Gut und günstig essen auf Korsika. Das geht!

Da kann einem schon der Atem stocken. Spaghetti Carbonara für 18 Euro? Ganz zu schweigen von den Preisen für genuin korsische Köstlichkeiten. Da scheint der Gang zum Supermarkt unvermeidbar. Doch auch mit kleinerem Budget lässt sich auf Korsika hervorragend speisen. Sogar im Restaurant.

gut essen in Ajaccio
Schlau muss man sein

Hier meine vier Restaurant-Highlights aus Ajaccio im wunderschönen Südwesten der Insel:

Pizza Ind`è Petru
Die Echte.

Die wohl beste Pizza Ajaccios, wenn nicht ganz Korsikas, bekommt ihr bei Ind´è Petru. Bei Petru also. Vor Ort oder zum Mitnehmen. Zu einem richtig guten Preis-Leistungsverhältnis. Ganz versteckt, liegt das Mini-Restaurant in einer Seitengasse zwischen der belebten Rue Fesch und dem Cours Napoléon, den beiden Haupteinkaufsmeilen der Stadt. Zufällig haben wir die Leuchtreklame entdeckt, auf dem der Chef de Cuisine höchstpersönlich „La vera pizza napoletana“ verspricht. Die Pizzeria: Von außen unscheinbar, von innen pragmatisch, schnörkellos, aber authentisch. Über allem wacht, aus hübsch bemaltem Gips, Jesus. Der ist schon mal vero italiano. Prunkstück jedoch ist der Pizza-Ofen ebenfalls made in Italy samt Kupferhaube, mit dem der Maestro seine delikaten Pizzen zaubert. Petru schmeißt den Laden ganz allein. Mit Bravour und Herzlichkeit. Etwas Geduld sollte man bei diesem Ein-Mann-Betrieb schon mitbringen, ein korsisches Pietra, ein Bier aus Kastanienmehl, bestellen und zusehen, wie Petru den Teig hingebungsvoll knetet, auf die Arbeitsplatte wirft, ihn herumwirbelt, belegt, würzt, um sein Werk dann mit Verve in den Ofen zu schieben.

Vier Tische gibt es. Und die sind meist belegt. Von Einheimischen, was allein schon ein Gütesiegel ist. Familien, Freunde, Geschäftsleute gönnen sich hier eine Pizza der Extraklasse. Lokalkolorit pur. Die französische Pizza unterscheide sich von der italienischen gar nicht so sehr, erklärt uns Petru. Wer aber eine echte wolle, der müsse eine nach neapolitanischem Rezept probieren. Wie z.B. die Regina Bianca. Mit Crème fraîche, Mozzarella, Schinken, Champions. Duftend kommt sie aus dem riesigen Ofen. Direkt auf meinen Teller. Una maraviglia! Ein Wunder! Hier könnt ihr es erleben: Ind`è Petru, 2, rue Docteur Versini, 20000 Ajaccio, Tel. 0495289936 – 0638931495

Muscheln sind nicht gleich Muscheln, erfahren wir bei Chez Alain in Porticcio, Meerblick inklusive. Man sitzt auf der schattigen Terrasse oder im geschmackvoll eingerichteten Restaurant. Fruits de mer et Poissons, Meeresfrüchte und Fisch gibt es hier. Auch Fleisch- und Nudelgerichte. Vor allem aber wird hier die hohe Schule der Muschelzubereitung zelebriert. Abenteuerliche Kreationen kommen da auf den Tisch, üppige Portionen, dazu frisches Brot. Willkommen im Olymp der Muschelgourmets! Unbedingt probieren sollte man Muscheln mit Myrte und Minze in safrangelb leuchtender Soße. Ein Gedicht! Die Nachspeisen sind ganz bestimmt nicht kalorienarm, dafür super lecker. Tiramisu mit Kastanienmousse – Sensationell! Man bekommt viel für´s Geld. Erst spät am Abend wird uns wieder der Magen knurren.Der Service ist schnell, professionell, freundlich. Das ist auf Korsika nicht selbstverständlich. Le Patron sorgt gut gelaunt für reibungslose Abläufe. Ein Vergnügen. Vor allem nach ausgiebigem Baden im turkosen Meer.

Wie soll`s im Urlaub schmecken? Wie bei Mama. Nicht wie bei unserer, sondern jener von Maria, Tomàs usw. Voilà, Da Mamma. Zwischen Cours Napoléon und Rue Fesch. Eine wirklich dunkle Gasse. Sind wir hier tatsächlich richtig? Vorsichtig klettern wir die Stufen hinab um in den Innenhof eines der begehrtesten Restaurants Ajaccios zu gelangen. Über uns breitet ein riesiger Baum seine riesigen Blätter aus. Auf den geschmackvoll gedeckten Tischen leuchten Windlichter. Wir sind im Innenhof des Da Mamma. Noch ist nicht viel los. Aber das wird sich innerhalb weniger Minuten ändern. Deshalb sollte man hier unbedingt reservieren. Alle möchten, solange es noch warm ist, draußen sitzen. Das Essen ist mediterran inspiriert. Ungekünstelt, bodenständig, allerdings mit dem kleinen, schicken Extra. Herzhaftes Gemüse, Fleisch, gegrillter Fisch aus heimischen Gewässern, frische Salate, Pasta. Die Menüs sind mit Bedacht komponiert, variationsreich. So kann ich mir tatsächlich mein Menü zusammenstellen. Der Schwerpunkt liegt auf korsischen Spezialitäten. Zum Aperitif genieße ich einen Vin de Châtaigne, einen Kastanienwein, sämig, süß-herb. Der Service ist freundlich, unaufdringlich. Wer also gediegen speisen möchte, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen, ist hier richtig.

An unserem letzten Abend in Ajaccio entdecken wir Sakura, ein japanisches Restaurant in einer kleinen Seitengasse zur belebten Rue Roi du Rome. Alles hier atmet Nachhaltigkeit. Die ist dem Team von Sakura äußerst wichtig: Selbst die Mitnahme-Artikel wie Schalen, Besteck sind recycelbar. Man möchte mit der Natur, nicht gegen sie arbeiten. Wichtig ist auch das Dekor: Japanisch zurückhaltend. Ebenso wie der überaus freundliche Service. Aus einer reichhaltigen Karte kann man u.a. Sushi, thailändische Gerichte, Miso-Suppen, wunderbar exotische Nachspeisen wählen. Für kleines Geld bekommt man äußerst frisches Gemüse, Früchte, Fische und Fleisch. Weit entfernt von jedweder asiatischer Glutamat-Orgie. Hier schmeckt man jedes Gewürz, jede Zutat. Mein Poulet aux noix de cajou ist erstklassig. Die Kalifornia-Box meines Mannes mehr als reichhaltig. Ein weiteres Highlight ist die Karte für asiatische alkoholische Getränke, die optimal auf das Essen abgestimmt sind. Einen Tisch reservieren sollte man auch hier, da das Restaurant, wie auch der Außenbereich nicht allzu groß sind.

So, das waren also meine vier Restaurant-Highlights. Allerdings möchte ich euch noch auf einen weiteren persönlichen Favoriten mit dem beziehungsreichen Namen Il était une fois aufmerksam machen.

Plüschige Meeresbewohner

In der rue Fesch, Nummer 56, liegt dieser wunderschöne Spielzeugladen, der nicht nur die Herzen von Kindern höherschlagen lässt. Inhaberin ist Madame Pascale Casanova, die bereits in jungen Jahren Großmutter wurde, und ihre liebe Not hatte, das passende Spielzeug für den frischgebackenen Enkel zu finden. Sie entschloss sich kurzerhand selbst einen Spielzeugladen zu eröffnen. Handverlesene Spielsachen anzubieten, welche die Phantasie anregen und dabei dieses Leuchten in die Augen von (wie gesagt: nicht nur) Kindern zaubern sollte, das Eltern nur schwer ignorieren können. Nach dem Vorbild der Pariser Kaufhäuser dekoriert Madame die beiden großen Schaufenster jahreszeitlich und thematisch mit schier umwerfender Kreativität. Ich erinnere mich, wie fasziniert ich als Kind von jenem Teddy war, der über der Tür des Spielzeuggeschäfts unseres Vertrauens Seifenblasen in die sommerlich blaue Luft blies. Und so fühlt man sich beim Anblick von Frau Casanovas Kreationen in selige Kindertage zurückversetzt. Egal also, ob ihr Prinzessin, König, Rennfahrerin, Koch oder Ärztin werden möchtet, hier seid ihr gut beraten.

Tröstlich, dass es neben Spielzeug-Handgranaten am Flughafen, die man hoffentlich nicht mit ins Flugzeug nehmen darf, so ein Kinderparadies noch gibt. Il était une fois

Und jetzt noch ein allerletzter korsischer Favorit, diesmal zum schmausen:

Beignets au brocciu.

Aber das Rezept verrate ich euch auf einer extra Seite. Einfach im Suchfenster eingeben! Wer mehr über Korsikas Südwesten erfahren möchte, findet hier Reisetipps.

Fahrt mal hin

Eure Stina

Esprits d´Alsace – Imbsheim, Bouxwiller, Uberach und der geheimnisvolle Bastberg

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Spirituelles hat die Schnapsbrennerei – ach, wie viel feiner klingt es doch auf Französisch: Die DistillerieHepp im Sinn. Das traditionsreiche Familienunternehmen unter Leitung von Yannick Hepp wollte nicht nur drei, vier Monate im Jahr Kirschen, Mirabellen und Birnen zu Likören und Eaux de Vie brennen, sondern sich ganzjährig einbringen. Also versuchte man sich 2005 in der Whisky-Produktion. So erfolgreich, dass von gerademal 3 Versuchsfässern auf mittlerweile 600 Fässer pro Jahr aufgestockt werden musste. Destilliert wird in Kupferdampfkesseln, gelagert in Sherry- und Eichenfässsern. „Warum aber“, so frage ich Madame Hepp, „stehen in den gut sortierten Regalen nicht wenigstens 12 Jahre alte Malts?“ „Unsere Whiskies sind so nachgefragt“, erklärt sie, „dass wir einfach nichts auf Lager halten können.“ Ein Hit also, das elsässische Pendant zu irischem, schottischen Single Malt. Und Humor hat der artisan distillateur dazu: Auf einem rustikalen Fass, umgeben von Gläsern steht eine Flasche Johnny Hepp. Irgendwie aus dem Leben gegriffen. Nomen est omen. Das Malz liefert übrigens die bekannte Brauerei Meteor in Hochfelden.

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Die Hepp´schen Schätze

Wir probieren. Wie herrlich! Es ist Samstagnachmittag. Und wir machen eine Whisky- bzw. Obstbrand-Dégustation! Ich beschränke mich eh aufs Schnuppern. Einer muss schließlich fahren. Außerdem wollen wir noch eine Wanderung machen. Äh, wir wollen noch eine Wanderung machen? Gut, aber dann nicht so weit. Erst mal entspannen…

„Einen mirabelligeren Mirabelle d´Alsace habe ich noch nie getrunken.“, schwärmt mein Mann. Die Nase hart am Glas erscheint vor meinem inneren Auge eine pralle, saftige, rotwangige Frucht. Ein Mirakel. Mir fällt der junge Goethe ein, dem auf seiner Frühlingsreise zwischen Traum und Wachen ein wohl ebenfalls pralles, rotwangiges Mägdelein erscheint, das ihm realiter erst viel später über den Weg laufen wird. Denke, er hatte noch eine Flasche Mirabelle in der Satteltasche. Als Neunzehnjähriger, zu Pferde, erkundete er nämlich Lothringen, das Elsass, sogar das Saarland. In Gesellschaft zweier Freunde: Holla, die Waldfee. Da kann einem Dichtung und Wahrheit schon mal durcheinander geraten. Ich mümmele am Williams: Da ist Magie im Spiel! Nachdem im 17. Jahrhundert ein Mönch auf die Idee kam, aus dem Fruchtfleisch der Kirsche ein lecker Eau de Vie zu brennen, ließ sich der Siegeszug der Sparte nicht mehr aufhalten. „Der Destillateur ist ein Handwerker, ein Künstler“, lese ich in der aufwendig gestalteten Broschüre, „der sich im Einklang mit der Natur, den „gesunden“ und „wahren“ Produkten befindet. Diesem Erbe verpflichtet brennt die Familie Hepp seit mehreren Generationen die elsässischen Obstler.“ (frei übersetzt, Anmerkung der Redaktion). Nur die Besten kommen ins Töpfchen: „La sélection est (…) extrèmement rigoureuse“. Aha, extrem rigorose Auswahl. Französisch kann so einfach sein. Wir halten fest: Schnaps ist gesund. Schon mein Vater hat sich bis ins hohe Alter einen Obstler täglich gegönnt. Wohlgemerkt: Einen! Nebst Trockenpflaume.

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Die Obstbrände

Wer die köstlichen Obstbrände und anderen Spirituosen der Familie Hepp kosten möchte, kann sich auf der Webseite über Öffnungszeiten und Angebot der Destillerie informieren. Wer allerdings dunkle Balken, ausgeleierte Ledersofas sowie zigarrenschwangeres Ambiente im Verkaufsraum erwartet, wird enttäuscht. Niemand bläst zudem den Dudelsack oder gar die Tin Whistle. Hallo? Wir sind im Elsass. Man präsentiert sich elsässisch aufgeräumt. Modern, gediegen, pieksauber. Übrigens: Die Destillerie liefert auch zu euch nach Hause. Eine wirklich informative Übersicht zu Whiskies, Herstellung und Produzenten in Frankreich und anderswo findet ihr hier: https://www.ralf-zindel.de/whisky-frankreich/franz%C3%B6sische-whisky-hersteller/distillerie-hepp/

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So. Das war doch schon mal ein beschwingter, inzwischen später Nachmittag. Halt, da war noch was: Die Wanderung. Auf die Anhöhe hinauf, dahin wollen wir. Man sieht sie schon von weitem, zumal ein überdimensionales Kreuz in den Berg gerammt wurde. Circuits de découvertes lese ich auf einem kleinen Schild. Fast hätte ich´s übersehen. Klingt spannend. Achtung, Berg, der Tag geht, Johnny Walker kommt!

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Wunderschöner Garten…

Steht man auf dem Plateau des nordelsässischen Bastbergs, könnte man fast daran glauben, dass sich in hellen Frühlingsnächten runzlige und weniger runzlige sorcieres, Hexen, hier treffen um ihr Unwesen zu treiben. In Deutschland ist es der Blocksberg, in Schweden der Blȧkulla, hier im buckligen Elsass der Bastberg. In illustrer Lage. In unmittelbarer Nähe zu Saverne, dem Tor zum Elsass, und dem Regionalpark Nordvogesen, im Hanauer Land. Der Hausberg des beschaulichen und geschichtlich extrem interessanten Städtchens Bouxwiller.

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Memento mori

Der Bastberg. Unendliche Weiten. 326 Höhenmeter Muscheln auf Kalkstein, weshalb es auch einen geologischen Pfad zu erwandern gibt. Alljährliches Ziel für Sternengucker und Spökenkieker, so, von Juli bis August, der Ciel d’Alsace und die Nuit des étoiles.  „Die völlig paradiesische Gegend“, wie Goethe über den Blick vom Bastberg in die elsässische Ebene mit ihren kleinen Dörfern, auf Vogesen und Schwarzwald anlässlich seiner Frühlingsreise 1770 durch die Region schrieb. Mag sein, dass die Legenden, die um den platten Berg geistern, den Dichter zu seinem Hexentanz in Faust II inspiriert haben. Sollte an der Geschichte vom Hexensabbat auf diversen Anhöhen was Wahres dran sein, dann wünsche ich den Beteiligten einen kurzweiligeren Aufenthalt als den im Oeuvre des Dichterfürsten beschriebenen.

Jedenfalls: Der mystische Berg gilt als Kraft-Ort, Energiespender, Ladestation für Ausgebrannte und Zivilisationsmüde. Zahlreiche Legenden ranken sich um ihn. Was sind das z.B. für kleine Flämmchen, die nächtens auf dem Berg zu tanzen scheinen? Ein Hexenfeuerchen, Irrlichter, die den arglosen Nachtwanderer anlocken, um ihn dann in einer Felsspalte verschwinden zu lassen? Bevor er sich – blubber! – in einer ekligen Krötensuppe wiederfindet? Kein Wunder, dass der Klerus hier ein überdimensionales Kreuz errichten ließ, das man weithin sieht. Auf dem Berg selbst tritt es völlig in den Hintergrund. Zumal ein für Sagenhaftes unabdingbarer Drache hier sein Unwesen treiben soll. Nach einem Gewitter (Warum denn erst danach?) hat er sich ein paar Bauern aufgedrängt, die keinen Sinn für Spirituelles hatten. Gut, dass gleich ein Priester samt Kreuz zur Stelle war, um etwaige Besitzansprüche von vornherein abzublocken. Die gesamte Region birgt einen riesigen Sagenschatz. Meist germanischen Ursprungs. Gemischt mit Legenden anderer Völker. Weltvorstellungen eben. Hexen sind da immer trendy. Hässlich, niedlich, als quietschende Wetterfahne – irgendwie mögen es die Menschen ein wenig gruselig. Hexenkessel, merkwürdige Steinbecken, findet man nicht selten in den Vogesen. Auch – und gerade – Hexen müssen der Erotik wegen baden. Grausame Realität des Hexenwahns: Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert wurden Tausende von Männern, Frauen und Kindern im Elsass wie in ganz Europa der Hexerei bezichtigt und ermordet. Ich stelle mir den Bastberg in waberndem Nebel, in fahler Dämmerung vor. Man könnte schon auf Unheimliches kommen…

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Zwei, die sich auskennen.

Ein Paar aus Bouxwiller in wetterfester Kleidung, erzählt uns von seiner schönen Gegend. Stolz sind die beiden. Auf ihr Städtchen, den Berg, die Wanderwege. Wenn wir Tipps bräuchten… Vielleicht eine Zusammenstellung schöner Touren? Klar, immer doch! Vital wirken die beiden. Ist wohl doch was dran, an der Energie des Berges. Auf den Schautafeln lesen wir vom Sentier géologique, dem Sentier nature mit seltenen Orchideen sowie dem Sentier Patrimoine, der feengelenktes Eintauchen in märchenhafte Sphären verspricht. Vielleicht sogar die Sichtung einer Weißen Frau. Kraxeln muss man dafür nicht, und auch der nächste Gasthof ist nie weit. Auf dieser Seite erfahrt ihr mehr über die circuits de découvertes, die Rundwege für wahre Entdeckungsreisende: https://www.museedupaysdehanau.eu/informations-touristiques/

In Bouxwiller , einem der schönsten Städtchen des Nordelsass, soll es übrigens eine wunderbaren Weihnachtsmarkt geben. Außerdem starten vom dortigen Museum 9 verschiedene Rundwanderwege, darunter ein Circuit Jardins oder der Circuit Fermes. In Imbsheim lockt das s´Bastberger Stuewel mit traditioneller elsässischer Küche und – endlich – karierten Tischdecken. Damit man weiß, dass es in der Gegend um den Bastberg nicht geheuer ist, fliegt schon mal eine riesige Hexe um die Veranda.Imbsheim_alsace_elsass_bastberger_stuewel_restaurant

bastberger_stuewel_imbsheim_elsass_alsace_restaurant_essen_elsässisch_küche_spezialitätAbends im Wintergarten. Über dem Felsen von Dabo geht die Sonne unter. Die Amsel singt ihr trauriges Lied. Ein wenig Melancholie schadet nie. Mein Mann öffnet die zierliche Flasche mit dem Hepp´schen Mirabelle. Der Elektrokamin flackert. Kein Dudelsack pfeift. Wir stoßen an. Wir trinken. Da ist er, der Geschmack des Sommers. Draußen, im dunklen Grün spielen die Elfen. Ein Wichtel klopft an die Scheibe, schwenkt grüßend seine Laterne. Johnny Walker ist längst zuhause. Sein roter Frack hängt lässig über dem Stuhl. Und wir finden das ganz normal…

Auf einen märchenhaften Sommer

Eure Stina

 

Distillerie Hepp

Eildieweil ich´s mag: Maison Kammerzell in Strasbourg

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„Geht doch mal ins Kammerzell!“, riet uns meine Freundin Sylvie, deren Großmutter schon am Platz vor der Kathedrale wohnte, da sie einer Familie von Steinmetzen entstammte. Im Schatten des Straßburger Wahrzeichens ein Choucroute essen? Mal ehrlich: Da denkt man doch gleich an überteuerte Touristenfallen. Dennoch. An einem stürmischen Montag im Februar fuhren wir nach Strasbourg um das weltberühmte Choucroute aux poissons von Chefkoch Guy-Pierre Baumann zu kosten. Draußen toste der Sturm, die Schirme bogen sich, ein paar Nonnen segelten mit ihren langen Trachten über den Platz. Nur wenige Touristen hatten sich bei diesem Wetter nach draußen gewagt. Ehrfurchtsgebietend neigt sich das altersdunkle Haus, die Maison Kammerzell, über das normalerweise emsige Treiben auf dem Platz. Direkt gegenüber: La Cathédrale, das Straßburger Münster. Zwei alte Schlachtschiffe, die den Stürmen und Gezeiten der Welt seit langem trotzen.

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Schnuges Dekor

Immer schon hat das Kammerzellhüs, das 1427 erbaut wurde, betuchten Händlern gehört. Zuletzt dem Gemischwarenhändler Phillipe-François Kammerzell, der das Haus zu Beginn des 19. Jahrhunderts sein Eigen nannte und dem es seinen Namen verdankt. Seit 1988 ist das spätgotische Gebäude mit den üppigen Schnitzereien an der Fassade UNESCO-Weltkulturerbe, gilt als das schönste Haus der historischen Altstadt. Hundert Mal sind wir dran vorbeigegangen. Heute werden wir praktisch hineingeweht.

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Zwei alte Schlachtschiffe…

Die buchstäbliche Ruhe nach dem Sturm umfängt uns. Unaufgeregt. Man führt uns an unseren Tisch. Serviert uns einen Pernod, einen Kir mit Crème de cassis. Wir sind im Caveau, der Winstub. Der schönsten Straßburgs, wie es heißt. Irgendwo zwischen mittelalterlicher Schenke und Rittersaal. Ein wenig Canterbury Tales, ja, auch. An Decke und Wänden Fresken des Künstlers Léo Schnug, dem man Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts den Auftrag zur Ausschmückung gab. Siebenundzwanzig Jahre war er da erst alt. Ocker, Weinrot, mattes Grün. Wir befinden uns – so scheint es – inmitten einer mittelalterlichen Buchmalerei. Mein Blick fällt auf Sebastian Brandts Narrenschiff. Nein, die Verrücktheiten der Welt bleiben heute vor der Tür. Ich habe eher den Eindruck von gediegener Entrücktheit. Bin begeistert.

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Stilleben

Persönlich

Ein riesiger, eiserner Kronleuchter taucht das Restaurant in weiches Licht, durch Butzenscheiben fällt helles Grau. Noch weitere Salons gilt es zu entdecken. Einer schöner als der andere. Ich will die anderen Gäste aber nicht stören. Denn hier sitzt man zuweilen ganz für sich. Salon Evêque, der Salon des Bischofs, Salon Vigneron, der Winzer-Salon, der Alkoven… Verbunden durch eine massive Wendeltreppe aus Sandstein, an der entlang sich Ikone an Ikone reiht. Vom französischen Filmsternchen bis Präsident Obama: Alle waren sie hier.

Von Januar bis April lockt das Restaurant mit einem Spezialangebot: Das weltberühmte Choucroute aux poissons, genauer gesagt „aux trois poissons“, das Monsieur Baumann erfunden hat und seitdem wie seinen Augapfel hütet, gibt es dann zum Preis von einem für zwei. Von den Nebentischen duftet es schon verführerisch. Auch wir wollen das Geheimrezept probieren, das von Weitem ein wenig wie Lasagne aussieht. Zwischen drei dünn geschnittenen Lagen Fisch befindet sich das – jawohl – duftige Sauerkraut. Umgeben von einer safrangelben, buttrig-zarten Soße. So unaufdringlich, so delikat. Das Gericht zergeht auf der Zunge. Der Geschmack ist so exquisit, dabei so eindringlich, dass ich ihn noch heute schmecken kann, wenn ich meine Augen schließe. Ein Meisterwerk.

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Kompetent und freundlich: Das Team

Zum Nachtisch gönnen wir uns einen Kougelhopf glacé, eine tarte aux pommes mit den aromatischsten Äpfeln, die ich je gegessen habe. Und natürlich einen café. Ihr wisst, der darf nicht fehlen. Großartig. Wir schwelgen im sanften Licht dieses Nachmittags. Spüren nach. Wenn wir das nur früher gewusst hätten… Herzlichen Dank, Silvie!

Die Maison Kammerzell beherbergt nicht nur das Restaurant, in dem exquisite elsässische Küche zu angemessenen Preisen geboten wird. Im Dachgeschoss gibt es auch ein Hotel mit allem modernen Komfort. Ein bisschen Burgfräulein bzw. Renaissancedame steht eben jeder Frau.

Um Tischreservierung wird gebeten. Sogar die Ankunftszeiten sind vorgegeben, was ich zunächst ein wenig irritierend fand. Sie sind aber wohl der Qualität der Speisen, dem reibungslosen Service geschuldet. Würde man den Touristenströmen ungeplant Einlass gewähren, wäre es wohl um das Wohl der Pilger – Pardon! – Gäste geschehen. Gerade ein Narrenschiff wie Straßburg mit seinem unablässigen Strom an Touristen muss schließlich in ruhiges Fahrwasser gesteuert werden.

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Brat mir keinen Storch…

Fahrt mal hin und lasst euch verzaubern

Eure Stina

 

 

Hôtel Restaurant des Vosges in Birkenwald

Hotel Restaurant des Vosges Birkenwald Alsace Elsass Vosges Vogesen

Wer umgeben von blauen Vogesenkämmen die feine elsässische Küche genießen möchte, der sollte das Hôtel Restaurant des Vosges in Birkenwald besuchen. Etwas Glück braucht man schon, will man ohne Vorbestellung einen Tisch bekommen. Und sowieso: Wer etwas auf sich hält, feiert hier seinen runden Geburtstag. Hat man also einen Platz im geschmackvoll gestalteten Wintergarten, gar am bullernden grünen Kachelofen, ergattert, ist der Tag gerettet.

An einem Kir mit Crème de cassis nippen, während man das Rudel Rotwild im angrenzenden Park des kleinen Renaissance-Schlosses  beobachtet – Das hat schon was. Im Frühling taucht ein knorriger Magnolienbaum den Wintergarten mit seiner Blütenfülle in zartes Rosa, im Herbst blitzt das Laub der Bäume rot und golden herein. Das Schloss zieht übrigens wegen eines dort spielenden Jugendbuch-Bestsellers noch heute zahlreiche Besuchter in den kleinen Vogesenort.

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Ein Kir muss sein.

Seit drei Generationen führt die Familie Kieffer-Stevaux das Restaurant, zu dem auch ein geschmackvoll renoviertes Hotel samt Veranda und hauseigenem Park gehört. Nach einer Wandertour durch die Vogesen kann man im Spa mit Sauna und Hamam entspannen oder in der gemütlichen Gaststube seinen Apéritif nehmen, bestens betreut durch die charmante Chefin, Madame Kieffer, und ihr freundliches Team. Auf der Speisekarte: Regionale Küche mit jener besonderen Raffinesse, die das Hôtel des Vosges aus der Menge der durchaus zahlreichen Hotels gleichen Namens hervorhebt.

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Le desert

Ein Highlight für meinen Mann und mich ist das Pot-au-feu mit butterzartem Rindfleisch, verschiedenen frischen Salaten, üppigen Gemüsebeilagen sowie einer deftigen Brühe als Vorspeise. Immer samstags. Eine delikate Nachspeise wie die hausgemachte Tarte aux myrtilles rundet das kulinarische Erlebnis der Extraklasse ab. Nicht zu vergessen: Der Café. In der Weihnachtszeit mit den typischen elsässischen Bredle serviert. Dazu ein Mirabelle. Bon, wer fährt?

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… et le café

Besonders empfehlenswert auch: Die Wild- und Fischspezialitäten. Davon zeugen auch diverse Jagdtrophäen aus dem heimischen Wald an den Wänden. Ich mag sie lieber lebend. Aber man ist halt in den Vogesen. Wer´s fleischlos mag: Das Menü Gemüsesuppe oder Salatteller, Frischer Fisch des Tages oder Salat am kurz gebratenen Ziegenkäse, Hausgemachtes von unserem Patissier hört sich auch nicht schlecht an. Von Mittwoch bis Freitag gibt es wahlweise ein Mittagsgericht oder ein Mittagsmenü, ebenfalls zu einem super Preis-Leistungsverhältnis.

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Das berühmte Pot au feu

Will man sich etwas Besonderes gönnen, ist man hier sehr gut aufgehoben. Madame Kieffer achtet darauf, dass es ihren Gästen an nichts mangelt, nimmt sich, trotz der vielen Gäste, Zeit für einen kleinen Schwatz, sorgt für reibungslose Abläufe, ohne dass es hektisch wird. Gemütlich ist es hier. Dezent ländlich. Das, was wir in den Vogesen erwarten. Ambiente zum Wohlfühlen. Natürlich mit Holzvertäfelung. Die darf nicht fehlen. Je nach Jahreszeit wird das Restaurant liebevoll dekoriert, auf den Tischen stehen frische Blumen. Ich glaube, Madame hat ein faible für pummelige Keramikhühner… Der perfekte Ort um sich auf die schwelgerische Gangart der Elsässer einzulassen. Sich Zeit zu nehmen. Anders  schafft man das opulente Mahl sowieso nicht.

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Pot au feu – die Zweite

Nach so viel Kulinarik empfiehlt sich ein Spaziergang rund um Birkenwald. Ein Rundweg führt Im Frühling und Sommer an blühenden Gärten, im Herbst an Esskastanien, Äpfeln und – natürlich – Birken vorbei. Am Wegesrand lädt eine winzige, mit Blumenranken und pausbäckigen Engeln verzierte Kapelle zum Innehalten ein, im Hintergrund ragen die – tatsächlich – blauen Vogesen auf. Vorbei an windschiefen Fachwerkhäuschen geht´s  zurück zum Hôtel des Vosges. Von drinnen fällt schon Licht auf den Gehsteig. Schade, dass wir schon gegessen haben, pumperlsatt sind. Aber wir freuen uns schon auf das nächste Mal. Vielleicht nach einer größeren Wandertour oder einem Besuch der Klosterkirche von Marmoutier, einem ebenfalls sehenswerten, geschäftigen Örtchen.

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Ein super Team: Familie Kieffer-Stevaux!

Fahrt mal hin

Eure Stina

La vie est belle à La Hoube – Genießen im Restaurant Le Zollstock

Zollstock Restaurant Nordvogesen Vosges du Nord

Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft wir nach einem üppigen Mal im Restaurant Le Zollstock den Weg nach Hause zurück rollten. Ja, rollten. Nicht mehr gingen. Ein bisschen wie die Blechbüchsenarmee. Oder ein ziemlich praller Kougelhopf. Zufrieden, ganz sicher satt, leicht beschwipst.

Wie wär´s heut´Abend mit dem Zollstock?, fragt mein Mann so alle drei Wochen. „Gute Idee!“, finde ich. Na, endlich! Dachte schon, er würde gar nicht mehr fragen.

Die Besitzer des Zollstocks bei der Arbeit
Die Fetters bei der Arbeit

Le Zollstock: Eine Institution in den Nordvogesen. Im gemütlichen Schankraum lassen es sich Stammgäste nebst zappeligem Nachwuchs, der Welt entsagende Teenager, die emsig auf ihren Smartphones herumtippen, Rucksacktouristen, Motor- und Fahrradfahrer gut gehen, verspeisen genussvoll die üppigen Platten und Schälchen mit elsässischen Spezialitäten, die Cristelle Fetter und ihr Team geschwind wie der Vogesenwind auf den Tischen abladen. Der Service ist aufmerksam, freundlich und professionell – chalereux, wie die Franzosen sagen. Mit dezent rot-weiß-kariertem Charme. Schnörkellos, ehrlich. Francine Fetter, die Seniorchefin, kommt gerne auf einen kleinen Schwatz an den Tisch. Wenn es die Zeit erlaubt, denn schließlich gehört der Zollstock zu den beliebtesten, zudem bekanntesten Restaurants der Region. Man kennt sich, grüßt, wird zurück gegrüßt, egal ob Stammgast oder Tourist. Wer durch den dicken, roten Vorhang den Schankraum betritt, gehört dazu. Die Frauen haben sich zurecht gemacht, die Männer tragen ihr bestes Hemd, selbst die Kinder sind chic, mit Fliege und Schleifchen im Haar. In unseren derben Wanderschuhen und Schlotterpullis kommen wir uns ein wenig underdressed vor. Aber das stört wahrscheinlich nur uns. Ah, da kommt einer in Holzfällerhemd und Schaffhose (Wohl ein Holzfäller!). Auch das ist der Zollstock.

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Hors d´oeuvre Zollstock – eine wirklich üppige Vorspeise!

Ist es draußen noch hell, hat man einen wunderbaren Blick über das 280-Seelen-Dorf La Hoube. Umgeben von geheimnisvollen Wäldern, auf zuweilen windumtostem Plateau thronend, ist dieser Ort die letzte Bastion Lothringens, nur einen Steinwurf vom Elsass entfernt, Ausgangspunkt für Fahrrad-, Motorrad- und Wandertouren in die Elsässische Schweiz rund um Wangenbourg. Außerdem bietet La Hoube den besten Blick auf den Rocher de Dabo mit seiner mystischen Silhouette.

So bodenständig das langgestreckte Gebäude, so gutbürgerlich die Küche. Die Speisekarte verlässlich, die Qualität gleichbleibend. Man bekommt viel zu äußerst moderaten Preisen. Keine Haute Cuisine, eher eine Mischung aus französisch und deutsch. So, wie viele aus der Grenzregion es noch aus ihrer Kindheit kennen, wenn es sonntags raus zum Essen ging. In der vierten Generation wird hier schon gekocht, und die nächste steckt schon in den Baby- bzw. Kinderschuhen. Ein Familienrestaurant in jeder Hinsicht. Ein Erlebnis!

„Was essen wir heute“, will mein Mann wissen. Ich gründle noch in der Speisekarte. Umfangreich ist sie, macht mir die Entscheidung schwer. Nehme ich heute Bouchée à la reine als Vorspeise oder das ausladende hors d`oeuvre Zollstock mit Rohkostsalaten, Russischen Eiern und heimischen Wurstspezialitäten? Vor dem ich jedesmal nach der Hälfte kapituliere. Und als Hauptgericht Faux filet? Oder vielleicht das deftige Cordon bleu au Munster? Die truite, Forelle, aux amandes? Ach, nehme ich – wie in übrigens 98 % aller Fälle – einfach das Menu Zollstock. Da bekomme ich noch ein Sorbet mit riesiger Sahnehaube als krönenden Höhepunkt. Eine kleine Abweichung vom vorgeschlagenen, hochprozentigen Dessert, damit ich nicht mit dem Taxi heimfahren muss.

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Wir lieben den Zollstock!

Nicht, dass es nur dieses äußerst schmackhafte Menü gäbe… Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Mein Mann nimmt derweil schon ungeduldig den ersten Zug aus seinem Bierglas. Er weiß: Sein Favorit ist mein Favorit. Überraschung! Als Dessert bevorzugt er jedoch den Coupe Glace Zollstock, einen riesigen Eisb(r)echer mit Vanilleeis, Kirschen, Sahnehaube, Mandelblättchen sowie einem guten Schuss Schnaps. Und mit dem muss man, fragt man echte Kenner, auch jedes Mahl im Zollstock abschließen.

Im Herbst grüßt freundlich ein rosa Plüschschweinchen von der Theke, obwohl jeder weiß, dass Schweinchen hier gegessen werden und folglich nicht viel zu lachen haben. Besonders die Cochonnaille – das traditionelle Schlachtessen mit Choucroute à l`alsacienne, Sauerkraut – dürfte jedem Vegetarier die Tränen in die Augen treiben.

Trotzdem: Würden mein Mann und ich nicht mindestens ein-, zweimal im Monat den Zollstock aufsuchen, wir würden darben. Uns würde etwas fehlen. Oh Gott, wir würden abnehmen!

Einer, der sich wirklich auskennt mit Essen, ist Gilles Pudlowski, der die Fetters samt ihrem Zollstock in den höchsten Tönen lobt:

La Hoube: le Zollstock ou le bonheur des simples

Zollstock La Hoube Lorraine Elsass Nordvogesen Vosges du nord Restaurant Moselle dabo
La Hoube und Umgebung. Des belles vues…

Am besten, ihr probiert es selbst einmal aus. Es lohnt sich! Es empfiehlt sich vorzubestellen. Für größere Gruppen stehen sogar zwei weitere Räume zur Verfügung. Ein Hoch auf Le Zollstock!

Elsässisches Wichtelmädchen Cathy
Hopla s´gilt!

Guten Appetit wünscht

Stina

Alle Fotos und Zeichnungen in diesem Beitrag sind von Julclub.

Fahr doch mal nach Korsika! Von Schweinchen, Schluchten und Kastanien.

Ein frischer Morgen Anfang Oktober. Bei gerade mal 3°C steigen wir am Straßburger Flughafen Entzheim in einen kleinen Flieger mit rot-weiß-kariertem Seitenruder, Reminiszens an elsässische Gemütlichkeit. Nach entspanntem Check-in landen wir nur anderthalb Stunden später bei strahlendem Sonnenschein und 28°C in Ajaccio, der Hauptstadt Korsikas, im südlichen Teil der Westküste gelegen. Meine Schwimmschuhe hätte ich getrost zuhause lassen können, denn etwaige Seeigel dürften sich hier schon von der Strandpromenade her ausmachen lassen. Türkis und klar schimmert das Meer. Rot meine Augen, denn viel geschlafen habe ich nicht. Aufgedreht verstauen mein Mann und ich die Rucksäcke in dem kleinen, verschrammten  Peugeot 108 von der Autovermietung. Meine ersten Fotos von Korsika zeigen einen verkratzten Kleinwagen. Man weiß ja nie. Keine Viertelstunde später sind wir on the road. Im nächstbesten Supermarkt erstehen wir, wofür kein Platz im Flieger war. Für eine Woche wird eine Wohnung in der Altstadt unser Domizil sein. Im Supermarkt hängen unorthodox Schinken und Salamis von der Decke, auch Merkwürdiges aus Kastanien gibt es zu bestaunen. Es riecht ein wenig streng nach bäuerlichen Erzeugnissen. Keine Insel für Vegetarier, denke ich und lege verschämt eine Packung Schokokekse in den Einkaufswagen, während mein Mann ein Sixpack korsisches Bier herbeischleppt. Immerhin möchte ich mich, wie in jedem Urlaub, zur Vegetarierin mausern, auf Beeren, Früchte und Gemüse zurückgreifen… Aber, so tröste ich mich, die halbwilden Schweinchen leben hier ein relativ glückliches Leben. Mit Eicheln und eben Kastanien bis zu ihrem wahrscheinlich nicht seeligen Ableben. Wir werden wohl doch die ein oder andere kaum EU-konforme Wurst verzehren. Die Fahrt von der Superette zum Parkhaus Diamant (wie der Name so die Preise, 24 Std. 20 Euro) ist nichts für Weicheier. Gelinde gesagt finde ich sie halsbrecherisch. „Entweder du passt dich an den hiesigen Fahrstil an“, rät mein Mann mit Kennermiene, „oder du hast verloren.“ Gewinner scheint es verkehrstechnisch eher seltener zu geben: Die zumeist wendigen Kleinwagen – ehrlich, die bessere Alternative zu ausladenden SUV´s – tragen ihre Blessuren mit Stolz. Wen kümmert schon ein bisschen Blech bei diesem Panorama: Palmen, Berge, Segelboote, Sandstrand, Sonnenschein, Vespas, wolkenloser Himmel, Azuro!

Bin eigenlich ein kleiner Südland-Muffel, aber, hallo? Hier gefällt es mir! Unsere Wohnung liegt in einer kleinen Gasse mit alten, hohen, ockergelben Häusern in unmittelbarer Umgebung zu den überaus zahlreichen Cafés, Bars, Restaurants. Nach dem Erklimmen der steilen Treppe, Bergsteigerkategorie 5, erreichen wir ein verwinkeltes, geschmackvoll renoviertes, im besten Sinne minimalistisch eingerichtetes Appartement. Die Benutzung der Toilette erfordert logistische Weitsicht, aber wollte ich nicht sowieso abnehmen?!?

Draußen

Ajaccio (korsisch: Aiacciu) ist eine lebhafte mediterrane Stadt mit knapp 70.000 Einwohnern. Am gleichnamigen Golf gelegen schwankt sie zwischen mondän und Piratennest und zelebriert ihren großen Sohn: Napoléon Bonaparte. Ein kleines, ihm gewidmetes Museum gibt es um die Ecke. Grimmig blickt er von T-Shirts, Kaffeebechern und Intimerem. In einer nahegelegenen Höhle, umgeben von seinen Offizieren, beschloss er Europa zu erobern. Ein anderer allgegenwärtiger korsischer Kopf ist der tête de moru,  jene schwarze Silhouette mit flatterndem weißen Stirnband. Mit General Pasquale di Paoli wurde er 1762 zum Symbol für den korsischen Widerstand und offiziell zur Flagge der Insel. Der Kopf des Mauren geht jedoch auf den Kampf der christlichen Korsen gegen die Sarazenen zurück. Ein Korse – natürlich ging es um eine Frau! – schlug einem Mauren den Kopf ab und spießte ihn auf eine Pike. Die entschärfte Variante ist ein Autoaufkleber in Form eines Babykopfes im Profil samt Schnuller. Eine leicht irritierende Verkehrung der Legende. Habe mir ebenfalls jahrelang Gedanken über die Herkunft des Symbols gemacht und lag völlig falsch. Keinen Zweifel an der Aktualität des schwelenden Konflikt zwischen Korsen und Franzosen lassen die von Schrotkugeln durchsiebten Ortsschilder, auf denen der französische Name einfach weggeschossen wurde. Nimmt es Wunder, dass ich mich an Asterix auf Korsika (http://www.spiegel.de/reise/europa/abenteuer-insel-mit-asterix-auf-korsika-a-617705.html) erinnert fühle? Ein messerschwingender, zähnebleckender, unverträglicher Korse fragt einen sichtlich von dessen Schwester angetanen Römer (oder war es gar ein Gallier?):

„Was, dir gefällt meine Schwester?“

„Nein, nein!!!“

„Was, dir gefällt meine Schwester nicht?“

Ansonsten geben sich die Korsen eher lässig, zurückhaltend, unaufdringlich freundlich, mit oft hintergründigem Humor.  Zwar werden bei kleineren Karambollagen schon mal die Stimmen erhoben, dann aber einigt man sich freundlich zum Weiterfahren, da der neue Kratzer zwichen den alten kaum auszumachen ist. Auch der Passant, der den Auffahrer eigentlich verursacht hat, zieht sich mit einem „Ce n`était pas directement ma faute“ charmant lächelnd aus der Affäre und zieht frohgemut, vorbei an staunenden Touristen, seines Wegs.

Auf die – zugegebenermaßen – etwas einfältige Frage, ob der Salat mit den Figatelli, würzige Würstchen aus Schweineleber, denn schmecke, antwortet der korsische Wirt mit einem freundlichen Schnauber. Will sagen, probier es aus, entweder es schmeckt dir oder nicht, egal, wir sind stolz auf unsere Würstchen. Damit komme ich noch gut weg. Ich bin sicher, dem ein oder anderen Franzosen wird die Spezialität roh serviert…

Übrigens: Esel werden auf Korsika verehrt, nicht gegessen, tragen sie ihre Besitzer doch stoisch durch felsiges, zerklüftetes Terrain. Ein altes korsisches Sprichwort sagt: „Der einzige Esel am Platz ist der, der nach Eselswurst fragt.“ Ja, was essen sie denn sonst? Da wären die kleinen korsischen Rinder, aus denen sich Kalbsragout mit Oliven machen lässt, Ziegenkäse in allen Variationen, Feigenmarmelade, Fisch, Fischsuppe, Meeresfrüchte, auch Seeigel (oursins). Allgegenwärtig: Calamares in dicker, brauner Wein-Soße (Calamari all’ajacienne) mit Reis und Auberginenpüree. Dazu alles, was die Esskastanie hergibt, wie köstliches Flan à la Farine de Châtaigne.

Pizzerien gibt es zu Hauf. Die Pizzas sind zumeist gut, die Spaghetti überteuert. Wer auf Masse steht, begibt sich ins Le 20123, das einem Bergdorf nachempfunden ist. Inklusive Sternenhimmel. Wasser muss man sich selbst an einem Brunnen zapfen. Alles solide, ohne große Raffinesse, ein Touristen-Magnet. Ritterschenken-Flair mit nur einem Menü.

Wie angenehm ist doch ein romantisches Dinner im A Madunuccia, 10, rue de Glacis, Ajaccio. Ohne Meerblick, aber dafür wird nach alten Familienrezepten gekocht, zu moderaten Preisen. Gespielt wird Musik von Radio Corse, http://www.paradisu.de/korsika-radiosender.html, zu der es sich besser als zu Hiphop genießen lässt. Meine Kauwerkzeuge passen sich leider allzugerne dem jeweiligen Rhythmus an. Das Kastanienflan mit Sahne ist göttlich, die Rotweinsauce delikat, die mit Brocciu-Käse überbackene Aubergine herzhaft. Touristen verirren sich selten hierher. Einheimische sind Stammgäste. Die Betreiber freundlich und stolz. Ein Stück vom alten Korsika.

Wer Abwechslung von der korsischen Speisekarte braucht, isst gut und zu angemessenen Preisen bei „Texas – Café – Restaurant“. TexMex mit frischen Zutaten und feinen Deserts. Besonders die Mittagsmenüs sind zu empfehlen (https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g187140-d2262189-r201046954-Texas_Cafe-Ajaccio_Communaute_d_Agglomeration_du_Pays_Ajaccien_Corse_du_Sud_Cors.html). Danach kann man am Strand gegenüber sein Bäuchlein wegschwimmen.

Für den kleinen Hunger gibt es in den Bars Tapas, die, bestellt man 5, 6 verschiedene Schälchen, satt machen, aber auch kosten. Wir lernen: Kleinvieh macht auch Mist.

Auf dem Place Foch findet jeden Tag ein Markt mit regionalen Köstlichkeiten statt. Was das Herz begehrt. Aus der Hand schmecken süße, in Fett gebackene Hefebällchen, Beignets au Brocciu, mit einer Füllung aus Brocciu-Käse einfach genial. Am besten lässt sich das Treiben vom Café Au premier Consul aus betrachten (https://www.korsika.fr/a1159/articles/1159/cap-corse-mattei-bastia/) bei einem Pastisse, einem Cap Corse und einem starken Espresso zu vernünftigen Preisen, ruppige Kellner inklusive. Nach einem Spaziergang über den Markt erreicht man den Hafen, wo die großen Passagierschiffe anlanden. Selbst die Queen Elizabeth tutet hier zum Abendbrot. Hockt euch einfach an die Mole und beobachtet die einlaufenden Schiffspassagiere. Ach ja: Die Fischmarkthalle liegt linkerhand.

Vielleicht hat man jetzt Lust auf eine der Kunst-Ausstellungen im Palais Foch. Oder möchte einfach shoppen. Zwei Straßen überraschen mit Läden für jedes Budget, wobei der Cours Napoléon natürlich den mondänen Boutiquen vorbehalten ist. Sollte man sich über die hohen Preise wundern: 10 Schritte von der Altstadt entfernt, am Palais de Justice, kostet der Cap Corse nicht mehr 5 sondern nur noch 4 Euro. Essen ist in der Regel teuer. Deshalb lohnen sich Menüs. Direkt gegenüber dem Palais Foch befindet sich ein kleines, wunderbar restauriertes Café-Bistro mit nostalgischem Flair und einer reichhaltigen Auswahl an Tees und Kaffee. Man sitzt geschützt unter der überdachten Terrasse oder auch im Innenhof. Die Boulangerie Foch ist ebenfalls zu empfehlen (https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g187140-d4412572-Reviews-Boulangerie_Foch-Ajaccio_Communaute_d_Agglomeration_du_Pays_Ajaccien_Corse_du_Sud.html).

Sogar das korsische Bier Peitra kann teuer werden. Gebraut wird es erst seit 1995. Das Besondere ist der Zusatz von Kastanienmehl zur Gärung. Unbedingt probieren!

Die Strände

Der Strand ist nie weit in Aiacciu. Feiner heller Sand ist typisch, mit einem kleinen Kiesstreifen, der von den Wellen angeschwemmt wird. Auch wer nur plantschen will, kann bei leichtem Wellengang weit ins Meer hineingehen, ohne den Kontakt zum Boden zu verlieren. Beim Schnorcheln sieht man kleine Fischschwärme, was wirklich zauberhaft ist. War es nur Glück, dass ich in keinen Seeigel getrabt bin? Kleine Strandbars machen die karibische Illusion perfekt. Ein Sonnenschutz empfiehlt sich, da es zumeist keinen Schatten gibt.

Direkt an der Stadtmauer gibt es einen kleinen Strand mit Duschen, der in der Nachsaison angenehm ruhig ist. Plage Trottel liegt fußläufig etwa 15-20 Minuten von der Altstadt entfernt und ist mit seiner excellenten Wasserqualität ebenfalls zu empfehlen. In Richtung Îles des Sanguinaires gibt es weitere lange Sandstrände, z.T. unbewacht und wilder als im Stadtzentrum. Hierher sollte man allerdings mit dem Auto oder dem Bus fahren. Hilfreich ist die Nummer einer Taxizentrale, da die öffentlichen Verkehrsmittel auch mal bestreikt werden.

Schnorcheln wie im Himmel

Einer der schönsten Schnorchelstrände ist der wild-romantische Ficajola am Golf von Porto (https://www.korsika.fr/a898/articles/898/plage-de-ficajola-piana-golfe-de-porto-strande-west-korsika/) etwa 1 Stunde und 50 Minuten von Ajaccio entfernt. Die Fahrt dorthin führt uns an der Küste entlang. Hübsche kleine Badeorte laden zum Verweilen ein. Eine spektakuläre Aussicht jagt die andere. In den Buchten leuchten die Sandstrände, das Meer strahlt türkis. Die Haarnadelkurven zum ersehnten Schnorchelparadies sind nichts für schwache Nerven. Einmal mehr zeigt unser kleiner Peugeot, was er kann. Links ist Abgrund. Dann endlich der Parkplatz. Riesige Rhododendren, Strandginster, dazwischen magentafarbene Herbstveilchen. Ein würziger, wilder Duft. Beim Abstieg ist gutes Schuhwerk hilfreich. Und dann die Bucht: Ungestüm zwar, aber auch hier kristallblaues Wasser, rosa schimmernde, bizarre Felsformationen. Ich parke meine Sandalen nahe am Wasser, da der Strand mehr zur Kategorie pieksende Steinchen gehört. Die Fischlein schlagen ihre Kapriolen, mein Mann ist mitten drin – glücklich. Sein Highlight.

Im tiefen Tal

Am folgenden Tag nieselt es. Wir fahren trotzdem in die Berge, genauer gesagt ins Vallée de Restonia (http://www.corte-tourisme.com/vallee-restonica-corte-49-fr.html). Von Ajaccio aus Richtung Flughafen auf derT21 und weiter auf die T20 Richtung Corte. 1 1/2 Stunden von Ajaccio entfernt, über kurvige Bergstraßen mit grandiosen Ausblicken zu erreichen, erstreckt sich ein wild-romantisches Tal, das man auch durchwandern kann. Bevor man den Aufstieg durch raue Felsbrocken und Krüppelkiefern zu den sich anschließenden  Bergseen wagt, kann man sich in einer kleinen Hütte aufwärmen, starken italienischen Kaffee schlürfen, Maronenmus oder würzige Salami kaufen. Selbst hier, am bullernden Holzofen in einer abgelegenen Berghütte bircht sich der stolze Korse Bahn. Der Wirt doziert in recht unzweideutigen Worten über die Franzosen, bevor er uns aus einem in der – einzig wahren – Landessprache verfassten Artikel über Müllentsorgung vorliest. Der Artikel, den er eigentlich meinte, erklärt er entschuldigend, liege gerade als Fußabstreifer vor der Eingangstür. Er schickt sich an, das nasse Papier vom Boden zu klauben. Non, ce n´est pas la peine!, wehren wir ab. Na dann, schenkt er uns eben den Müllentsorgungs-Artikel! Inzwischen gießt es wie aus Eimern. Zu den Seen wandern? Gar nicht dran zu denken. An tiefen Schluchten vorbei fahren wir zurück. Kleine Kühe kreuzen den Weg, lugen hinter Felsvorsprüngen hervor, lassen sich willig fotografieren. Werde doch Vegetarier. Mahne meinen Mann, der sich anscheinend die korsische Fahrweise zu eigen gemacht hat, zur Besonnenheit. Verzichte auch auf meine sonstigen „Guck mal hier´s“ und „Sieh mal da´s“, da der Fahrer mit den Augen gleichzeitig auch das Steuer ungünstigst herumzureißen droht. Gibt es hier wohl Wichtel? Klar doch, aber mit rutschfesten Schuhen.

Havanna in Ajaccio – der Beste

Am nächsten Tag knallt wieder die Sonne vom Himmel. Strand, wir kommen! Um 15 Uhr sind wir gut durchgebraten. Mir schwirrt der Kopf. Mache einen kleinen Einkaufsbummel und erstehe ein kakigrünes Shirt, das beim ersten Waschen ausfärbt wie ein Tintenfisch in Bedrängnis. Wahrscheinlich schlägt ob seiner chemischen TexturTage später auch der Sprengstoffalarm am Flughafen an. Mein Mann kauft sich in einem schrulligen, aber bestens sortierten Laden eine Fleur de Selva-Zigarrre (https://www.welt.de/icon/essen-und-trinken/article159046693/Die-Zigarre-ist-nicht-nur-ein-Maennerspielzeug.html) und das Havanna-Feeling ist perfekt. Jetzt noch einen Cap Corse in einem der zahlreichen Cafés und man kann sich getrost dem markigen Abendmenü hingeben. Bestellen auf Korsisch“ ist ein Erlebnis. „Ich möchte bitte einen grünen Tee.“, äußere ich z.B. in artigem Französisch und zeige auf den entsprechenden Artikel auf der Karte. Die Servicekraft denkt kurz nach: „Ich glaube, den haben wir nicht mehr.“ „Gut“, jetzt wieder ich, „dann nehme ich einen Detox-Tee.“ (habe ein bisschen zu viel Cap Corse intus und glaube, gefärbtes Wasser könnte helfen). Wiederum kurzes Überlegen. „Ich glaube, den haben wir nicht mehr.“ „Dann vielleicht einen schwarzen Tee?“, schlage ich schüchtern vor. „Kommt sofort!“ Dieses Spiel haben wir oft gespielt. Es hat uns gezeigt, dass die Korsen nicht zum Bedienen geboren sind. „Je suis Corse et je suis fier!“ Gut dem Dinge.

Filitosa

Unbedingt besuchen solltet ihr Filitosa (http://www.filitosa.fr/en/), eine prähistorische Ausgrabungsstätte, etwa 1 Stunde von Ajaccio entfernt. Hinter dem Flughafen auf der D355 Richtung Propriano (Prupria). Zu sphärischen Klängen kraxelt man durch einen Olivenhain, spitzt in kleine Höhlen, wandelt über verwunschene Wege, kriecht in verlassene Behausungen, bestaunt die anthropomorphen Stelen, die an jene auf den Osterinseln erinnern, schnuppert an Pflanzen, auf die kleine Tafeln aufmerksam machen. Mystisch. Begleitet von einem quirligen Jagdhund atmen wir Geschichte. Das kleine Museum zeigt in Filmsequenzen, wie alles ausgesehen haben mag, bevor die Welt der Bewohner buchstäblich in Scherben ging. Der Weg nach Filitosa bietet wiederum Ausblicke vom Feinsten. Badesachen mitnehmen, es gibt hier schöne Strände, die allerdings häufig nur über abenteuerliche Sandpisten zu erreichen sind. Zumeist kann man sich aber an einer Strandbar (z.B. Chez Eric bzw. Chez Francis auf dem Plage de la Cala D´Orzo, Commune de Coti-Chiavari) von dem Geschockele erholen.

Habe ich schon erwähnt, dass man in Ajaccio wunderbare Strände findet und bei angenehmsten Temperaturen, selbst im Oktober noch, baden kann?

Habe ich. In Ordnung. Aber es war so herrlich! Einfach aus der Haustür raus und 100 Meter weiter ins Türkis abtauchen!

Unseren letzten Abend auf Korsika verbringen wir erneut im A Madunuccia. Trinken unseren letzten Myrthe. Noch klingen die beinahe überirdischen polyphonen Gesänge des Choeur de Sartène (http://www.choeurdesartene.com/) in uns nach , der uns in eine andere Sphäre getragen hat, in St. Erasme, einer Kirche zum Schutze der Fischer und Seefahrer. Werde ganz pathetisch. Sehenswert: Die maritime Ausstattung mit Schiffsmodellen und natürlich dem heiligen Erasmus. Und da ist es wieder. Ein Ajaccio, das mehr bietet als Strandleben und Touristenmeile. Die Korsen sind tief verwurzelt in ihren Traditionen, verbunden mit einem Land, das sie seit altersher ernährt. Die Sänger singen von den Bergen, ihrem Glauben, ihrem Vertrauen in die Natur, von der Liebe. „Ein Haus, in dem kein Feuer brennt, keine Kastanien geröstet werden, ist nicht wert, ein Heim genannt zu werden.“ Ich bin tief gerührt. Gerade dachte ich:  Gut. Jetzt ist genug mit hippen Bars, heißen Höschen, durchtrainierten Baristas mit coolem Rauschebart, da weiß ich, dass ich wieder kommen werde. Nach Korsika.

Was tun, wenn der Flieger erst abends um neun geht?

Wir fahren Richtung Îles des Sanguinaires ( https://www.korsika.fr/a906/articles/906/iles-sanguinaires-ajaccio-west-korsika-porphyr-felsen/), ca. 15 Minuten vom Zentrum entfernt, wandern, wo Korsika offenbar ganz einfach aufhört, auf einem leicht ansteigenden Küstenpfad Richtung Plage de Saint Antoine, einem der Wanderwege des Pointe de la Parata (https://www.korsika.com/ajaccio/). Der Weg ist gut ausgeschildert, man lernt von Seevögeln und beinahe ausgerotteten Urwildschweinen mit großen Hauern, die sich am Wegesrand suhlen. Gottlob nicht, als wir ihn passieren. Nach ca. 3 Stunden geht´s wieder stadteinwärts. Wir stärken uns im o.e. Texas und genießen den Blick auf´s Meer. Was jetzt? Auch wenn der Strand uns wieder lockt: Macht einen Abstecher ins Landesinnere zum Lac de Tollà (Todda). Eine der schönsten Aussichten hat man vom Col de Mercughiu (Bocca di Mercuju) (https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g6685769-d6684562-Reviews-Via_Ferrata_de_Tolla-Tolla_Communaute_de_Communes_de_la_Vallee_du_Prunelli_Corse.html ) 715 m über dem Vallée du Prunelli: Schroffe Berge, sanfte Täler, in der Ferne glitzerndes Meer. In den hübschen Bergdörfern kann man gefährlich nah an den Schluchten wohnen und essen. Und auch klettern. Wenn man Glück hat, schmettert einer der Bewohner eine alte korsische Volksweise. Folgt der T40 hinter dem Flughafen und biegt im Kreisel auf die D3 Richtung Tolla ab. Auf der Strecke gibt es auch einen Bienenlehrpfad (Le Jardin des Abeilles), einen ökologischen Duftkonzentrat-Hersteller, sowie mehrere Fermes mit regionalen Produkten.

Lac du Tolla – Die absolute Stille

Immer noch Zeit? Hüpft noch einmal schnell ins Meer. Ihr werdet es vermissen. Direkt am Flughafen liegt der Plage Ricante mit – natürlich – excellenter Wasserqualität und feinstem Sand.

Ihr werdet es vermissen!

Was bringt man mit?

Abflug! Sehe mich aber schon wiederkommen…

Hartgesottene überraschen ihre Lieben mit den diversen Hartwürsten oder einem würzigen Käse. Es gibt weißen Nougat, Canistrelli-Kekse (https://essenundso.net/2016/07/22/canistrelli-knusprige-korsen-kekse/) in wunderschönen bunten, geprägten Blechdosen, Marmeladen, Kastanienprodukte, Ziegenfelle, gewebte Teppiche, Hippie-Klamotten, Korallenschmuck und Messer, mit denen man sich – Obacht! – gediegen verletzen kann. Stichwort: Vendetta. Sogar samische Messer kann man erstehen, wie auch Pauschalreisen nach Lappland sich großer Beliebtheit erfreuen. Bei so viel Schönheit auf der Île de la Beauté verlangt es einen Korsen wohl geradezu nach schneebedeckten Weiten… Obwohl: Auch auf Korsika kann man Ski fahren.

Einer, der sich mit Wein auskennt ist Nicolas Stromboni, stolzer Besitzer eines Weinladens, (https://nicolas-stromboni.fr/), Winzer, Weinexperte sowie Verfasser des ultimativen korsischen Kochbuchs Du Pain, du Vin, des Oursins (Von Brot, Wein und Seeigeln), das es auch auf Deutsch gibt.

Korsische Spezialitäten kann man übrigens bestellen bei:

https://speci-corse.com/

https://www.corseboutique.fr/de/1000-korsischen-regionalen-produkten

Eine kleine Übersicht über Ajaccio und seine Sehenswürdigkeiten erhält man hier: https://books.google.de/books?id=sSdrDwAAQBAJ&pg=PA56&lpg=PA56&dq=cafe+am+palais+foch+ajaccio&source=bl&ots=PFtq5Z4Fae&sig=VsVrWlDYzXI77cIvqj133B7KEqQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjr9oqr_vndAhWCErwKHVzABIAQ6AEwCXoECAMQAQ#v=onepage&q=cafe%20am%20palais%20foch%20ajaccio&f=false

P.S. Bin wieder zuhause. Gerade erzählt mir mein Mann, dass es an der korsischen Küste eine Kollision zwischen zwei Frachtschiffen gab. Mit Ölteppich und allem. Bin nur noch geschockt.

Bis bald

Eure Stina