Gekonnte Liaison: Fish and Chips meets l’esprit français: Von der Baie de la Somme bis Le Touquet Paris Plage

Le Crotoy Strand Pas de Calais Urlaub

Eine Woche Urlaub am Meer? Ausgangspunkt: Saarland. Ohne Flugzeug? Na, klar! Nordfrankreich! Zum Glück und passend zu unseren Reiseplänen entdeckte ich unlängst den ebenso informativen wie kurzweiligen Blog Mein Frankreich und damit auch St. Valéry sur Somme. Außerdem, so wussten wir von früheren Besuchen, vereinen Picardie und Pas de Calais aufs Schönste normannische Bodenständigkeit mit flämischer Betriebsamkeit, französische Kulinarik mit skandinavischer Weite. Freitagmorgen um fünf torkelte ich also schlaftrunken ins vollgepackte Auto. Wir transportieren unsere Fahrräder nämlich, aus irgendeinem geheimen Grund, den nur mein Mann kennt, im Wageninnern. Ich quetschte mich also neben unseren kleinen Rauhaardackel Nuri, der sich auf dem Beifahrersitz breit gemacht hatte. Mein Mann, ausgeschlafen wie immer, fuhr. Über die Autobahn, ganz geschmeidig. Da wir den Anweisungen unseres Navis allerdings grundsätzlich misstrauen – „Folgen duSie der Straße zwei Kilometer Richtung Nannzi“ – kamen wir mit etwa zwei Stunden Verspätung in St. Valéry sur Somme an. Der Weg ist aber bekanntlich ja auch das Ziel.

Altstadt St. Valéry sur Somme

Saint-Valéry sur Somme: Ein kleiner, pittoresker Ort mit mittelalterlichem Kern im oberen Teil und einer belebten Hauptstraße im unteren, die mit einer respektablen Dichte geschmackvoller, gutsortierter Kunsthandwerksläden und Galerien aufwartet. Eine Menge Restaurants und Cafés sowie eine schöne, breite Uferpromenade, auf der man längs der Baie de la Somme lustwandeln kann, komplettieren das Bild vom perfekten Urlaubsstädtchen. Zur Mittagszeit duftet es nach gebratenem Fisch und Softeis. Von schmiedeeisernen Balkonen aus besehen sich die Einheimischen die Touristen, die im Grunde dasselbe tun wie sie selbst. Aperitif trinken, Schalentiere verzehren, Leute gucken. Alles ganz lässig. Selbst, wenn es an den Wochenenden besonders hoch hergeht: ValéryanerInnen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch dann nicht, wenn sie in der Gastronomie arbeiten. Doch bei aller Betriebsamkeit ist Saint Valéry immer noch ein beschauliches Fleckchen Erde. On a du temps. Das scheinen auch die Wasservögel zu wissen, die gemächlich durch die in nordischen Blau-Grau-Rosa leuchtende Baie de Somme schreiten, staksen, segeln oder paddeln. Malerisch, mit sanftem Schwung zieht sich die Bucht, die als eine der schönsten der Welt gilt, in das hübsche Städtchen.

Das unvergleichlich weiche Licht der Baie de Somme war schon immer Künstlermagnet, ähnlich dem dänischen Skagen. Die breite Uferpromenade folgt dem Lauf der Bucht, die genau genommen eine Flussmündung ist. Manchmal findet sogar ein nächtlicher Kunsthandwerkermarkt statt. All das erinnert mich ein wenig an skandinavische Fischerdörfchen. Das touristische Sahnehäubchen verleiht St. Valéry-sur-Somme jedoch die nostalgische Bahn samt Dampflock, die bedächtig ihre Bahnen zieht. Nicht nur Eisenbahnfans scheint die Fahrt richtig Spaß zu machen, denn die Fahrgäste schauen alle gleichermaßen verzückt aus ihren Karrees. „Vielleicht sollten wir….?“ „So weit kommt´s noch!“, meint mein Mann. Verstehe: Irgendwas-bleibt-immer-sechzehn trifft auf Rentneramusement. Kinder mit bunten Käppis, Omas mit Sonnenhütchen winken, wir winken zurück. Urlaub!

Bei Ma Biche fleurs, plantes et objets de décoration, eine Mischung aus Kuriositätenkabinett und Blumenladen, kaufe ich einen Plüschseehund. Ein wenig skurril ist er schon, ein bisschen unheimlich vielleicht, wegen der realistischen Zeichnung seines Plüschfells. Ich nenne es ein Kunstobjekt. Auf der Heimfahrt wird er ein gutes Nackenkissen abgeben. Zuhause begrüßt er uns jetzt jeden Morgen im Bad, wo er hingehört. Immer noch skurril aussehend. Allein sein Gesichtsausdruck gibt Rätsel auf.

Eine erste Portion Austern gönnen wir uns in Le Mathurin, einem außergewöhnlich guten Restaurant für fangfrischen Fisch und Meerestiere. Eine prima Stärkung für unsere nächtliche Fahrt ins Schloss, wo wir übernachten werden.

Saint-Valery-sur-Somme ist eine nordfranzösische Gemeinde mit 2.435 Einwohnern im Département Somme in der Region Hauts-de-France. Sie gehört zur Picardie, einer historischen Region, deren Hauptstadt Amiens ist. Berühmter Bewohner: Jules Verne.

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich

Château de Béhen: Wir fahren durch efeuüberwucherte Wäldchen, schummrig beleuchtete Dörfer, überqueren kleine Kanäle. Eine Eule segelt gespenstisch durch das Zwielicht. Die Fahrt von St. Valéry aus dauert nachts länger als geplant. Das Schloss, das sich nachmittags mit seinen Türmchen und Erkern, seinen roten Klinkern noch so elegant gegen den blauen Himmel abzeichnete, ist jetzt heimelig erleuchtet, die Nacht ist lau. Wie Samt. Ich mag ihn ja, den leicht verblichenen Charme betagter Bauwerke, die ihre beste Zeit vielleicht schon hinter sich haben. Jetzt flanieren hier halt keine Adligen mehr im reichverzierten Gehrock, keine Fräuleins mit Sonnenschirmen aus Brüsseler Spitze. Jetzt wird vermietet. Stockrosen säumen die Wege. Pferde, Schafe, Esel und das in dieser Gegend unvermeidliche Minipony knabbern auf der Koppel an sattgrünem Gras. Es darf auch geritten werden. Und es soll auch Kaninchen geben. Streichelzoo. Wenn das nicht volksnah ist. Ein richtiges Schloss, also mit Wirtschaftsgebäuden, Remise und so.

Eine strenge, graurosa Dame mit gepuderter Perücke beobachtet uns missbilligend aus ihrem verschnörkelten Goldrahmen heraus, während wir unsere Habseligkeiten für die Nacht die wuchtige Eichentreppe hinauf schleppen. Sie hat wohl schon feinere Equipage gesehen. Unser Zimmer, ein freundliches Upgrade, da in dem von uns gebuchten irgendwelche Handwerker werkeln, ist fast eine Suite. Lindgrün und rosa. Mit schweren, alten Möbeln, einem Schrank, in dem sich ganze Heerscharen von Liebhabern vor dem eifersüchtigen Ehemann verstecken könnten. Das Sprossenfenster gewährt freien Blick auf die Knabbernden. Also die Vierbeinigen. An den Wänden hängen Drucke aus dem 18. Jahrhundert. Themen, wie sie sich gehören: „Die Dame mit den kleinen Füßen“. Bewundert von einem Galan in Kniebundhosen. Mit ebenfalls kleinen Füßen. Schäferidylle. Ein wenig gruselig: Das Kinderbett aus längst vergangener Zeit. Hui Buh! Die letzte Nacht im Kinderbett! Spukt es hier? Nein, meint der Hausherr mäßig amüsiert. Wie kann er das wissen, bei so vielen Gängen, Türen, Gängen, Türen, Gängen…?

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich

Auch das Bad ist richtig groß und frisch renoviert. Wir sehen noch ein wenig fern. Tatsächlich ein deutschsprachiger Beitrag: Die Bee Gees wiegen uns mit Falsettgesang in den Schlummer: „Ha, ha, ha, stayin‘ alive!“ Hoffe, etwaige Gespenster nehmen das nicht wörtlich. Doch wir schlafen völlig entspannt und losgelöst. Vor allem unbehelligt. Am nächsten Morgen auf dem Weg zum Speisesaal eine Art Fresko über der Tür: Nackte, pummelige Putten traktieren eine schwarzweiße Ziege mit Weintrauben, kitzeln sie am Bart. Was Putten halt so machen. Den ganzen Tag. Urlaub in einem Château mit Kuscheltieren. Der Schlossherr, Monsieur Norbert-André Cuvelier, freundlich, halblanges Haar, hager, ein Original. Was möchten wir zum Frühstück trinken? Kaffee, bitte. Er entschwindet mit einem betriebsamen Coffee, Coffee. An den Wänden bemerkenswerte Gemälde eines ortsansässigen Künstlers, die gelinde gesagt Rätsel aufgeben. Wir dachten schon, der Hausherr hätte selbst zu Pinsel und Farbe gegriffen um seine Zukunftsphantasien mit spitzköpfigen Pärchen vor Sonnenuntergang auf Leinwand zu bannen. Aber nein. Interessant, sage ich. Muss an meinen Seehund denken. Wir frühstücken Croissants mit dotterblumengelber, normannischer Butter und Marmelade. Dazu reicht Monsieur exzellenten Käse und Obst. Diese Übernachtung wird uns im Gedächtnis bleiben. Einmal im Schloss… Doch jetzt müssen wir weiter.

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich
Möchte mal wissen, was das für komische Lichtreflexe sind… HuiBuh!
Le Crotoy Pas de Calais Meer Nordfrankreich Urlaub

Le Crotoy: Ein hübsches, beschauliches, geschichtsträchtiges Fischerdörfchen mit einer Haupteinkaufsstraße, sauberem Strand, Strandpromenade und Mini-Kermess am Kai. Bunte Schwimmreifen, Eimerchen, Schäufelchen und Förmchen, lachende Heringsschwärme auf pittoresken Fischkonserven, Seehunde aus Gips und Porzellan, Sammeltassen, ein Wikingerschiffchen für das Fensterbrett. Was braucht der Mensch mehr? Klar, die obligatorischen Fischhändler dürfen natürlich nicht fehlen. Kleiner Plausch inklusive. Le Crotoy strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Die Häuser sind gepflegt, von Balkonen quellen leuchtendrote Geranien, kobaltblaue Klappläden klappern leise in der Meeresbrise, und alle Wege scheinen irgendwie zum Strand zu führen. Jacques Tati at his best. Wir suchen uns ein Café am Kai. Kinder fahren in dem mit Bussen, Elefanten, Marienkäfern ausgestatteten Karussell. Ein kleiner Junge in einem rosa Flugzeug zieht verzweifelt am Steuerknüppel. Als einziger in einem Flieger mit kaputter Hydraulik am Boden zu kreisen, ist damals wie heute oberpeinlich. Ich weiß, wovon ich rede, sauge mitfühlend an meinem recyclebaren Strohhalm. Allein: Der orangerote Aperol Spritz in der kleinen Bar ist für meine Verhältnisse zu heftig. Es ist auch erst halb zwölf mittags. Dachte, es wäre schon später. Alsbald, ich ein wenig schwankend, machen wir uns nach Le Touquet Paris Plage auf, um in der dortigen Herberge ein Mittagsschläfchen zu halten.

Le Crotoy Pas de Calais Nordfrankreich Urlaub
Es werde Licht! Strand von Le Crotoy.

Le Touquet Paris Plage: Juhu, wieder standfest! Das ist er also, der weltberühmte Ferienort, dessen Zusatz Paris Plage der Intervention gut betuchter PariserInnen zu verdanken ist, die hier schon seit dem 19. Jahrhundert, spätestens aber seit den 1930er Jahren ihre Sommerfrische in vollen Zügen genießen Er ist, Achtung!, die Perle der Côte d´Opale, der Opalküste. Denn in Le Touquet führen immerhin fast 11 Kilometer feinster Sandstrand am Meer entlang, illuminiert von diesem beinahe überirdischen, perlmuttschimmernden Licht. Spazierengehen, Shoppen, Kiten, Reiten, Golfspielen, Windsurfen, Baden, Muschelnsuchen, Essen – nichts sonst.

Und doch so viel mehr. Eine Oase des Urlaubs. Urlaub an sich, in Reinkultur. Eine wohltemperierte Mischung aus Rummel und Savoir Vivre, Eleganz und Sonnencreme. Der Ort selbst mutet wie eine überdimensionierte Parklandschaft an, mit gepflegtem Rasen, hohen Bäumen, Prachtvillen und deren reichen Bewohnern. Golfplatz und Casino inklusive. Alles extrem sauber. Etwaige Pferdeäpfel werden flugs von kleinen, geräuscharmen Müllautos entsorgt. Der diskrete Charme der Bourgeoisie.

Le Touquet Paris Plage Naturschutzgebiet
Le Touquet Paris Plage Nordfrankreich Pas de Calais

In Le Touquet schauen die weniger Betuchten zu, was die Anderen, the Others, so machen. Zupfen hier ein wenig an unerschwinglichen Designerklamotten, wandeln eisschleckend auf den Pfaden der Superreichen, die sich hier ungeniert, wenn auch besser geschminkt und parfümiert, unters Volk mischen. Außer beim Essen. Da ist man doch lieber unter sich, denn vierhundert Euro für ein Fünfgänge-Menü kann und will sich ja nicht jeder leisten. Doch die Öffnung zum gemeinen Volk hin hat auch günstige Restaurants hervorgebracht, die durchaus Schmackhaftes zubereiten.

Bei aller Vielschichtigkeit heißt es dennoch Obacht geben: Auf rasende Fahrräder, Luxuskarossen, personaltrainierte Damen und Herren hoch zu Ross. Geradelt wird übrigens meist ohne Helm: C´est pas chic avec! Die Eingegipste-Arme-Quote ist entsprechend hoch. Tatsächlich ist Fahrradfahren hier ein bisschen wie Autofahren in Paris. Doch man gewöhnt sich daran und rast einfach mit.

Le Touquet-Paris-Plage ist eine nordfranzösische Gemeinde mit 4226 Einwohnern an der Côte d´Opale. Sie liegt im Département Pas-de-Calais in der Region Hauts-de-France.

Zahlreich sind in Le Touquet Paris Plage auch die – bereits erwähnten – leicht zu übersehenden Minipferde, gar Miniponies, auf denen die Kleinsten erste Reiterfahrungen sammeln können. Geduld ist die Sache letzterer nicht, dafür sind die armen, pummeligen Reittiere umso gutmütiger. Und so süß!

Da also Le Touquet seine Exklusivität jetzt, wie gesagt, auch mit le peuple teilen muss, wimmelt es im Stadtzentrum von mittelständischen Franzosen, Engländern, Belgiern und ab und an ein paar Deutschen, also Leuten, die den Begüterten prozentual nun mal weit überlegen sind. Das Zentrum ist demnach auch nichts für jene unter uns, die zu Schnappatmung neigen. So solltet ihr euch in der Fußgängerzone vorab entscheiden, in welche Richtung ihr schwimmen, pardon, gehen wollt. Wer die Seite wechseln möchte, sollte etwa 15 Meter Wendefläche einplanen und dann beherzt agieren. Freitag, Samstag, Sonntag ist der Hotspot. Die Heerscharen von VerkäuferInnen, KellnerInnen nehmen´s gelassen, immer freundlich und ruhig. Von einem geschützten Caféplatz aus könnt ihr die Reichen und Schönen mit goldbedruckten Papiertäschchen von Dior beobachten, dicht gefolgt von der Carrefourklientel mit recyclebarer Papiertüte. Wer bei allem Catwalk jetzt Lust auf Süßes bekommt, kann sich in der Keksmanufaktur La Manufacture de Touquet mit feinen Cookies in schönen Schmuckdosen eindecken.

Le Touquet marchee couvert lFischmarkt

Lasst euch also einen Keks auf der Zunge zergehen (vielleicht jenen mit dem verführerischem Zitronenaroma) und richtet den Blick nach oben, zu den Fassaden der alten Fischerhäuser, den prachtvoll verzierten Bürgerhäusern. Hier findet ihr den echten maritimen Charme der Jahrhundertwende. Hört den Möwen zu, die kreischend über euren Köpfen fliegen und entdeckt den in der Fußgängerzone schon beinahe wegkonsumierten Reiz dieses alten Sommerfrischeidylls. Begebt euch dann in einen Park oder radelt einfach durch die mit alten Villen (anglo-normannisches Fachwerk!) gesäumten Straßen. So betriebsam es im Zentrum ist, so ruhig wird es, wenn ihr 15 Meter nach rechts oder links ausweicht. Auch hier gibt es schöne Plätze, wie den Place Quentovic, wo man gut und günstig essen kann. Wie z.B. im The Fireman. Sitzt man draußen, kann man den gewieften BoulespielerInnen zuschauen, sogar noch ein paar Tricks lernen. Gegenüber liegt das Carnet de Voyages, in dem ihr maritime, geschmackvolle Mitbringsel zu erschwinglichen Preisen erstehen könnt, während ihr in hippen Outdoorsesseln an eurem Cappuccino nippt. Auf dem weitläufigen Platz finden in den Sommermonaten Handwerkermärkte, Konzerte u.v.m. statt.

Le Touquet Paris Plage

Unbedingt solltet ihr der Fischhalle unter den Arkaden des 1932 eingeweihten Marché Couvert einen Besuch abstatten. Hier könnt ihr fangfrisch Austern, Fisch, Meeresfrüchte bei einem Glas Weißwein probieren. Das Personal: superfreundlich. Im Marché finden Märkte mit regionalen Produkten und Spezereien und sogar Antikmärkte statt.

Obgleich Le Touquet ein wirklich weitläufiges, zusammenhängendes Ensemble aus Grün und bemerkenswerter alter Bausubstanz ist, stehen am Ende der Strandpromenade ein paar schnörkellose Sechziger-Jahre-Hotels und Appartementhäuser, die allerdings nicht weiter stören. Schließlich musste man der mit Automobilen hereinbrechenden Schar der Pariser WochenendausflüglerInnen gerecht werden.

Weil´s so schön war, nochmal der Strand: Kilometerweit nichts als Dünen, feinster weißer Sand, Meer und endloser Himmel. Dahinter: Pinienwälder. Etwas abseits vom Hauptstrand, der zudem an Wochenenden heillos überlaufen ist, kann man mit und ohne Hund  bis zum Horizont wandern, wandern, wandern. Das Wasser erreicht im Sommer angenehme 19° C, der Zugang ist felsenfrei. Wagt euch also langsam und ohne Scheu in den Ärmelkanal, La Canche, der die Nordsee mit dem Atlantik verbindet und gegenüber England liegt. Am Nordende von Le Touquet befindet sich ein reizvolles Naturschutzgebiet mit begehbarer Düne, das mit dem Rad keine 10 Minuten vom Zentrum entfernt ist.

Was gibt´s in der Umgebung?

Boulogne sur Mer Pas de Calais Nordfrankreich
Boulogne sur Mer

Boulogne sur Mer, in der Region Nord-Pas-de-Calais gelegen und Hauptstadt der Côte d´Opale hat eine sehenswerte Altstadt. Die Unterstadt besteht aus dem größten Fischereihafen Europas, Handels- und Yachthafen. Ansonsten wirkt die nach Lille in dieser Region zweitgrößte Stadt mit über 42.000 Einwohnern ein wenig heruntergekommen, aber quirlig und umtriebig mit vielen kulturellen Angeboten. An der Uferpromenade mit massig vielen Fischrestaurants von mehr oder weniger guter Qualität wird sonntags flaniert. Am Strand kann man auch baden, wie die obligatorischen Strandhäuschen beweisen. War uns aber zu nah an irgendwelchen Industrieanlagen. Ja, und mit Hund konnten wir leider nicht in das vielgerühmte Meeresaquarium Nausicáa. Nicht, dass nachher noch ein Pinguin fehlt…

Auf der Flucht vor zu viel Gewimmel kommen wir nach Équihen-Plage, wo wir an dem formidablen Sandstrand des hübschen Dörfchens baden. Der Einstieg ins Meer ist hier, wie an allen Stränden, die wir besucht haben, äußerst sacht. Keine Felsen, ergo keine zerschrammten Zehen oder Knie. Auch hier gibt es 100 m vom eigentlichen Strand entfernt ein Areal, wo Hunde zwar verboten, aber geduldet sind. Also, wenn ein Gendarm uns samt Dackel dorthin schickt, wird´s ja wohl erlaubt sein. Über eine lange Holztreppe gelangen wir an den wenig bevölkerten Strand. Über uns kreisen Drachenflieger, ihr Schatten wirkt wie der eines Flugsauriers. Ein sprudelnder Bach ergießt sich über Felsen Richtung Meer. Sonntagsidylle pur. Da, ein roter Ball in der Luft! Nuri ist nicht mehr zu halten. Was wollen die zwei Menschlinge in der Badehose mit dem Balla? Er stürmt los, schlägt einen geschickten Haken. Ab sofort ist das runde Teil seins. Und Nuri heißt jetzt Messi.

Équihen Plage

Ähm, dreimal dürft ihr raten, wer ihm den Ball wieder abjagen und den rechtmäßigen Besitzern zürückbringen durfte. Sand ist ja so gelenkefreundlich!

Übrigens kann man hier in umgedrehten Booten übernachten. Früher nutzten die Einwohner ÉquihenPlages angeschwemmte Boote als Notunterkünfte, indem sie sie über Kopf drehten. Genaueres könnt ihr in der Verlinkung nachlesen.

In Merlimont, ebenfalls ein Fischerdörfchen, das ihr mit dem Rad über einen Radweg (unbedingt nur diesen Weg wählen!) in etwa 40 Minuten von Le Touquet aus erreichen könnt, pulsiert das Strandleben. Die Reichen und Schönen sind hier nicht. Hierher kommen Familien, die sich Le Touquet nicht leisten können. Wir konnten es auch nur, weil wir ein Last-Minute-Angebot erhaschen konnten. Kinder stehen Schlange an einer der zahlreichen Eis-und Crêpes-Buden. Grellfarbige Schwimmtiere aus Gummi dümpeln im Wasser. Mitgebrachte Sonnenschirme werden resolut in den Sand gespießt, der Selleriesalat aus überdimensionierten Stofftaschen gepackt. Alles planscht und schreit und lacht. Papa hat einen Bauch, Mama auch, das ist aber egal, denn das Leben ist phantastisch! Hier am Strand! Im Zentrum werden per Mini-Kran letzte Vorbereitungen für ein musikalisches Gymnastikevent für alle getroffen. Endlich Demokratie! In der Bäckerei gibt´s bodenständig große Baiserteilchen mit herausquellender Sahne. So muss das sein! Strohhütchen schaukeln neben Presse-Tabak-Fähnchen in der frischen Meeresbrise. Wir trinken Orangina und Kaffee, sind ganz duselig von der vielen Sonne, dem Fahrradfahren, der Freizeit. Die Besitzerin des Ladens bringt Nuri eine Toutou-Bar, einen Napf Wasser. Damit der arme Hund auch was zu trinken hat, sagt sie.

Apropos Essen: Im Sommer kann es vorkommen, dass ihr in Le Touquet keinen Platz mehr im Restaurant, Bistro o.ä. ergattert. Telefonisch bekommt ihr dann oft die Auskunft, es sei alles reserviert. Wagemutige überprüfen das dann vor Ort, auf die Gefahr hin, dass wirklich alles ausgebucht ist. Alternativ empfehle ich euch es in den kleinen Orten um Le Touquet zu versuchen. Das kann schon ein Vorort wie Étaples sein, wo ihr im Le Roulis preisgünstig und gut essen könnt. Und fahrt auch mal in die Umgebung, auf die kleinen Sträßchen. Dann entdeckt ihr vielleicht auch die kleine Trattoria, wo wir Nudeln mit normannisch üppiger Sahnesoße gegessen haben. Nach all dem Fisch musste das einfach sein. Leider habe ich den Namen vergessen.

Besonders schmackhaft und schön könnt ihr in Montreuil essen. Ein Ausflug in die kleine Stadt mit der mittelalterlichen Stadtmauer lohnt sich. Auch, wenn ihr dort übernachten möchtet. Rund um den Marktplatz, aber auch in den Gassen findet ihr prima Restaurants.

Ist alles ausgebucht, gibt es immer noch die zahllosen Crêperien, Fritterien, die Stände mit Fish and Chips. Beliebt auch: Überdimensionierte, hypermoderne Jahrmarktsstände mit Popcorn, Zuckerwatte, Eis. Eben allem, was den Zähnen gut tut.

Wer´s deftig mag, sollte Welsh probieren, ein gallisches Gericht aus geschmolzenem Cheddar auf gegrilltem Brot, getoppt mit einem Spiegelei, oft auch mit Schinken serviert. Dazu trinkt man Bier. Klingt irgendwie nach Strammer Max. Oderr ischt´s gar ein Voorläuferr des Schwitzer Chäsefondüüs?

Fazit: Wer Lust auf Meer, weiße Sandstrände, lange Spaziergänge, ballspielende Menschen in Badehosen, Hundefans, Wassersport, ein gut ausgebautes Radwegenetz, kulturträchtige Gemäuer, malerische Kanäle, viel Fisch, Meerestiere, Crêpes, Pommes und deftigen Käse hat, ist hier richtig. Es weht immer eine frische Brise, die Leute sind entspannt und freundlich. Das Ganze ist eine Mischung aus normannisch, britisch, belgisch (obwohl das natürlich kein Mensch aus der Picardie bzw. dem Pas de Calais so unterschreiben würde) mit wunderbarem französischem Esprit, mondän und bodenständig zugleich. Und bis auf die Einkaufsstraßen in Le Touquet Paris Plage unaufgeregt und erholsam. St. Valéry sur Somme fand ich geradezu zauberhaft, zumal die Umgebung wie ein von kleinen Kanälen und Brückchen durchzogenes Gärtchen anmutet. Und so schön flach, dass es geradezu nach ausgiebigen Fahrradtouren schreit. Denn ich bin ja, wie ihr wisst, ein ausgesprochener Flachlandradler. Deshalb wäre auch das Clairmarais zu erwähnen, ein ebenfalls von Kanälen, Fischteichen und zauberischen Wäldern geprägtes Biosphärenreservat um St. Omer herum, das Entspannung pur verspricht. Das muss ich aber noch überprüfen!

Das war ja mal wieder viel Subjektives und wenig praktische Information, würde mein lieber Bruder jetzt sicher sagen. Ja, wo soll ich anfangen, wo aufhören, bei einer kulturell und landschaftlich so tollen Region? In diesem Sinne: Macht eure Erfahrungen selbst und fahrt mal hin! Ach ja, in Berck könnt ihr, wenn ihr Glück habt, Robben beobachten. Überall könnt ihr Gärten, Klöster, Schlösser und natürlich alte Kirchen besichtigen… Das haben wir uns fürs nächste Mal aufgespart.

Wisst ihr, das Beste was einem urlaubsmäßig passieren kann, ist doch, wenn man sich gerne an die schöne Zeit zurückerinnert. Genau das passiert, wenn ihr nach Nordfrankreich fahrt. Und wie mein Mann immer sagt: „Das kann uns keiner mehr nehmen.“

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Maus und Igel lassen sich´s gut gehn

Maus und Igel Höhle Herbst Winter Frühling Kollage Julclub Collage Tier Kinderbuch

und hoffen auf Vernunft

Puh, ist das ein Wetter! Es stürmt und regnet in Strömen. Doch es ist Wochenende. Was werde ich also machen? Nun, es Maus und Igel gleichtun! Die haben sich nämlich ein wärmendes Feuer angezündet und sitzen geschützt in ihrer Höhle. Während draußen das Unwetter tobt, die Blätter fliegen, der Regen peitscht, naschen sie von den Früchten, die sie im Herbst gesammelt und getrocknet haben. Viele Geschichten fallen ihnen ein, z.B. jene, als der Igel sich vor einem Auto zusammenrollte und beinahe überfahren worden wäre. Wenn, ja, wenn die Maus ihm nicht einen kräftigen Tritt – vermutlich in den Hintern – gegeben hätte. So genau konnte sie das in ihrer Panik gar nicht erkennen. Aber da sind auch die schönen Erinnerungen an jede Menge Leute, mit denen man ebenfalls wunderbar zusammensitzen konnte. Mal in intensive Gespäche vertieft, mal schweigend. Wobei dem Igel jene, mit denen er entspannt schweigen konnte, die liebsten waren.

Ab und zu wird die Maus mit geschlossenen Augen ihr Schnäuzchen in den zartduftenden Kamillentee tauchen, während der Igel behaglich seine alte Meerschaumpfeife schmaucht und alle zehn Sekunden selig seufzt.

Später, sehr viel später, wenn ihnen vom vielen Sich-Erinnern schon die Augen zufallen, werden die beiden sich noch weiter in ihr heimeliges Zuhauses zurückziehen. Denn – ihr könnt es zwar nicht sehen, vielleicht aber ahnen: Da gibt es eine kleine, grüne Holztür, hinter der sich die Wohnstube der Freunde verbirgt. Tatsächlich gibt es dort zwei Betten mit richtig dicken Kissen und Bettdecken. Und zwar rotweißkarierte. So kuschelig, dass sogar das leise Schnarchen der Maus ein wenig gedämpft wird. Aber da ist der Igel sowieso schon längst eingeschlafen. Nur seine Schnurrhaare beben noch sachte nach, da sie die Düfte des vergangenen Tages in ihren Spitzen tragen…

Ich weiß auch, wovon Maus und Igel träumen. Wisst ihr´s auch?

Maus und Igel Höhle Herbst Winter Frühling Kollage Julclub Collage Tier Kinderbuch

Leider sind derzeit ungeheuer viele Menschen (und Tiere) weit davon entfernt in einem gemütlichen Heim zu sitzen, sich geborgen zu fühlen. Im Gegenteil: Sie müssen fliehen, frieren, hungern, ihr Zuhause ist zerstört, sie müssen ihre Liebsten zurücklassen, vielleicht irgendwo an der Front kämpfen, ihr Leben geben, als Kanonenfutter dienen. In speziell auch diesem einen Krieg in der Ukraine, der, wie alle Kriege, Tod und Verderben über die armen Menschen dort bringt. Ich könnte kotzen. Kotzen und heulen gleichzeitig, wenn ich an dieses absolut unnötige Beispiel menschenverachtender Verblendung, Dummheit, diesen fatalen Ausbruch tödlichen Größenwahns denke. Mit Verlaub. Ich weiß nicht, was man tun kann, um diese merkwürdige Welt zum Frieden zu führen. Aber ich kann an euch appelieren: Haltet euch einmal, nur einmal, vor Augen, was es bedeutet, so viel, vielleicht alles und alle zu verlieren. Stellt euch doch mal vor, wie es euch erginge! Uns eint doch, dass wir Menschen sind. In denen tatsächlich auch viel Gutes steckt. Das werdet ihr merken, wenn ihr ein bisschen nachdenkt, euch auf das besinnt, was wirklich wichtig ist. Wer braucht schon Machtmenschen, Ausbeuter & Co.? Die meisten von uns wollen im wahrsten Sinne des Wortes doch nur in Frieden gelassen werden.

Und wehrt euch gegen die IdiotInnen von rechts, die uns weismachen wollen, dass sie die Lösung für all diese Probleme haben. Das ist keine Option! Niemals!

Stina

Collage „Maus und Igel lassen sich´s gut gehn“ von Jutta Stina Strauß

Skúffukaka – Der Vulkan unter den isländischen Schokokuchen!

Skuffukaka Schokolade Kuchen Island Rezept einfach

Die IsländerInnen lieben ihn mit Lakritze. Ich lasse sie hier lieber mal weg. Ist doch jedes Mal ein kleiner Schock, wenn süßes Schleckermäulchen auf scharfen Salmiak trifft. Aber die Nachfahren der Wikinger sind wohl hart im Nehmen. Auf Island ist der etwas klebrige Kuchen jedenfalls der Renner. Und klebrig sollte er sein. Anstelle von Buttermilch könnt ihr auch Joghurt nehmen. Hat ja nicht jeder eine vollumfängliche Ziege oder Kuh zuhause. Vollmundiger ist jedoch die Buttermilchvariante. Gebacken habe ich den Schokokuchen in einer 26er Springform, am Boden ausgelegt mit Backpapier. Isländische BäckerInnen nehmen normalerweise eine rechteckige Backform, schneiden das Backwerk dann in leckere Blöcke. Hier also die runde Version. Statt der üblichen Kokosraspel habe ich gemahlene Mandeln darübergestreut. Einer kleinen Prise Kardamom konnte ich mich ebenfalls nicht enthalten. Denke aber, der Skúffukaka, zu Deutsch Schubladenkuchen, ist trotzdem noch isländisch genug. Mein Maß ist eine ganz normale Kaffeetasse (ca. 150 bis 160 ml). Nehmt also nicht den XXL-Kaffeebecher, der euch normalerweise den Arbeitstag versüßt. Doch genug des Vorgeplänkels. Frisch ans Werk!

Übrigens: Am besten schmeckt der Skúffukaka, wenn er eine Nacht durchgezogen hat. Also gut verstecken und, wenn nötig, mit Waffengewalt verteidigen!

Mums läckert! Mhm, lecker!

Die Zutaten für den Teig

  • 2 1/2 Tassen Weizenmehl (Type 405)
  • 2 Tassen Zucker
  • 1/2 Tasse Kakaopulver
  • 1 TL Natron
  • 1 TL Backpulver
  • 1 TL Salz
  • 1 TL Kardamom
  • 1 TL Zimt
  • 1/2 Tasse zerlassene Margarine
  • 1 Tasse Buttermilch oder Joghurt
  • 1/3 Tasse frisch gekochter, heißer Kaffee
  • 2 Eier

Die Zutaten für den Guss

  • 2 Tassen Puderzucker
  • 3 EL Kakaopulver
  • 3 EL zerlassene Margarine
  • 1 TL Vanillearoma
  • 3 EL frisch gekochter Kaffee
  • 2-3 EL heißes Wasser

Die Deko

Kokosraspel, gemahlene Mandeln, Chillies oder auch ein paar Lakritzkatzen, von denen die Mutigen unter euch auch gerne einige in den Teig versenken dürfen.

Skuffukaka Schokolade Kuchen Island Rezept einfach

Die Zubereitung:

Der Teig:

Den Boden einer 26er-Springform mit Backpapier auslegen.

Den Backofen auf 175°C Umluft vorheizen.

Die Margarine für den Teig (1/2 Tasse) in einem Topf auf kleiner Hitze zerlassen und beiseite stellen. Kaffee kochen, 1/3 Tasse davon abnehmen und beiseite stellen.

Trockene Zutaten miteinander vermischen.

Die zerlassene Margarine, den Kaffee, die Buttermilch/Yoghurt und zuletzt die Eier unterrühren.

Teig in die vorbereitete Backform füllen. Ca. 25 Minuten im unteren Drittel des Backofens backen. Wer den Kuchen nicht so klebrig mag, lässt ihn 5 bis 7 Minuten länger drin. Bei einer eventuellen Stäbchenprobe sollte trotzdem noch minimal etwas kleben bleiben.

In der Zwischenzeit: Den Schokoguss herstellen:

Margarine (3 EL) zerlassen.

Kaffee kochen.

Puderzucker, Vanillearoma (gemahlen, aus der Kapsel oder auch frisch aus der Schote gekratzt) und Kakaopulver vermischen.

Margarine, heißen Kaffee und heißes Wasser unterrühren und zu einer geschmeidigen Masse verarbeiten.

Die Fertigstellung:

Nach Beendigung der Backzeit den Kuchen aus dem Ofen nehmen. Springformrand NICHT lösen. Mit einem spitzen Messer vorsichtig vom Rand lösen. Springformrand immer noch DRUM LASSEN. Mit einem Holzstäbchen kleine Löcher in den Kuchen pieksen.

Den Schokoguss über den noch heißen Kuchen gießen.

Mit Kokosraspeln, Mandeln, Nüssen, Chillies bestreuen.

Alles in der Form erkalten lassen. Den Kuchen jetzt noch einmal mit einem Messer vorsichtig vom Springformrand lösen. Springformrand abnehmen et voilà!

Mit einem Tortenheber vorsichtig auf eine schöne Kuchenplatte heben.

Backt´s mal nach
Stina

Les délices de la campagne

Warum die Hochebene von Saint Louis in Lothringen einen Besuch wert ist

Es ist vielleicht nicht der spektakulärste Ort am Rande der Nordvogesen, aber die friedvolle Weite der sonnigen Hochebene lohnt einen längeren Spaziergang allemal. Die Rede ist vom lothringischen Saint Louis, das umgeben ist von Weiden, Wiesen und Feldern, kleinen Wäldchen und sonst… recht wenig. Und das ist gut so. So kann man den Blick auf die blauen Berge der Vogesen auch wirklich genießen. Ein knackiger, roter Apfel markiert den Wanderpfad, der gerade durch das Fehlen von Berg und Tal wunderbar kontemplativ wirkt. Obwohl, eine abschüssige Passage bzw. Steigung bleibt euch doch nicht erspart. Entscheiden könnt ihr aber, ob ihr lieber am Anfang aus der Puste kommen, oder am Ende, beim Abwärtsgehen, stramme Waden bekommen möchtet. Findet ihr das Apfel-Symbol erst später, ist das auch nicht schlimm. Im Grunde lenkt die Landschaft eure Füße, trägt euch. Ganz weit weg von allem seid ihr hier. Im wahrsten Sinne des Wortes erhaben über das stressige Gewusel und Gewimmel, welches Menschen sich leider allzu oft abhalten. Ein zwei Bänke gibt es, auf denen ihr verweilen solltet. Am besten mit einer heißen Tasse Tee und etwas mürbem Gebäck. So wird es perfekt. Betrachtet die Kopfweiden, überlegt, was die schon alles gesehen haben mögen. Unter Umständen wohl ebenfalls nicht so viel. Vielleicht sind sie deshalb so alt geworden. Ungefähr in der Mitte eurer Wanderung werdet ihr ein Couvent, einen Konvent finden, der allerdings nicht mehr bewohnt ist. Irgendjemand kümmert sich jedoch. Wohl ein paar rührige DorfbewohnerInnen. Denn da sind junge, gepflegte Bäume und auch das Gebäude selbst macht keinen verlassenen Eindruck. In der kleinen Kapelle, Chapelle Saint-Vincent de Paul, zünden wir eine rote und eine grüne Kerze an. Bei dieser Kombi kann nichts schief gehen. Nur, falls eine Kerzenfarbe einen besseren Draht/Docht nach oben hat.

Saint Louis liegt ca. zehn Kilometer östlich von Sarrebourg, im Nordwesten des Vogesenmassivs, zwischen 215 und 393 m über dem Meeresspiegel. Es gehört zum Departement Moselle des Grand Est, ist Teil des Arrondissement Sarrebourg-Château-Salins und der Pays de Phalsbourg. Freizeitkapitänen wird das Schiffshebewerk in Saint-Louis Arzviller bekannt sein. Nicht weit entfernt liegt natürlich auch das hübsche Städtchen Sarrebourg. 1634, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Saint Louis vollständig zerstört und entvölkert. Will heißen, wer nicht fliehen konnte, wurde getötet. Erst 1705 siedelten hier wieder Menschen. Immer wieder wurde das Dorf in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zerrieben. Heute hat die Gemeinde um die 660 Einwohner, les Ludoviciens, deren Vorfahren aus allen Himmelsrichtungen hierher eingewandert sind. So hat der derzeitige Bürgermeister von Saint Louis, Monsieur Gilbert Fixaris, irische Ahnen! Saint Louis ist ein typisches lothringisches Straßendorf. Die eindrucksvolle Kirche liegt genau im Schnittpunkt der beiden Hauptachsen. Verfahren oder verlaufen kann man sich deshalb tatsächlich nicht. Wenn ihr mehr über die wechselvolle Geschichte des Örtchen wissen möchtet, klickt hier.

Unser Geist ist jetzt wirklich Om, im Einklang mit Körper und Seele. Vor allem, weil ich nicht kraxeln muss. Wer mich kennt, weiß, dass ich eher Flachlandtirolerin bin. Tirilli, tirilla! Der erste Zitronenfalter flattert durch die laue Luft, ein Sperber steht hoch am Himmel, ich habe Kuhmist am Schuh, aber es ist… egal!

Glücklich und beseelt machen wir uns auf dem Heimweg, und da entdecken wir:

Les Délices de nos Campagnes

Schade, wir haben eindeutig zu viele Kekse gemampft um hier anzukehren. Aber am nächsten Tag sind wir wieder zur Stelle. Unter dem Motto «De la fourche à la fourchette»*, das im Deutschen nicht so recht klingen mag – verarbeitet Marine Reichheld in ihrem Restaurant und Cateringunternehmen nur frischste Zutaten, überwiegend solche, die dem Bauernhof ihrer Familie entstammen. So können Zwischenhändler, lange Wege, Tierleid vermieden werden. Nun ja, sieht man davon ab, dass Wurst und Fleisch leider noch nicht aus der Retorte kommen. Als echtes Baurenkind weiß Marine, worauf es bei nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln ankommt, bietet gutes Essen Made im Département Moselle an. Zu vernünftigen Preisen. Und was da auf den Teller kommt, kann sich sehen lassen. In unserem Falle ist das:

Eine delikate Gemüsesuppe, gefolgt von einem großen Stück Pizza, und zum Abschluss eine überdimensionale Schwarzwälderkirschtortenvariation. Ja, das Stück war genauso üppig wie das Wort.

Im hinteren Bereich wird ein großer Saal fleißig für Familienfeste, Geschäftsessen usw. genutzt. Gerade gestern hätte sie eine große Kindtaufe gefeiert, erklärt Marine gutgelaunt. Man sieht ihr an: Die Zubereitung von Essen macht ihr Freude. Flugs zeigt sie uns einen Ordner mit Ihren köstlichen Kreationen. Vom pfiffig dekorierten Lachsschnittchen bis hin zum cremigen Bûche de Noël ist alles dabei. Getreu ihrer Maxime , dass jede von ihr zubereitete Mahlzeit von Herzen komme, reist sie sogar bis in die Schweiz, um dort für das leibliche Wohl ihrer Kunden zu sorgen. Will man allerdings einen der zwei bis drei Tische im vorderen Gastraum ergattern, sollte man reservieren. Denn die sind begehrt, kann man von dort doch einen Blick in die Küche erhaschen.

Also, wenn ihr euch kulinarisch verwöhnen lassen möchtet:

lesdelicesdenoscampagnes@gmail.com

Tel: 0033-684732369 (von Deutschland aus)

119 Rue Du 18 Juin, 57820 Saint Louis, France

Hier erfahrt ihr noch mehr über Les Délices de nos Campagnes.

Ihr seht, viele Gründe führen nach Saint Louis!

Saint Louis Nordvogesen Lorraine Lothringen Vosges du Nord

*Von der Gabel auf die Gabel. Wir möchten hier nur spekulieren, dass mit Ersterem die Mistgabel gemeint ist.

Fahrt mal hin!

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Von Labellos, Dobermännern, Fachwerk, Kulturbeuteln und Schlaubergern

Selestat Vieille Ville Alsace Elsass Ried
Gondrexange Etang Weiher Lorraine Lothringen
Wundersame Wasserwege: Gondrexange

Seit gut drei Jahren versuche ich meinen Mann zu einer Spritztour an die Elsässische Weinstraße zu überreden. Nicht, dass wir nicht schon dort gewesen wären. Aber während es mich zu Weinbergen, bunten Fachwerkhäuschen und gut bestückten Patisserien zieht, steht mein Mann auf Wasser. In jeder Form. Deshalb umrundeten wir vorgestern schon den Weiher von Gondrexange. Und ich muss zugeben, ohne diese Wanderung kurz vor Silvester würde mir doch glatt etwas fehlen. Zumal es neben mannigfachen Vogelarten samt stimmungsvollem Wolkenspiel eine ausgesuchte Bäckerei mit prima Croissants, und, wie ich feststellte, auch wunderbaren Bûches de Noël gibt. Gestern nun hätte ich bezüglich Weinstraße dann fast meinen Wunsch durchgesetzt. Wäre da nicht der Rhein in kongenialer Fließrichtung aufgetaucht. Also wieder mal Essig mit der Weinstraße, die buchstäblich ins Wasser fiel.

Kleiner, scheuer Roboter an den Ufern des Rheins bei Rhinau (Foto/Bildtitel: Stefan Strauß)

Allerdings muss ich zugeben: Das Grand Ried zwischen Straßburg und Colmar, flach wie ein Brett, von Wasserstraßen, ellenlangen Alleen durchzogen, entlang schnurgerader Deiche, feenhaltiger Auenwälder und Feuchtwiesen, mit Blick auf die blauen Vogesen… das hat schon was. „Fühle mich“, sagte ich, „ein bisschen wie in Norddeutschland.“ Er fühle sich wie kurz hinter Straßburg, sagte mein Mann. Was er eigentlich meinte, war: Carpe diem!

Im Aux petites Saveurs in Rhinau verkaufte uns eine äußerst freundliche Dame ein paar kulinarisch hochwertige Croissants mit Nussfüllung. Gestärkt wandelten wir über den Deich. Richtung Wasserkraftwerk aus dem Jahre 1963. Ein Omen! Sind wir doch gleich alt. Mein Mann, das Kraftwerk und ich. Der Christopherus mit Kind entpuppte sich von ziemlich nah als Jungfrau Maria mit Sprössling. Denke, ich brauche eine neue Brille. Hurtig schlüpften wir durch ein Tor um vielleicht über die massive Anlage ans andere Ufer zu gelangen, wo es dieselbe Aussicht, immerhin von der anderen Seite, zu bestaunen gab. Angesichts weiterer, diesmal verschlossener Tore verließ uns allerdings der Mut.

Selestat

Musste an jene unglückselige Begebenheit denken, die zwei meiner Freundinnen und mir in Südfrankreich widerfuhr. Auch hier wollten wir abkürzen. Auch hier schlüpften wir durch das Gestänge eines partout verschlossenen Tors. Bis von der anderen Seite lautes, bedrohliches Hundegebell erscholl. Wir beschlossen umzukehren. Was soll ich sagen? Zwei schlüpften durch das Tor, die dritte blieb darin hängen. Im Zuge der Volumenreduzierung kippten wir der Armen Mineralwasser über den Kopf, rieben die Ohren in aller Hast mit einem damals unverzichtbaren Lippenbalsam ein und zogen. Es hat geklappt.

Da wenig von meinem jugendlichen Übermut geblieben ist, ich prinzipiell auch nicht gegen Tiere kämpfe, wollte ich etwaige spitzohrige Dobermänner keineswegs erzürnen, gar gegen sie antreten. Wir beschlossen umzukehren um in Rhinau zu Mittag zu essen.

Dackel Nuri in Selestat

Ein Siebzigerjahre-Waschbecken in dezentem LatteMachiatoBraun, das hat auch nicht jeder. Aber das alte Gasthaus an den Ufern des Rheins schon. Interessant jedenfalls. Wenn auch nicht zielführend. Doch was braucht das Herz des Vogesenbesuchenden mehr als eine betagte Gaststube mit dunkler Holzvertäfelung, nostalgisch geschmücktem Weihnachtsbaum, blütenweißen Papiertischdecken, einem schoppentrinkenden Schlauberger jenseits der Achtzig und einem grünen Kachelofen in der Ecke? Mir fiele da noch mehr auf dem Teller ein. Was frau kredenzte, war zwar superlecker, aber leider wie abgezählt. Sehnsüchtig blickten wir nach den übervollen Salattellern, den glänzenden Spätzle am Entrecôte mit brauner Sauce. Honi soit qui mal y pense. Nachdem zwei Mitarbeitende konzentriert versucht hatten vier Gläser Riesling mit gleichmäßig wenig Flüssigkeit zu befüllen (einer goss, die andere beobachtete), hätten wir eigentlich misstrauisch werden können. Auch, als der alte Herr von Tisch 23 augenzwinkernd meinte, das zweite Glas von rechts könne noch ein bisschen weniger vertragen, hofften wir noch wohlgemut. Ob er nicht an einem anderen Tisch sein Mahl einnehmen wolle als gerade gegenüber der Theke, fragte daraufhin der Eingießende. „Nein“, konterte der Stammgast, „dann kann ich ja nicht mehr den hübschen Mädchen bei der Arbeit zusehen.“ Nun, jeder hat sein Kreuz zu tragen. Und Wegrennen von der Arbeit gilt nun mal als reell unpopulär.

Nachdem wir bezahlt und die elsässische Variante der Muppetshow ihre Tore hinter uns geschlossen hatte, fuhren wir durch pittoreske, topfebene Dörfer Richtung Sélestat. Wer Fachwerkhäuser, Renaissancebauwerke, enge Gässchen liebt, dazu gotische und romanische Kirchen besichtigen möchte, ist hier goldrichtig. Auch die kleinen Weihnachtsmärkte an verschieden Stellen der Stadt waren noch im Gange. Touristen wie Einheimische hatten nach den Festtagen mehrere Gänge heruntergeschraubt, schlenderten durch die malerische Vieille Ville. Kleine Geschäftchen gab es allenthalben, mit Spezereien, Naturkosmetik und Elsässischem Kunsthandwerk. So, wie das Libellule – Merveilles Curiosités & Gourmandises. Ein Hort für selbstgemachte textile Schönheiten, leckeres Gebäck, Schreibmäppchen, Trinkflaschen, wunderschöne Karten, Schlüsselanhänger, Duftkerzen, Taschen, Geldbeutel, Puzzles, Kissen, Handyhaltern, Tabletts, Holzspielzeug uvm. Made in France, Fait Maison, naturellement. „Libellule„, so liest man auf der Homepage, „vereint mit Lust das Universum des Dekorativen mit jenem der Kindheit.“ Ein Kulturbeutel mit Südpol auf der einen und Äquatorialem auf der anderen Seite führte mich echt in Versuchung. Ich mag Pinguine. Und Bären. Zum Glück gibt es einen Webshop, wo man all die Herrlichkeiten auch noch nachträglich bestellen kann. Zum gemütlichen Kaffee- oder Teetrinken nebst kleiner Gâteaux müsst ihr euch allerdings nach Sélestat, in die Rue du 17 Novembre, Nr. 3, begeben. Dort erwartet euch dann die freundliche Madame Emmanuelle, die in diesem zauberhaften Laden für die textilen Handarbeiten steht.

Dackel Nuri in Selestat

Schon neigte sich die Dämmerung über Schindeldächer, spitze Kirchtürme und festlich geschmückte Weihnachtsbäume. Obacht! Im Dunkeln durch Vogesenwälder mit Wildwechsel fahren ist nur bedingt prickelnd. Also: Wie kamen wir von Sélestat wieder nach La Hoube?

Libellule Selestat Elsass Alsace Carte
Meine Schätze

Nun, ein kleines Stückchen Elsässische Weinstraße gab´s dann doch noch, indem wir durch das hübsche Fachwerkstädtchen Andlau fuhren. Dann ging´s aber schon in die Hochvogesen durch Villé (La Montanara!), Champs du Feu (imposante Heidelandschaft), Grendelbruch (charmantes Bergdorf), Urmatt, Niederhaslach, Oberhaslach (wie man sich´s vorstellt), Cascade de Nideck (Großartige Natur!), Wangenbourg, La Hoube (charmant, charmant, charmant). Unterwegs waren wir mit einstündigem Deichspaziergang, Besichtigung von Sélestat von 9:30 bis 17:45 Uhr. Richtig schön war´s, denn wo sieht man schon Ried, Weinberge und Bergkämme auf einmal und fährt sogar hindurch?

Selestat Schlettstadt Alsace Elsass Fachwerk
Finde den Dackel!

So, nun muss ich den Teig für die Käsespätzle machen. Will sagen: Heute werden wir bestimmt satt. Ich weiß, ich bin verfressen.

Fahrt mal hin!

Eure Stina

P.S. Die Käsespätzle waren mäßig. Sollte meine Experimente in der Küche etwas einschränken. (Oder war es gar die Strafe für meine harsche Kritik an der Plât du Jour?) Und die Weinstraße krieg ich schon noch zu sehen! Aber was würde man verpassen, wenn man nicht mal vom Weg abkäme? Also Danke, lieber Stefan!

Ein frohes neues Jahr wünsche ich Euch!

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

We all live in a yellow submarine oder don´ t panic, it´ s organic

Resonances foire Strasbourg Latimeria Finlande foire exposition

Beherzt gedrechselte Holzpferdchen neben hippem Silikonschmuck? Geht das? Résonances, die Kunsthandwerkmesse im elsässischen Strasbourg zeigt, wie´ s gelingt. „Mitschwingen oder Mittönen eines Körpers mit einem anderen“, so lautet die Erklärung für Resonanzen. In der Physik, in der Musik. In Straßburg nun auch zwischen Kunst, Handwerk, Fiktion und Funktion, Erde und Mensch. Eine kreative Explosion, die nach außen drängt, Ausdruck findet für das, was im Innern lange rumorte, brauste, brodelte. Will sagen: Es gab extrem was auf die Augen. 178 internationale Kunstschaffende und -handwerkerInnen trafen sich zu einem illustren Salon européen des métiers d´ art, um zu zeigen, was sich alles aus Metall, Papier, Glas, Ton, Leder, Wolle und anderen – mir bislang nur von diversen Zahnarztbesuchen geläufigen Materialien – erschaffen lässt. Dass dabei auch besagte Holzpferdchen aus elsässischer Produktion nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Obgleich hier nur die Crème de la Crème wunderschön zart bemalter Holztiere brav im Regal verharrte um möglichst bald ein neues Zuhause zu finden. In einem anderen Regal. Wenn´ s gut läuft, in einem Kinderzimmer.

Ansonsten allenthalben ungezügelter Farbenrausch. Allen voran die Designenden. In intellektuellem Schwarz oder paradiesvogelbunter Gewandung harmonierten manche von ihnen gar so sehr mit ihren Werken, dass sie selbst zum Kunstobjekt stilisierten. Alle sehr freundlich und kultiviert, irgendwie gediegen. Angenehm. Enfants terribles toben anderswo.

Beherrschendes Thema war dieses Jahr, ganz klar: La Mer! Korallenriffs aus Porzellan, moränengleiche Röhren, scheinbar pulsierende Drüsen aus Stoff konkurrierten mit artifiziellen Seepferdchen, Kugelfischen sowie manch maritimen Ungeheuer. Überhaupt die Natur: Undurchdringliche Wälder zogen den Betrachtenden in schlingendes Grün, purpurrote Fliegenpilzkolonien, schimmernde Seerosenteiche, Hasen mit Schildkrötenpanzer, quirlige Eichhörnchen lockten uns in unergründliches Dickicht, dunkle Höhlen, Wagemutiges, Rundes, Organisches. All überall Getöpfertes für den umweltbewussten Tisch in erdigen, manchmal auch wasserblauen Tönen, zuweilen ungewohntem Pastellrosa, Teppiche, so dick, dass man glaubt, das Schaf noch blöken zu hören, welches dem Weber die Wolle geschenkt hat. Folgt uns back to nature! Natürlich, auf unserer Erde geht es um die Wurst, die vegane. Da greift eins ins andere.

Woher also nimmt der zurückhaltende, freundliche Finne Juha Luukkonen seine Ideen für sein zierliches Latimeria-Salatbesteck? Aus der Natur. Gibt´ s ja auch ganz viel davon in seinem Heimatland. Auf was sitzen wir diesen Herbst? Auf Kieselsteinen nachempfundenen Filzkissen. Wir öffnen uns. Interieur wird Exterieur. Und umgekehrt. Die farbtiefe, florale Tapete mit hervorlugenden Buschbabies leitet nahtlos zum Kirschlorbeer im Garten über. „Entschuldigung, du hast da einen Käfer am Hals.“ „Mais non, das ist meine neue Kette!“ Wir holen uns Baumstämme ins Haus und bestücken sie mit quallenartigen, schwebenden Papierleuchten. Dass man sich da bisweilen wie bei einem Besuch im Naturkundemuseum vorkommt, ist, denke ich, durchaus gewollt. Filigran ausgestattete Schaukästen entführen uns in eine Welt, die voller Wunder ist. Ein bisschen gruselig auch. Ein Gesamtkunstwerk, das sich im Werk dieser Kreativen in alle Richtungen verzweigt, um dann wieder zusammenzufließen. Nachbildungen menschlicher Organe werden zu unter Glasglocken ausgestellten Preziosen: Ein blutrotes Herz, eine Lunge aus ätherischem Gewebe, die Bläschen aus Pailletten, zart verästelt wie ein Lebewesen aus dem Ozean. Aus dem wir – Nicht vergessen! – alle irgendwann gekrabbelt sind. Perlenbestickte Geschmeide aus Seide, Filz, Silikon oder Metall lassen uns zur Meerjungfrau, wenn nicht gar zur Unterwasserkönigin, mutieren. Schlingpflanzenbewehrtes, schleifenverziertes Schuhwerk, das einer Madame Pompadour zur Ehre gereicht hätte, umschmeichelt kokett unsere Füße. Diese Aufmerksamkeit haben die Hochleister, die uns durch den Alltag tragen, ja auch allemal verdient.

Wunderbar sind auch die japanisch inspirierten Papierkunstwerke. Eine Fleißarbeit, die ihren Preis hat. Nähme man all diese phantastischen Ausgeburten kreativer Köpfe zusammen, ergäbe sich eine überaus prächtige, opulente, magische Komposition, eine Szenerie, der man sich schwer entziehen kann. Sozusagen die Quintessenz all dessen, was auf unsere Erde zu verschwinden droht, weil wir zu doof und zu bequem sind, seine Einzigartigkeit zu erkennen.

Marie Claire Z ERNY: Le bon motif

Erde an Menschheit. Ich habe verstanden: Es geht um Texturen, in Beziehung setzen, unerwartete Kombinationen, Spannungen aus verschiedenen Materialien schaffen, neue Perspektiven eröffnen. Darum ging es bei Kunstschaffenden wohl schon immer. Jedoch so spielerisch, überbordend, achtsam, schillernd, dekadent und gleichzeitig ursprünglich – das ist neu. Hier hat niemand Angst vor Stilverletzungen, hier ist Freude an Farbe, Form und Materie. Das möchte man anfassen, darüberstreichen, auf der Haut fühlen. Und dieser merkwürdige schwarze Hut, den die Dame am Stand von Nelly Bichet Chapeaux trägt, erinnert mich stark an einen Zylinder. Nur umgekehrt. Reminiszenz an Casablanca, den Verrückten Hutmacher? Hauptsache, das Gehirn assoziiert, gerät in Schwingung, zeigt Resonanz. Diese Messe ist wie Alice im Wunderland, Rotkäppchen und der böse Wolf, Jenseits von Afrika, Bernd das Brot, Kuriositätenkabinett und Andy Warhol in einem. Ein Farbenrausch, ein Fest für die Sinne.

Und dann ist da noch die umwerfende Stine von Happy Knit in Kopenhagen. Sie stellt Kleidung, Heimtextilien und Accessoires mit Tiefgang her. So wie den Schal mit den stilisierten Toren, der den Gedanken des Verzeihens sich und anderen gegenüber bestrickt. Dreiecke, die in Kreise übergehen, symbolisieren Trauer. Das Eckige, Schmerzhafte wird zur kostbaren Perle, zum Kleinod, zum Andenken an die Verstorbenen, die so für immer in uns bleiben. Doch das erzählt euch Stine in diesem kleinen Video am besten selbst.

Und da wären wir wieder bei den ziselierten Holzherzchen, Pferdchen und Brezeln der elsässischen Kooperative Alsatrucs, die den MessebesucherInnen entzückte Ah´ s und Oh´ s entlocken. Sie passen mit ihrer Heile-Welt-Attitude genauso auf die Résonances wie die plakative Silikonplastik in grellem Fleischrosa, die man sich – abgesehen vom Preis – nur schwerlich im heimischen Wohnzimmer vorstellen kann. Denn im Wunderland darf alles nebeneinander bestehen, miteinander kommunizieren, sich inspirieren. Den Geschmack – gibt´´´ s nicht. Reden wir doch lieber von Vielfalt. Und dem, was uns eint. Alles, was wir wollen, ist eintauchen, mit der Welt, die uns umgibt, verschmelzen, uns im Farbenrausch verlieren, Neues erfahren, im Wesentlichen wiedergeboren werden. Ist doch NATÜRLICH!

Liebe AusstellerInnen resp. Kunstschaffende, verzeiht, wenn ich nicht allen den ihnen gebührenden Platz in diesem Artikel eingeräumt habe, manchmal sogar nicht mehr wusste, von wem die wundervolle Skulptur, die hübsche Brosche stammte. Daher verlinke ich jetzt mal die Ausstellenden, die offizielle Seite, sowie die Seite für BewerberInnen. Denn vielleicht wollt ja auch ihr Teil des Ganzen werden. Von hier aus könnt ihr euch locker zu den jeweiligen Interessensgebieten durchklicken.

Résonances ist eine Hommage an den genialen wie berühmten Straßburger Manfred Thierry Mugler, einen herausragenden Kreativen der Modebranche. Die Messe fand dieses Jahr zum zehnten Mal statt, widmet sich der Quintessenz des Kunsthandwerks mit einer außergewöhnlichen Auswahl an 180 DesignerInnen aus sieben europäischen Ländern. Auf einer Ausstellungsfläche von 6100 qm werden wegweisende Trends aus den Bereichen Möbel, Dekoration, Skulptur, Mode, Beleuchtung, Grafik und Tischkultur gezeigt. Komplettiert wird die Messe durch Performances, Workshops und Vorträge.

Besucht die nächste Messe!

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Medovik: Ukrainisch-russisch-tschechische Honigtorte. Ein slawisches Gedicht!

Medovic Honigkuchen Honigtorte Milchmädchentorte russisch Prag Rezept einfach schnell

Wer hat’s erfunden? Egal. Ob ihr diese oberleckere Torte den Tschechen, den Ukrainern, den Russen oder sonst einem slawischen Volk zuschreibt: Sie ist einfach genial! Meine französischen Nachbarn waren so begeistert, dass ich sogar eine Einladung in den neuen Whirlpool bekam. Den feinen Geschmack verleiht dem exquisiten Backwerk, das auch den Namen Medovic trägt, die süße Milchmädchenpaste. Diese kommt nicht, wie ihr vielleicht annehmt, in die Creme sondern in den Teig. Gebacken werden daraus vier bis fünf Böden, zwischen die Ihr dann eine Melange aus Sahne, Honig und Creme Fraîche streicht. Übrigens: Keine Angst vor den vielen Teigschichten! Mit etwas Organisationstalent bekommt ihr sie schnell und einfach hin. Besonders gut schmeckt die Milchmädchentorte mit ungesüßtem Schwarztee. Denkt nur dran, dass die Torte ca. 12 Stunden in einem kalten Raum oder im Kühlschrank durchziehen sollte. Traut euch!

Natürlich gibt es auch Rezepte mit mehr Böden. Umso aufwendiger wird der Honigkuchen dann aber. Das überlasse ich gerne den absoluten Backprofis und Perfektionisten.

Für den Teig braucht ihr:

400 g Milchmädchen (Das ist fertige gesüßte Kondensmilch aus Dose oder Tube)

2 Eier

170 g Mehl (Type 405)

½ Päckchen Backpulver

Für die Creme:

400 g gekühlte Schlagsahne

2 Päckchen Sahnesteif

200 g Creme fraîche

2 EL Vanillezucker

2 EL Honig

Für das Finish:

4-5 gehäufte EL gemahlene Haselnusskerne

1 ½ EL Zucker

Zubereitung Teig:

Milchmädchen mit Eiern mit dem Mixer auf höchster Stufe ca. 50 Sekunden verrühren.

Mehl mit Backpulver mischen. Über die Ei-Milchmädchen-Masse sieben und ca. 20 Sekunden auf höchster Stufe unterrühren.

Backen des Teigs:

Backofen auf 180° Umluft vorheizen.

Den Boden einer Springform (⌀ 26 cm) mit Backpapier auskleiden.

Nacheinander im vorgeheizten Backofen vier Tortenböden aus dem Teig backen. Dazu jeweils ein Viertel des Teigs wie einen Crêpe oder einen dünnen Pfannkuchen kreisförmig auf dem Boden der Form verstreichen. Am besten einen halben Zentimeter Rand zum Springformrand lassen. Dann müsst ihr nach dem Backen den Tortenboden nicht vom Rand wegkratzen. Jeden Boden 7 Minuten im unteren Drittel dicht unterhalb der Mitte des Backofens backen. Tortenböden jeweils herausnehmen und vollständig auskühlen lassen. Das geht sehr schnell, sodass ihr zügig mit dem Füllen der Torte beginnen könnt.

Die Logistik:

Tortenboden Nr. 1 backen. Springformenrand lösen. Mit dem Tortenheber (siehe Foto) den Tortenboden auf eine Kuchenplatte heben. Auskühlen lassen. Springformenrand wieder um den Backformboden legen. Darauf achten, dass keine Teigreste am Backpapier kleben. Falls doch, vorsichtig abkratzen.

Teig für Tortenboden Nr. 2 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Tortenboden mit dem Tortenheber herausnehmen und auf diesem erkalten lassen.

Tortenboden Nr. 1 mit Frischhaltefolie abdecken und Tortenboden Nr. 2 darauf gleiten lassen.

Springformrand wieder um den Backformboden legen. Teig für Boden Nr. 3 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Tortenboden mit dem Tortenheber herausnehmen und auf diesem erkalten lassen.

Tortenboden Nr. 2 mit Frischhaltefolie abdecken und Boden Nr. 3 vom Tortenheber draufgleiten lassen.

Tortenboden Nr. 4 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Boden mit Tortenheber herausnehmen, auf diesem erkalten lassen.

Zubereitung der Creme:

Gekühlte Sahne mit Sahnesteif steif schlagen.

Vanillezucker, Honig und Creme Fraîche gleichmäßig unter die Sahne rühren.

Tipp: Honig, falls er zu fest ist, kurz erwärmen, bis er flüssig und glatt wird, und abkühlen lassen.

Füllen der Torte:

Boden Nr. 1 auf der Tortenplatte umdrehen, sodass die poröse Seite nach oben zeigt. Mit einem Viertel der Creme bestreichen. Boden Nr. 2 genauso auflegen. Mit Creme bestreichen. Ebenso mit Boden Nr. 3 verfahren und mit Creme bestreichen. Boden Nr. 4 mit der porösen Seite nach unten auflegen. Mit Creme bestreichen. Etwas Creme auch am Rand verstreichen. Das mit dem Rand, könnt ihr sicher besser als ich…

Finish:

Gemahlene Haselnüsse in einer Pfanne mit dem Zucker hellbraun rösten. Etwas abkühlen lassen und die Torte damit bestreuen. Achtung: Beim Rösten ständig rühren, da die Nüsse sonst schnell verbrennen!

Medovic Milchmädchentorte Honigkuchen russisch Prag backen Rezept einfach schnell

Die Torte am besten über Nacht kalt stellen und… genießen!

Happy Halloween!

Halloween Jutta Stina Strauß Julclub Geist Gespenst

Sagt euch der Name Frank Zappa noch etwas? Ich hoffe schon, denn dieser geniale Musiker hat einen der schönsten Halloweensongs ever geschrieben. Das Goblin-Girl. From the mystery world, versteht sich. Ist es nicht schön, mit dem Fest der grinsenden Kürbisse und unheimlichen Gestalten in die düstere Jahreszeit (die gerade mit goldenen 20 Oktobergraden glänzt) zu gleiten? Trick or treat? Die einen hassen, die anderen lieben es. Es gehört nicht hierher? Wenn´s aber doch schön ist und das Jahr bereichert? Für mich bedeutet die Zeit um Halloween: Ich kann abends endlich wieder mit einer Tasse Tee, einem guten Buch, einer spannenden Serie auf dem Sofa entspannen, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss, weil draußen der Berg ruft, oder ich im Garten so schön Unkraut rupfen könnte. Ehrlich, ich glaube, selbst den abgebrühtesten Naturgeistern war dieser vor Hitze knackende Sommer des Guten zu viel.

Also: Die dunkle Jahreszeit. Spooky, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt wieder Kürbissuppe, die eine oder andere Hexe huscht um die Ecke, merkwürdige Geräusche lassen uns einmal mehr ängstlich über die Schulter blicken. Warum schaut der Hund jetzt so ins Leere und bellt dabei wie verrückt? Und was geht über jenen angenehmen Schauder, den eine gute Gespenstergeschichte uns über den Rücken jagt. Wie jene von Jerry Bundler, von einer versierten Geschichtenerzählerin mit vor Dramatik bebender Stimme vorgetragen. In der Serie Ghosts (auch als BBC-Produktion sehenswert) sind die Geister so liebenswert, dass man direkt Teil der unfreiwilligen Wohngemeinschaft in Button House werden möchte. Selbstverständlich nicht als Gespenst. Dreimal schwarzer Kater!!! Eine unserer ersten Gemeinsamkeiten entdeckten mein Mann und ich, als wir über den Namen eines Schwarz-Weißfilms aus den Sechzigern rätselten. Dabei ging es um ein metaphysisches Experiment auf einem unheimlichen Herrensitz. Und, soviel sei verraten, im Haus wohnt das personifizierte Böse. Der schicksalsschwangere Satz einer Protagonistin „Oh, mein Gott! Wessen Hand habe ich gehalten.“,  war uns beiden im Gedächtnis geblieben. Der Film heißt übrigens Bis das Blut gefriert nach dem Roman Hill House von Shirley Jackson. Und die Hand war nicht jene der Zimmergenossin. Äh, kann jemand die Haare an meinen Armen glätten?

Ähnlich eindringlich, nichts für zarte Seelen ist Die Frau in Schwarz mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe. Die Serie Evil sorgt ebenfalls für schauriges Dämonengruseln, bringt dabei jedoch eine Art von Gemütlichkeit in die Wohnstube, die irgendwie gar nicht sein dürfte. Aber da sind eine tuffe Psychologin, ein zweifelnder Priester, eine medial versierte Nonne, ebenfalls tuff, und eine Menge düstere, olivgrüne Tapeten, wie sie für Horrorfilme obligatorisch sind. Was will man mehr? Insgeheim vermute ich ja, dass besagter Wandschmuck in vielen amerikanischen Behausungen zur Standardausrüstung gehört und bedauerlicherweise gar nicht stört. Halloween hin oder her.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Die Bilder in diesem Beitrag stammen übrigens aus dem kleinen Ort Fénétrange am Rande der Nordvogesen, im Département Moselle. Abseits der Touristenströme, mit einer Menge verblichenen Charmes. Ein verlassenes Genesungsheim, in dem es garantiert spukt, ist sozusagen das gruselige Sahnehäubchen. Unheimlich heimelig dagegen sind die Stadtwanderungen mit dem Nachtwächter bei Einbruch der Dunkelheit.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Tatsächlich werden wir am kommenden Sonntag mit anderen Halloweenfans auf dem Château Lichtenberg im Krummen Elsass herumgeistern. Diese lädt am letzten Oktoberwochenende zu einem Event, das für Kinder nicht geeignet ist, und also auch mich das Fürchten lehren wird. Erinnere mich da an einen alemannischen Faschingsumzug mit gar grauslichen Gestalten, der ein ansonsten beschauliches Schwarzwalddörfchen und ja, auch mich in Angst und Schrecken versetzte. Nur ein gewaltiges Schinkenbrot konnte mich damals wieder erden, ein ebenso gewaltiges Bier meine Kehle besänftigen. Die war nämlich von meinen unzähligen Schreckensschreien ein wenig angegriffen. Nun also Château Lichtenberg. Mein Mann als maskierter Frontman (ist ja schon schrecklich genug) aus der noch schrecklicheren Serie Squidgame, die ich, das möchte ich betonen, nicht schaue, da sie mir zu blutig ist. Ich erscheine, Achtung, Kontrastprogramm! als putziges, wenn auch schon betagtes Goblingirl. Dazu bringe ich naturgegeben alles mit, was ein solches Wesen braucht, außer der grünen Gesichtsfarbe, die ich aber, je nach Schreckenslevel, vielleicht gratis dazubekomme. Denn was, wenn ein echter Psychopath sich, sagen wir mal, als Ersthelfer verkleidet, schwächelnden Burgbesuchern teuflisch grinsend eine echte, unheilvolle Spritze in den Oberarm jagen würde? Gar mit einem Serum, das noch nicht vollständig ausgetestet ist! Oder ich müsste mal für kleine Goblins und erblicke beim ausgiebigen Händewaschen im Spiegel hinter mir eine Freddy KrügerIn mit einem Messer, das nicht von Pappe ist?

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Da kann man dann nichts machen, tröstet mein Mann verhalten. Nun, hoffen wir das Beste. Und wenden uns kulinarischen Hotspots zu:

Im Restaurant Hotel Muhlheim au Soleil gibt es, wie uns das offenbar übermotivierte Übersetzerprogramm verrät, als Menübestandteile Bein vom Wildschwein und Gemüsegärtner. Also, wem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft…

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Auf Französisch hört sich das doch besser an. Traut euch einfach hin!

Wer mit der ganzen Familie halloweenmäßig unterwegs sein möchte, kann sich ebenfalls auf der Lichtenberg austoben. Nur solltet ihr vorher das Programm lesen, das ich euch unten verlinkt habe, damit ihr nicht am falschen Tag mit euren Kids anrückt. Vielleicht habt ihr ja Lust den wunderbaren, preisgekrönten Film Coco anzusehen. Übrigens, habe gerade recherchiert: Von wegen Goblins und putzig! Die sind ja richtig fies! Aber jetzt hab ich, wie gesagt, schon alles parat. Vielleicht gibt es ja auch Goblins ohne spitze Ohren. Die hab ich nämlich vergessen.

Übrigens: Fénétrange mit seiner mittelalterlichen Altstadt geht auch so:

Fenetrange

Oj. Mein Mann hat mir gerade eine oberscharfe Pfefferone als Paprika kredenzt. Brauche einen Arzt. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Eure Stina

Traenheim: Zum Weinen schön

Wichtel lutin Herbst Pfifferling Aquarell Stina Julclub

Ich habe Spinnweben im Gesicht, und dabei ist es noch nicht mal Halloween. Nein, der Altweibersommer schüttet seine güldenen Strahlen über mir aus. Und eben auch eine Menge Spinnweben. Nach einer langen Dürreperiode hat es endlich geregnet. Die Natur atmet auf. Eigentlich wollten wir ja auf den Flohmarkt nach Marmoutier. Wer aber stattdessen nach Wasselonne fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn in diesem Vogesenstädtchen sonntägliche Stille herrscht. Wo wir allerdings schon hier sind, können wir auch die Gegend erkunden. Alles im kraftstoffmäßig abgesteckten Rahmen, versteht sich. Wir wollen ja keinen Kredit für einen kleinen Ausflug aufnehmen müssen. Nach Traenheim wollten wir immer schon. Nicht wegen des Namens sondern weil der kleine Ort von Weitem so anheimelnd durch die Weinberge schimmert. Es ist der vierte September. Die größte Hitze ist vorbei. Unser Dackel braucht Auslauf. Und ich liiiebe Weinberge!

Der Altenberg de Bergbieten ist eine elsässische Weinlage. Seit 1983 ist sie Teil der Alsace Grand Cru Appellation, gehört damit zu den 50 potentiell besten Lagen des Elsass. Das Weinanbaugebiet gehört zur Gemeinde Bergbieten, liegt allerdings zwischen den beiden pittoresken Dörfern Traenheim und Bergbieten, ca. 25 km westlich von Straßburg. Das günstige Mikroklima sowie die Bodenqualität lassen die Traube für Riesling und Gewürztraminer zu hervorragenden Weinen reifen. Diese werden derzeit von vier Winzern aus Traenheim sowie einer Genossenschaft produziert und verkauft.

Nur selten gelingt es mir, meinen Mann in die Reben zu locken. Dabei gibt es doch nichts Schöneres als dieses transparente Zusammenspiel aus Weinblättern, knorrigen Stämmen, prallen Weintrauben, in blaudunstigen Nebel gehüllten Bergkämmen. Die Rebstöcke schön ordentlich in Reihen und irgendwie Toscana. Traenheim selbst zeigt sich an diesem frühherbstlichen Sonntagmorgen in strahlendem Sonnenschein. Brunnen plätschern, Schmetterlinge und Schwalben segeln glückselig durch die frische, klare Luft. Vielleicht werden die Schmetterlinge auch von den Schwalben gejagt, flattern um ihr Leben. Nun denn, kein Paradies ist vollkommen. Traenheim also: Ein sauberes, aufgeräumtes Dörfchen mit schmucken Fachwerkhäusern, edlen Weingütern und einem Gasthaus, in dessen lauschigem Innenhof man sich elsässische Spezialitäten schmecken lassen kann. Wein wird hier seit dem Jahre 1050 angebaut. Merowinger und Römer haben in dem kleinen Ort ihre Spuren hinterlassen.´´´ Von wegen Wein und dem guten Klima für die Knochen.

Folgt einfach der Hauptstraße, und ihr findet linkerhand eine große Schautafel mit Standortbestimmung. Sentier Viticole klingt verlockend, und schon durchwandern wir in einem großen Bogen Weinberge und Dorf. Dazu braucht man inklusive kleiner Pausen auf den Aussichtsbänken nicht mehr als eine Stunde. Diese Zeit solltet ihr euch allerdings nehmen, da ihr großartige Ausblicke auf die Vogesen wie die elsässische Ebene genießen könnt. Wenn ihr die die Informationen auf den edlen Plexiglastafeln allesamt lesen möchtet, solltet ihr eine halbe Stunde mehr einplanen. Alternativ könnt ihr den Sentier Viticole auch an der Place de la Fontaine beginnen.

Le Loejelgucker: Ein stilvolles, nicht ganz billiges, dafür exquisites Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert. In Gaststube, Winstub und Gewölbe kommen FeinschmeckerInnen auf ihre Kosten Natürlich darf der Flammkuchen, die tarte flambée nicht fehlen. Montags- bis Freitagsmittags gibt es die Plat du Jour, entweder Vorspeise und Hauptspeise oder nur Hauptspeise, zu einem überaus guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Sehenswert: Die Wandmalereien von Jean
Cramer
aus dem Jahre 1946, die die Arbeiten im Weinberg im Jahreslauf zeigen.

Le Loejelgucker – Auberge de Traenheim

Einen gelungenen Ausflug zu diesem sonnenverwöhnten Fleckchen Erde stelle ich mir so vor: Erst eine kleine Wanderung durch den Sentier viticole, dann die Einkehr im Le Loejelgucker. Bei einem guten Glas Wein könnte man auch schon eine Fahrradtour planen, die sich, auf der ebenfalls hier verlaufenden, idyllischen Route des Vins anbietet. Gen Abend machen sich WeinkennerInnen während einer Weinprobe mit den Spitzenerzeugnissen der hiesigen Domänen vertraut. Dann allerdings braucht man einen BOP, eine noch bewusst operierende Person, die einen wieder nach Hause kutschiert.

Fahrt mal hin

Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

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Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

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Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

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Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

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Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

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Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina