Ich kenne das Gasthaus noch, als es anlässlich größerer Familienfeiern hieß: Wir können doch zur Meisterin gehen. Dass es wohl schon damals einen anderen, vielleicht älteren Namen gab, wurde mir erst klar, als die resolute Wirtin, die stets eine weiße, gestärkte Kittelschürze trug, das Restaurant aus Altersgründen anderweitig abtrat. Dann verlor sich die traditionsreiche Gaststätte aus unseren Augen. Insgeheim, glaube ich, hatte ich auch immer ein bisschen Angst vor der alten Dame mit der drahtigen Kurzhaarfrisur und den flinken Augen. Dabei hatte ich immer brav aufgegessen. Vorbei also, die Schnittchen mit dem rotgefärbten Lachsersatz aus schnödem Hering, vorbei, die russischen Eier mit dem Extraschuss Mayo. Soweit ich mich erinnern kann, hat es immer geschmeckt. Auch wenn mir das obligatorische Riesen-Glas auf der Theke, in dem Soleiern in trüber Brühe schwammen, immer einen leisen Schauder über den Rücken jagte. Haute Cuisine wurde nicht erwartet, aber die beherzt mit Peterling an Tomatenviertel präsentierte Fünfziger-Jahre-Hausmannskost hatte ebenfalls ihren Charme. Ich erinnere mich auch an merkwürdige Faschingsfeste, bestechend durch das zuweilen raue Ambiente aus blankgewetzten Wirtshausstühlen und -tischen, Bier- und Zigarettendunst sowie trillernden Alugirlanden, schlappen Luftschlangen und einer Prise Klossteinchen, wenn man die zu den Toiletten führende Treppe passierte. Ein proletarischer Gegenentwurf zum hochherrschaftlichen PRE-MA-BÜ-BA, welcher derweil in der saarländischen Hauptstadt an der Arbeiterklasse vorbei gefeiert wurde. Im Waldfriede sollten die Gäste satt werden, nachdem sie die ganze Woche über malocht hatten. Und manch einer hatte beim Verlassen der Gaststube aber sowas von den Kragen ab. Da half auch kein Solei mehr. In diesem wunderbaren Relikt aus einer anderen Zeit hat mein Schwiegervater seinem Bruder eine Backpfeife verpasst, weil dieser sich über die langen Haare meines damals fünfzehnjährigen Mannes lustig gemacht hatte. Eine Geschichte, die noch heute mit Stolz und in froher Runde zum Besten gegeben wird.
Überflüssiger Schnickschnack war von Seiten der Meisterin nicht mal angedacht. Wie gesagt, ab dem Sechzigsten Geburtstag meines Schwiegervaters gingen wir nicht mehr hin. Nicht die Schuld der Meisterin, die weiterhin wacker an Fleischkieschelscher mit dick Senf und Hackschnittscher festhielt. An den Wochenenden waren wir immer häufiger in Frankreich, hatten unser Epizentrum dorthin verlagert. So spielt das Leben.
Jetzt aber:
Unser letzter Besuch lag also siebenundzwanzig Jahre zurück. Anlässlich der Goldenen Hochzeit meiner Schwiegereltern waren wir jetzt wieder da. Im Gasthaus Waldfriede in Püttlingen. Richtung Elm. Seit einigen Jahren unter der Leitung von Familie Jonas. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir im Sommer des Öfteren schon vorbeispaziert sind, es aber irgendwie nie gepackt haben in dem wunderbar schattigen Biergarten Platz zu nehmen. Dabei könnt ihr hier Cocktails, ausgefallene Erfrischungsgetränke und auch alkoholfreies Bier in guter Auswahl trinken. Reservieren könnt ihr über die Handynummer (s.u.). Sollte niemand drangehen: Einfach Nachricht hinterlassen; ihr werdet umgehend zurückgerufen. Und das von der überaus freundlichen Wirtin, Bianka Jonas. Ihr ist es auch zu verdanken, dass ihr euch beim Reinkommen wie zuhause, wie dahemm fühlt. Die Dekoration stimmt sie jahreszeitlich ab. Jetzt z.B. mit weißen (Kunst-)Fellen, Sternen, Hirschen, Rehen, also allem, was das Waldler-Herz zur Weihnachtszeit begehrt. Es ist auch nicht schlimm, wenn ihr beim Reinschlüpfen in euren Mantel versehentlich das über die Stuhllehne gebreitete Fell mit anzieht. Zum Glück scheine ich nicht die einzige gewesen zu sein, der dieser Faux Pas unterlaufen ist… Dann ist die Frau auch noch passionierte Künstlerin. Ihre Gemälde könnt ihr gleich mit bewundern. Manches mutet ein wenig Schamanisch an, finde ich. Ob sie sich dazu hingezogen fühle, frage ich. Ganz indiskret. Da bleibt sie vage. Kluge Frau. Nun, die Einrichtung ist schon mal bezaubernd. Kein Vergleich mehr zu früher. Irgendwohin muss sie einen Draht haben. Und ich hätte das auch nicht so frech fragen sollen.
Die Speisekarte ist übersichtlich. Hallo, wir sind in einem Ausflugslokal, nicht im Ritz. Neben Schnitzeln mit verschiedenen Soßen und einem leckeren Salat gibt es derzeit u.a. Rumpsteak, aber auch Falafel oder Penne Arrabiata. Auf Wunsch sicher auch mehr Vegetarisches. Bei Konzerten kocht Herr Jonas anders. Was, könnt ihr sicher von Fall zu Fall rausfinden. Nachtisch? Hab ich jetzt gar nicht nach geschaut, weil wir so pappsatt waren. Gibt´s aber bestimmt.
Wir sitzen und genießen unser Essen. Hausmannskost. Gut gemacht. Preis-Leistungsverhältnis: Alles stimmig. Sogar kleine Portionen gibt´s für Leute, die nicht so viel essen können oder wollen. So ein Essen möchten wir gerne nach einer langen Wanderung. Hier kann man prima verweilen, sich ein wenig umschauen, Frau Jonas´ farbenfrohe Gemälde auf sich wirken lassen. Komm, noch einen Espresso, serviert auf einem Holzbrett im Hirsch-Design. Auch für größere Gesellschaften ist Platz, wenn´s mal wieder was zu feiern gibt. Und manchmal tritt hier sogar der Micha auf und bringt die Leute zum Weinen. Weil seine Lieder halt so zu Herzen gehen, gell?
Dann geht´s auch im Waldfriede hoch her.
Ja, das Waldfriede, es ist anders geworden. Hat sich gewandelt. Sich neu erfunden ohne seinen Charakter zu verlieren. Grün-Weiße Sprossenfenster for ever. Schön. Ganz ohne ausgestopftes Eichhörnchen und Fröhlichem Trinker in Eicherahmen hat Familie Jonas den Geist des Waldes und der Gastfreundschaft miteinander vereint.
Das Waldfriede: Ein klassisches Ausflugslokal im Familienbesitz. Mit Biergarten, einfacher, schmackhafter Küche, kreativ, geschmackvoll und mit Liebe gestaltet. Familiär eben. Gleich nebenan: Der Wald. Beruhigend, dass es diese Kombination noch gibt.
Probiert´s mal aus! Am besten tatsächlich nach einem langen Spaziergang.
Am Jungenwald 1
66346 Püttlingen
familie.jonas@gasthaus-waldfriede-puettlingen.de
Tel: 015753662059
Derzeit sind die Öffnungszeiten (ohne Gewähr) wie folgt:
Montag, Dienstag und Mittwoch geschlossen.
Donnerstags bis Samstags ab 16.30 geöffnet.
Sonntags von 11.00 bis 19.00 warme Küche.
Wenn ihr´s genau wissen wollt, ruft ihr vor eurem Besuch besser nochmal an.