Von Labellos, Dobermännern, Fachwerk, Kulturbeuteln und Schlaubergern

Selestat Vieille Ville Alsace Elsass Ried
Gondrexange Etang Weiher Lorraine Lothringen
Wundersame Wasserwege: Gondrexange

Seit gut drei Jahren versuche ich meinen Mann zu einer Spritztour an die Elsässische Weinstraße zu überreden. Nicht, dass wir nicht schon dort gewesen wären. Aber während es mich zu Weinbergen, bunten Fachwerkhäuschen und gut bestückten Patisserien zieht, steht mein Mann auf Wasser. In jeder Form. Deshalb umrundeten wir vorgestern schon den Weiher von Gondrexange. Und ich muss zugeben, ohne diese Wanderung kurz vor Silvester würde mir doch glatt etwas fehlen. Zumal es neben mannigfachen Vogelarten samt stimmungsvollem Wolkenspiel eine ausgesuchte Bäckerei mit prima Croissants, und, wie ich feststellte, auch wunderbaren Bûches de Noël gibt. Gestern nun hätte ich bezüglich Weinstraße dann fast meinen Wunsch durchgesetzt. Wäre da nicht der Rhein in kongenialer Fließrichtung aufgetaucht. Also wieder mal Essig mit der Weinstraße, die buchstäblich ins Wasser fiel.

Kleiner, scheuer Roboter an den Ufern des Rheins bei Rhinau (Foto/Bildtitel: Stefan Strauß)

Allerdings muss ich zugeben: Das Grand Ried zwischen Straßburg und Colmar, flach wie ein Brett, von Wasserstraßen, ellenlangen Alleen durchzogen, entlang schnurgerader Deiche, feenhaltiger Auenwälder und Feuchtwiesen, mit Blick auf die blauen Vogesen… das hat schon was. „Fühle mich“, sagte ich, „ein bisschen wie in Norddeutschland.“ Er fühle sich wie kurz hinter Straßburg, sagte mein Mann. Was er eigentlich meinte, war: Carpe diem!

Im Aux petites Saveurs in Rhinau verkaufte uns eine äußerst freundliche Dame ein paar kulinarisch hochwertige Croissants mit Nussfüllung. Gestärkt wandelten wir über den Deich. Richtung Wasserkraftwerk aus dem Jahre 1963. Ein Omen! Sind wir doch gleich alt. Mein Mann, das Kraftwerk und ich. Der Christopherus mit Kind entpuppte sich von ziemlich nah als Jungfrau Maria mit Sprössling. Denke, ich brauche eine neue Brille. Hurtig schlüpften wir durch ein Tor um vielleicht über die massive Anlage ans andere Ufer zu gelangen, wo es dieselbe Aussicht, immerhin von der anderen Seite, zu bestaunen gab. Angesichts weiterer, diesmal verschlossener Tore verließ uns allerdings der Mut.

Selestat

Musste an jene unglückselige Begebenheit denken, die zwei meiner Freundinnen und mir in Südfrankreich widerfuhr. Auch hier wollten wir abkürzen. Auch hier schlüpften wir durch das Gestänge eines partout verschlossenen Tors. Bis von der anderen Seite lautes, bedrohliches Hundegebell erscholl. Wir beschlossen umzukehren. Was soll ich sagen? Zwei schlüpften durch das Tor, die dritte blieb darin hängen. Im Zuge der Volumenreduzierung kippten wir der Armen Mineralwasser über den Kopf, rieben die Ohren in aller Hast mit einem damals unverzichtbaren Lippenbalsam ein und zogen. Es hat geklappt.

Da wenig von meinem jugendlichen Übermut geblieben ist, ich prinzipiell auch nicht gegen Tiere kämpfe, wollte ich etwaige spitzohrige Dobermänner keineswegs erzürnen, gar gegen sie antreten. Wir beschlossen umzukehren um in Rhinau zu Mittag zu essen.

Dackel Nuri in Selestat

Ein Siebzigerjahre-Waschbecken in dezentem LatteMachiatoBraun, das hat auch nicht jeder. Aber das alte Gasthaus an den Ufern des Rheins schon. Interessant jedenfalls. Wenn auch nicht zielführend. Doch was braucht das Herz des Vogesenbesuchenden mehr als eine betagte Gaststube mit dunkler Holzvertäfelung, nostalgisch geschmücktem Weihnachtsbaum, blütenweißen Papiertischdecken, einem schoppentrinkenden Schlauberger jenseits der Achtzig und einem grünen Kachelofen in der Ecke? Mir fiele da noch mehr auf dem Teller ein. Was frau kredenzte, war zwar superlecker, aber leider wie abgezählt. Sehnsüchtig blickten wir nach den übervollen Salattellern, den glänzenden Spätzle am Entrecôte mit brauner Sauce. Honi soit qui mal y pense. Nachdem zwei Mitarbeitende konzentriert versucht hatten vier Gläser Riesling mit gleichmäßig wenig Flüssigkeit zu befüllen (einer goss, die andere beobachtete), hätten wir eigentlich misstrauisch werden können. Auch, als der alte Herr von Tisch 23 augenzwinkernd meinte, das zweite Glas von rechts könne noch ein bisschen weniger vertragen, hofften wir noch wohlgemut. Ob er nicht an einem anderen Tisch sein Mahl einnehmen wolle als gerade gegenüber der Theke, fragte daraufhin der Eingießende. „Nein“, konterte der Stammgast, „dann kann ich ja nicht mehr den hübschen Mädchen bei der Arbeit zusehen.“ Nun, jeder hat sein Kreuz zu tragen. Und Wegrennen von der Arbeit gilt nun mal als reell unpopulär.

Nachdem wir bezahlt und die elsässische Variante der Muppetshow ihre Tore hinter uns geschlossen hatte, fuhren wir durch pittoreske, topfebene Dörfer Richtung Sélestat. Wer Fachwerkhäuser, Renaissancebauwerke, enge Gässchen liebt, dazu gotische und romanische Kirchen besichtigen möchte, ist hier goldrichtig. Auch die kleinen Weihnachtsmärkte an verschieden Stellen der Stadt waren noch im Gange. Touristen wie Einheimische hatten nach den Festtagen mehrere Gänge heruntergeschraubt, schlenderten durch die malerische Vieille Ville. Kleine Geschäftchen gab es allenthalben, mit Spezereien, Naturkosmetik und Elsässischem Kunsthandwerk. So, wie das Libellule – Merveilles Curiosités & Gourmandises. Ein Hort für selbstgemachte textile Schönheiten, leckeres Gebäck, Schreibmäppchen, Trinkflaschen, wunderschöne Karten, Schlüsselanhänger, Duftkerzen, Taschen, Geldbeutel, Puzzles, Kissen, Handyhaltern, Tabletts, Holzspielzeug uvm. Made in France, Fait Maison, naturellement. „Libellule„, so liest man auf der Homepage, „vereint mit Lust das Universum des Dekorativen mit jenem der Kindheit.“ Ein Kulturbeutel mit Südpol auf der einen und Äquatorialem auf der anderen Seite führte mich echt in Versuchung. Ich mag Pinguine. Und Bären. Zum Glück gibt es einen Webshop, wo man all die Herrlichkeiten auch noch nachträglich bestellen kann. Zum gemütlichen Kaffee- oder Teetrinken nebst kleiner Gâteaux müsst ihr euch allerdings nach Sélestat, in die Rue du 17 Novembre, Nr. 3, begeben. Dort erwartet euch dann die freundliche Madame Emmanuelle, die in diesem zauberhaften Laden für die textilen Handarbeiten steht.

Dackel Nuri in Selestat

Schon neigte sich die Dämmerung über Schindeldächer, spitze Kirchtürme und festlich geschmückte Weihnachtsbäume. Obacht! Im Dunkeln durch Vogesenwälder mit Wildwechsel fahren ist nur bedingt prickelnd. Also: Wie kamen wir von Sélestat wieder nach La Hoube?

Libellule Selestat Elsass Alsace Carte
Meine Schätze

Nun, ein kleines Stückchen Elsässische Weinstraße gab´s dann doch noch, indem wir durch das hübsche Fachwerkstädtchen Andlau fuhren. Dann ging´s aber schon in die Hochvogesen durch Villé (La Montanara!), Champs du Feu (imposante Heidelandschaft), Grendelbruch (charmantes Bergdorf), Urmatt, Niederhaslach, Oberhaslach (wie man sich´s vorstellt), Cascade de Nideck (Großartige Natur!), Wangenbourg, La Hoube (charmant, charmant, charmant). Unterwegs waren wir mit einstündigem Deichspaziergang, Besichtigung von Sélestat von 9:30 bis 17:45 Uhr. Richtig schön war´s, denn wo sieht man schon Ried, Weinberge und Bergkämme auf einmal und fährt sogar hindurch?

Selestat Schlettstadt Alsace Elsass Fachwerk
Finde den Dackel!

So, nun muss ich den Teig für die Käsespätzle machen. Will sagen: Heute werden wir bestimmt satt. Ich weiß, ich bin verfressen.

Fahrt mal hin!

Eure Stina

P.S. Die Käsespätzle waren mäßig. Sollte meine Experimente in der Küche etwas einschränken. (Oder war es gar die Strafe für meine harsche Kritik an der Plât du Jour?) Und die Weinstraße krieg ich schon noch zu sehen! Aber was würde man verpassen, wenn man nicht mal vom Weg abkäme? Also Danke, lieber Stefan!

Ein frohes neues Jahr wünsche ich Euch!

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

We all live in a yellow submarine oder don´ t panic, it´ s organic

Resonances foire Strasbourg Latimeria Finlande foire exposition

Beherzt gedrechselte Holzpferdchen neben hippem Silikonschmuck? Geht das? Résonances, die Kunsthandwerkmesse im elsässischen Strasbourg zeigt, wie´ s gelingt. „Mitschwingen oder Mittönen eines Körpers mit einem anderen“, so lautet die Erklärung für Resonanzen. In der Physik, in der Musik. In Straßburg nun auch zwischen Kunst, Handwerk, Fiktion und Funktion, Erde und Mensch. Eine kreative Explosion, die nach außen drängt, Ausdruck findet für das, was im Innern lange rumorte, brauste, brodelte. Will sagen: Es gab extrem was auf die Augen. 178 internationale Kunstschaffende und -handwerkerInnen trafen sich zu einem illustren Salon européen des métiers d´ art, um zu zeigen, was sich alles aus Metall, Papier, Glas, Ton, Leder, Wolle und anderen – mir bislang nur von diversen Zahnarztbesuchen geläufigen Materialien – erschaffen lässt. Dass dabei auch besagte Holzpferdchen aus elsässischer Produktion nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Obgleich hier nur die Crème de la Crème wunderschön zart bemalter Holztiere brav im Regal verharrte um möglichst bald ein neues Zuhause zu finden. In einem anderen Regal. Wenn´ s gut läuft, in einem Kinderzimmer.

Ansonsten allenthalben ungezügelter Farbenrausch. Allen voran die Designenden. In intellektuellem Schwarz oder paradiesvogelbunter Gewandung harmonierten manche von ihnen gar so sehr mit ihren Werken, dass sie selbst zum Kunstobjekt stilisierten. Alle sehr freundlich und kultiviert, irgendwie gediegen. Angenehm. Enfants terribles toben anderswo.

Beherrschendes Thema war dieses Jahr, ganz klar: La Mer! Korallenriffs aus Porzellan, moränengleiche Röhren, scheinbar pulsierende Drüsen aus Stoff konkurrierten mit artifiziellen Seepferdchen, Kugelfischen sowie manch maritimen Ungeheuer. Überhaupt die Natur: Undurchdringliche Wälder zogen den Betrachtenden in schlingendes Grün, purpurrote Fliegenpilzkolonien, schimmernde Seerosenteiche, Hasen mit Schildkrötenpanzer, quirlige Eichhörnchen lockten uns in unergründliches Dickicht, dunkle Höhlen, Wagemutiges, Rundes, Organisches. All überall Getöpfertes für den umweltbewussten Tisch in erdigen, manchmal auch wasserblauen Tönen, zuweilen ungewohntem Pastellrosa, Teppiche, so dick, dass man glaubt, das Schaf noch blöken zu hören, welches dem Weber die Wolle geschenkt hat. Folgt uns back to nature! Natürlich, auf unserer Erde geht es um die Wurst, die vegane. Da greift eins ins andere.

Woher also nimmt der zurückhaltende, freundliche Finne Juha Luukkonen seine Ideen für sein zierliches Latimeria-Salatbesteck? Aus der Natur. Gibt´ s ja auch ganz viel davon in seinem Heimatland. Auf was sitzen wir diesen Herbst? Auf Kieselsteinen nachempfundenen Filzkissen. Wir öffnen uns. Interieur wird Exterieur. Und umgekehrt. Die farbtiefe, florale Tapete mit hervorlugenden Buschbabies leitet nahtlos zum Kirschlorbeer im Garten über. „Entschuldigung, du hast da einen Käfer am Hals.“ „Mais non, das ist meine neue Kette!“ Wir holen uns Baumstämme ins Haus und bestücken sie mit quallenartigen, schwebenden Papierleuchten. Dass man sich da bisweilen wie bei einem Besuch im Naturkundemuseum vorkommt, ist, denke ich, durchaus gewollt. Filigran ausgestattete Schaukästen entführen uns in eine Welt, die voller Wunder ist. Ein bisschen gruselig auch. Ein Gesamtkunstwerk, das sich im Werk dieser Kreativen in alle Richtungen verzweigt, um dann wieder zusammenzufließen. Nachbildungen menschlicher Organe werden zu unter Glasglocken ausgestellten Preziosen: Ein blutrotes Herz, eine Lunge aus ätherischem Gewebe, die Bläschen aus Pailletten, zart verästelt wie ein Lebewesen aus dem Ozean. Aus dem wir – Nicht vergessen! – alle irgendwann gekrabbelt sind. Perlenbestickte Geschmeide aus Seide, Filz, Silikon oder Metall lassen uns zur Meerjungfrau, wenn nicht gar zur Unterwasserkönigin, mutieren. Schlingpflanzenbewehrtes, schleifenverziertes Schuhwerk, das einer Madame Pompadour zur Ehre gereicht hätte, umschmeichelt kokett unsere Füße. Diese Aufmerksamkeit haben die Hochleister, die uns durch den Alltag tragen, ja auch allemal verdient.

Wunderbar sind auch die japanisch inspirierten Papierkunstwerke. Eine Fleißarbeit, die ihren Preis hat. Nähme man all diese phantastischen Ausgeburten kreativer Köpfe zusammen, ergäbe sich eine überaus prächtige, opulente, magische Komposition, eine Szenerie, der man sich schwer entziehen kann. Sozusagen die Quintessenz all dessen, was auf unsere Erde zu verschwinden droht, weil wir zu doof und zu bequem sind, seine Einzigartigkeit zu erkennen.

Marie Claire Z ERNY: Le bon motif

Erde an Menschheit. Ich habe verstanden: Es geht um Texturen, in Beziehung setzen, unerwartete Kombinationen, Spannungen aus verschiedenen Materialien schaffen, neue Perspektiven eröffnen. Darum ging es bei Kunstschaffenden wohl schon immer. Jedoch so spielerisch, überbordend, achtsam, schillernd, dekadent und gleichzeitig ursprünglich – das ist neu. Hier hat niemand Angst vor Stilverletzungen, hier ist Freude an Farbe, Form und Materie. Das möchte man anfassen, darüberstreichen, auf der Haut fühlen. Und dieser merkwürdige schwarze Hut, den die Dame am Stand von Nelly Bichet Chapeaux trägt, erinnert mich stark an einen Zylinder. Nur umgekehrt. Reminiszenz an Casablanca, den Verrückten Hutmacher? Hauptsache, das Gehirn assoziiert, gerät in Schwingung, zeigt Resonanz. Diese Messe ist wie Alice im Wunderland, Rotkäppchen und der böse Wolf, Jenseits von Afrika, Bernd das Brot, Kuriositätenkabinett und Andy Warhol in einem. Ein Farbenrausch, ein Fest für die Sinne.

Und dann ist da noch die umwerfende Stine von Happy Knit in Kopenhagen. Sie stellt Kleidung, Heimtextilien und Accessoires mit Tiefgang her. So wie den Schal mit den stilisierten Toren, der den Gedanken des Verzeihens sich und anderen gegenüber bestrickt. Dreiecke, die in Kreise übergehen, symbolisieren Trauer. Das Eckige, Schmerzhafte wird zur kostbaren Perle, zum Kleinod, zum Andenken an die Verstorbenen, die so für immer in uns bleiben. Doch das erzählt euch Stine in diesem kleinen Video am besten selbst.

Und da wären wir wieder bei den ziselierten Holzherzchen, Pferdchen und Brezeln der elsässischen Kooperative Alsatrucs, die den MessebesucherInnen entzückte Ah´ s und Oh´ s entlocken. Sie passen mit ihrer Heile-Welt-Attitude genauso auf die Résonances wie die plakative Silikonplastik in grellem Fleischrosa, die man sich – abgesehen vom Preis – nur schwerlich im heimischen Wohnzimmer vorstellen kann. Denn im Wunderland darf alles nebeneinander bestehen, miteinander kommunizieren, sich inspirieren. Den Geschmack – gibt´´´ s nicht. Reden wir doch lieber von Vielfalt. Und dem, was uns eint. Alles, was wir wollen, ist eintauchen, mit der Welt, die uns umgibt, verschmelzen, uns im Farbenrausch verlieren, Neues erfahren, im Wesentlichen wiedergeboren werden. Ist doch NATÜRLICH!

Liebe AusstellerInnen resp. Kunstschaffende, verzeiht, wenn ich nicht allen den ihnen gebührenden Platz in diesem Artikel eingeräumt habe, manchmal sogar nicht mehr wusste, von wem die wundervolle Skulptur, die hübsche Brosche stammte. Daher verlinke ich jetzt mal die Ausstellenden, die offizielle Seite, sowie die Seite für BewerberInnen. Denn vielleicht wollt ja auch ihr Teil des Ganzen werden. Von hier aus könnt ihr euch locker zu den jeweiligen Interessensgebieten durchklicken.

Résonances ist eine Hommage an den genialen wie berühmten Straßburger Manfred Thierry Mugler, einen herausragenden Kreativen der Modebranche. Die Messe fand dieses Jahr zum zehnten Mal statt, widmet sich der Quintessenz des Kunsthandwerks mit einer außergewöhnlichen Auswahl an 180 DesignerInnen aus sieben europäischen Ländern. Auf einer Ausstellungsfläche von 6100 qm werden wegweisende Trends aus den Bereichen Möbel, Dekoration, Skulptur, Mode, Beleuchtung, Grafik und Tischkultur gezeigt. Komplettiert wird die Messe durch Performances, Workshops und Vorträge.

Besucht die nächste Messe!

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Traenheim: Zum Weinen schön

Wichtel lutin Herbst Pfifferling Aquarell Stina Julclub

Ich habe Spinnweben im Gesicht, und dabei ist es noch nicht mal Halloween. Nein, der Altweibersommer schüttet seine güldenen Strahlen über mir aus. Und eben auch eine Menge Spinnweben. Nach einer langen Dürreperiode hat es endlich geregnet. Die Natur atmet auf. Eigentlich wollten wir ja auf den Flohmarkt nach Marmoutier. Wer aber stattdessen nach Wasselonne fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn in diesem Vogesenstädtchen sonntägliche Stille herrscht. Wo wir allerdings schon hier sind, können wir auch die Gegend erkunden. Alles im kraftstoffmäßig abgesteckten Rahmen, versteht sich. Wir wollen ja keinen Kredit für einen kleinen Ausflug aufnehmen müssen. Nach Traenheim wollten wir immer schon. Nicht wegen des Namens sondern weil der kleine Ort von Weitem so anheimelnd durch die Weinberge schimmert. Es ist der vierte September. Die größte Hitze ist vorbei. Unser Dackel braucht Auslauf. Und ich liiiebe Weinberge!

Der Altenberg de Bergbieten ist eine elsässische Weinlage. Seit 1983 ist sie Teil der Alsace Grand Cru Appellation, gehört damit zu den 50 potentiell besten Lagen des Elsass. Das Weinanbaugebiet gehört zur Gemeinde Bergbieten, liegt allerdings zwischen den beiden pittoresken Dörfern Traenheim und Bergbieten, ca. 25 km westlich von Straßburg. Das günstige Mikroklima sowie die Bodenqualität lassen die Traube für Riesling und Gewürztraminer zu hervorragenden Weinen reifen. Diese werden derzeit von vier Winzern aus Traenheim sowie einer Genossenschaft produziert und verkauft.

Nur selten gelingt es mir, meinen Mann in die Reben zu locken. Dabei gibt es doch nichts Schöneres als dieses transparente Zusammenspiel aus Weinblättern, knorrigen Stämmen, prallen Weintrauben, in blaudunstigen Nebel gehüllten Bergkämmen. Die Rebstöcke schön ordentlich in Reihen und irgendwie Toscana. Traenheim selbst zeigt sich an diesem frühherbstlichen Sonntagmorgen in strahlendem Sonnenschein. Brunnen plätschern, Schmetterlinge und Schwalben segeln glückselig durch die frische, klare Luft. Vielleicht werden die Schmetterlinge auch von den Schwalben gejagt, flattern um ihr Leben. Nun denn, kein Paradies ist vollkommen. Traenheim also: Ein sauberes, aufgeräumtes Dörfchen mit schmucken Fachwerkhäusern, edlen Weingütern und einem Gasthaus, in dessen lauschigem Innenhof man sich elsässische Spezialitäten schmecken lassen kann. Wein wird hier seit dem Jahre 1050 angebaut. Merowinger und Römer haben in dem kleinen Ort ihre Spuren hinterlassen.´´´ Von wegen Wein und dem guten Klima für die Knochen.

Folgt einfach der Hauptstraße, und ihr findet linkerhand eine große Schautafel mit Standortbestimmung. Sentier Viticole klingt verlockend, und schon durchwandern wir in einem großen Bogen Weinberge und Dorf. Dazu braucht man inklusive kleiner Pausen auf den Aussichtsbänken nicht mehr als eine Stunde. Diese Zeit solltet ihr euch allerdings nehmen, da ihr großartige Ausblicke auf die Vogesen wie die elsässische Ebene genießen könnt. Wenn ihr die die Informationen auf den edlen Plexiglastafeln allesamt lesen möchtet, solltet ihr eine halbe Stunde mehr einplanen. Alternativ könnt ihr den Sentier Viticole auch an der Place de la Fontaine beginnen.

Le Loejelgucker: Ein stilvolles, nicht ganz billiges, dafür exquisites Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert. In Gaststube, Winstub und Gewölbe kommen FeinschmeckerInnen auf ihre Kosten Natürlich darf der Flammkuchen, die tarte flambée nicht fehlen. Montags- bis Freitagsmittags gibt es die Plat du Jour, entweder Vorspeise und Hauptspeise oder nur Hauptspeise, zu einem überaus guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Sehenswert: Die Wandmalereien von Jean
Cramer
aus dem Jahre 1946, die die Arbeiten im Weinberg im Jahreslauf zeigen.

Le Loejelgucker – Auberge de Traenheim

Einen gelungenen Ausflug zu diesem sonnenverwöhnten Fleckchen Erde stelle ich mir so vor: Erst eine kleine Wanderung durch den Sentier viticole, dann die Einkehr im Le Loejelgucker. Bei einem guten Glas Wein könnte man auch schon eine Fahrradtour planen, die sich, auf der ebenfalls hier verlaufenden, idyllischen Route des Vins anbietet. Gen Abend machen sich WeinkennerInnen während einer Weinprobe mit den Spitzenerzeugnissen der hiesigen Domänen vertraut. Dann allerdings braucht man einen BOP, eine noch bewusst operierende Person, die einen wieder nach Hause kutschiert.

Fahrt mal hin

Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

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Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina

Waldbaden um Guirbaden

Unseren 20. Hochzeitstag wollten wir mit einer kleinen Wanderung samt anschließendem Essen feiern. Denn hat man in den Vogesen erstmal einen Hügel erklommen, passt nichts besser als ein zünftiges Mahl. Wie ihr spätestens jetzt wisst, bin ich keine übermäßig ausdauernde Wandersfrau, sondern eher eine Flachlandtirolerin. Ich esse aber gern. Wie man ebenfalls sieht. Wenn ich eine Strecke heim- pardon – heraussuche, handelt es sich meist um eine von 2,5 bis 3 Stunden. Rundweg oder hin und zurück (Auf dem Rückweg sieht alles eh nochmal anders aus). Pausen exklusive. Spätestens nach 2,75 Stunden fange ich an zu nörgeln, weil mir scheint, dass meine großen Zehen auf Untertassengröße angeschwollen, meine Wanderschuhe gleichzeitig um mindestens 20 % geschrumpft sind. Oder ich ganz einfach genug Grün gesehen habe. Waldbaden ist ja super, aber in der Badewanne absolviere ich ja auch kein Hochleistungsprogramm. Sondern entspanne beim munteren Plantschen in Fichtennadelgrün. Wie auch hier liegt in der Kürze die Würze. Mit Staunen verfolge ich die stolzen Ausführungen jener, die sechs, sieben Stunden durch unwegsames Gelände traben und dabei ihren einzigen Proviant, einen Proteinriegel aus dem Jahre 2018, für den nächsten Tag aufsparen.

Ein Stina-Weg sollte demnach keine zu steilen Passagen beinhalten, da ich dazu neige den Abstieg auf dem Hosenboden zu absolvieren, weswegen ich schon in Po-polsternden Fahrradhosen gewandert bin. Fesche Wanderer, die durch mich erheitert, in jedem Falle aber ausgebremst werden, mutmaßen für gewöhnlich zweierlei: „Die Arme ist sicher mit ihrem Fahrrad gestürzt und zwar so, dass sie sich nur noch rutschend bewegen kann. Ihr Bike liegt derweil wohl am tiefsten Grund der Schlucht. In diesem Alter sollte man sich nicht überschätzen“ (Falsch!) oder „Was für eine Zimperliese!“ (Richtig!) „Was macht die erst am Donon?!“ Mein Pech also, dass ich Burgen liebe. Denn die muss man sich meist erkraxeln. Da lob ich mir doch das Château de Guirbaden, das auf der Mitte eines angenehm zu gehenden Wanderweges thront.

Château de Guirbaden. Ist zwar eine Burgruine, allerdings die größte im Elsass. Wer hätte das gedacht? 270 m lang, 70 m breit. Eine Höhenburg aus der Stauferzeit, 11. bis 13. Jahrhundert. Ein riesiges Monument, in liebevoller, ehrenamtlicher Arbeit von Freiwilligen aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Schon der beeindruckende Plan an der Burgmauer weist auf die Gewaltigkeit des Projekts hin. Hungerturm, Zitadelle, Wohnbereich, Kapelle, Donnerbalken. Alles da. Ehrfürchtig bestaunen wir die mächtigen Quader, die schon verbaut wurden, sowie jene, die noch einzusetzen sind. Eine Herkulesarbeit. Und da läuft auch schon eine fleißige Helferin mit grasgrünem Helm und Schubkarre hurtig den Berg hinan. Ich denke Muskeln, Ausdauer und ja, die feste Gewissheit, hier etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun, zu bewahren.

Wanderer räkeln sich träge im Sonnenschein. Umsummt von Bienen, Hummeln, umflattert von Schmetterlingen auf bunten Kräuterwiesen. Es duftet würzig. Die Aussicht: Grandios. Von einer Höhe von 565 Metern bestaunen wir die blauen Vogesen um den kleinen Ort Grendelbruch. Schauen schaudernd die steilen Hänge hinab. So, wie die Burg bereits seit über tausend Jahren auf das Vallée de la Bruche blickt. Auf Fototafeln wird das Vorher-Nachher des Projekts anschaulich erklärt. Auch die wechselvolle Geschichte der Burg, die mehrmals zerstört und wiederaufgebaut wurde.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie sogar von den Bewohnern selbst geschleift, weil die Schweden im Anmarsch waren. Ab und an lebt das Mittelalter in einem Burgfest farbenprächtig – vor allem auch unblutiger – auf. Dann werfen sich die Einheimischen in Schale, Ritterrüstung genannt, binden sich Schürzen um, setzen sich Kopftuch oder Helm auf, greifen zu Heugabeln und Schwertern um das umtriebige Treiben nachzustellen, das hier wohl einst herrschte. Natürlich weilte auch Friedrich Barbarossa hier. Wo tat er das eigentlich nicht?

Selbstverständlich gibt es auch eine Legende um einen Schatz und eine Odile, Nachfahrin der Templer, die einst mit ihm (mit dem Schatz, nicht mit Friedrich) begraben werden wollte. „Sie wollte nie heiraten und starb jung an einer Krankheit.“, erläutern die Bewahrer von Guirbaden. Das hat man also davon, wenn man unbedingt Junggesellin bleiben will. Niemand sollte erfahren, wo Grab und Schatz zu finden waren. Nun, jemand hat geplaudert. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Chateau Guirbaden Grendelbruch Vallee de la Bruche Vosges Vogesen Wander
Freundliche, engagierte Helfende auf Guirbaden

Sehr viel Genaueres erfahrt ihr auf der Homepage der Burg. Auch über Feste, Führungen und die Möglichkeiten den Fortbestand der Burg durch eine Spende oder sogar Mitarbeit zu sichern. Also auf, ihr Hobby-Archäologenden, frisch ans Werk!

Die angrenzende Gemeinde Grendelbruch ist ein uriges, ruhiges Vogesendörfchen inklusive Wochenmarkt und plätschernden Brunnen. U.a. im Grenouille und Pot au feu soll man sehr gut essen können. Lasst euch am besten vor Ort inspirieren, denn im Umkreis gibt es viele interessante Restaurants. Ausprobiert haben wir das La Schlitte in La Broque,ein apartes Blockhaus am Rande des kleinen Ortes. Hier gelingt das Kunststück traditionell französisch-elsässische Küche mit Experimentierfreude zu paaren. Der norwegische Lachs war ein Gedicht. Das animal glacé für die kleinen Lutins sollte man allerdings nicht wörtlich nehmen. Übrigens war der Service ausgezeichnet. Etwas hochpreisiger geht es in der Auberge Metzger in Natzviller zu, wo ihr auch übernachten könnt. Vergesst aber nicht zu reservieren, denn die Auberge wurde vom Guide Michelin immerhin zum kulinarischen Highlight mit super Preis-Leistungsverhältnis gekürt.

Eine informative Erlebniskarte mit u.a. Fahrradrouten, Fermes Auberges, Themenwanderungen, traditionellen Handwerksbetrieben findet ihr hier. Die jedes Jahr neu erscheinende Broschüre Sentiers plaisir informiert über Wanderungen sowie Veranstaltungen im Vallée de la Bruche.

Guirbaden Chateau Burg Vosges Vogesen Wander Vallee de la Bruche

Der Wanderweg: Am Ortseingang Grendelbruch liegt linkerhand der Friedhof. Ihr aber fahrt rechts in das Quartier du Guirbaden. Rechts an einem Mast seht ihr schon das Wanderweg-Symbol: Ein liegendes Rechteck, rot-weiß-rot. Am Ende der Straße liegen linkerhand Parkplätze. Parkt das Auto und geht weiter geradeaus durch einen Schlagbaum hindurch, auf dem ebenfalls obiges Wanderweg-Symbol zu sehen ist.

Jetzt geht es für ca. 50 Minuten geradeaus (Der Weg ist super gut ausgeschildert). Dann macht der Weg eine Linkskurve. Dieser folgt ihr NICHT. Stattdessen geht ihr immer geradeaus. Haltet euch also rechts. Und da ist auch direkt wieder das Symbol. Der Weg wird jetzt schmaler, uriger, schlängelt sich aufwärts zur Burg. Nach deren Besichtigung geht ihr denselben Weg wieder zurück bis zum Ausgangspunkt. Wetten, dass ihr jetzt Hunger habt! Oder gehört ihr etwa zu jenen Unverdrossenen, die auf dem ebenfalls hier verlaufenden Chemin des Châteaux-Forts d´Alsace von Burg zu Burg wandern möchten? Sei´s drum, essen müsst ihr trotzdem.

Lasst´s euch gutgehn!

Stina Advent

Unverhofft kommt oft – ein Hoch auf Mini-Weihnachtsmärkte

Weihnachtsmarkt Marmoutier

Für den inzwischen populären Weihnachtsmarkt in St. Quirin war Blitzeis angesagt. An einem dunklen, verregneten Sonntag durch noch dunklere Vogesenwälder kurven? Noch war Samstag und das Wetter hielt. Kurzentschlossen fuhren wir nach Marmoutier, einem pittoresken elsässischen Örtchen im Département Bas-Rhin mit romanisch-gotischer Basilika, die jedem Kunstgeschichte-Studierenden dies- und jenseits der Alpen ein Begriff ist. Wir parkten unseren Wagen, merkten erst jetzt, dass wir die Leine für unseren kleinen Dackel vergessen hatten. Er durfte in der warmen Jacke meines Mannes Platz nehmen. Auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt: Keine Menschenseele. Doch, aus einer Haustür wagten sich zwei vermummelte Gestalten mit Hund – und Leine – in die bittere Kälte um Richtung Marktplatz zu streben.

Der Weihnachtsmarkt entpuppte sich als eine Ansammlung von ungefähr 8 festlich beleuchteten Büdchen auf dem Vorplatz der Basilika. Kohlebecken spendeten Wärme. Ach ja, eine kleine, feine Galerie mit Kunstgewerbe hatte ebenfalls geöffnet. So ungefähr stelle ich mir die ersten Events dieser Art vor. Überschaubar. Nachdem ich mich ein Wochenende zuvor über den prunkvollen Straßburger Weihnachtsmarkt geschoben hatte, zusammen mit gefühlt 2 Millionen Kaufrauschigen, war dies, als hätte jemand die Uhr um mindestens hundert Jahre zurückgedreht. Ein Absturz in vorkapitalistische Zeit? Ein Komm-wir-drehen-um? Keineswegs! Denn siehe: „Wunder gibt es immer wieder, wenn sie dir begegnen, musst du sie auch seh´n.

Weihnachtswunder Nr. 1: Der Glühwein war selbst gemacht, duftete nach Gewürzen und beinhaltete irgendeinen stimmungsaufhellenden Schnaps. Ob er denn schmecke, wurden wir gefragt, ob noch etwas fehle. Nein, alles super! Welch Wohltat nach Warteschlangen an Straßburger Glühwein-Ständen mit Undefinierbarem! Alles, damit einem beim Umdrehen der nächstbeste Passant im Weihnachtstaumel das sauer erkämpfte Heiß-Getränk aus der Hand schlägt.

Weihnachtswunder Nr. 2: Wir verweilten auf einer Bank sitzend, mit viel Bewegungsfreiheit an unserem Gewürzwein nippend. Auf den dazugehörigen Tisch hatte uns das Christkind eine Leine gelegt – in Gestalt eines kaputten Expanders. Ja, sowas… Danke!

Weihnachtswunder Nr. 3: Eine freundliche junge Dame nebst freundlichem Herrn tauchte auf. Die beiden berichteten überraschend, dass sie von hier stammten, er preisverdächtige Kaninchen züchte, es in Obersteigen eine ebenfalls freundliche Dame gäbe, die Interessantes über die dortige Klosterkapelle zu erzählen wisse, dass außerdem demnächst ein Konzert in der Basilika von Marmoutier stattfinde, bei dem die junge Dame mitsinge. Am 06. Januar 2020. Näheres folgt. Habe bisher noch nichts im Netz gefunden. Wenn ich´s mir recht überlege, könnte es sich bei den beiden um Nikolaus samt Christkind gehandelt haben…

Craftiges Bier

Weihnachtswunder Nr. 4: Crafts-Biere sind in. Dass wir hier eine exzellente Auswahl finden würden, gebraut von zwei „Brewer-Girls“ mit Geschmack, Sachverstand, Umweltbewusstsein und definitivem Hang zum Natürlichen… Wer hätte das gedacht? Mein Mann probierte ein fruchtiges, helles Erzeugnis der Brasserie Bat. Hätte gerne das Weihnachtsbock gekostet, aber einer muss ja fahren. Im nächsten Jahr werde wir die beiden in ihrer Brauerei zwecks Interviews besuchen und Genaueres probieren… äh berichten. Man beachte das Wortspiel: pro-bieren! Etymologisch wäre jetzt auch das geklärt.

Weihnachtswunder Nr. 5: Fand genau den richtigen Adventskranz für uns! Ein bisschen kitschig, irgendwie psychodelic, sehr französisch und vor allem selbstgemacht.

Merke: Auf Mini-Weihnachtsmärkten findest du Selbstgebasteltes, solides Handwerk, Gebäck, heimelige Beleuchtung, super alkoholische Getränke, Leinen, keine Hektik, kein Weihnachts-Pop-Gedudel, jedoch freundliche Menschen mit Ideen. Und das macht Weihnachten doch aus, oder? Nicht umsonst heißt es schließlich: „Morgen Kinder wird´s was geben!“. Was das sein wird? Wer weiß das schon so genau.

Weitere Weihnachtswunder findet ihr hier!

Liebe Grüße

Eure Stina

Es weihnachtet sehr! Weihnachtsmärkte im Elsass und den Vogesen

Weihnachtsmarkt_Elsass_Vogesen

Tipps für eine unvergessliche Weihnachtszeit im Elsass und den Vogesen findet ihr in folgenden Artikeln auf meinem Blog:

… ein leckeres Rezept für einen Bûche de Noël hier.

Da hat doch schon jemand an der Schoko-Borke geknabbert…

Wer ausgefallene Ausstechformen sucht, wird bei dem schwedischen Familienunternehmen Formina fündig. Das Angebot lässt wirklich keine Wünsche offen! Außer vielleicht die nach den süßen Mumins der Finnland-Schwedin Tove Jansson:

Erhältlich über z.B. Little Finland zu einem weitaus günstigeren Preis als bei den einschlägigen Versendern

Viel weihnachtliche Freude wünscht euch

Stina

Heute mal ein Taugenichts – Mit dem Fahrrad durch das Hanauer Land

Illustration zu Joseph von Eichendorfs Aus dem Leben eines Taugenichts, Bild, von Julclub

Zuerst die Fakten: E-Bike-Rundtour. Ca. 3-3 ½ Stunden. Teilweise Fahrradwege. Mittlerer Schwierigkeitsgrad. Route: Von Dossenheim-sur-Zinsel über D14 Neuwiller-les-Saverne Richtung ausgewiesene Fahrradstrecke (Kleines Schild mit grünem Fahrrad bzw. kleiner orangener Pfeil) nach Herrenstein. Nicht über D 133 Richtung Bouxwiller/Griesbach! Im Zentrum von Herrenstein rechts abbiegen. Ein Abstecher zur Abtei, die rechterhand liegt, lohnt sich. Wieder auf der Hauptstraße am Hotel-Restaurant Le Herrenstein vorbeifahren. Am Ortsausgang geht es links auf den Fahrradweg 22 bzw. 62 Richtung Bouxwiller. Hier kurzer Abstecher ins Zentrum mit seinen Fachwerkhäusern und Salon de thé Au charme du passé. Auf demselben Weg wieder aus dem Ort hinausfahren, D4 Richtung Obersoultzbach. Auf die D7 nach Weiterswiller abbiegen. Richtung Neuwiller-les-Saverne fahren. Weiter nach Herrenstein, diesmal geradeaus weiterradeln nach Dossenheim-sur-Zinsel.

Weitere Details zum Radfahren im Hanauer Land findet ihr hier!

Und jetzt… Stimmung!

Hatte mir gerade wieder einmal Joseph von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts zu Gemüte geführt. Da drängte es mich, es jenem gleich zu tun. Statt im Garten auf einer Liege zu lümmeln, schwangen mein Mann und ich uns aufs Fahrrad um das Hanauer Land – Le pays de Hanau – zu erkunden. Denn wie heißt es so schön in der Novelle: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.“ Und weit erschien mir die Welt an diesem Tag tatsächlich. Obwohl wir nicht auf Schusters Rappen geschweige denn mit Kutsche unterwegs waren wie der müßige Müllersohn. Und es war auch nicht die schöne Donau, die uns zuweilen begleitete, sondern die weitaus kleinere, ruhigere Zinsel. Doch rechts und links wogten gelbe Felder. Die Heuballen waren artig gerollt. Am hohen Himmel segelten Schwalben dahin. So hätte man vielleicht zu Eichendorffs Zeiten geschwärmt. Und so schwärme ich auch heute noch angesichts pittoresker Fachwerkdörfchen, mit Gärten, die es gut und gerne mit der bunten Blütenpracht vor jenem Eintreiber-Häuschen aufnehmen könnten, das dem Luftikus wie zufällig in den Schoß fällt. Sehe ihn direkt vor mir, wie er so auf seiner Bank sitzt, im gediegenen Morgenrock seines Vorgängers, eine Pfeife schmaucht und den Lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Einmal den Spießer in sich ausprobiert, um dann neugierig zu neuen Ufern aufzubrechen. Unversehens fühlt man sich in die Zeit um 1826 versetzt, als die spätromantische Novelle erschienen ist.

Wächter aus Sandstein an der Abtei in Herrenstein, Neuwiller-les-Saverne
Wächter aus Sandstein an der Abtei in Herrenstein, Neuwiller-les-Saverne

Immer wieder erstaunlich ist auch, was sich mit dem Fahrrad, abseits der ausgetretenen Pfade entdecken lässt. Nie im Leben hätten wir doch gedachtt, dass in Herrenstein eine mächtige romanisch-gotische Abtei den Ortskern dominiert. Der Grundstein dazu wurde im 8. Jh. gelegt. Die Einheit von romanischer Doppelkapelle, dem ältesten Teil der Abtei, gotischer Basilika und weitläufigem Vorplatz strahlt eine wunderbar kontemplative Ruhe aus. Stellt euer Rad beiseite, genießt den Augenblick. In der Kirche gibt es auch kostbare Wandteppiche aus der Zeit um 1500 zu bestaunen. Immerhin trägt die Anlage den Titel monument historique. Wie wäre es jetzt mit einem Picknick mit frischem Baguette? Auf dem Weg nach Bouxwiller könnt ihr auf der Ferme Herrenstein den Käse dazu kaufen.

Super leckerer Blaubeerkuchen: Au charme du passé, Bouxwiller
Super leckerer Blaubeerkuchen: Au charme du passé, Bouxwiller

Unser Piece of the day war allerdings das Au charme du passé in Bouxwiller. Ein liebevoll dekorierter Salon de thé, ausgestattet mit einer Fülle von Antiquitäten samt Kuriosa, in einem Seitengässchen der Grand Rue. Hier bekommt ihr den wohl besten Blaubeerkuchen des Grand Est. Mit einer wunderbar luftigen Baiserhaube. Selbst gebacken vom Hausherrn, der von Berufs wegen ein vielbeschäftigter Schreinermeister ist. Das Cafe dagegen ist die Domaine seiner Frau, die ihre Gäste mit Charme und Warmherzigkeit empfängt. Ihre Zitronencremetorte, den Pflaumenkuchen und den Erdbeerkuchen mit Nuss hätten wir gerne noch gekostet, aber ein Stück und ihr seid pumperlsatt. Jeder Tisch erzählt von Madames Leidenschaft für Nostalgisches, das man hier natürlich auch erstehen kann. Vom Steiff-Dackel bis zu elsässischen Trachten im Puppenformat – hier wird man fündig. Im Sommer sitzt man in einer hübschen Gasse, umgeben von typischen Fachwerkhäuschen. Natürlich an Tischen mit blütenweißer Spitzentischdecke.

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La Tarte!

Wunderschön dekoriert…

Weiter ging´s also mit kugelrunden Bäuchen. Vorbei an Obstwiesen, kleinen Weilern, leuchtenden Gärten mit Astern, Dahlien und, klar, strahlend gelben Sonnenblumen.

Obersoultzbach

 

Und da ist er wieder, der Taugenichts, wie er fiedelnd seines Weges zieht. Sicher hätte er bei der kleinen Kirmes in Obersoultzbach aufgespielt. Ich seh ihn vor mir: Mit spindeldürren, langen Beinen, wehenden Haaren und fliegenden Rockschößen. Ein Sinnbild des Sommers, der Lebensfreude, Leichtigkeit in jeder Pore. Und einer guten Portion Gelassenheit. Und wer möchte schon das Arbeiten erfunden haben?  Immer der Nase lang. Auch wenn ihn zuweilen das Heimweh drückt. Er wagt und gewinnt. Bis er schließlich seine Liebste findet, die zwar keine Gräfin ist, dafür aber geduldig auf ihren Angebeteten gewartet hat, während er im fernen Italien Erfahrungen sammelte. „Sie lächelte still und sah mich recht vergnügt und freundlich an“, schreibt von Eichendorff am Ende seiner Erzählung, die, auch wenn, oder gerade weil sie manchmal so abstrus mit Zufällen spielt, unser Herz erwärmt. „…und von fern schallte immerfort die Musik herüber, und Leuchtkugeln flogen vom Schloß durch die stille Nacht über die Gärten, und die Donau rauschte dazwischen herauf – und es war alles, alles gut!“

Blumenpracht im Pays de Hanau

Sind die Fahrräder verstaut, könnte ich mir vorstellen im Le Herrenstein einzukehren, oder sogar zu übernachten. Aber davon vielleicht ein andermal.

Obiges Zitat aus dem Taugenichts stammt aus dem entsprechenden Reclam-Bändchen. Eine unterhaltsame, schnoddrige Zusammenfassung als Video mit Playmobilmännchen und -frauchen findet ihr auf YouTube. Selbstverständlich solltet ihr danach schleunigst eine Hängematte aufsuchen und das ganze Büchlein genießen. Eine spätsommerliche Portion Gelassenheit wünscht euch

Stina

Fête du Klevener in Heiligenstein – ein Weinfest der Extraklasse!

Wie jedes Jahr findet auch heuer wieder ein elsässisches Weinfest der Extraklasse statt, und zwar in Heiligenstein, einem äußerst hübschen Dörfchen an der elsässischen Weinstraße, das etwas vom Flair einer Augsburger Puppenkiste versprüht. So bunt und zierlich umrahmen die Häuser die Hauptstraße. Das Fest hat seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Der ganze Ort vibriert förmlich. Jung und alt ist auf den Beinen, urige Weinkeller laden zur Verkostung ein. Genossen werden die besten crus der Traube, die nur hier angebaut werden darf, weil dieser intensive Wein auch irgendwie besondere Wirkung hat. Dazu gibt es deftige Spezialitäten. Einheimische wie Touristen schwofen hier zu den Klängen des  Orchestre FM Light durch die laue Sommernacht. Außerdem bringt ein Hélène-Fischer-Double die Herzen zum Schmelzen. Wann? Vom 10. – 11. August 2019

Infos zum Fest findet ihr auf diesem Portal:

https://www.jds.fr/agenda/manifestations/fete-du-klevener-heiligenstein-107497_A

Klevener heiligenstein elsass alsace wein weinfest
Sollte man unbedingt verkosten…

In Heiligenstein findet man typisch elsässische Restaurants, sodass man nach dem Besuch nicht noch lange fahren muss. Letztes Jahr durften wir bei einem Winzer vor Ort, Michel Meckert, das feine Stöffchen probieren.  Hier findet ihr meinen Beitrag dazu:

Von Äbtissinnen, heiligen Steinen und edlen Tropfen

Geht hin, ihr werdet es lieben! Ob ihr Helene mögt oder nicht. Ein wundervolles Allround-Erlebnis wünscht euch

Stina

Mit dem Fahrrad zu den Sternen – Véloroute du canal de la Marne au Rhin und Hotel Restaurant A l´étoile im elsässischen Mittelhausen

Angler am Canal Marne Rhin

Maritimes Feeling mitten im Elsass? Ich empfehle eine 2-Tages-Tour mit dem Fahrrad entlang des Rhein-Marne Kanals, auf der Véloroute du canal de la Marne au Rhin. Hin und zurück. Im Juni, wenn der Gelbsenf blüht, kleine Enten erste Ausflüge mit ihrer Mutter wagen. Ein friedvolles, entspannendes Erlebnis. Freundliche Menschen radeln auf dem Weg, ein paar Meter weiter schippern Freizeitkapitäne frohgemut vorüber. Manche, wie es sich gehört, in blau-weiß gestreiftem T-Shirt. In der Ferne grüßen die blauen Kämme der Vogesen.

Fahrradweg Canal Marne Rhin Elsass, Alsace
Immer am Kanal lang…

Wir starten von Lutzelbourg. Wer möchte, kann sich hier mit ein paar Crêpes für die Weiterfahrt stärken. Hin und wieder gibt es auch scharfe Merguez und kaltes Bier. Der kleine Ort rüstet langsam aber sicher für Fahrradtouristen und Wanderer auf, die in entgegengesetzter Richtung zu uns zum Plan Incliné in Arzviller unterwegs sind. Ein bisschen Budenzauber also zum Auftakt. Dann rauf auf die Räder und ab auf den wunderbaren, gut ausgebauten Eurovélo 5, der sich von London über Strasbourg bis nach Brindisi erstreckt. Vorbildlich beschildert und – vor allem – eben. Auch ungeübte Fahrradfahrer können sich hier ihre Etappen zusammenstellen, Ein- und Ausblicke genießen. Ein Gasthof zum Übernachten findet sich immer. Mit dem E-Bike haben wir knapp 46 km pro Tag geschafft, Tourentempo.

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Weite.

Auf dem Kanal tummeln sich schon diverse Hausboote, die man in Lutzelbourg mieten kann. Nach kurzer Einweisung darf man die auch ohne Bootsführerschein durch die zahlreichen Schleusen steuern. Je mehr Leute mitfahren, desto billiger wird das kostspielige Vergnügen. Wir passieren Saverne, eine kleine Residenzstadt mit geschäftiger, fachwerkgeschmückter Einkaufsstraße, Schloss Rohan, Burg und der altehrwürdigen Maison Katz. Wie wäre es mit einem Eis? Nein, wir sind im Fahrradrausch; mit 20 Sachen brausen wir den Kanal entlang. Über uns kreisen die Störche. Im Gras quakt es verräterisch. Farben wie aus einem Aquarell. Sie wissen schon, jenes, das man in den Sechzigern als Sommeridyll vor Augen und an der Wand hatte.

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Fast wie am Meer

Lichtes Grün, blasses Blau, strahlendes Gelb. Schäfchenwolken. Auf den Feldwegen gutgelaunte Sommerfrischler, bunte Tupfen im Sommerlicht, fröhlich winkend. Wir winken zurück. Ideal zum einhändig Fahrradfahren-Üben. Man versteht, was es heißt, wenn der Himmel hoch ist. Vogelgezwitscher allenthalben. Wir passieren Steinbourg, benannt nach den Steinbrüchen, die noch heute die schönsten Platten liefern. Außerdem ist ´s ein Storchendorf, das sich der Wiederansiedlung des elsässischen Wahrzeichens widmet. Gerade jetzt kann man die Störche in ihren Nestern bei der Aufzucht der Jungen beobachten. Lupstein, Dettwiller folgen. Aufgeräumte, kleine Vogesendörfer. An einem Schleusenhäuschen vor Hochfelden, bekannt durch die Météor Brauerei, verzehren wir Baguette mit Käse. Fehlt nur noch das Bier. Tatsächlich finden wir ein kleines Büdchen mit Sitzplätzen im Freien. Ein Huhn pickt um unsere Füße herum. Die Bierleitung müsste mal gereinigt werden. Wäre idyllisch, wenn die Servicekraft nicht auf die Idee käme, uns mit überlauter Popmusik zu beschallen. Vogelgezwitscher ade.Canal_Marne_Rhin_Saverne_elsass_alsace_cyclist_velo_fahrradweg_fahrrad_beschreibung_plan

Weiter also nach Waltenheim-sur-Zorn mit seinen üppigen Wandmalereien im Lokalkolorit. Witzige, eigensinnige, elsässisch inspirierte personalisierte Briefkästen derselben Künstler, Charly und Barbara Hamm, kann man hier übrigens gleich erstehen oder sich per Internet schicken lassen. Unser Ziel ist das Hotel-Restaurant A l´étoile in Mittelhausen, ca. 18 km vor Strasbourg. Dazu verlassen wir den Eurovélo 5 und strampeln über einen Feldweg, später ein Stück Straße entlang, Richtung Wingersheim, wo die Einheimischen gerade einen Flohmarkt vor imposanter Fachwerkkulisse veranstalten. Auf dem Weg: Der berühmte Hopfen, der sich der Sonne entgegen reckt.

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Ruhig und gelassen

Der Empfang im A l´étoile ist, wie man sagt, chalereux, unsere Wahl ein Glücksfall. Eine gutgelaunte Gästeschar verlässt gerade das Restaurant. Unser kleiner Hund wird gestreichelt. Man fragt, woher wir kommen. Hier soll es den Gästen gut gehen. Deshalb kommen sie wohl auch immer wieder. Das familiengeführte, traditionsreiche Hotel mit fantastischem Schwimmbad und eigenem Spa-Bereich ist elsässisch gepflegt. Ruhig liegt es in einer pittoresken Seitengasse, ist Mitglied des Logis de France. Seit 1978 leiten es Monsieur Jacques Bruckmann, alias Jacky, und seine Frau Chantal. Gemeinsam mit Fernand Mischler, dem Sternekoch des Cheval Blanc in Lembach, entwickelte Monsieur Bruckmann eine Küche, die elsässische Kochkunst mit zeitgenössischen, bisweilen sogar exotischen Genüssen vereint.

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Warmherziger Empfang: Die Bruckmanns mit Dackel Gaston

Wir checken ein. Merken, dass wir nicht nur das Hundefutter, sondern auch eine Hose für meinen Mann vergessen haben. Da er nur eine kurze Fahrradhose mithat, bekommt er kurzerhand meine Jeans (Ja, ich bin muskulös…). Ich verstecke meine längere Radlerhose, so gut es geht, unter einer langen Weste. Underdressed stiefeln wir ins Restaurant, das gewiss feinerer Kleidung würdig wäre. Aus seiner Tragetasche entwischt der Dackel, bringt beinahe die Kellnerin zu Fall. Gläser klirren. Sie fängt sich professionell. Wir schämen uns, die Crew nimmt´s lächelnd.

Gaststube A l´étoile Mittelhausen Elsass, Alsace
Elsässische Gemütlichkeit, aber nicht nur…

Was nun suchen wir, wenn wir ins Elsass reisen? Jawohl, Tradition. Holzvertäfelung, karierte Tischdecken und elsässische Spezialitäten. Nur dass Letztere hier einen, zwei, drei  Ticks delikater, eleganter, pfiffiger kredenzt werden. Eine gekonnte Liaison von Gemütlichkeit und Innovation. Einen Tisch sollte man hier auf jeden Fall reservieren, denn das Restaurant ist überschaubar, und gerade darum so gemütlich. Nachdem wir an der Bar einen Picon und einen Kir au vin blanc getrunken, sowie zwei delikate Mini-Flammkuchen schnabuliert haben, bestellen wir das Menu zu 30 Euro.

Vorspeise Menu A l´étoile Mittelhausen, Alsace, Elsass

 

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Er darf nicht fehlen.

Forellenterrine mit Schnecken an einer fluffigen Schaumsoße, danach zart gebratenes Schweinefilet mit Pistazienkruste mit selbstgemachten Spätzle, zum Abschluss eine gehaltvolle Mousse mit Marc de Gewürztraminer nebst Mango-Sorbet. Pot-au-feu, Tafelspitz, steht genauso auf der Speisekarte wie Jakobsmuscheln thailändisch mit Gemüse. Sicherlich nichts um sich samstags die Wampe voll zu schlagen, aber für Genießer exzellent. Und glauben Sie nicht, dass Sie nicht satt werden! Der Service ist umsichtig, jedoch dezent, persönlich.

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Einladend.

Mit kugelrunden Bäuchen, belebt vom Rouge de Marlenheim, unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang durch den idyllischen Ort, in dem gerade sämtliche Rosen ihr Bestes geben. Auf der Anhöhe erblicken wir ein Kirchlein, die Kapelle von Hohatzenheim aus dem 12. Jahrhundert. Bis dorthin schaffen wir es heute nicht mehr. Unser Dackelchen hüpft uns glücklich um die Beine. Im Korb, auf dem Fahrrad, kann man ja doch nur schlafen. Sieht so ein perfekter Tag aus? Bis auf die lärmende Bude in Hochfelden auf jeden Fall. In unserem gemütlichen Zimmer – nebst frecher Tomi Ungerer– Radierung – liege ich noch ein wenig wach. So viele Eindrücke, aufgereiht wie an einer Perlenschnur…

Am nächsten Morgen: Ein kleines, aber feines Frühstücksbuffet samt frischgebackenem Kuchen. Die Bruckmanns sind schon wieder voll aktiv, um das Wohl der Gäste besorgt. Noch schnell ein Foto mit den Hoteliers. Aber bitte mit Dackel. Sie haben nämlich ihren eigenen: Gaston. Und, wie es scheint, ist er genauso ein Sturkopf wie unser Jungspund. Also: Hoch die Dackel und lächeln. Wir kommen sicher wieder! Angemessen gekleidet. Merci für die schöne Zeit in Ihrem Haus und Ihre wunderbare Gastfreundschaft!

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Einfach Zucker, dieses Restaurant!

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Schleusenhäuschen in Mintgrün.

Am Kanal entlang geht´s zurück nach Lutzelbourg mit seinem kleinen Yachthafen, Port de Plaisance. Und wieder entdecken wir Neues. Spannend, so ein Rückweg. Wir zeigen rechts und links: Also da müssen wir aber auch mal hin… Unsere Pos tun weh. Ganz langsam zieht es auch ein bisschen in den Knien. Von einem Boot winken leicht verkaterte Gestalten in blau-weißen Ringelshirts. Schließlich war gestern Vatertag. Mit letzter Kraft erreichen wir den kleinen Hafen. In einem kleinen Laden mit einheimischen Produkten ersteht mein Mann Baguette und Käse. Moment mal, war das nicht gestern….?

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Elsass-Tassen von Julclub

Fahrt unbedingt mal hin

Eure Stina