Gekonnte Liaison: Fish and Chips meets l’esprit français: Von der Baie de la Somme bis Le Touquet Paris Plage

Le Crotoy Strand Pas de Calais Urlaub

Eine Woche Urlaub am Meer? Ausgangspunkt: Saarland. Ohne Flugzeug? Na, klar! Nordfrankreich! Zum Glück und passend zu unseren Reiseplänen entdeckte ich unlängst den ebenso informativen wie kurzweiligen Blog Mein Frankreich und damit auch St. Valéry sur Somme. Außerdem, so wussten wir von früheren Besuchen, vereinen Picardie und Pas de Calais aufs Schönste normannische Bodenständigkeit mit flämischer Betriebsamkeit, französische Kulinarik mit skandinavischer Weite. Freitagmorgen um fünf torkelte ich also schlaftrunken ins vollgepackte Auto. Wir transportieren unsere Fahrräder nämlich, aus irgendeinem geheimen Grund, den nur mein Mann kennt, im Wageninnern. Ich quetschte mich also neben unseren kleinen Rauhaardackel Nuri, der sich auf dem Beifahrersitz breit gemacht hatte. Mein Mann, ausgeschlafen wie immer, fuhr. Über die Autobahn, ganz geschmeidig. Da wir den Anweisungen unseres Navis allerdings grundsätzlich misstrauen – „Folgen duSie der Straße zwei Kilometer Richtung Nannzi“ – kamen wir mit etwa zwei Stunden Verspätung in St. Valéry sur Somme an. Der Weg ist aber bekanntlich ja auch das Ziel.

Altstadt St. Valéry sur Somme

Saint-Valéry sur Somme: Ein kleiner, pittoresker Ort mit mittelalterlichem Kern im oberen Teil und einer belebten Hauptstraße im unteren, die mit einer respektablen Dichte geschmackvoller, gutsortierter Kunsthandwerksläden und Galerien aufwartet. Eine Menge Restaurants und Cafés sowie eine schöne, breite Uferpromenade, auf der man längs der Baie de la Somme lustwandeln kann, komplettieren das Bild vom perfekten Urlaubsstädtchen. Zur Mittagszeit duftet es nach gebratenem Fisch und Softeis. Von schmiedeeisernen Balkonen aus besehen sich die Einheimischen die Touristen, die im Grunde dasselbe tun wie sie selbst. Aperitif trinken, Schalentiere verzehren, Leute gucken. Alles ganz lässig. Selbst, wenn es an den Wochenenden besonders hoch hergeht: ValéryanerInnen lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch dann nicht, wenn sie in der Gastronomie arbeiten. Doch bei aller Betriebsamkeit ist Saint Valéry immer noch ein beschauliches Fleckchen Erde. On a du temps. Das scheinen auch die Wasservögel zu wissen, die gemächlich durch die in nordischen Blau-Grau-Rosa leuchtende Baie de Somme schreiten, staksen, segeln oder paddeln. Malerisch, mit sanftem Schwung zieht sich die Bucht, die als eine der schönsten der Welt gilt, in das hübsche Städtchen.

Das unvergleichlich weiche Licht der Baie de Somme war schon immer Künstlermagnet, ähnlich dem dänischen Skagen. Die breite Uferpromenade folgt dem Lauf der Bucht, die genau genommen eine Flussmündung ist. Manchmal findet sogar ein nächtlicher Kunsthandwerkermarkt statt. All das erinnert mich ein wenig an skandinavische Fischerdörfchen. Das touristische Sahnehäubchen verleiht St. Valéry-sur-Somme jedoch die nostalgische Bahn samt Dampflock, die bedächtig ihre Bahnen zieht. Nicht nur Eisenbahnfans scheint die Fahrt richtig Spaß zu machen, denn die Fahrgäste schauen alle gleichermaßen verzückt aus ihren Karrees. „Vielleicht sollten wir….?“ „So weit kommt´s noch!“, meint mein Mann. Verstehe: Irgendwas-bleibt-immer-sechzehn trifft auf Rentneramusement. Kinder mit bunten Käppis, Omas mit Sonnenhütchen winken, wir winken zurück. Urlaub!

Bei Ma Biche fleurs, plantes et objets de décoration, eine Mischung aus Kuriositätenkabinett und Blumenladen, kaufe ich einen Plüschseehund. Ein wenig skurril ist er schon, ein bisschen unheimlich vielleicht, wegen der realistischen Zeichnung seines Plüschfells. Ich nenne es ein Kunstobjekt. Auf der Heimfahrt wird er ein gutes Nackenkissen abgeben. Zuhause begrüßt er uns jetzt jeden Morgen im Bad, wo er hingehört. Immer noch skurril aussehend. Allein sein Gesichtsausdruck gibt Rätsel auf.

Eine erste Portion Austern gönnen wir uns in Le Mathurin, einem außergewöhnlich guten Restaurant für fangfrischen Fisch und Meerestiere. Eine prima Stärkung für unsere nächtliche Fahrt ins Schloss, wo wir übernachten werden.

Saint-Valery-sur-Somme ist eine nordfranzösische Gemeinde mit 2.435 Einwohnern im Département Somme in der Region Hauts-de-France. Sie gehört zur Picardie, einer historischen Region, deren Hauptstadt Amiens ist. Berühmter Bewohner: Jules Verne.

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich

Château de Béhen: Wir fahren durch efeuüberwucherte Wäldchen, schummrig beleuchtete Dörfer, überqueren kleine Kanäle. Eine Eule segelt gespenstisch durch das Zwielicht. Die Fahrt von St. Valéry aus dauert nachts länger als geplant. Das Schloss, das sich nachmittags mit seinen Türmchen und Erkern, seinen roten Klinkern noch so elegant gegen den blauen Himmel abzeichnete, ist jetzt heimelig erleuchtet, die Nacht ist lau. Wie Samt. Ich mag ihn ja, den leicht verblichenen Charme betagter Bauwerke, die ihre beste Zeit vielleicht schon hinter sich haben. Jetzt flanieren hier halt keine Adligen mehr im reichverzierten Gehrock, keine Fräuleins mit Sonnenschirmen aus Brüsseler Spitze. Jetzt wird vermietet. Stockrosen säumen die Wege. Pferde, Schafe, Esel und das in dieser Gegend unvermeidliche Minipony knabbern auf der Koppel an sattgrünem Gras. Es darf auch geritten werden. Und es soll auch Kaninchen geben. Streichelzoo. Wenn das nicht volksnah ist. Ein richtiges Schloss, also mit Wirtschaftsgebäuden, Remise und so.

Eine strenge, graurosa Dame mit gepuderter Perücke beobachtet uns missbilligend aus ihrem verschnörkelten Goldrahmen heraus, während wir unsere Habseligkeiten für die Nacht die wuchtige Eichentreppe hinauf schleppen. Sie hat wohl schon feinere Equipage gesehen. Unser Zimmer, ein freundliches Upgrade, da in dem von uns gebuchten irgendwelche Handwerker werkeln, ist fast eine Suite. Lindgrün und rosa. Mit schweren, alten Möbeln, einem Schrank, in dem sich ganze Heerscharen von Liebhabern vor dem eifersüchtigen Ehemann verstecken könnten. Das Sprossenfenster gewährt freien Blick auf die Knabbernden. Also die Vierbeinigen. An den Wänden hängen Drucke aus dem 18. Jahrhundert. Themen, wie sie sich gehören: „Die Dame mit den kleinen Füßen“. Bewundert von einem Galan in Kniebundhosen. Mit ebenfalls kleinen Füßen. Schäferidylle. Ein wenig gruselig: Das Kinderbett aus längst vergangener Zeit. Hui Buh! Die letzte Nacht im Kinderbett! Spukt es hier? Nein, meint der Hausherr mäßig amüsiert. Wie kann er das wissen, bei so vielen Gängen, Türen, Gängen, Türen, Gängen…?

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich

Auch das Bad ist richtig groß und frisch renoviert. Wir sehen noch ein wenig fern. Tatsächlich ein deutschsprachiger Beitrag: Die Bee Gees wiegen uns mit Falsettgesang in den Schlummer: „Ha, ha, ha, stayin‘ alive!“ Hoffe, etwaige Gespenster nehmen das nicht wörtlich. Doch wir schlafen völlig entspannt und losgelöst. Vor allem unbehelligt. Am nächsten Morgen auf dem Weg zum Speisesaal eine Art Fresko über der Tür: Nackte, pummelige Putten traktieren eine schwarzweiße Ziege mit Weintrauben, kitzeln sie am Bart. Was Putten halt so machen. Den ganzen Tag. Urlaub in einem Château mit Kuscheltieren. Der Schlossherr, Monsieur Norbert-André Cuvelier, freundlich, halblanges Haar, hager, ein Original. Was möchten wir zum Frühstück trinken? Kaffee, bitte. Er entschwindet mit einem betriebsamen Coffee, Coffee. An den Wänden bemerkenswerte Gemälde eines ortsansässigen Künstlers, die gelinde gesagt Rätsel aufgeben. Wir dachten schon, der Hausherr hätte selbst zu Pinsel und Farbe gegriffen um seine Zukunftsphantasien mit spitzköpfigen Pärchen vor Sonnenuntergang auf Leinwand zu bannen. Aber nein. Interessant, sage ich. Muss an meinen Seehund denken. Wir frühstücken Croissants mit dotterblumengelber, normannischer Butter und Marmelade. Dazu reicht Monsieur exzellenten Käse und Obst. Diese Übernachtung wird uns im Gedächtnis bleiben. Einmal im Schloss… Doch jetzt müssen wir weiter.

Schloss Picardie Baie de la Somme Chateau de Behen Nordfrankreich
Möchte mal wissen, was das für komische Lichtreflexe sind… HuiBuh!
Le Crotoy Pas de Calais Meer Nordfrankreich Urlaub

Le Crotoy: Ein hübsches, beschauliches, geschichtsträchtiges Fischerdörfchen mit einer Haupteinkaufsstraße, sauberem Strand, Strandpromenade und Mini-Kermess am Kai. Bunte Schwimmreifen, Eimerchen, Schäufelchen und Förmchen, lachende Heringsschwärme auf pittoresken Fischkonserven, Seehunde aus Gips und Porzellan, Sammeltassen, ein Wikingerschiffchen für das Fensterbrett. Was braucht der Mensch mehr? Klar, die obligatorischen Fischhändler dürfen natürlich nicht fehlen. Kleiner Plausch inklusive. Le Crotoy strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Die Häuser sind gepflegt, von Balkonen quellen leuchtendrote Geranien, kobaltblaue Klappläden klappern leise in der Meeresbrise, und alle Wege scheinen irgendwie zum Strand zu führen. Jacques Tati at his best. Wir suchen uns ein Café am Kai. Kinder fahren in dem mit Bussen, Elefanten, Marienkäfern ausgestatteten Karussell. Ein kleiner Junge in einem rosa Flugzeug zieht verzweifelt am Steuerknüppel. Als einziger in einem Flieger mit kaputter Hydraulik am Boden zu kreisen, ist damals wie heute oberpeinlich. Ich weiß, wovon ich rede, sauge mitfühlend an meinem recyclebaren Strohhalm. Allein: Der orangerote Aperol Spritz in der kleinen Bar ist für meine Verhältnisse zu heftig. Es ist auch erst halb zwölf mittags. Dachte, es wäre schon später. Alsbald, ich ein wenig schwankend, machen wir uns nach Le Touquet Paris Plage auf, um in der dortigen Herberge ein Mittagsschläfchen zu halten.

Le Crotoy Pas de Calais Nordfrankreich Urlaub
Es werde Licht! Strand von Le Crotoy.

Le Touquet Paris Plage: Juhu, wieder standfest! Das ist er also, der weltberühmte Ferienort, dessen Zusatz Paris Plage der Intervention gut betuchter PariserInnen zu verdanken ist, die hier schon seit dem 19. Jahrhundert, spätestens aber seit den 1930er Jahren ihre Sommerfrische in vollen Zügen genießen Er ist, Achtung!, die Perle der Côte d´Opale, der Opalküste. Denn in Le Touquet führen immerhin fast 11 Kilometer feinster Sandstrand am Meer entlang, illuminiert von diesem beinahe überirdischen, perlmuttschimmernden Licht. Spazierengehen, Shoppen, Kiten, Reiten, Golfspielen, Windsurfen, Baden, Muschelnsuchen, Essen – nichts sonst.

Und doch so viel mehr. Eine Oase des Urlaubs. Urlaub an sich, in Reinkultur. Eine wohltemperierte Mischung aus Rummel und Savoir Vivre, Eleganz und Sonnencreme. Der Ort selbst mutet wie eine überdimensionierte Parklandschaft an, mit gepflegtem Rasen, hohen Bäumen, Prachtvillen und deren reichen Bewohnern. Golfplatz und Casino inklusive. Alles extrem sauber. Etwaige Pferdeäpfel werden flugs von kleinen, geräuscharmen Müllautos entsorgt. Der diskrete Charme der Bourgeoisie.

Le Touquet Paris Plage Naturschutzgebiet
Le Touquet Paris Plage Nordfrankreich Pas de Calais

In Le Touquet schauen die weniger Betuchten zu, was die Anderen, the Others, so machen. Zupfen hier ein wenig an unerschwinglichen Designerklamotten, wandeln eisschleckend auf den Pfaden der Superreichen, die sich hier ungeniert, wenn auch besser geschminkt und parfümiert, unters Volk mischen. Außer beim Essen. Da ist man doch lieber unter sich, denn vierhundert Euro für ein Fünfgänge-Menü kann und will sich ja nicht jeder leisten. Doch die Öffnung zum gemeinen Volk hin hat auch günstige Restaurants hervorgebracht, die durchaus Schmackhaftes zubereiten.

Bei aller Vielschichtigkeit heißt es dennoch Obacht geben: Auf rasende Fahrräder, Luxuskarossen, personaltrainierte Damen und Herren hoch zu Ross. Geradelt wird übrigens meist ohne Helm: C´est pas chic avec! Die Eingegipste-Arme-Quote ist entsprechend hoch. Tatsächlich ist Fahrradfahren hier ein bisschen wie Autofahren in Paris. Doch man gewöhnt sich daran und rast einfach mit.

Le Touquet-Paris-Plage ist eine nordfranzösische Gemeinde mit 4226 Einwohnern an der Côte d´Opale. Sie liegt im Département Pas-de-Calais in der Region Hauts-de-France.

Zahlreich sind in Le Touquet Paris Plage auch die – bereits erwähnten – leicht zu übersehenden Minipferde, gar Miniponies, auf denen die Kleinsten erste Reiterfahrungen sammeln können. Geduld ist die Sache letzterer nicht, dafür sind die armen, pummeligen Reittiere umso gutmütiger. Und so süß!

Da also Le Touquet seine Exklusivität jetzt, wie gesagt, auch mit le peuple teilen muss, wimmelt es im Stadtzentrum von mittelständischen Franzosen, Engländern, Belgiern und ab und an ein paar Deutschen, also Leuten, die den Begüterten prozentual nun mal weit überlegen sind. Das Zentrum ist demnach auch nichts für jene unter uns, die zu Schnappatmung neigen. So solltet ihr euch in der Fußgängerzone vorab entscheiden, in welche Richtung ihr schwimmen, pardon, gehen wollt. Wer die Seite wechseln möchte, sollte etwa 15 Meter Wendefläche einplanen und dann beherzt agieren. Freitag, Samstag, Sonntag ist der Hotspot. Die Heerscharen von VerkäuferInnen, KellnerInnen nehmen´s gelassen, immer freundlich und ruhig. Von einem geschützten Caféplatz aus könnt ihr die Reichen und Schönen mit goldbedruckten Papiertäschchen von Dior beobachten, dicht gefolgt von der Carrefourklientel mit recyclebarer Papiertüte. Wer bei allem Catwalk jetzt Lust auf Süßes bekommt, kann sich in der Keksmanufaktur La Manufacture de Touquet mit feinen Cookies in schönen Schmuckdosen eindecken.

Le Touquet marchee couvert lFischmarkt

Lasst euch also einen Keks auf der Zunge zergehen (vielleicht jenen mit dem verführerischem Zitronenaroma) und richtet den Blick nach oben, zu den Fassaden der alten Fischerhäuser, den prachtvoll verzierten Bürgerhäusern. Hier findet ihr den echten maritimen Charme der Jahrhundertwende. Hört den Möwen zu, die kreischend über euren Köpfen fliegen und entdeckt den in der Fußgängerzone schon beinahe wegkonsumierten Reiz dieses alten Sommerfrischeidylls. Begebt euch dann in einen Park oder radelt einfach durch die mit alten Villen (anglo-normannisches Fachwerk!) gesäumten Straßen. So betriebsam es im Zentrum ist, so ruhig wird es, wenn ihr 15 Meter nach rechts oder links ausweicht. Auch hier gibt es schöne Plätze, wie den Place Quentovic, wo man gut und günstig essen kann. Wie z.B. im The Fireman. Sitzt man draußen, kann man den gewieften BoulespielerInnen zuschauen, sogar noch ein paar Tricks lernen. Gegenüber liegt das Carnet de Voyages, in dem ihr maritime, geschmackvolle Mitbringsel zu erschwinglichen Preisen erstehen könnt, während ihr in hippen Outdoorsesseln an eurem Cappuccino nippt. Auf dem weitläufigen Platz finden in den Sommermonaten Handwerkermärkte, Konzerte u.v.m. statt.

Le Touquet Paris Plage

Unbedingt solltet ihr der Fischhalle unter den Arkaden des 1932 eingeweihten Marché Couvert einen Besuch abstatten. Hier könnt ihr fangfrisch Austern, Fisch, Meeresfrüchte bei einem Glas Weißwein probieren. Das Personal: superfreundlich. Im Marché finden Märkte mit regionalen Produkten und Spezereien und sogar Antikmärkte statt.

Obgleich Le Touquet ein wirklich weitläufiges, zusammenhängendes Ensemble aus Grün und bemerkenswerter alter Bausubstanz ist, stehen am Ende der Strandpromenade ein paar schnörkellose Sechziger-Jahre-Hotels und Appartementhäuser, die allerdings nicht weiter stören. Schließlich musste man der mit Automobilen hereinbrechenden Schar der Pariser WochenendausflüglerInnen gerecht werden.

Weil´s so schön war, nochmal der Strand: Kilometerweit nichts als Dünen, feinster weißer Sand, Meer und endloser Himmel. Dahinter: Pinienwälder. Etwas abseits vom Hauptstrand, der zudem an Wochenenden heillos überlaufen ist, kann man mit und ohne Hund  bis zum Horizont wandern, wandern, wandern. Das Wasser erreicht im Sommer angenehme 19° C, der Zugang ist felsenfrei. Wagt euch also langsam und ohne Scheu in den Ärmelkanal, La Canche, der die Nordsee mit dem Atlantik verbindet und gegenüber England liegt. Am Nordende von Le Touquet befindet sich ein reizvolles Naturschutzgebiet mit begehbarer Düne, das mit dem Rad keine 10 Minuten vom Zentrum entfernt ist.

Was gibt´s in der Umgebung?

Boulogne sur Mer Pas de Calais Nordfrankreich
Boulogne sur Mer

Boulogne sur Mer, in der Region Nord-Pas-de-Calais gelegen und Hauptstadt der Côte d´Opale hat eine sehenswerte Altstadt. Die Unterstadt besteht aus dem größten Fischereihafen Europas, Handels- und Yachthafen. Ansonsten wirkt die nach Lille in dieser Region zweitgrößte Stadt mit über 42.000 Einwohnern ein wenig heruntergekommen, aber quirlig und umtriebig mit vielen kulturellen Angeboten. An der Uferpromenade mit massig vielen Fischrestaurants von mehr oder weniger guter Qualität wird sonntags flaniert. Am Strand kann man auch baden, wie die obligatorischen Strandhäuschen beweisen. War uns aber zu nah an irgendwelchen Industrieanlagen. Ja, und mit Hund konnten wir leider nicht in das vielgerühmte Meeresaquarium Nausicáa. Nicht, dass nachher noch ein Pinguin fehlt…

Auf der Flucht vor zu viel Gewimmel kommen wir nach Équihen-Plage, wo wir an dem formidablen Sandstrand des hübschen Dörfchens baden. Der Einstieg ins Meer ist hier, wie an allen Stränden, die wir besucht haben, äußerst sacht. Keine Felsen, ergo keine zerschrammten Zehen oder Knie. Auch hier gibt es 100 m vom eigentlichen Strand entfernt ein Areal, wo Hunde zwar verboten, aber geduldet sind. Also, wenn ein Gendarm uns samt Dackel dorthin schickt, wird´s ja wohl erlaubt sein. Über eine lange Holztreppe gelangen wir an den wenig bevölkerten Strand. Über uns kreisen Drachenflieger, ihr Schatten wirkt wie der eines Flugsauriers. Ein sprudelnder Bach ergießt sich über Felsen Richtung Meer. Sonntagsidylle pur. Da, ein roter Ball in der Luft! Nuri ist nicht mehr zu halten. Was wollen die zwei Menschlinge in der Badehose mit dem Balla? Er stürmt los, schlägt einen geschickten Haken. Ab sofort ist das runde Teil seins. Und Nuri heißt jetzt Messi.

Équihen Plage

Ähm, dreimal dürft ihr raten, wer ihm den Ball wieder abjagen und den rechtmäßigen Besitzern zürückbringen durfte. Sand ist ja so gelenkefreundlich!

Übrigens kann man hier in umgedrehten Booten übernachten. Früher nutzten die Einwohner ÉquihenPlages angeschwemmte Boote als Notunterkünfte, indem sie sie über Kopf drehten. Genaueres könnt ihr in der Verlinkung nachlesen.

In Merlimont, ebenfalls ein Fischerdörfchen, das ihr mit dem Rad über einen Radweg (unbedingt nur diesen Weg wählen!) in etwa 40 Minuten von Le Touquet aus erreichen könnt, pulsiert das Strandleben. Die Reichen und Schönen sind hier nicht. Hierher kommen Familien, die sich Le Touquet nicht leisten können. Wir konnten es auch nur, weil wir ein Last-Minute-Angebot erhaschen konnten. Kinder stehen Schlange an einer der zahlreichen Eis-und Crêpes-Buden. Grellfarbige Schwimmtiere aus Gummi dümpeln im Wasser. Mitgebrachte Sonnenschirme werden resolut in den Sand gespießt, der Selleriesalat aus überdimensionierten Stofftaschen gepackt. Alles planscht und schreit und lacht. Papa hat einen Bauch, Mama auch, das ist aber egal, denn das Leben ist phantastisch! Hier am Strand! Im Zentrum werden per Mini-Kran letzte Vorbereitungen für ein musikalisches Gymnastikevent für alle getroffen. Endlich Demokratie! In der Bäckerei gibt´s bodenständig große Baiserteilchen mit herausquellender Sahne. So muss das sein! Strohhütchen schaukeln neben Presse-Tabak-Fähnchen in der frischen Meeresbrise. Wir trinken Orangina und Kaffee, sind ganz duselig von der vielen Sonne, dem Fahrradfahren, der Freizeit. Die Besitzerin des Ladens bringt Nuri eine Toutou-Bar, einen Napf Wasser. Damit der arme Hund auch was zu trinken hat, sagt sie.

Apropos Essen: Im Sommer kann es vorkommen, dass ihr in Le Touquet keinen Platz mehr im Restaurant, Bistro o.ä. ergattert. Telefonisch bekommt ihr dann oft die Auskunft, es sei alles reserviert. Wagemutige überprüfen das dann vor Ort, auf die Gefahr hin, dass wirklich alles ausgebucht ist. Alternativ empfehle ich euch es in den kleinen Orten um Le Touquet zu versuchen. Das kann schon ein Vorort wie Étaples sein, wo ihr im Le Roulis preisgünstig und gut essen könnt. Und fahrt auch mal in die Umgebung, auf die kleinen Sträßchen. Dann entdeckt ihr vielleicht auch die kleine Trattoria, wo wir Nudeln mit normannisch üppiger Sahnesoße gegessen haben. Nach all dem Fisch musste das einfach sein. Leider habe ich den Namen vergessen.

Besonders schmackhaft und schön könnt ihr in Montreuil essen. Ein Ausflug in die kleine Stadt mit der mittelalterlichen Stadtmauer lohnt sich. Auch, wenn ihr dort übernachten möchtet. Rund um den Marktplatz, aber auch in den Gassen findet ihr prima Restaurants.

Ist alles ausgebucht, gibt es immer noch die zahllosen Crêperien, Fritterien, die Stände mit Fish and Chips. Beliebt auch: Überdimensionierte, hypermoderne Jahrmarktsstände mit Popcorn, Zuckerwatte, Eis. Eben allem, was den Zähnen gut tut.

Wer´s deftig mag, sollte Welsh probieren, ein gallisches Gericht aus geschmolzenem Cheddar auf gegrilltem Brot, getoppt mit einem Spiegelei, oft auch mit Schinken serviert. Dazu trinkt man Bier. Klingt irgendwie nach Strammer Max. Oderr ischt´s gar ein Voorläuferr des Schwitzer Chäsefondüüs?

Fazit: Wer Lust auf Meer, weiße Sandstrände, lange Spaziergänge, ballspielende Menschen in Badehosen, Hundefans, Wassersport, ein gut ausgebautes Radwegenetz, kulturträchtige Gemäuer, malerische Kanäle, viel Fisch, Meerestiere, Crêpes, Pommes und deftigen Käse hat, ist hier richtig. Es weht immer eine frische Brise, die Leute sind entspannt und freundlich. Das Ganze ist eine Mischung aus normannisch, britisch, belgisch (obwohl das natürlich kein Mensch aus der Picardie bzw. dem Pas de Calais so unterschreiben würde) mit wunderbarem französischem Esprit, mondän und bodenständig zugleich. Und bis auf die Einkaufsstraßen in Le Touquet Paris Plage unaufgeregt und erholsam. St. Valéry sur Somme fand ich geradezu zauberhaft, zumal die Umgebung wie ein von kleinen Kanälen und Brückchen durchzogenes Gärtchen anmutet. Und so schön flach, dass es geradezu nach ausgiebigen Fahrradtouren schreit. Denn ich bin ja, wie ihr wisst, ein ausgesprochener Flachlandradler. Deshalb wäre auch das Clairmarais zu erwähnen, ein ebenfalls von Kanälen, Fischteichen und zauberischen Wäldern geprägtes Biosphärenreservat um St. Omer herum, das Entspannung pur verspricht. Das muss ich aber noch überprüfen!

Das war ja mal wieder viel Subjektives und wenig praktische Information, würde mein lieber Bruder jetzt sicher sagen. Ja, wo soll ich anfangen, wo aufhören, bei einer kulturell und landschaftlich so tollen Region? In diesem Sinne: Macht eure Erfahrungen selbst und fahrt mal hin! Ach ja, in Berck könnt ihr, wenn ihr Glück habt, Robben beobachten. Überall könnt ihr Gärten, Klöster, Schlösser und natürlich alte Kirchen besichtigen… Das haben wir uns fürs nächste Mal aufgespart.

Wisst ihr, das Beste was einem urlaubsmäßig passieren kann, ist doch, wenn man sich gerne an die schöne Zeit zurückerinnert. Genau das passiert, wenn ihr nach Nordfrankreich fahrt. Und wie mein Mann immer sagt: „Das kann uns keiner mehr nehmen.“

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.