehen wir auf dem St-Baafs Plein vor der Kathedrale und folgen den Wegweisern Richtung Gravensteen. In einer Seitenstraße nehmen wir ein ungewöhnliches Gemisch aus Tacos, Chorizos samt Käsewürfeln mit scharfem Senf zu uns. Letzteres eine Spezialität. Den vermutlich besten Senf Belgiens gibt seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Familie Tierenteyn-Verlent dazu. Ein Besuch in den historischen Geschäftsräumen lohnt sich, denn „De winkel is weinig veranderd sindsdien“, wie es so heimelig auf der Webseite des Unternehmens heißt. Doch zurück zu unserem Café. Das Etablissement kündet von der Weltläufigkeit der Genter und davon, dass dies eine Universitätsstadt ist – mit viel jungem Volk. Fühle mich alt. Erinnere mich aber wenigstens daran, einmal jung gewesen zu sein. Könnte ich bitte noch ein Bier haben?

Gefühlte 1 Grad, der Wind pfeift uns um die inzwischen roten, mittelalten Ohren. Also nach links in die belebte Einkaufsmeile, die wirklich nur interessant ist, wenn man sich eine Mütze kaufen möchte. Shoppingkette an Shoppigkette. Jedoch: Am Ende links abgebogen und schon beginnt das Gent, auf das wir hofften: Die Kraanlei, ein malerisches Kai, flankiert von spitzgiebligen Kaufmannshäusern aus Mittelalter und Renaissance, als die emsigen, dabei halsstarrigen Genter Bürger anderen europäischen Städten in puncto Tuchhandel und -Verarbeitung den Rang abliefen. Eine gewinnträchtige Eigenart, die einige flämische Kaufleute mit dem Leben bezahlen mussten. Wo sich Häuser gefährlich nach vorne neigen, damit Kornsäcke leichter nach oben gehievt werden konnten, reiht sich ein Restaurant, ein alternatives Café ans nächste. Mit dem Charme des Selbstgemachten. Kleine Designer-Labels, Trödelläden. Kampf dem Marken-Einerlei. Besonders freundlich, mit viel Sachverstand und Liebe zum Detail, empfängt euch eine Design-Community in der Verlängerung der idyllischen Kraanlei, der Oudburg. Das kleine, feine Label J-oké z.B. steht für ausgefallene Keramikarbeiten und Schmuckkreationen. J-oké gehört zu der Design-Community Belgunique, die Kreative aus ganz Belgien vereint. Mehr über Gent als Design-Mekka findet ihr hier. Im Anschluss an einen Besuch könnt ihr in den gemütlichen Restaurants auf der Oudburg exotische Köstlichkeiten genießen. Kantipur, India Palace, Himalaya Restaurant. Na, wie klingt das? Vielleicht treffen wir ja Tim und Struppi, wie sie von vergangenen Abenteuern träumen…

Rund um die Kraanlei gibt es die weltberühmten Waffeln. Auf zierlichen Eisenstühlen genießt man seinen Cappuccino. Dick eingemummelt sogar im Winter. Im Huis van Alijn, dem Museum des täglichen Lebens, können handygestresste Kinder und Eltern ausprobieren, wie es sich Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Weiter geradeaus stößt man auf den Sint Veerleplein mit dem dazugehörigen Gravensteen, einer Burg mitten in der Stadt mit Fähnchen, Wimpeln, die in der steifen Brise flattern, heute ein rühriger Ort für Ausstellungen, Festivals und Mittelalter-Fans. Belgische Spezialitäten wie Bier und Schokolade sollte man auf dem Veerleplein nicht kaufen. Sie sind ausnahmslos überteuert. Aber im Café ´t Geduld unter einem Wärmepilz eine heiße Schokolade mit üppig Sahne oder ein Westmalle tripel (9,5%) trinken, das sollte man sich schon gönnen. Da direkt nebenan das Touristenbüro liegt, kann man die mit Stadtkarte umherirrenden, ganz aufgeregten Neuankömmlinge von hier aus besonders gut beobachten. An Samstagen treffen sich hier Genter Frauen fortgeschrittenen Alters um den neusten Tratsch auszutauschen. Fühle mich jung, obwohl mittelalt. Überhaupt: Irgendwas machen wir in Deutschland falsch: Alle, mit denen wir geredet haben – die Genter sind freundlich, offen – sprachen neben Flämisch und Französisch auch Englisch und Deutsch. Und zwar fließend. Eine ältere Dame – vermutlich Hellseherin – hat mich sogar auf Schwedisch angesprochen. Schiebe das Polyglotte mal auf den Umstand „Seefahrer-Nation“. Wir schlendern weiter, nehmen links, aus den Augenwinkeln, den Alchemist wahr, wo man seine Bierverkostung fortsetzen könnte. Zumal der kostenlose sowie nachhaltige Wandelbus gerade an uns vorbeirumpelt. Wir biegen links ab, in eine pittoreske Gasse, die auf die Graslei und Korenlei mündet, die Pracht-Ufer der Leie.

Mystische Burg mitten in der Stadt: Gravensteen

Ausflugsboote liegen am Kai. Kuppeldächer, haushohe Sprossenfenster, riesige Lüster sowie die Leuchtmittel der zahlreichen gemütlichen Lokale spiegeln sich im Wasser. Besonders die Cafés in den Innenhöfe laden zum Verweilen ein. Venedig lässt grüßen. In der heraufziehenden Dämmerung ist die Illusion perfekt. Unter den imposanten Brücken herrscht munteres Treiben. Studies sitzen im Schatten mächtiger Pfeiler auf dem Boden. Sehe ich wärmende Decken? Irgendwie nicht. Sie tun, was Studierende in ihrer Freizeit eben so machen: Reden, Rauchen, und ziemlichen Radau. Das machen sie an Wochenenden bis ungefähr 6 Uhr morgens. In Zehnerformationen ziehen sie polternd und angeschickert durch die Stadt und leider auch an Zimmer Nr. 1 vorbei. Wir drücken uns die Nasen am Café Alice platt, das mit barocker Pracht lockt. Morgen werden wir es leider nicht mehr finden. Ist einfach alles zu schön bunt hier.

Gent Altstadt
Elektrische Nachtschwärmer an der Sint-Michiels-Brug

Über die Sint-Michiels Brug, die St. Michaels-Brücke, wandeln wir über den Vorplatz der scheldegotischen St-Niklaaskerk, mit dem wunderbar nostalgischen Riesenrad (Das letzte Bier war schlecht!!!) zum Hotel zurück. Die Kirche wurde von reichen Kaufleuten erbaut, dem Heiligen Nikolaus von Myra zu Ehren, der ein Herz für Kaufleute, Tuchproduzenten sowie Getreidehändler gehabt haben soll. Ich dachte immer, er sei gut zu Kindern gewesen. Sei´s drum. Vor unserem Fenster stehen irgendwelche gutgelaunten Herren und machen… Radau. So ein Tag in einer fremden Stadt macht platt. Wir essen in einem Wok-Küchen-Restaurant mit Kantinenflair. So können die Meinungen über ein gemütliches Abendessen beim Chinesen zwischen Eheleuten auseinander gehen! Dachte rote Lampions, winkende Glückskatzen…

Unser Zimmer verfügt über einen Fernseher. So um 21:30 müssen wir eingeschlafen sein. Dann, 2 Uhr nachts: Vor unserem Fenster stehen gutgelaunte Männer mit ihren Trolleys und prosten sich mit Bier zu. Von ferne höre ich krakeelende Studierende. Unser Hund bellt nicht mal mehr ob des Aufruhrs. Er käme sonst zweifelsfrei hinter den Atem.

9 Uhr. Taumele übernächtigt in den Frühstücksraum. Eine handbemalte Tapete, schätze mal 17. Jh., spannt sich über die Wände. Exotische Vögel in arabeskem Grün. Ein riesiger Messingleuchter spendet schummriges Licht. Im Hintergrund gediegener Jazz. Das Frühstück ist 1A, lässt nichts zu wünschen übrig. Die übrigen Gäste wirken ausgeruht. Ihre Zimmer gehen nach hinten raus. Meidet Zimmer 1-3!

Da ist er ja wieder: Der Wind! Meine Wollmütze hat sich jetzt schon bezahlt gemacht. Es ist Samstagmorgen. Wir stiefeln los. Diesmal überqueren wir von der St Baafs-Kathedrale kommend linkerhand die Hauptstraße, gehen Richtung Kouter. Dahinter liegt das modernere, weniger pittoreske, jedoch nicht minder spannende Gent. Geschäfte und Cafés jenseits des Touristentrubels. Die freundliche Frau aus dem alteingesessenen Zigarrengeschäft bringt Wasser für unseren Hund. Er müsse ja Durst haben, bei dem ganzen Geshoppe. Ein aufgewecktes Pärchen mittleren Alters zückt derweil seine Portemonnaies um uns ein Bild ihres Pudelmischlings zu zeigen. Die Frau heißt Helga, erfahren wir. Sie heiße nur so, erklärt sie augenrollend, weil ihr Vater ein Faible für Deutsche habe. Helga komme ja ursprünglich aus dem Nordgermanischen, tröste ich sie. Sie wirkt nicht überzeugt, lacht sich aber einen Ast. Dann verkündet sie, wir sähen jünger aus als wir seien. Was soll ich jetzt davon halten?

Im De Krook, einem durchaus futuristischen Gebäude, sitzen Menschen aller Altersstufen, surfen, unterhalten sich, trinken Kaffee. „Bibliothek und Ort für Wissen, Kultur und Innovationen“, der emsig genutzt wird. Die Genter wirken sehr zufrieden mit ihrer Stadt. Mir steigt der Duft frischgebackener Waffeln in die Nase. Meinem Mann steht der Sinn nach weiteren Bier-Degustationen. Der Kompromiss ist ein Besuch des Genter Altars. Da aber jeweils einer mit dem Dackelchen draußen in der Kälte warten muss, verschieben wir diesen Augenschmaus auf unseren nächsten Besuch in Gent und statten Sint Baafs nur einen kurzen Besuch ab. Wir schnüren noch ein wenig durch die Gassen. Auf dem Vrijdagmarkt mit seinen Gildehäuseren – die erste Bude stand hier bereits 1199 – erstehe ich eine kommerzielle Waffel. Knatschig, klebrig, obersüß! Waffel-Trauma.

Aber im Kaufhaus Post Plaza, da erschnuppere ich das beste Parfüm meines Lebens. Ich sage nicht, was es kostet. Aber ich verrate, dass es mein Budget bei Weitem überstiegen hätte. Dennoch erzählt mir die freundliche Verkäuferin alles über die Marke. Man habe es mit einem ausgeklügelten imaginären Clan, einer duften Familie zu tun, den Penhaligons. Jedes Mitglied habe seinen eigenen Charakter samt entsprechendem Duft. Wer würde nicht gerne einmal wie The impudent cousin Matthew, der unverschämte Cousin Matthew, oder Roaring Radcliff duften? An The Tragedy of Lord George, The Revenge of Lady Blanche oder einem Duft namens Terrible Teddy möchte ich vielleicht nicht mit schuld sein. Mein Favorit ist Heartless Helen. Hoffentlich offenbart sich hier kein Konflikt zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Nur so viel: Kopfnote: Rosa Pfeffer, Mandarine; Herznote: Tuberose, Jasmin; Basisnote: Hölzer, Cashmeran. Meine Güte!

Mittagsschläfchen im Hotel. Vor dem Fenster stehen… Na, ihr wisst schon. Bald geht´s wieder los. Wir laufen durch die Gassen, die wir noch nicht erkundet haben, hinter der Greevenburg, daneben. Da, ein gemütliches Waffel-Café. Mein Mann hätte eher Lust auf ein Bier. Er schwärmt vom Alchemist. Da gibt es den besten Gin Tonic der Stadt. Schade nur, dass ich gar keinen Gin mag. Aber ich will mal keine Herzlose Helen sein. Doch es gibt auch Bier. Ein helles für die Dame, ein dunkles für den Herrn. Ganze Familien strömen in die winzige Kneipe. Ein armes Gnu guckt zu. Draußen Betriebsamkeit. Einfach nur dasitzen und Leute gucken. Der Magen knurrt. Wir scheitern im Sint Jorishof, s.o.! Ganz Gent hat reserviert. Überall. Speisen in einem Imbiss.

Um 21 Uhr sind wir wieder zurück. „Party!“, ruft uns die patente Rezeptionistin zu, als wir in Zimmer 1 verschwinden. 21.30: Wir geben die Schlummerles.

Gent Altstadt Julclub

Sonntag. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Wir genießen das üppige Frühstück. War der feuchte Fleck an der Decke gestern auch schon da? Und die Delle? Wir erfahren, es gebe einen Wasserschaden. Die Managerin kümmere sich darum. Derweil schleicht die Reinemachfrau umher, als fürchte sie um ihr Leben. Stuntmäßiges Stürzen vom ersten Stock in den Frühstücksraum gehört sicher nicht zu ihrer Arbeitsbeschreibung. Auch mein Mann mahnt zur Flucht. Gutgelaunte Männer mit Trolleys winken uns hinterher. Adieu Zimmer Nr. 1. Noch schnell 50 rosarote Tulpen zu tatsächlich 10 Euro am Kouter Plein gekauft, wo sonntagsmorgens ein Blumenmarkt stattfindet. Ich ahne einen Hauch von Früüühling! Sollen wir nicht noch eine Waf…?

gent bibliothek
Volksnahe Bibliothek, innovatives Kulturzentrum: De Krook

Dabei hätte ich so gern noch gesehen:

Gent Hund

Das Schloss von Gerhard dem Teufel: Geeraard de Duivelsteen. Nur, weil er so hieß.

Die Sankt-Bavo- und die Sankt-Peters-Abtei, deren Innenhöfe sehenswerte Oasen für Pflanzenfreunde sind

Das Kunstviertel

Mindestens ein Beginenkloster

Außerdem hätte ich gerne im Tearoom des Café Alice ein lekker Broodje gegessen. Dort kann man sein Winkelmandje, seinen Einkaufswagen, auch online mit Törtchen, Quiches & Co. füllen.

Wir kommen wieder. Wenn es wärmer ist. Dann besuchen wir auch den Botanischen Garten der Universität.

Ausführliche Infos zu Gent findet ihr – wie gesagt – in dieser wunderbaren Broschüre zum Gratis-Download: visitgent

Fahrt mal hin

Gent kouter

Ferien auf Väddö

Was wünscht man sich, wenn man an Schweden denkt? Javisst, klar, schönes Wetter. Petrus hin oder her. „Es gibt kein schlechtes Wetter.“, sagen die Schweden, „Nur schlechte Kleidung.“ Also haben wir die schicken Kleidchen und Sandaletten im Koffer gelassen, stattdessen Vlies-Pullover samt langen Hosen hervorgekramt und sind losgestiefelt.

Fiskeläge. Fischerhütten in Bylehamn

„Älskade Väddö“, geliebtes Väddö, so macht eine Broschüre des Väddö Turistrȧd auf die wirklich traumhafte Schäreninsel vor den Toren Stockholms aufmerksam. Touristen verirren sich selten hierher. Verwunderlich. Denn Väddö hat alles zu bieten, was eine schwedische Insel braucht: Blaues Meer, Sandstrände, kleine Badebuchten, nach Honig duftende Wälder, liebevoll gehegte Gärten, Schafe, Kühe und natürlich jede Menge roter Holzhäuser. Und ICA´s, Läden die alles anbieten, was der Urlauber in der schwedischen Natur braucht. Tändstickor (Zündhölzer), Kochtöpfe, Angeln, knatschige, aber wunderbar genuine gifflar (Zimtwecken), falls man sich einmal im wilden Wald verläuft. Nicht zu vergessen, die auffallend freundlichen Menschen, die sich immer über einen netten Plausch freuen. Im Supermarkt mit einem freudig-überraschten „Hej!“ begrüßt zu werden, als sei man eine alter Bekannte, die gerade von einer zehnjährigen Weltumseglung zurückgekehrt ist – das hat schon was. Vor allem, wenn man zum ersten Mal hier einkauft.

Kalles randiga kaviar. Luxus aus der Tube

Väddö. Das ist Astrid Lindgrens Ferien auf Saltkrȧkan pur. Mit Stina, Tjorven, Pelle, der hübschen Malin, dem tierliebenden, immer ein wenig melancholischen Pelle und natürlich Bootsmann, dem treuen Bernhardiner. Baden, Schippern, Hering essen, in hellen, schillernden Nächten, Aug in Aug mit Eulenmutter und Eulenkind, Hasen, Rehen, ab und an Elchen. Da kann es passieren, dass man so um 3, 4 Uhr nachts aufwacht, schlaftrunken in die Küche tapst, Kaffee kocht, den Tisch deckt, die Butter aus dem Kühlschrank holt… im Glauben, dass schon heller Morgen sei. Sich dann selig wieder ins Bett zu kuscheln – das ist Urlaub. Hat man dazu noch – wie wir – ein hübsches rotes Holzhaus gemietet samt Miniatur-Segelbooten sowie Leuchttürmen auf den weißgestrichenen Fensterbänken, steht einem schwedischen Sommer nichts mehr im Wege. Begleitet von Vogelgezwitscher resp. Auerhahnschrei, begann zumindest ich meinen Tag tapfer und genau zweimal mit einem typischen välling, warmer Getreidegrütze, mit filmjölk und lingonsylt, Preiselbeergelée, um festzustellen, dass meine Erinnerung an den Brei aus Kindertagen weitaus positiver waren, als er dann tatsächlich geschmeckt hat. Lag wahrscheinlich am Mischungsverhältnis. Was soll ich sagen? filjmölk und lingonsylt gewannen so langsam das Übergewicht. Ich ebenfalls. Bewegung war angesagt. Unter Bienengesumme, Hummelflug und Mückenattacken gelangte man in 300 m Entfernung zu einer kleinen Badebucht. Ett dopp i vattnet, ein kurzes Eintauchen in die kühlen Fluten, hat sich dann allerdings nur unser Dackelchen getraut.

Hier meine Highlights für eine einwöchige Reise nach Väddö über Stockholm bei jedem Wetter:

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Meine schwedischen Farben…

… natürlich in Stockholm

  • Wenn ihr fliegt, dann vermutlich nach Stockholm. Schon wenige Stunden in dieser wunderherrlichen Stadt genügen, um zu wissen: Hier muss ich wieder hin. Und zwar exklusiv. Wir sind in Gamla Stan, der pittoresken Altstadt, herumgewandert, haben – gegenüber von Gudrun-Sjödén – im Café Kladdkakan, was so viel heißt wie klebriger Kuchen), unvergleichliche kanelbullar, einen ostkaka (Käsekuchen) sowie ein Stück äußerst frische und delikate princesstȧrta genossen. Eigentlich wollten wir zum Café Vetekatten, einem sehr alten, sehr berühmten… Aber, was soll ich sagen: Wir hatten echt Hunger und haben das Vetekatten nicht gefunden. Das Parken unseres Mietautos in der Nähe von Kungsgatan hat unser Budget empfindlich getroffen. Stockholm möchte, dass man sein Auto zuhause lässt. Gut. Das wissen wir jetzt. Zum Trost haben wir uns im Systembolaget (dem staatlich kontrollierten Alkoholladen) mit Norrlands guld eingedeckt, ein Bier, das schmeckt und sich prima mit Fischen verträgt.
  • Auf Väddö selbst sollte man sich in den Tag hineintreiben lassen. Was es gibt, verpasst man nicht, denn man fährt irgendwie, irgendwann sowieso daran vorbei. Selbst wenn man kein Mietauto hat, ist der öffentliche Nahverkehr ziemlich gut ausgebaut. Man braucht zwar ein paar Stunden länger, tut es aber den Schweden gleich, indem man eiskalt entschleunigt.Väddö skärgard
  • In Grisslehamn gibt es einen kuscheligen kleinen Hafen mit Fischräuchereien, kleinen Restaurants und Cafés, die u.a. räksmörgȧsar anbieten, Krabbensandwiches mit Majo, Ei, Salat und eben fangfrischen Krabben. Wir haben das Café Vischan ausprobiert, das auf ökologisch macht. Dass die kleine Gaststätte ein wenig improvisiert wirkt, macht ihren Charme aus. Alle sind freundlich, alles schmeckt super, ist aber zu wenig für die saftigen Preise. Gleich gegenüber findet ihr auch einen Ableger des Outlet-Centers Edblads hjärta mit Kleidung, Keramik und Schmuck in nordischem Design. Im Hotell Havsbaden kann man sicher stilvoll wohnen und schlemmen; uns zog es jedoch mehr in die kleinen Fischerhütten.

    Kleine Kunstwerke: Salta fiskar, Salmiakhaltige Lakritzfische.
  • In Grisslehamn fahren die Fähren der Eckerö linjen über das Ålands hav, das ȧländische Meer, nach Eckerö, ein kleiner Ort im Niemandsland auf den finnischen Åland-Inseln. Die Fahrt ist nicht teuer. Die Einheimischen nutzen mit Kind und Kegel die steuerlichen Vorteile zum Einkaufen von Alkohol jeglicher Couleur. Mit Trolleys schleppen sie ihn aus dem Duty-Free-Shop in ihre gemütlichen Wohnstuben. Hier gilt: Der Weg ist das Ziel. Gut gelaunte Menschen, richtig gute MusikerInnen zur Unterhaltung, sogar ein Quiz, bei dem man die Kenntnisse über seine finnische/schwedische Heimat testen kann. Die Hin- und Rückfahrt lässt sich wunderbar mit einem Cocktail oder einer Tüte Salta fisk versüßen. Insgesamt ein vergnügliches, zudem sehr skandinavisches Event. In zahlreichen Restaurants kann man zudem sehr gut und günstig essen. Wer mehr Zeit auf den Inseln verbringen möchte, der sollte von Kapellskär nach Mariehamn, liebevoll Kleine Großstadt genannt, übersetzen.
  • Auf dem Weg nach Grisslehamn gibt es eine kleine Abzweigung nach Gȧsvik. Das dortige Outlet-Center Edblads hjärta lockt mit einem Gartencafé und sehr günstigem Modeschmuck der gleichnamigen Marke. Erstaunlich erschwingliches, geschmackvolles nordisches Design in wirklich großer Auswahl. Auch ideal als Mitbringsel.

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    Üppig und lecker

  • Nach ausgiebigem Shopping haben sich alle ein Mega-Eis aus der Väddö Gȧrdsmejeri, ebenfalls auf dem Weg nach Grisslehamn, verdient. Dort gibt es das Hamburger-Restaurant Bonden och Burgaren, so ungefähr: Der Bauer und sein Burger, sowie ein sommerlich-frisches Eis-Café, Bondens Glasskalas, Des Bauern Eis-Fest. Am hofeigenen Landungssteg legen Skipper aus benachbarten Schären an um sich an Gefrorenem zu laben. Hamburger, Eis und Sahne stammen aus eigener Produktion. Von allesamt namentlich bekannten, freilaufenden Kühen. Auf der anderen Straßenseite kann man sie besuchen. Mit dem Traktor eine Kuhsafari (Hallo? Natürlich ohne Schießen!) machen. Der Bauer erzählt Wissenswertes. Der Anhänger ist immer voll. Man hat sich ökologischem Landbau verschrieben, ist sendungsbewusst.

    Auf der anderen Seite; Der König und die Königin

    Auf dem weitläufigen Gelände hat die findige Bauernfamilie ein weiteres gemütliches, mysig(-es) Café installiert, wo sogar schon die königliche Silvia nebst Carl Gustav das berühmte Eis schleckten. In der angeschlossenen butik dreht sich alles um das profitable Milchtier. Draußen drücken die kleinen Besucher ihren Eltern die knallorangenen Schwimmwesten in die Hand, um im Streichelzoo Kaninchen mit Grashalmen zu pieken. Sehr sommerlich all das, sehr schwedisch. Das Eis, die Sahne sind so gut, dass die Leute Schlange stehen und platziert werden.

  • Wenn ihr über Grisslehamn hinausfahrt, erreicht ihr Singö. Hier wird es ruhiger, privater. Man bleibt unter sich, gibt sich kühler. Obwohl öffentlich, betrachtet man hier die Strände als Privateigentum. Trotzdem lohnt es sich über kleine Brücken, vorbei an traumhaften Buchten zu fahren, einen Blick auf die sündhaft teuren Sommerresidenzen reicher Stockholmer zu werfen. Es gibt sogar eine Singö-Krimireihe. Ja, Verbrechen hat in der kleinsten Hütte Platz! Quirliger war es in der anderen Richtung.

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    Gewebte Geschichte in der Domkyrka zu Uppsala

  • Eineinhalb Stunden entfernt liegt Uppsala. Bekannt vor allem wegen des Gassenhauers „Ein Student aus Uppsalallalla…“, seiner altehrwürdigen Universität und seines Doms. Der Botaniker Carl von Linné, dem wir die in Latein verfasste Systematisierung der Pflanzen verdanken, ist allgegenwärtig. Am eindrucksvollsten wohl im Botanischen Garten, den man kostenlos durchstreifen kann. Eine Offenbarung für jeden Pflanzenliebhaber, der glaubte, in Schweden wüchse nur Irisch Moos. Die Altstadt ist ruhig und überschaubar. Im Café Linné gibt es eine reiche Kuchenauswahl. Hier vertrödeln Studierende verregnete Sommertage, lesen im schummrigen Licht (Schlecht für die Augen!) ihre Aufzeichnungen vom letzten Semester. Auf Papier. Die Uhren ticken hier langsamer. Mütter mit haufenweise Kinderwagen tauschen sich aus. Der Dom ist erwartungsgemäß mächtig und nordisch schlicht.
  • Kista: Ein liebevoll restaurierter hembygdsgȧrd, ein Bauernhof als Freilichtmuseum aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, auch wenn seine Wurzeln bis ins Mittelalter hineinreichen. Über die Öffnungszeiten solltet ihr euch vorher informieren. Dann kann man hier sogar fika, kaffeetrinken. Um friedlich herumzuwandern ist es aber erlaubt das Tor zu öffnen, dann hindurch zu schlüpfen, wenn man es hinter sich wieder schließt. Könnte ja sein, dass ein paar Schafe dieselbe Idee hatten. In der Nähe hat man sogar Grenzsteine aus Wikingertagen gefunden. Ob es sich bei den ebenfalls entdeckten Steinansammlungen um Grabstätten handelt – da möchte man sich noch nicht festlegen. Auch wenn so etwas für Schwedenfans längst Tatsache ist. Auf Kista feiern die Väddöer Mittsommer, hier heiraten sie, feiern Geburtstage. Außerdem lässt man in einem Spektakel den Sommer 1719 wiederaufleben, als russische Truppen die schwedische Küstenlinie überfielen, wobei sie keinen Stein, keine Planke auf der anderen ließen. Bei einem kleinen Spaziergang von hier aus zum Mossberg kann man über Felder und Wiesen und den Golfplatz schauen. In der Ferne blitzt sogar ein Stückchen blaues Åland-Meer.
  • An lauen Sommerabenden könnt ihr direkt über dem Wasser kleine Gerichte genießen und über die Bucht von Barnens ö schauen. Schwalben werden gefährlich nah an euren Köpfen vorbeisirren. Wenn es kühler wird, könnt ihr euch in ein paar Decken wickeln und weiter träumen. Das Barnens Ö Krog & Scen liegt an der Hauptstraße Richtung Simpnäs. Manchmal gibt´s sogar ein Konzert. Ein typisches Sommerrestaurant und -café, das nur von Mitte Juni bis Mitte August geöffnet ist. An kühleren Abenden/Tagen empfiehlt sich für empfindlichere Naturen warme Kleidung. Der im Süden von Väddö befindliche Teil Barnens ö, Insel der Kinder, dient auch heute noch als barnkoloni, als Ferienstätte für Stockholmer Sprösslinge.
  • Das Vikingabyn Storholmen öffnet dieses Jahr leider erst in der zweiten Hälfte Juli. In genuiner Umgebung toben sich engagierte Freizeit-Wikinger aus. Man erfährt, wie ein solcher gekleidet war, was er gegessen, was er so gedacht hat, wie er die Axt warf. Laut diverser Einheimischer ein wirklich lohnender Besuch. Nicht nur für Kinder. Die Wikinger sind allerdings nicht immer zugange. Auf der Webseite findet ihr alle Events.

    Vorgeschmack auf die American Car Show in Norrtälje
  • Norrtälje, die Hauptstadt der Region Roslagen, zu der Väddö gehört, erreicht man auf gewundenen Wegen durch wunderschöne Landschaft. Seen, Wälder, runde Felsbrocken rote Häuschen, Möwen, Seen, Wälder, runde Felsbrocken, rote Häuschen, Möwen… Ein einziger, wohltuender Garten. Das Städtchen selbst ist beschaulich. In der Altstadt findet man alles, was das Herz begehrt: Schicke Mode, Antiquitäten, Schwedisches Design wie z.B. Tischwäsche von Ekelunds, gewebte Teppische, stilvoll-schlichte Keramik.

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    Immer gut besucht: Café Hörnan in Norrtälje

    Sonnige Prinsesstarta

  • Unbedingt besuchen solltet ihr das betagte, gemütliche Café Hörnan in Norrtälje. Hier schmeckt die Princesstȧrta, das Kanelbulle nochmal so gut. Und ihr wisst ja: Kaffet är med pȧtȧr. Sprich: Kaffett e me´ potor. Oder ihr fragt: E kaffett me´ potor? Man bezahlt einmal Kaffee und kann sich dann nehmen, so viel wie man will. Alljährlich findet hier im Sommer die American Car show statt. Amerikanische Schlitten und deren Besitzer schieben sich durch den Ort, bevor am Hafen ausgiebig zu Rockabilly gefeiert wird. Leider am Tag unserer Abreise. Die Black Ingvars mit ihren abgedrehten Covers bekannter Lindgren- und Abba-Songs- hätten wir gerne gehört.
  • Gut, reichlich und günstig gegessen haben wir zum Abschluss in Älmsta, dort wo nur der Kanal die Insel vom Festland trennt, im Ankaret, The Anchor. Nicht das gemütlichste Restaurant, aber mit freundlichem Service und super Salatbuffet, leckeren Pizzas und anderen Speisen, die satt machen. Hier gehen die Einheimischen hin, wenn sie der ganzen Familie was Gutes tun wollen, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen.
  • Einen loppis, Hausflohmarkt, zu besuchen, daran kommt man wohl nicht vorbei. Überall locken sie mit zerlesenen Taschenbüchern, verstaubten Porzellantellern, sogar Kleinmöbeln.

    Bylehamn? Loppisfynd? En hemlighetens tavla?

    Vielleicht findet man aber gerade hier – oft zu selbstgewählten Preisen – den eisernen Kerzenständer, der uns im Winter leuchten und an unsere Schwedenreise erinnern wird.

  • Was könnt ihr auf Väddö noch machen? Eigentlich alles: Wandern, im Meer und auf dem Väddö Kanal paddeln, segeln, Fahrrad fahren, fischen, golfen, lesen, faulenzen, grillen, kitesurfen, Ausstellungen, Konzerte besuchen, schwedische Spezialitäten kosten, beten, dass ihr noch eine Runde schwimmen könnt, bevor euer Urlaub zu Ende ist.
  • In einer Touristeninformation bzw. einem ICA solltet ihr euch die bereits erwähnte Broschüre für euer Urlaubsjahr schnappen. Hier ist alles verzeichnet, was ihr für einen wunderbaren Aufenthalt in Roslagen braucht.

    Zwergdackel Teckel Rauhaar
    Dackeln im Sturm

    Wieder zuhause im Saarland

Älskade Väddö. Geliebtes Väddö. Ich kann die stolzen Inselbewohner durchaus verstehen.

Eure Stina

Kopenhagen in zwei Tagen – Ein Vorweihnachtstrip

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Kopenhagen in zwei Tagen – Ein Vorweihnachtstrip

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Ein Hoch auf Kopenhagen!

Tag 1:

Geht das denn? Nicht wirklich. Aber in der Kürze liegt bekanntlich auch die Würze. Vom Flughafen Köln-Bonn aus braucht man 1 Stunde, 15 Minuten bis in die dänische Hauptstadt. Vom Kopenhagener Flughafen fahren wir neun Stationen mit der Metro M2 zur Station Nørreport. Kaum der Rolltreppe entstiegen, sind wir auch schon mitten drin im Getümmel. Treiben lassen, heißt die Devise. Sich dem Tempo dieser Stadt an einem Freitagvormittag anpassen. Kopenhagen ist keine hektische Metropole. Man hat oder besser: nimmt sich Zeit. Kurz überlegen wir, uns in den unglaublichen Torvehallerne in der Frederiksborggade mit allerlei Köstlichkeiten zu stärken.

Die liegen nämlich genau hinter uns. Man könnte auch in einem der zahlreichen Cafés frühstücken. Wir möchten aber erst mal unser Gepäck loswerden. Der Nørreport ist ein Hotspot. Irgendwann, irgendwie werden wir sowieso wieder hier landen. Wir müssen runterkommen. Gestern noch auf der Arbeit, Übernachtung im Flughafen-Hotel (Leonardo, sehr zu empfehlen!), heute Sightseeing. Schwer, das Tempo zu drosseln. Im Eiltempo geht´s durch einen kleinen Park mit Weiher, in dem gutgelaunte Jogger samt Hund ihre Runden drehen. Das 4Sterne Hotel Imperial ist ein laut Webseite „Laekkert hotel taet pa Hovedbanegarden“, also schön und nahe am Hauptbahnhof gelegen. Das stimmt. Das Kongresshotel mit internationalem Flair liegt außerdem fünf Minuten vom Tivoli, acht vom Raadhusplatsen und somit der Haupteinkaufstraße Kopenhagens, Strøget, entfernt. Normalerweise ist es teuer, manchmal gibt es jedoch Spezialpreise, sodass auch Normalsterbliche hier nächtigen dürfen. Tipp: Zieht euch warm an, damit ihr an der Rezeption nicht an Unterkühlung sterbt. Das meine ich im absolut übertragenen Sinne.

Hier blasen Wikinger die Lure
Raadhuspladsen

Im angeschlossenen Restaurant werden laut Webseite des Hotels „uglemmelige smagsoplevelser fra det italienske køkken“, unvergessliche Geschmackserlebnisse aus der italienischen Küche serviert. Unvergesslich wohl auch deshalb, weil ein Teller Spaghetti Al Arrabiata, knackigst al dente, derart viel kostet, dass man auf die Nachspeise eher keine Lust mehr hat. Um es gleich zu sagen: Das Imperial ist geschmackvoll eingerichtet. Hier waren Designer am Werk. Das Frühstick – morgenmad – ist reichlich und gut. Die Zimmer scheinen aber irgendwann halbiert worden zu sein, sodass man sich am besten im raumsparenden Square Dance zum Badezimmer vorarbeitet. Das ist zwar modern und hübsch, bringt aber den Begriff „Nasszelle“ auf den Punkt. Hier waren Zwerge am Werk.

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Cooperative Absalon & Co.

Unser erstes Frokost, eine leichte Mahlzeit am Mittag, nehmen wir im Dalle Valle ein: Wunderbares Smørrebrød mit fangfrischem Lachs, knackigem Salat, Kapern und Rösti. Äußerst freundlich der Service. Man kann sich allerdings auch selbst bedienen, an einem erstaunlichen Buffet mit warmen und kalten Speisen.

Draußen schnuppern wir bewusst erste Großstadtluft, vor uns liegt der Tivoli, Kopenhagens, Dänemarks Nationalheiligtum. Es funkelt und glitzert über alle Maßen. Hier beginnt wonderful Kopenhagen. Das heben wir uns für den morgigen Abend auf. Bis 24 Uhr ist der altehrwürdige Vergnügungspark nämlich geöffnet. Auch im Winter.

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Wonderful Torvehallerne

Das Herz der Stadt: Zwischen Hovedbanegarden (Hauptbahnhof) und Kongens Nytorv

Wir folgen dem Strom der Passanten, werden via Raadhuspladsen (Blick nach rechts oben: Stele mit Lure blasenden Wikingern!) förmlich in die Haupteinkaufsstraße, Strøget, eingesogen. Hier gibt es alles, was der Kopenhagener sowie der Tourist braucht. Kitsch as Kitsch can. Die üblichen Markenläden. Billig, teuer. Alles einträchtig nebeneinander. Um den Rundetaarn, den Runden Turm, mit seinen Kunstausstellungen, Workshops samt Craftsboutique, gibt es Arkaden. Ein bärtig-markiger Kerle verkauft hier mit großer Geste etwas, das angeblich schon seinen altnordischen Vorfahren die Sinne vernebelt hat. Am nächsten Tag ist sein Stand nicht mehr da. War er vielleicht sein bester Kunde? Bin frech, da übermüdet. In den Nebenstraßen eröffnen sich andere, genuinere Welten. Kleine Labels, Buchhandlungen, Secondhand-Läden, dänisches Design, gemütliche Restaurants, hippe Cafés mit Wärmelampen samt dicken Fellen. Am besten man benutzt den Strøget wie eine Hauptschlagader, von der Stränge abgehen und wieder hinführen. Also nach links. Nach rechts. Nächste Querstraße wieder nach rechts auf den Strøget. Dann das selbe Spiel nach rechts usw. Kopenhagen als Leporello. Auch wenn man dem Strøget nur schnurstracks folgt eröffnen sich wundersame Altstadtplätze, z.B. der Gråbrødretorv mit seinen Cafés und Restaurant. Für manche der schönste Platz Kopenhagens, gelegen im Latinerkvarteret rund um die alte Uni.

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Graabrödretorv – Typisch Kopenhagen!

Die Gassen entlang der Købmagergaade sollte man unbedingt erkunden. Ist nämlich: Wonderfull! Hier liegt auch der Amagertorv, auf dem sich der Designtempel Illums befindet. Für Fans skandinavischen Designs ein absolutes Muss! Auch wenn es es sich manchem nicht unbedingt erschließen mag, dass jemand für einen pummeligen Holzraben (o.k. der Designklassiker schlechthin) von Kay Bojesen locker mal  550,- dkr hinblättern, pardon: hinkarten kann. Denn in Kopenhagen bezahlt man selbst den Hotdog an der Bude mit der Karte. Einkaufen bei Illums geschieht mit zurückhaltender Verzückung, frei nach dem Motto: Geh ich weg von dem Fleck ist mein Reisebudget weg! Geschirr von Ittala, Kaffekannen von Bodum, Schmuck von Skagen. Ein paar Piefkes begutachten sachkundig den bekannten Holzaffen mit Schraubarmen, ebenfalls von Bojesen. Jensen-Normalverbraucher hat einen Kühlschrankmagneten mit stilisierten Fahrradfahrern aus den Sixties erstanden. Der Däne/die Dänin liebt eben Design. Für das Café Illums auf dem Dach des Designhauses mit wunderbarer Aussicht über die Stadt haben wir leider keine Muse mehr.

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Hoptimistisch!

Ich möchte unbedingt noch zu Royal Kopenhagen, der königlichen Porzellanmanufaktur seit 1775 mit den typisch rauchig-samtigen grau-blau-weißen Glasuren. Mein Mann macht schlapp. Schließlich sind wir um 4 Uhr 20 heute Morgen aus den Betten gestolpert und zum Flughafen gefahren. Also: Zu Fuß zurück zum Hotel zwecks Nickerchen.

Abend. Plötzlich wach. High Life in Dosen. Ich beschließe meinem Mann eine Freude zu machen. Also nicht in einem gemütlichen Kneipchen in Nørrebro, wo die Studierenden sich tummeln, die Kopenhagener gemütlich ihr Bierchen zischen, einzukehren. Stattdessen geht´s ins Bahnhofsviertel, Vesterbro. Von unserem Hotel aus sind das drei Minuten. Wir durchschreiten einen Bogen, auf dem eisblau leuchtende Lettern verkünden, dass ein halber Liter Milch pro Tag, zudem ein Leben lang, der Gesundheit absolut zuträglich sei. Nun, das sollten wir vielleicht noch ausdiskutieren…

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Mobile Würstchenbude

Auf der anderen Seite: Ein Bahnhofsviertel, wie es im Buche steht und dabei im Aufwind. Mehrstöckige Mietshäuser aus den Anfängen der Industrialisierung. Geschmackvoll renovierte Fassaden. Hier hat schon der ein oder andere gut situierte Kopenhagener Einzug gehalten. Zu abscheulich hohen Mieten. Dezente Weihnachtsbeleuchtung vom Designer inklusive. Secondhand-Shops, arabische Gemischwarenläden, Galerien, exklusive Weinläden, afrikanische Gewürzläden, spleenige Frisörsalons, Kneipen mit brennenden Fackeln vor der Tür, schnieke Restaurants, alternative Cafés jeglicher Couleur. Auch Prostituierte gebe es hier, Ganoven im Gefolge, die einem die Geldbörse aus der Tasche ziehen wollen, warnt uns ein junger Kopenhagener, der uns gleich mit zwei Jägermeistern beruhigt. Und auch nicht hier wohnt. Sondern am Nørreport. Mit ebenfalls abscheulich hohen Mieten. Wir sind in einer Raucherkneipe gelandet. Ist die Kneipe nämlich klein, ist sie vom allgemeinen Rauchverbot ausgenommen. Logisch, nicht? Aber so haben auch kleine Kneipen ihr Auskommen. Obwohl die Kopenhagener wirklich gerne ausgehen. Die Kneipen sind immer voll. Gesellig, freundlich, kontaktfreudig – Kopenhagener eben. Wenn dich hier jemand versehentlich anrempelt oder umgekehrt, folgt ein höfliches „Undskyld“ samt einer freundlichen kleinen Berührung am Oberarm. Hyggelig!

Mein Mann blüht auf. Rund um Halmtorvet ist irgendwie Kiez, Hafen, Schmummer und gleichzeitig Exklusivität. In der nächsten Kneipe, Fermentoren Beer Bar, fühle ich mich in meine Jugend zurückversetzt. Hammergute Musik. Nicht die immerwährenden Oldies, eher Nischengeschmack. Gemischtes Publikum. Jung und alt. Eine Bierakademie mit blauem Sofa auf der Damentoilette. (Was macht es da?) Mit Bier-Karte und allem. Die Crafts werden extra für Fermentoren gebraut.

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Die kompetente junge Dame, oben im Bild, serviert mir ein Bier, das mich an die Aromen von Wein erinnern soll. Das scheint irgendwie der neue Trend: Wisky, der nach Bier, Bier, das nach Wein schmeckt. Tatsächlich kommt mein Bier dezent fruchtig,angenehm samtig daher. Hat sie also Recht gehabt, die Fermentatorin. Hier wollen wir gar nicht mehr weg. Die Hits aus unserer Jugend, und die unserer älteren Geschwister! Wieder mal haben wir die Zeitfalte entdeckt, in die es sich zu  verschwinden lohnt. „Es gibt Situationen“, sinniert mein vollauf begeisterter Mann, „da ist man dann genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Hier ist so einer. Außerdem, sagt er, hätte ich 30 Jahre jünger ausgesehen, eingelullt in ein Kneipenflair, das ich nirgendwo mehr vermutet hätte. Bitte packen Sie´s mir ein, zum Mitnehmen! Später wird er mir dann erklären, meine Verjüngung habe unmittelbar mit dem schummrigen Licht zu tun gehabt. Si tacuisses! Oder ich versuche es bei uns zuhause auch mal mit anderen Glühbirnen…

Hartgesottene zieht es jetzt zum Kødbyen. Die Fleischstadt. War es tatsächlich mal, ein Schlachthofgelände, das man zum Kulturzentrum umgebaut hat. Weißgekachelte Etablissements, ultramoderne Restaurants, originelle Cafés. Die junge Frau aus dem Fermentoren hat uns das Warpigs empfohlen. Voll wie auf dem Bahnhof und ebenso laut. Zwei Braukessel im Hintergrund. Man bestellt kleine, mittlere, große Portionen, stellt sich sein Menu zusammen, z.B. geräuchertes Schweinefleisch plus Kartoffelsalat. Rau und schnörkellos, im Pappbecher der Salat. Auf Papierunterlage das Fleisch. Selbstbedienung. VIP´s nehmen im Chambre Separée mit Schaufenster Platz. Der Kronleuchter besteht aus Rinderschädeln. Heimelig – für meinen Mann, den Rock´n Roller. Hier kocht das Leben. Ein Bekenntnis zum Fleischverzehr? Eine Reminiszens an die frühere Nutzung des Geländes? Oder einfach nur ein Diner, Teil des Kopenhagener Szene-Lebens.

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The Roughtrade. Professionell. Schnell. Szenebrauhaus Warpigs

Draußen, die Hauptstraße, erstaunlich ruhig. Wir taumeln selig nach Hause. Müffeln nach Geräuchertem, wohl auch nach den Zigaretten in der kleinen Kneipe. Wir sind sechzehn Jahre alt. Fehlen nur noch die Spaghetti mit Doppelkäse. Warum gehen wir eigentlich nicht öfter weg?

Tag 2

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Streitbarer Bischof: Absalon

Bin wieder 55. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Den lassen wir ihm gerne und sitzen um 9.00 Uhr gemütlich beim morgenmad. Nicht zu verwechseln also mit frokost, einem leichten Mittagessen. Eigentlich wollten wir jetzt eine Stadtrundfahrt mit dem Linienbus 11 A machen. Aber das Wetter ist so schön. Knackig kalt, sonnig. Wir möchten Richtung Nyhavn, Kleine Meerjungfrau. Kopenhagens begehrteste Fotomotive. Dazu durchqueren wir den gesamten Strøget, an dessen Ende sich Kongens Nytorv befindet. Halt nicht den gesamten. Irgendwie geraten wir (obwohl alles gut ausgeschildert ist) in eine Querstraße – Toldbosgade – und stehen plötzlich vor Amalienborg, dem Königlichen Schloss, samt Kapelle. Wäre normal später dran.Kopenhagen_Kobenhavn_Köpenhamn_Königliches_Schloss_Danmark_Weihnachten_Amalienborg Anyway. Wir überqueren einen kleinen Markt mit Weihnachtsbuden, über den Kopenhagens berühmtester Sohn, Absalon, Gründer der Stadt, die aus einem 1167 gegründeten Kloster am Öresund entstanden ist, seinen Blick schweifen lässt. Hoch zu Ross, als Wikinger mit einer Streitaxt verewigt. Wir folgen den japanischen Touristen und gelangen zu Kongens Nytorv, wo ihr unbedingt einen Abstecher ins Magasin du Nord, kurz: Magasinet, machen solltet. In einem der ältesten Kaufhäuser Skandinaviens findet ihr neben den üblichen Marken Mode, Schmuck, Heimtextilien aller namhaften skandinavischen Designer in stilvoller Atmosphäre. Etwas teurer, dafür hochwertiger. Die Delikatessenabteilung im Untergeschoss ist die Show. An kleinen Ständen wird die Auslese des Nordens präsentiert. Eine kleine Auszeit mit Latte samt Wienerbrød, einem feinen Plundergebäck mit diversen Füllungen, kann man sich in einem der Cafés mit Blick über die Altstadt gönnen. Meine Shopping-Ausbeute: Ein Pullover (ich brauchte wirklich einen!), eine Pudelmütze, da ich kalte Ohren hatte, Söckchen mit bebrilltem Mops für die Schwiegermutter (Ja, meine Schwiegermutter liebt bunte Socken!).

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Stilvoll: Magasin du Nord

Wir überqueren die Straße Richtung Nyhavn mit seinen schmucken, bunten Bürgerhäusern. Sitzt da doch tatsächlich ein alter Fischer samt Mütze, schmaucht sein Pfeifchen und wünscht uns Glaedelig Jul. Genau so einer ist bei uns zuhause auf einer alten Lithografie von einem –allerdings –  norwegischen Fjord zu sehen. Ist doch wirklich wonderful, dieses København!

Gutgelaunt stürzen wir uns in das Gewimmel von Nyhavn. Morgens schon einen Gløgg, Glühwein mit Schuss? Nun, wir möchten den Tag noch erleben. Außerdem pulsiert hier das Leben auch so. Also weiter durch die Touristenströme. Möwen kreischen. Es riecht nach Fisch und Meer. Irgendein armer Schlucker schwitzt im Eisbärenkostüm. Wo ist denn jetzt die Kleine Meerjungfrau? Ich denke mal, im Märchenland. Da hat sie´s sicher besser, als von Touristenscharen betatscht zu werden. Einmal haben irgendwelche Vandalen sie geköpft, ein andermal ins Wasser geworfen. Arme Kleine. Wir finden sie jedenfalls nicht. Aber sie ist da. Habe plötzlich das Bild vor Augen, wie sie da sitzt, verträumt, ganz klein, auf ihrem Stein.

Schauspielhaus Kopenhagen
…und wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Wir sind im Winter-Weihnachts-Wunderland. Keine hundert Meter weite geradeaus öffnet sich der Blick auf einen Meeresarm. Vor uns das hypermoderne Königlich Dänische Schauspielhaus. Gegenüber die stylische Operaen, eine der modernsten der Welt, mit wunderbarem Klang. Eine steife Brise weht hier. Durchatmen!

Jetzt eine Tasse Tee bei Perchs Teehandel in der Kronprinsengade! Durch hyggelige kleine Straßen mit Antiquitätenlhändlern, Design- und Modeläden, Cafés und Restaurants, kleine Grünflächen lassen wir uns treiben. Leider wartet vor Perchs schon eine Riesenschlange. Stattdessen essen wir in einem gemütlichen Krog Smørrebrod mit Lachs, dazu ein kräftiges Craftsbier. Selbstgebrautes Bier hat in Dänemark gerade Hochkonjunktur. Dabei gibt es abenteuerliche Geschmacksnoten zu entdecken!

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Es blüht selbst im Winter um die Torvehallerne
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Torvehallerne – Günstig und gut essen

Und irgendwie gelangen wir von der pitoresken Gegend um die Købmagergade, Kultorvet, Fiolstraede, vorbei an der alten Universitätsbibliothek (Sehenswert!) zur Haltestelle Nørreport. Hier sind auch die Markthallen, Torvehallerne, die wir jetzt durchstreifen. Ist man hungrig, kann man hier zu zivilen Preisen gut speisen. Auch hier pulsiert das Leben. Einmal mehr könnte ich mir vorstellen hier zu wohnen. Wonderful, wonderful Copenhagen! So viel Wunderbares macht auch müde. Zurück zum Hotel!

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Im Winter-Weihnachts-Wunderland: Der Tivoli

Tivoli

Wie gesagt: Der Tivoli ist ein Nationalheiligtum. Altehrwürdig thront er mitten im Zentrum. Portiers im Livree. Der Eintritt nicht billig, aber mit Zuzahlung kann man soviel fahren, wie man möchte. Die Angestellten sind stolz hier arbeiten zu dürfen. Kein raues Geschubse Richtung Karusell. Hier wird man dänisch zurückhaltend aufgeklärt, was erlaubt ist und was nicht, und dann freundlich Richtung freie Plätze dirigiert. Denn die sind rar. Jetzt um Weihnachten muss man mit 20 Minuten Schlangestehen vor den Fahrgeschäften rechnen. Dafür wird man mit einem wunderbaren Blick über den hell illuminierten Vergnügungspark samt Stadt entlohnt. Kunstschnee sorgt für die richtige Weihnachtsatmosphäre.

An Kohlebecken oder Wärmepilzen kann man sich aufwärmen. Es ist herrlich durch das Lichtermeer zu wandeln. Auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Es duftet nach Gebrannten Mandeln, Liebesäpfeln, Popcorn. Unverfrorene schippern aneinandergekuschelt auf dem kleinen Weiher herum. Malerisch ergießt sich eine Weide in den spiegelnden See. Magisch. Wir fahren auf dem Himmelsschiff 80 Meter hoch. Von hier aus kann man die ganze Stadt überblicken. Lassen uns von der Achterbahn durchrütteln. Heissa! Wir bedauern ein paar Japaner, die in Lichtgeschwindigkeit einen Obelisken hinaufgeschleudert werden, um dann gnadenlos wieder herunter zu sacken. Die Fahrt ins Bergwerk zu den Maulwürfen ist eher beschaulich. Meine Laserpistole, mit der ich auf Leuchtpunkte schießen soll, damit ich weitere Maulwurf-Szenerien erblicken kann, funktioniert nicht. Typisch. Dafür trifft mein Mann. Und das kleine Mädchen – natürlich mit roter Mütze – auf der Bank vor uns. Auf meine Frage, ob ihm die Fahrt gefallen habe, kann es nur stumm nicken. Aber seine Augen leuchten.

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Drachenschiffe am Horizont
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Chinesische Drachen am Nachthimmel

Auch ich laufe hier mit Tränen in den Augen durch. Ist einfach nur märchenhaft. Im Chinesischen Viertel gibt´s Fisch´n Chips unterm Hallogenstrahler. In der Pagode unterbreitet eine Zehnjährige dem Weihnachtsmann mit ernster Miene ihre Weihnachtswünsche. Fast hätte ich mich in eine Gondel gezwängt um in die Märchengrotte mit H.C. Andersens Figuren einzufahren. Aber das war meinem Mann dann doch zuviel an Zeitfalte. Wir spitzen in die kleinen Buden, in denen es vom Norwegerpullover bis zum filigranen Designteelichthalter alles gibt, was den Dänen handwerklich so einfällt. Wieder einmal beselt, gleichzeitig aber erschlagen von so viel Pracht wandeln wir zum Hotel zurück. Noch ein Gute-Nacht-Bier. Und dann ist es vorbei. Unser 2 Tage-Wonderfulwonderful wonderful-Kopenhagen!

Kopenhagen_Kobenhavn_Tivoli_Astronomen_Plakat_Danmark_Weihnachten
Jauchzet, frohlocket!

Tipp 1: Besorgt euch am Flugafen eine kostenlose Stadtkarte von SkyMap.dk. Die zeigt neben allen Vierteln sowie dem Metroplan auch Shopping- und Gastronomiefans den Weg zu den wichtigsten Läden. Außerdem ist sie liebevoll gestaltet, somit richtig schön anzusehen. In einem Rahmen – natürlich nordisch weiß – macht sie sich sicher gut. Also besorg euch zwei: Eine zum Wegweisen und eine zum Aufhängen.

Tipp 2: Wer sich an Strøget als Hauptschlagader hält, kann sich nicht verlaufen.

Tipp 3: Wie gesagt: Ihr müsst eure Euros nicht in Dänische Kronen wechseln. Sogar ein Hotdog mit Röstzwiebeln kann man mit Karte bezahlen. Kopenhagen ist teuer. Lieber mal kurz nachrechnen, bevor man mehr ausgibt, als man möchte.

Tipp 4: In Kneipen und Cafés kann man ausgezeichnet und oft günstig Smørrebrød essen. Bestellt wird am Tresen und auch gleich bezahlt. Die Getränke nimmt man selbst mit an den Tisch, das Essen wird gebracht.

Tipp 5: Achtet beim Überqueren der Straße unbedingt auf die Massen an Fahrradfahrern. Die fahren schnell und haben Vorfahrt!

Tomtar im Tivoli, Volkskunst
Hej tomtegubbar!

Was wir gerne noch gemacht hätten, und weswegen wir unbedingt wiederkommen müssen:

Die Carlsbergbrauerei auf dem Ny Carlsberg Vej im Szeneviertel Vesterbro besichtigen.

Beim Sternekoch Geist am Kongens Nytorv kleine Häppchen zu moderaten Preisen zu uns nehmen.

Am Sankt Hans Torv in Nørrebro ein Bier trinken und Passanten beobachten.

Den Havnebus Richtung Operaen nehmen. Am Anleger Nordre Toldbod, 200 m südlich der Kleinen Seejungfrau, im Harbour Grill speisen.

Die kleine Meerjungfrau finden.

Ein Konzert der Dänischen Philharmonie in der Oper, Operaen, besuchen.

Das Hirschsprungmuseum in der Stockholmsgade besuchen und das nordische Licht in der Malerei bewundern.

Die von Prachtvillen gesäumten Boulevards von Fredriksstaden entlangspazieren.

Am Flughafen mehr von Raunsborg kaufen. Frischer Duft nach Rhabarber und anderen nordischen Pflanzen.

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Den herbfrischen Duft des Nordens einfach mitnehmen…

Stinas Merkspruch Nr. 1: Lasst die Musik eurer Jugend laufen und tanzt dazu. Besser als jede Schönheitskur!

Stinas Merkspruch Nr. 2: Wagt euch auf ein Karusell und jauchzt!

Ein sehr informatives, amüsantes Buch über das Leben in der dänischen Hauptstadt hat Marlene Hofmann geschrieben: Ein Jahr in Kopenhagen. Reise in den Alltag.  Macht direkt Lust, es der Autorin gleich zu tun. Habe es in einem Rutsch gelesen und dabei, natürlich, ein dänisches Bier genossen.

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Prachtvoller Tivoli, wundervolles Kopenhagen

Frohes neues Jahr

Eure Stina

Fahr doch mal nach Korsika! Von Schweinchen, Schluchten und Kastanien.

Ein frischer Morgen Anfang Oktober. Bei gerade mal 3°C steigen wir am Straßburger Flughafen Entzheim in einen kleinen Flieger mit rot-weiß-kariertem Seitenruder, Reminiszens an elsässische Gemütlichkeit. Nach entspanntem Check-in landen wir nur anderthalb Stunden später bei strahlendem Sonnenschein und 28°C in Ajaccio, der Hauptstadt Korsikas, im südlichen Teil der Westküste gelegen. Meine Schwimmschuhe hätte ich getrost zuhause lassen können, denn etwaige Seeigel dürften sich hier schon von der Strandpromenade her ausmachen lassen. Türkis und klar schimmert das Meer. Rot meine Augen, denn viel geschlafen habe ich nicht. Aufgedreht verstauen mein Mann und ich die Rucksäcke in dem kleinen, verschrammten  Peugeot 108 von der Autovermietung. Meine ersten Fotos von Korsika zeigen einen verkratzten Kleinwagen. Man weiß ja nie. Keine Viertelstunde später sind wir on the road. Im nächstbesten Supermarkt erstehen wir, wofür kein Platz im Flieger war. Für eine Woche wird eine Wohnung in der Altstadt unser Domizil sein. Im Supermarkt hängen unorthodox Schinken und Salamis von der Decke, auch Merkwürdiges aus Kastanien gibt es zu bestaunen. Es riecht ein wenig streng nach bäuerlichen Erzeugnissen. Keine Insel für Vegetarier, denke ich und lege verschämt eine Packung Schokokekse in den Einkaufswagen, während mein Mann ein Sixpack korsisches Bier herbeischleppt. Immerhin möchte ich mich, wie in jedem Urlaub, zur Vegetarierin mausern, auf Beeren, Früchte und Gemüse zurückgreifen… Aber, so tröste ich mich, die halbwilden Schweinchen leben hier ein relativ glückliches Leben. Mit Eicheln und eben Kastanien bis zu ihrem wahrscheinlich nicht seeligen Ableben. Wir werden wohl doch die ein oder andere kaum EU-konforme Wurst verzehren. Die Fahrt von der Superette zum Parkhaus Diamant (wie der Name so die Preise, 24 Std. 20 Euro) ist nichts für Weicheier. Gelinde gesagt finde ich sie halsbrecherisch. „Entweder du passt dich an den hiesigen Fahrstil an“, rät mein Mann mit Kennermiene, „oder du hast verloren.“ Gewinner scheint es verkehrstechnisch eher seltener zu geben: Die zumeist wendigen Kleinwagen – ehrlich, die bessere Alternative zu ausladenden SUV´s – tragen ihre Blessuren mit Stolz. Wen kümmert schon ein bisschen Blech bei diesem Panorama: Palmen, Berge, Segelboote, Sandstrand, Sonnenschein, Vespas, wolkenloser Himmel, Azuro!

Bin eigenlich ein kleiner Südland-Muffel, aber, hallo? Hier gefällt es mir! Unsere Wohnung liegt in einer kleinen Gasse mit alten, hohen, ockergelben Häusern in unmittelbarer Umgebung zu den überaus zahlreichen Cafés, Bars, Restaurants. Nach dem Erklimmen der steilen Treppe, Bergsteigerkategorie 5, erreichen wir ein verwinkeltes, geschmackvoll renoviertes, im besten Sinne minimalistisch eingerichtetes Appartement. Die Benutzung der Toilette erfordert logistische Weitsicht, aber wollte ich nicht sowieso abnehmen?!?

Draußen

Ajaccio (korsisch: Aiacciu) ist eine lebhafte mediterrane Stadt mit knapp 70.000 Einwohnern. Am gleichnamigen Golf gelegen schwankt sie zwischen mondän und Piratennest und zelebriert ihren großen Sohn: Napoléon Bonaparte. Ein kleines, ihm gewidmetes Museum gibt es um die Ecke. Grimmig blickt er von T-Shirts, Kaffeebechern und Intimerem. In einer nahegelegenen Höhle, umgeben von seinen Offizieren, beschloss er Europa zu erobern. Ein anderer allgegenwärtiger korsischer Kopf ist der tête de moru,  jene schwarze Silhouette mit flatterndem weißen Stirnband. Mit General Pasquale di Paoli wurde er 1762 zum Symbol für den korsischen Widerstand und offiziell zur Flagge der Insel. Der Kopf des Mauren geht jedoch auf den Kampf der christlichen Korsen gegen die Sarazenen zurück. Ein Korse – natürlich ging es um eine Frau! – schlug einem Mauren den Kopf ab und spießte ihn auf eine Pike. Die entschärfte Variante ist ein Autoaufkleber in Form eines Babykopfes im Profil samt Schnuller. Eine leicht irritierende Verkehrung der Legende. Habe mir ebenfalls jahrelang Gedanken über die Herkunft des Symbols gemacht und lag völlig falsch. Keinen Zweifel an der Aktualität des schwelenden Konflikt zwischen Korsen und Franzosen lassen die von Schrotkugeln durchsiebten Ortsschilder, auf denen der französische Name einfach weggeschossen wurde. Nimmt es Wunder, dass ich mich an Asterix auf Korsika (http://www.spiegel.de/reise/europa/abenteuer-insel-mit-asterix-auf-korsika-a-617705.html) erinnert fühle? Ein messerschwingender, zähnebleckender, unverträglicher Korse fragt einen sichtlich von dessen Schwester angetanen Römer (oder war es gar ein Gallier?):

„Was, dir gefällt meine Schwester?“

„Nein, nein!!!“

„Was, dir gefällt meine Schwester nicht?“

Ansonsten geben sich die Korsen eher lässig, zurückhaltend, unaufdringlich freundlich, mit oft hintergründigem Humor.  Zwar werden bei kleineren Karambollagen schon mal die Stimmen erhoben, dann aber einigt man sich freundlich zum Weiterfahren, da der neue Kratzer zwichen den alten kaum auszumachen ist. Auch der Passant, der den Auffahrer eigentlich verursacht hat, zieht sich mit einem „Ce n`était pas directement ma faute“ charmant lächelnd aus der Affäre und zieht frohgemut, vorbei an staunenden Touristen, seines Wegs.

Auf die – zugegebenermaßen – etwas einfältige Frage, ob der Salat mit den Figatelli, würzige Würstchen aus Schweineleber, denn schmecke, antwortet der korsische Wirt mit einem freundlichen Schnauber. Will sagen, probier es aus, entweder es schmeckt dir oder nicht, egal, wir sind stolz auf unsere Würstchen. Damit komme ich noch gut weg. Ich bin sicher, dem ein oder anderen Franzosen wird die Spezialität roh serviert…

Übrigens: Esel werden auf Korsika verehrt, nicht gegessen, tragen sie ihre Besitzer doch stoisch durch felsiges, zerklüftetes Terrain. Ein altes korsisches Sprichwort sagt: „Der einzige Esel am Platz ist der, der nach Eselswurst fragt.“ Ja, was essen sie denn sonst? Da wären die kleinen korsischen Rinder, aus denen sich Kalbsragout mit Oliven machen lässt, Ziegenkäse in allen Variationen, Feigenmarmelade, Fisch, Fischsuppe, Meeresfrüchte, auch Seeigel (oursins). Allgegenwärtig: Calamares in dicker, brauner Wein-Soße (Calamari all’ajacienne) mit Reis und Auberginenpüree. Dazu alles, was die Esskastanie hergibt, wie köstliches Flan à la Farine de Châtaigne.

Pizzerien gibt es zu Hauf. Die Pizzas sind zumeist gut, die Spaghetti überteuert. Wer auf Masse steht, begibt sich ins Le 20123, das einem Bergdorf nachempfunden ist. Inklusive Sternenhimmel. Wasser muss man sich selbst an einem Brunnen zapfen. Alles solide, ohne große Raffinesse, ein Touristen-Magnet. Ritterschenken-Flair mit nur einem Menü.

Wie angenehm ist doch ein romantisches Dinner im A Madunuccia, 10, rue de Glacis, Ajaccio. Ohne Meerblick, aber dafür wird nach alten Familienrezepten gekocht, zu moderaten Preisen. Gespielt wird Musik von Radio Corse, http://www.paradisu.de/korsika-radiosender.html, zu der es sich besser als zu Hiphop genießen lässt. Meine Kauwerkzeuge passen sich leider allzugerne dem jeweiligen Rhythmus an. Das Kastanienflan mit Sahne ist göttlich, die Rotweinsauce delikat, die mit Brocciu-Käse überbackene Aubergine herzhaft. Touristen verirren sich selten hierher. Einheimische sind Stammgäste. Die Betreiber freundlich und stolz. Ein Stück vom alten Korsika.

Wer Abwechslung von der korsischen Speisekarte braucht, isst gut und zu angemessenen Preisen bei „Texas – Café – Restaurant“. TexMex mit frischen Zutaten und feinen Deserts. Besonders die Mittagsmenüs sind zu empfehlen (https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g187140-d2262189-r201046954-Texas_Cafe-Ajaccio_Communaute_d_Agglomeration_du_Pays_Ajaccien_Corse_du_Sud_Cors.html). Danach kann man am Strand gegenüber sein Bäuchlein wegschwimmen.

Für den kleinen Hunger gibt es in den Bars Tapas, die, bestellt man 5, 6 verschiedene Schälchen, satt machen, aber auch kosten. Wir lernen: Kleinvieh macht auch Mist.

Auf dem Place Foch findet jeden Tag ein Markt mit regionalen Köstlichkeiten statt. Was das Herz begehrt. Aus der Hand schmecken süße, in Fett gebackene Hefebällchen, Beignets au Brocciu, mit einer Füllung aus Brocciu-Käse einfach genial. Am besten lässt sich das Treiben vom Café Au premier Consul aus betrachten (https://www.korsika.fr/a1159/articles/1159/cap-corse-mattei-bastia/) bei einem Pastisse, einem Cap Corse und einem starken Espresso zu vernünftigen Preisen, ruppige Kellner inklusive. Nach einem Spaziergang über den Markt erreicht man den Hafen, wo die großen Passagierschiffe anlanden. Selbst die Queen Elizabeth tutet hier zum Abendbrot. Hockt euch einfach an die Mole und beobachtet die einlaufenden Schiffspassagiere. Ach ja: Die Fischmarkthalle liegt linkerhand.

Vielleicht hat man jetzt Lust auf eine der Kunst-Ausstellungen im Palais Foch. Oder möchte einfach shoppen. Zwei Straßen überraschen mit Läden für jedes Budget, wobei der Cours Napoléon natürlich den mondänen Boutiquen vorbehalten ist. Sollte man sich über die hohen Preise wundern: 10 Schritte von der Altstadt entfernt, am Palais de Justice, kostet der Cap Corse nicht mehr 5 sondern nur noch 4 Euro. Essen ist in der Regel teuer. Deshalb lohnen sich Menüs. Direkt gegenüber dem Palais Foch befindet sich ein kleines, wunderbar restauriertes Café-Bistro mit nostalgischem Flair und einer reichhaltigen Auswahl an Tees und Kaffee. Man sitzt geschützt unter der überdachten Terrasse oder auch im Innenhof. Die Boulangerie Foch ist ebenfalls zu empfehlen (https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g187140-d4412572-Reviews-Boulangerie_Foch-Ajaccio_Communaute_d_Agglomeration_du_Pays_Ajaccien_Corse_du_Sud.html).

Sogar das korsische Bier Peitra kann teuer werden. Gebraut wird es erst seit 1995. Das Besondere ist der Zusatz von Kastanienmehl zur Gärung. Unbedingt probieren!

Die Strände

Der Strand ist nie weit in Aiacciu. Feiner heller Sand ist typisch, mit einem kleinen Kiesstreifen, der von den Wellen angeschwemmt wird. Auch wer nur plantschen will, kann bei leichtem Wellengang weit ins Meer hineingehen, ohne den Kontakt zum Boden zu verlieren. Beim Schnorcheln sieht man kleine Fischschwärme, was wirklich zauberhaft ist. War es nur Glück, dass ich in keinen Seeigel getrabt bin? Kleine Strandbars machen die karibische Illusion perfekt. Ein Sonnenschutz empfiehlt sich, da es zumeist keinen Schatten gibt.

Direkt an der Stadtmauer gibt es einen kleinen Strand mit Duschen, der in der Nachsaison angenehm ruhig ist. Plage Trottel liegt fußläufig etwa 15-20 Minuten von der Altstadt entfernt und ist mit seiner excellenten Wasserqualität ebenfalls zu empfehlen. In Richtung Îles des Sanguinaires gibt es weitere lange Sandstrände, z.T. unbewacht und wilder als im Stadtzentrum. Hierher sollte man allerdings mit dem Auto oder dem Bus fahren. Hilfreich ist die Nummer einer Taxizentrale, da die öffentlichen Verkehrsmittel auch mal bestreikt werden.

Schnorcheln wie im Himmel

Einer der schönsten Schnorchelstrände ist der wild-romantische Ficajola am Golf von Porto (https://www.korsika.fr/a898/articles/898/plage-de-ficajola-piana-golfe-de-porto-strande-west-korsika/) etwa 1 Stunde und 50 Minuten von Ajaccio entfernt. Die Fahrt dorthin führt uns an der Küste entlang. Hübsche kleine Badeorte laden zum Verweilen ein. Eine spektakuläre Aussicht jagt die andere. In den Buchten leuchten die Sandstrände, das Meer strahlt türkis. Die Haarnadelkurven zum ersehnten Schnorchelparadies sind nichts für schwache Nerven. Einmal mehr zeigt unser kleiner Peugeot, was er kann. Links ist Abgrund. Dann endlich der Parkplatz. Riesige Rhododendren, Strandginster, dazwischen magentafarbene Herbstveilchen. Ein würziger, wilder Duft. Beim Abstieg ist gutes Schuhwerk hilfreich. Und dann die Bucht: Ungestüm zwar, aber auch hier kristallblaues Wasser, rosa schimmernde, bizarre Felsformationen. Ich parke meine Sandalen nahe am Wasser, da der Strand mehr zur Kategorie pieksende Steinchen gehört. Die Fischlein schlagen ihre Kapriolen, mein Mann ist mitten drin – glücklich. Sein Highlight.

Im tiefen Tal

Am folgenden Tag nieselt es. Wir fahren trotzdem in die Berge, genauer gesagt ins Vallée de Restonia (http://www.corte-tourisme.com/vallee-restonica-corte-49-fr.html). Von Ajaccio aus Richtung Flughafen auf derT21 und weiter auf die T20 Richtung Corte. 1 1/2 Stunden von Ajaccio entfernt, über kurvige Bergstraßen mit grandiosen Ausblicken zu erreichen, erstreckt sich ein wild-romantisches Tal, das man auch durchwandern kann. Bevor man den Aufstieg durch raue Felsbrocken und Krüppelkiefern zu den sich anschließenden  Bergseen wagt, kann man sich in einer kleinen Hütte aufwärmen, starken italienischen Kaffee schlürfen, Maronenmus oder würzige Salami kaufen. Selbst hier, am bullernden Holzofen in einer abgelegenen Berghütte bircht sich der stolze Korse Bahn. Der Wirt doziert in recht unzweideutigen Worten über die Franzosen, bevor er uns aus einem in der – einzig wahren – Landessprache verfassten Artikel über Müllentsorgung vorliest. Der Artikel, den er eigentlich meinte, erklärt er entschuldigend, liege gerade als Fußabstreifer vor der Eingangstür. Er schickt sich an, das nasse Papier vom Boden zu klauben. Non, ce n´est pas la peine!, wehren wir ab. Na dann, schenkt er uns eben den Müllentsorgungs-Artikel! Inzwischen gießt es wie aus Eimern. Zu den Seen wandern? Gar nicht dran zu denken. An tiefen Schluchten vorbei fahren wir zurück. Kleine Kühe kreuzen den Weg, lugen hinter Felsvorsprüngen hervor, lassen sich willig fotografieren. Werde doch Vegetarier. Mahne meinen Mann, der sich anscheinend die korsische Fahrweise zu eigen gemacht hat, zur Besonnenheit. Verzichte auch auf meine sonstigen „Guck mal hier´s“ und „Sieh mal da´s“, da der Fahrer mit den Augen gleichzeitig auch das Steuer ungünstigst herumzureißen droht. Gibt es hier wohl Wichtel? Klar doch, aber mit rutschfesten Schuhen.

Havanna in Ajaccio – der Beste

Am nächsten Tag knallt wieder die Sonne vom Himmel. Strand, wir kommen! Um 15 Uhr sind wir gut durchgebraten. Mir schwirrt der Kopf. Mache einen kleinen Einkaufsbummel und erstehe ein kakigrünes Shirt, das beim ersten Waschen ausfärbt wie ein Tintenfisch in Bedrängnis. Wahrscheinlich schlägt ob seiner chemischen TexturTage später auch der Sprengstoffalarm am Flughafen an. Mein Mann kauft sich in einem schrulligen, aber bestens sortierten Laden eine Fleur de Selva-Zigarrre (https://www.welt.de/icon/essen-und-trinken/article159046693/Die-Zigarre-ist-nicht-nur-ein-Maennerspielzeug.html) und das Havanna-Feeling ist perfekt. Jetzt noch einen Cap Corse in einem der zahlreichen Cafés und man kann sich getrost dem markigen Abendmenü hingeben. Bestellen auf Korsisch“ ist ein Erlebnis. „Ich möchte bitte einen grünen Tee.“, äußere ich z.B. in artigem Französisch und zeige auf den entsprechenden Artikel auf der Karte. Die Servicekraft denkt kurz nach: „Ich glaube, den haben wir nicht mehr.“ „Gut“, jetzt wieder ich, „dann nehme ich einen Detox-Tee.“ (habe ein bisschen zu viel Cap Corse intus und glaube, gefärbtes Wasser könnte helfen). Wiederum kurzes Überlegen. „Ich glaube, den haben wir nicht mehr.“ „Dann vielleicht einen schwarzen Tee?“, schlage ich schüchtern vor. „Kommt sofort!“ Dieses Spiel haben wir oft gespielt. Es hat uns gezeigt, dass die Korsen nicht zum Bedienen geboren sind. „Je suis Corse et je suis fier!“ Gut dem Dinge.

Filitosa

Unbedingt besuchen solltet ihr Filitosa (http://www.filitosa.fr/en/), eine prähistorische Ausgrabungsstätte, etwa 1 Stunde von Ajaccio entfernt. Hinter dem Flughafen auf der D355 Richtung Propriano (Prupria). Zu sphärischen Klängen kraxelt man durch einen Olivenhain, spitzt in kleine Höhlen, wandelt über verwunschene Wege, kriecht in verlassene Behausungen, bestaunt die anthropomorphen Stelen, die an jene auf den Osterinseln erinnern, schnuppert an Pflanzen, auf die kleine Tafeln aufmerksam machen. Mystisch. Begleitet von einem quirligen Jagdhund atmen wir Geschichte. Das kleine Museum zeigt in Filmsequenzen, wie alles ausgesehen haben mag, bevor die Welt der Bewohner buchstäblich in Scherben ging. Der Weg nach Filitosa bietet wiederum Ausblicke vom Feinsten. Badesachen mitnehmen, es gibt hier schöne Strände, die allerdings häufig nur über abenteuerliche Sandpisten zu erreichen sind. Zumeist kann man sich aber an einer Strandbar (z.B. Chez Eric bzw. Chez Francis auf dem Plage de la Cala D´Orzo, Commune de Coti-Chiavari) von dem Geschockele erholen.

Habe ich schon erwähnt, dass man in Ajaccio wunderbare Strände findet und bei angenehmsten Temperaturen, selbst im Oktober noch, baden kann?

Habe ich. In Ordnung. Aber es war so herrlich! Einfach aus der Haustür raus und 100 Meter weiter ins Türkis abtauchen!

Unseren letzten Abend auf Korsika verbringen wir erneut im A Madunuccia. Trinken unseren letzten Myrthe. Noch klingen die beinahe überirdischen polyphonen Gesänge des Choeur de Sartène (http://www.choeurdesartene.com/) in uns nach , der uns in eine andere Sphäre getragen hat, in St. Erasme, einer Kirche zum Schutze der Fischer und Seefahrer. Werde ganz pathetisch. Sehenswert: Die maritime Ausstattung mit Schiffsmodellen und natürlich dem heiligen Erasmus. Und da ist es wieder. Ein Ajaccio, das mehr bietet als Strandleben und Touristenmeile. Die Korsen sind tief verwurzelt in ihren Traditionen, verbunden mit einem Land, das sie seit altersher ernährt. Die Sänger singen von den Bergen, ihrem Glauben, ihrem Vertrauen in die Natur, von der Liebe. „Ein Haus, in dem kein Feuer brennt, keine Kastanien geröstet werden, ist nicht wert, ein Heim genannt zu werden.“ Ich bin tief gerührt. Gerade dachte ich:  Gut. Jetzt ist genug mit hippen Bars, heißen Höschen, durchtrainierten Baristas mit coolem Rauschebart, da weiß ich, dass ich wieder kommen werde. Nach Korsika.

Was tun, wenn der Flieger erst abends um neun geht?

Wir fahren Richtung Îles des Sanguinaires ( https://www.korsika.fr/a906/articles/906/iles-sanguinaires-ajaccio-west-korsika-porphyr-felsen/), ca. 15 Minuten vom Zentrum entfernt, wandern, wo Korsika offenbar ganz einfach aufhört, auf einem leicht ansteigenden Küstenpfad Richtung Plage de Saint Antoine, einem der Wanderwege des Pointe de la Parata (https://www.korsika.com/ajaccio/). Der Weg ist gut ausgeschildert, man lernt von Seevögeln und beinahe ausgerotteten Urwildschweinen mit großen Hauern, die sich am Wegesrand suhlen. Gottlob nicht, als wir ihn passieren. Nach ca. 3 Stunden geht´s wieder stadteinwärts. Wir stärken uns im o.e. Texas und genießen den Blick auf´s Meer. Was jetzt? Auch wenn der Strand uns wieder lockt: Macht einen Abstecher ins Landesinnere zum Lac de Tollà (Todda). Eine der schönsten Aussichten hat man vom Col de Mercughiu (Bocca di Mercuju) (https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g6685769-d6684562-Reviews-Via_Ferrata_de_Tolla-Tolla_Communaute_de_Communes_de_la_Vallee_du_Prunelli_Corse.html ) 715 m über dem Vallée du Prunelli: Schroffe Berge, sanfte Täler, in der Ferne glitzerndes Meer. In den hübschen Bergdörfern kann man gefährlich nah an den Schluchten wohnen und essen. Und auch klettern. Wenn man Glück hat, schmettert einer der Bewohner eine alte korsische Volksweise. Folgt der T40 hinter dem Flughafen und biegt im Kreisel auf die D3 Richtung Tolla ab. Auf der Strecke gibt es auch einen Bienenlehrpfad (Le Jardin des Abeilles), einen ökologischen Duftkonzentrat-Hersteller, sowie mehrere Fermes mit regionalen Produkten.

Lac du Tolla – Die absolute Stille

Immer noch Zeit? Hüpft noch einmal schnell ins Meer. Ihr werdet es vermissen. Direkt am Flughafen liegt der Plage Ricante mit – natürlich – excellenter Wasserqualität und feinstem Sand.

Ihr werdet es vermissen!

Was bringt man mit?

Abflug! Sehe mich aber schon wiederkommen…

Hartgesottene überraschen ihre Lieben mit den diversen Hartwürsten oder einem würzigen Käse. Es gibt weißen Nougat, Canistrelli-Kekse (https://essenundso.net/2016/07/22/canistrelli-knusprige-korsen-kekse/) in wunderschönen bunten, geprägten Blechdosen, Marmeladen, Kastanienprodukte, Ziegenfelle, gewebte Teppiche, Hippie-Klamotten, Korallenschmuck und Messer, mit denen man sich – Obacht! – gediegen verletzen kann. Stichwort: Vendetta. Sogar samische Messer kann man erstehen, wie auch Pauschalreisen nach Lappland sich großer Beliebtheit erfreuen. Bei so viel Schönheit auf der Île de la Beauté verlangt es einen Korsen wohl geradezu nach schneebedeckten Weiten… Obwohl: Auch auf Korsika kann man Ski fahren.

Einer, der sich mit Wein auskennt ist Nicolas Stromboni, stolzer Besitzer eines Weinladens, (https://nicolas-stromboni.fr/), Winzer, Weinexperte sowie Verfasser des ultimativen korsischen Kochbuchs Du Pain, du Vin, des Oursins (Von Brot, Wein und Seeigeln), das es auch auf Deutsch gibt.

Korsische Spezialitäten kann man übrigens bestellen bei:

https://speci-corse.com/

https://www.corseboutique.fr/de/1000-korsischen-regionalen-produkten

Eine kleine Übersicht über Ajaccio und seine Sehenswürdigkeiten erhält man hier: https://books.google.de/books?id=sSdrDwAAQBAJ&pg=PA56&lpg=PA56&dq=cafe+am+palais+foch+ajaccio&source=bl&ots=PFtq5Z4Fae&sig=VsVrWlDYzXI77cIvqj133B7KEqQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjr9oqr_vndAhWCErwKHVzABIAQ6AEwCXoECAMQAQ#v=onepage&q=cafe%20am%20palais%20foch%20ajaccio&f=false

P.S. Bin wieder zuhause. Gerade erzählt mir mein Mann, dass es an der korsischen Küste eine Kollision zwischen zwei Frachtschiffen gab. Mit Ölteppich und allem. Bin nur noch geschockt.

Bis bald

Eure Stina

Magischer Donon

Le Donon, Elsass, Vogesen, Nordvogesen, vosges, donon, heiligtum

Magischer Donon

Einen Tausender erklimmen? Schon stand mir der Schweiß auf der Stirn, aber…

Ein wenig Ausdauer und vor allem festes Schuhwerk sollte man schon mitbringen. Ein Reinhold Messner muss man nicht sein. Ehrlich gesagt, sind es auch nur ein paar hundert Meter. Nicht mal ein Seil braucht man. Wandern eben. Dennoch: Der Weg zum Donon ist besonders am Ende steil und holprig. Wie geschaffen für antike Holzkarren mit Steinrädern à la Fred Feuer–  pardon! Eisenstein. Für Hobbits eine Herausforderung. Mit 1,67 musste  auch ich ein, zwei Steinchen auf dem Po rutschend passieren. Bewunderte all jene Mütter, die mit Baby im Tragetuch tatsächlich oben ankamen. Doch der Aufstieg über Felsbrocken und bucklige Pflastersteine lohnt sich in jedem Fall.  Würde aber traute Zwei- oder Mehrsamkeit empfehlen, bevor man in den Wäldern verdorrt und verschlungen wird – sowie ein gewisses Maß an Gelassenheit bzw. „Lass die anderen ruhig vorgehen. Ich komme auch irgendwann nach.“. Denn Umknicken in leichten Sommerschuhen geht immer. Also: Knöchel schützen, Blick Richtung Boden. „Sind denn da oben ein paar Leute?“, fragte uns bang eine Wanderin. Ja, da oben, auf dem Plateau, sind Leute, wenn auch nicht so viele, wie uns auf dem Rückweg begegneten. Die Mittagszeit ist als Wanderzeit eindeutig zu empfehlen, denn die Franzosen lassen sich Zeit beim Essen. Und das sollte man auf dem Weg nach oben ebenfalls tun.

Tempel Donon
Mystisch

Los geht´s oberhalb des Restaurants Velleda, wo es einen gut ausgeschilderten Wanderparkplatz gibt. Über den Col du Donon (718 m) Richtung Le Donon (1009 m). Der Weg durch bemooste Vogesenwälder  nennt sich Sentier du Donon und ist mit folgender Wandermarkierung gekennzeichnet:

Donon, Wegbeschreibung
Auf diese Zeichen solltet ihr achten!

Felsen am Donon und Tempelheiligtum

Auf Felsblöcken weisen uns Steinmännchen (Wie halten die Steine bloß aufeinander?) den Weg. Ich ahne Esoterisches!

Nach ca. 45 Minuten auf dem Plateau angekommen:  Uff! Und dann: Ah! und Oh!. Eine atemberaubende Aussicht über die blauen Berge und zwar in Rundumsicht! Warum hab ich mich nicht schon früher hierher gewagt? Wie konnte ich leben ohne dieses Erlebnis? Natürlich sind die ergonomischen Relaxliegen bereits von schlaffen Wanderern besetzt! Egal, ich  gebe mich dieser Aussicht, der magischen Atmosphäre des Heiligen Berges hin. „Resort du Silence“ steht auf einem Schild. Ich schweige. Mit mir schweigen ein halbes Dutzend in Stelen verewigter Gottheiten. Kelten, Gallier und Römer waren hier. Und jetzt ich. Ein mystischer Ort! A(t)men!

Blick vom Donon über die Vogesen
Geschafft!

Da der Pass eine wichtige Verbindungsstraße über die Vogesen darstellte, war der dazugehörige Berg in den beiden Weltkriegen heftig umkämpft. Auch das ist – vom Parkplatz aus beginnend –  interessant dokumentiert. Aber ich bin heute mehr im Miraculix-Modus.

Tempel Donon
Auf dem Weg zum Tempel

Wissbegierige können natürlich auch die liebevoll illustrierten Kacheln – inklusive Druiden – studieren. Ohne aufdringlich zu wirken, vermitteln sie das nötige Hintergundwissen. Sogar botanisches. Gar das Rezept für den magischen Zaubertrank à la Obelix? Material über das Heiligtum gibt es im Internet wahrlich genug. Nur so viel: Es handelt sich um eine keltische bzw. römische Kultstätte, die dem Gott Vogesus geweiht war, dem Namensgeber der Vogesen – Vosges. Obwohl es sich bei den Artefakten häufig um Nachbildungen handelt, kann man sich mit wohligem Gruseln in die Zeit hineinversetzen, als an diesem Ort noch allerhand geopfert wurde. Irre ich mich oder fällt mir das Atmen schwerer, als ich den kleinen Pfad zum Tempel hinaufsteige? Wird  sich noch eine Spur getrockneten Blutes in den  zerfurchten Felsen ausmachen lassen? O.k., zu wenig Phantasie war noch nie mein Problem. Oder ist es gerade.

Weg also mit den grusligen Gedanken. Es herrscht Kaiserwetter. Der  Buntsandstein erstrahlt in herrlichstem Rosa. Flechten blitzen frech heraus.  „I was here!“  hat ein Robert  in den Fels  geritzt. „Me too.“, antworte ich in die blaue Luft. Macht Spaß, die Spuren derer zu lesen, die vor uns hier waren. Und der klare, blaue Himmel! War damals wohl schon derselbe. Hier möchte ich noch etwas bleiben. Beim Teutates!

Inzwischen ist es voller geworden. Und internationaler. Wäre schön, das Ganze einmal in aller Frühe zu besuchen, bei Sonnenaufgang. Aber dafür vermümmle ich den Sonntagmorgen wohl zu gern im warmen Bett.

Also Abstieg. Meine Knie! Und knurr! Ein Loch in den Bauch geatmet. Wer jetzt nicht noch die Reste vom Vortag vertilgen muss, kann sich unterhalb des Wanderparkplatzes im Restaurant  Complexe Hôtellier du Donon (Velleda) stärken. Sehr gemütlich, mit viel Holz und Rotweißem im elsässisch-vogesischen Stil eingerichtet. Auf der Website gibt es auch Infos zu Thementagen bzw. –abenden. Wer nicht mehr nach Hause fahren möchte (oder kann…) sollte hier ein Zimmer buchen. An kalten Wintertagen kann man hier wunderbar im angeschlossenen Spa relaxen.

Donon, Vallée de la Bruche, Vosges du Nord, Vogesen
Etwas zur Orientierung

Hier gibt´s weitere Informationen zu  den Wanderungen rund um den Donon. Der archäologische Rundwanderweg ist allerdings bedeutend länger (ca. 4 Stunden) als mein gradliniger Aufstieg.

Macht´s euch gemystisch!

Eure Stina