Kleine Notiz vom sturmumtosten Struth

Krokus vogesen
Struth Nordvogesen vosges du nord

Der Wind bläst kräftig an diesem Freitagnachmittag Anfang Februar. Mit einem kleinen Spaziergang ins Wochenende starten, das wollten wir. Zufällig passierten wir Struth, ganz in der Nähe des elsässischen Vorzeige-Örtchen La Petite Pierre, der kleine Stein. Struth also. Gerade mal 251 Einwohner. Und dennoch ein ganz besonderes Dorf. In zweierlei Hinsicht: Hier gibt es eine Synagoge sowie einen Garten der Steine. Angelegt von Monsieur Pierre Richard – nein, nicht dem Pierre Richard. Eine ganze Menge Steine also, und damit scheinen bei Weitem nicht alle Geheimnisse des Dorfes gelüftet zu sein.

Wuthering Heights. Die Frisur hält nicht. Wir beschließen noch ein wenig durchs Dorf zu bummeln. Beschaulich, unaufdringlich liegt es in der noch zögerlichen Februarsonne. Und recht eben. Ideal zum Fahrradfahren. Könnte auch in Norddeutschland liegen. Der Birnbaum des Herrn von Ribbeck kommt mir unweigerlich in den Sinn. Doch der ist derzeit noch kahl. Stattdessen haben sich die ersten Frühlingsblüher ans Licht gewagt: Winterlinge, Schneeglöckchen, Krokusse. Auch die Häuser und Gärten sind herausgeputzt. Windpiele in den Bäumen, fantasievoll geschmückte Blumenkästen vor den Fenstern, Gartenplastiken in Rostoptik. Man hat den Eindruck durch ein Künstlerdorf zu gehen. Worpswede lässt grüßen. Inzwischen sausen uns die Ohren. Nein, leider, ein Café finden wir hier nicht. Wir beschließen nach Hause zu fahren.

Zuhause, bei einer heißen Tasse Earl Grey und selbstgebackenem Birnen-, nein, Apfelkuchen, finde ich heraus, dass wir an dem ein oder anderen Kleinod vorbeigeweht sind. Allein die kleine Synagoge samt altehrwürdigem Friedhof sind Grund genug also einmal wiederzukommen. Vom siebzehnten Jahrhundert an lebten hier jüdische Familien in friedlicher Eintracht mit – sage und schreibe – vier anderen Religionen. Neben der kleinen neoromanischen Synagoge gab es eine jüdische Schule, heute die Mairie, sowie ein rituelles Bad. Etwas von der Weltoffenheit Struths scheint auch heute noch den Ort zu durchwehen. Doch auch hier mordeten und deportierten die Nazis, machten vielfältiger Kultur ein grausames Ende. Eine Mahnung an uns alle: Wir sollten solchen menschenverachtenden Banden keinesfalls wieder Raum in Deutschland und Europa gewähren. Wir haben die Wahl…

Die Region wirbt übrigens mit dem Slogan „L´océan c´est la fôret“ dafür in die wunderbaren Vogesenwälder abzutauchen. Wer das freundliche Ländle im Département Bas-Rhin erkunden möchte, findet eine übersichtliche Schautafel im Ort. Und dann ist da noch der Jardin de Pierre. Frankreichkenner Gerd Heger, vom Saarländischen Rundfunk, hat einen ausführlichen und schönen Artikel über diese kleine Oase der Ruhe geschrieben. Konnte allerdings nicht in Erfahrung bringen, ob der Garten im englischen Stil noch für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Aber es gibt eine Telefonnummer. Gleiches gilt für die Synagoge. Mehr über sehenswerte Gärten im Elsass erfahrt ihr auch hier.

Übernachten kann man in dieser Ferienwohnung. Leider habe ich kein Gasthaus entdeckt. Aber im Umland gibt es reichlich. Mit dieser kleinen Notiz möchte ich euch lediglich inspirieren einmal absteits der Pfade zu wandeln. Die kleinen Struths rechts und links des Wegs zu entdecken. Haltet die Augen offen. Braust nicht einfach so durch.

Und hier noch ein paar Frühlingsgrüße aus meinem Vogesen-Garten. Wenn ich an einem Samstagmorgen durch das leise sprießende Grün spaziere, geht mir das Herz auf. Ein paar freche Blaumeisen zwitschern, knabbern schon an den Futterknödeln. Hie und da lugen schüchtern ein paar Krokusse hervor. Die Luft riecht samtig-frisch. Bin – wenn auch nur zeitweise – Landbewohner. Endlich durchatmen!

Schneeglöckchen
„Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute…“

Gestern habe ich Veilchen entdeckt! Und die ersten Zugvögel sind auch schon über uns hinweggezogen!

Einen wunderschönen Vorfrühling wünscht euch

Stina

Faster Majas superfina ostkaka med äpplen

Käsekuchen mit Apfel schwedisch

Lär dig svenska genom att baka en kaka / Lerne Schwedisch durch Kuchenbacken

Tante Majas superzarter schwedischer Rahmkuchen mit Äpfeln. Das Rezept findet ihr hier einmal auf Deutsch und weiter unten auf Schwedisch. Eine weitere Köstlichkeit in der Schwedisch-Lern-Reihe: Baka en kaka. Lycka till! Viel Glück!

Lust auf einen Obstkuchen mit Rahm? Ein Blick in den Kühlschrank ernüchtert: Sahne ist da, Quark ist da, Milch ist da. Aber von jedem zu wenig. Hier mein Vorschlag, wie ihr auch mit „Von jedem ein bisschen“ einen lockeren Kuchen zaubert. Und Äpfel braucht ihr nur vier. Backt ihr mit saftigerem Obst, solltet ihr dieses gut abtropfen lassen.

Der Mürbeteig:

  • 200 g Mehl
  • 100 g Zucker
  • 100 g Butter
  • 1 EL Backpulver
  • 1 Ei

Obige Zutaten verknetet ihr zu einem Mürbeteig und stellt ihn kühl. Jetzt legt ihr den Boden einer Springform (26 cm) mit Backpapier aus. Den Rand fettet ihr mit Margarine ein und streut ihn mit etwas Mehl aus. Beiseitestellen.

Für die Apfelrahm-Rahm-Füllung:

  • 4 mittelgroße Äpfel
  • 100 g Zucker
  • 2 Eier
  • 250 g Magerquark
  • 100 ml Milch
  • 200 g Schlagsahne
  • 1 Päckchen Puddingpulver Vanille
  • 3 Prisen gemahlenen Kardamom
  1. Äpfel schälen, entkernen und in kleine Spalten schneiden. Beiseite stellen.
  2. Den Backofen auf 200°C Umluft vorheizen.
  3. Mürbeteig in der vorbereiteten Springform auslegen. Dabei einen Rand formen, der fast bis zur Oberkante der Form reicht.
  4. Zucker und Eier mit dem Rührgerät schaumig rühren. Die restlichen Zutaten untermischen.
  5. Äpfel unterheben.
  6. Rahm-Apfel-Füllung in die Form füllen und ausstreichen.
  7. Kuchen im vorgeheizten Backofen auf zweitunterster Schiene ca. 45 Minuten backen. Eventuell mit Alufolie abdecken, falls er zu dunkel wird.

Nach Beendigung der Backzeit Kuchen ca. 5 Minuten bei leicht geöffneter Backofentür im Ofen lassen. Herausnehmen und in der Form abkühlen lassen. Wer den Kuchen gerne noch etwas warm genießt, kann ihn nach ½ Stunde aus der Form lösen.

Viel Spaß beim Backen

Faster Majas superfluffiga svenska ostkaka med äpplen

Det vore skönt med en ostkaka med frukt! En snabbbakad! Men en titt i kylen visar: Grädde finns, till och med kvark och mjölk. Men för lite av allt. Här kommer mitt förslag hur du fortfarande kan trolla fram en superfluffig kaka!Till mördegen behöver du:

  • 200 g mjöl
  • 100 g socker
  • 100 g smör
  • 1 msk bakpulver
  • 1 ägg

Knåda ovanstående ingredienser till en mördeg och ställ den i kylskåpet. Klä bottnen på en springform (26 cm) med bakplåtspapper. Smörj kanten på springformen med margarin och strö över lite mjöl. Lägg formen åt sidan.

Fyllning:

  • 4 medelstora äpplen
  • 100 g socker
  • 2 ägg
  • 250 g kvark
  • 100 ml mjölk
  • 200 g vispgrädde
  • 1 paket med vaniljpuddingpulver
  • 3 nypor kardemumma
  1. Skala, kärna och skär äpplen i små skivor. Lägg dem åt sidan.
  2. Förvärm ugnen till 200 ° C fläktluft.
  3. Fördela din mördeg i formen. Forma en kant som sträcker sig nästan till formens överkant.
  4. Vispa socker och ägg krämigt. Tillsätt resten av ingredienserna och blanda väl. Tillsätt äpplen.
  5. Häll allt i springformen.
  6. Baka kakan på andra bottenskenan i ca 45 minuter. Täck över kakan med aluminiumfolie om den blir för mörk.

När baktiden är över, låt kakan stå kvar i ugnen i cirka 5 minuter med ugnsluckan något öppen. Låt den sedan svalna i formen och ta ut den. Om du vill njuta av kakan när den fortfarande är varm kan du ta ut den ur formen efter ½ timme.

äppelkaka med kvark
Enkelt och gott! Einfach und gut!

Lär dig mer svenska med att baka en kaka:

Ha det så roligt! Macht´s gut!

Wer kennt Gent?

Schokolade_Gent

In Gent braucht man – fast – keinen Stadtplan. So gut ist der Weg zu den Hotspots ausgeschildert. Man kommt einfach nicht dran vorbei. Ein Grund mehr, sich ganz entspannt treiben zu lassen um Spannendes zu entdecken.

Gent ist Belgiens bestgehütetes Geheimnis. So wirbt zumindest die dortige Tourismuszentrale. Lebhafter als Brügge – immerhin schieben sich jährlich um die 8 Millionen Besucher durch die verwinkelten Gassen des belgischen Kleinods – überrascht die große Schwester mit gutbürgerlicher Gediegenheit und weltoffenem Charme. Und leibhaftigen Einwohnern, ca. 250.000 an der Zahl. Nur ein paar Kilometer von Brüssel entfernt, lockt historisches Kulturerbe neben pfiffiger moderner Architektur. Gegensätze ziehen sich seit jeher an. Im Mittelalter war Gent so bedeutend, dass es in einem Atemzug mit Paris genannt wurde, diesem sogar Konkurrenz machte. Die altehrwürdige historische Innenstadt ist weitgehend autofrei, weshalb man eines der Parkhäuser aufsuchen sollte, um nicht mit den zahlreichen Fietsen sowie Straßenbahn und Bussen zu kollidieren. Wir parken im Kouter am gleichnamigen Plein und ziehen unseren Trolley – ja, einen für zwei plus Dackel – durch belebte Straßen, enge Gassen, großzügige Boulevards.

Unser Best-Western-Hotel, Résidence Cour St-Georges, liegt am Hoogpoort, einer Seitenstraße zur St-Baafs-Kathedrale mit dem berühmten Genter Altar. Vom Konservatorium wehen klagende Geigenklänge herüber. Aus einem hellerleuchteten Fenster perlt ein Sopran. Der Empfang an der Rezeption ist freundlich, locker. Wir haben Zimmer 1. Wegen des Dackels. So ist der Weg nach draußen, falls er mal Gassi muss, nicht weit. Aha, man denkt mit. Allerdings kommen wir so auch in den Genuss aller an- und abreisenden Gäste. Aber für den günstigen Preis inklusive Frühstück kann man nichts sagen. Das Zimmer selbst ist modern, geschmackvoll. Ein Bad mit Badewanne (Hurra!), ein kleiner Flur. Gegenüber das sehenswerte, uralte Brauhaus Sint Jorishof, am Botermarkt 2, aus dem 15. Jahrhundert, eins, wie aus dem Bilderbuch. Dunkle Balken, holzvertäfelte Wände, flämisch Gedrechseltes, flaschengrüne Hochlehner, altersdüstre Porträt-Schinken an den Wänden, schwere Orientteppiche auf dem Boden. Der fröhliche Zecher, der Esser, irgendwie Franz Hals. Gut speisen soll man hier, im ehemaligen Zunfthaus der Schützen. Leider nur mit Reservierung, wie wir feststellen müssen, als wir am Samstagabend gutgelaunt ins Lokal stürmen – und enttäuscht wieder raus. Sint Joris alias Drachentöter St. Georg war nicht mit uns. Auch nicht mit den armen Tieren, die ausgestopft auf die Besucher herabblicken. Der Abend hier hätte durchaus Erlebnischarakter gehabt. Schade.

Doch beginnen wir von vorne. Es ist Freitagnachmittag, wir haben eingecheckt. Habe den wirklich informativen Stadt- und Eventführer visitgent , der kostenlos an der Rezeption ausliegt, inspiziert. Möchte jetzt ein wenig städtisches Flair atmen, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Altstadt in Augenschein nehmen. Fünf Minuten später stehen wir auf dem St-Baafs Plein vor der Kathedrale und folgen den Wegweisern Richtung Gravensteen. In einer Seitenstraße nehmen wir ein ungewöhnliches Gemisch aus Tacos, Chorizos samt Käsewürfeln mit scharfem Senf zu uns. Letzteres eine Spezialität. Den vermutlich besten Senf Belgiens gibt seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Familie Tierenteyn-Verlent dazu. Ein Besuch in den historischen Geschäftsräumen lohnt sich, denn „De winkel is weinig veranderd sindsdien“, wie es so heimelig auf der Webseite des Unternehmens heißt. Doch zurück zu unserem Café. Das Etablissement kündet von der Weltläufigkeit der Genter und davon, dass dies eine Universitätsstadt ist – mit viel jungem Volk. Fühle mich alt. Erinnere mich aber wenigstens daran, einmal jung gewesen zu sein. Könnte ich bitte noch ein Bier haben?

Gefühlte 1 Grad, der Wind pfeift uns um die inzwischen roten, mittelalten Ohren. Also nach links in die belebte Einkaufsmeile, die wirklich nur interessant ist, wenn man sich eine Mütze kaufen möchte. Shoppingkette an Shoppigkette. Jedoch: Am Ende links abgebogen und schon beginnt das Gent, auf das wir hofften: Die Kraanlei, ein malerisches Kai, flankiert von spitzgiebligen Kaufmannshäusern aus Mittelalter und Renaissance, als die emsigen, dabei halsstarrigen Genter Bürger anderen europäischen Städten in puncto Tuchhandel und -Verarbeitung den Rang abliefen. Eine gewinnträchtige Eigenart, die einige flämische Kaufleute mit dem Leben bezahlen mussten. Wo sich Häuser gefährlich nach vorne neigen, damit Kornsäcke leichter nach oben gehievt werden konnten, reiht sich ein Restaurant, ein alternatives Café ans nächste. Mit dem Charme des Selbstgemachten. Kleine Designer-Labels, Trödelläden. Kampf dem Marken-Einerlei. Besonders freundlich, mit viel Sachverstand und Liebe zum Detail, empfängt euch eine Design-Community in der Verlängerung der idyllischen Kraanlei, der Oudburg. Das kleine, feine Label J-oké z.B. steht für ausgefallene Keramikarbeiten und Schmuckkreationen. J-oké gehört zu der Design-Community Belgunique, die Kreative aus ganz Belgien vereint. Mehr über Gent als Design-Mekka findet ihr hier. Im Anschluss an einen Besuch könnt ihr in den gemütlichen Restaurants auf der Oudburg exotische Köstlichkeiten genießen. Kantipur, India Palace, Himalaya Restaurant. Na, wie klingt das? Vielleicht treffen wir ja Tim und Struppi, wie sie von vergangenen Abenteuern träumen…

Rund um die Kraanlei gibt es die weltberühmten Waffeln. Auf zierlichen Eisenstühlen genießt man seinen Cappuccino. Dick eingemummelt sogar im Winter. Im Huis van Alijn, dem Museum des täglichen Lebens, können handygestresste Kinder und Eltern ausprobieren, wie es sich Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Weiter geradeaus stößt man auf den Sint Veerleplein mit dem dazugehörigen Gravensteen, einer Burg mitten in der Stadt mit Fähnchen, Wimpeln, die in der steifen Brise flattern, heute ein rühriger Ort für Ausstellungen, Festivals und Mittelalter-Fans. Belgische Spezialitäten wie Bier und Schokolade sollte man auf dem Veerleplein nicht kaufen. Sie sind ausnahmslos überteuert. Aber im Café ´t Geduld unter einem Wärmepilz eine heiße Schokolade mit üppig Sahne oder ein Westmalle tripel (9,5%) trinken, das sollte man sich schon gönnen. Da direkt nebenan das Touristenbüro liegt, kann man die mit Stadtkarte umherirrenden, ganz aufgeregten Neuankömmlinge von hier aus besonders gut beobachten. An Samstagen treffen sich hier Genter Frauen fortgeschrittenen Alters um den neusten Tratsch auszutauschen. Fühle mich jung, obwohl mittelalt. Überhaupt: Irgendwas machen wir in Deutschland falsch: Alle, mit denen wir geredet haben – die Genter sind freundlich, offen – sprachen neben Flämisch und Französisch auch Englisch und Deutsch. Und zwar fließend. Eine ältere Dame – vermutlich Hellseherin – hat mich sogar auf Schwedisch angesprochen. Schiebe das Polyglotte mal auf den Umstand „Seefahrer-Nation“. Wir schlendern weiter, nehmen links, aus den Augenwinkeln, den Alchemist wahr, wo man seine Bierverkostung fortsetzen könnte. Zumal der kostenlose sowie nachhaltige Wandelbus gerade an uns vorbeirumpelt. Wir biegen links ab, in eine pittoreske Gasse, die auf die Graslei und Korenlei mündet, die Pracht-Ufer der Leie.

Mystische Burg mitten in der Stadt: Gravensteen

Ausflugsboote liegen am Kai. Kuppeldächer, haushohe Sprossenfenster, riesige Lüster sowie die Leuchtmittel der zahlreichen gemütlichen Lokale spiegeln sich im Wasser. Besonders die Cafés in den Innenhöfe laden zum Verweilen ein. Venedig lässt grüßen. In der heraufziehenden Dämmerung ist die Illusion perfekt. Unter den imposanten Brücken herrscht munteres Treiben. Studies sitzen im Schatten mächtiger Pfeiler auf dem Boden. Sehe ich wärmende Decken? Irgendwie nicht. Sie tun, was Studierende in ihrer Freizeit eben so machen: Reden, Rauchen, und ziemlichen Radau. Das machen sie an Wochenenden bis ungefähr 6 Uhr morgens. In Zehnerformationen ziehen sie polternd und angeschickert durch die Stadt und leider auch an Zimmer Nr. 1 vorbei. Wir drücken uns die Nasen am Café Alice platt, das mit barocker Pracht lockt. Morgen werden wir es leider nicht mehr finden. Ist einfach alles zu schön bunt hier.

Gent Altstadt
Elektrische Nachtschwärmer an der Sint-Michiels-Brug

Über die Sint-Michiels Brug, die St. Michaels-Brücke, wandeln wir über den Vorplatz der scheldegotischen St-Niklaaskerk, mit dem wunderbar nostalgischen Riesenrad (Das letzte Bier war schlecht!!!) zum Hotel zurück. Die Kirche wurde von reichen Kaufleuten erbaut, dem Heiligen Nikolaus von Myra zu Ehren, der ein Herz für Kaufleute, Tuchproduzenten sowie Getreidehändler gehabt haben soll. Ich dachte immer, er sei gut zu Kindern gewesen. Sei´s drum. Vor unserem Fenster stehen irgendwelche gutgelaunten Herren und machen… Radau. So ein Tag in einer fremden Stadt macht platt. Wir essen in einem Wok-Küchen-Restaurant mit Kantinenflair. So können die Meinungen über ein gemütliches Abendessen beim Chinesen zwischen Eheleuten auseinander gehen! Dachte rote Lampions, winkende Glückskatzen…

Unser Zimmer verfügt über einen Fernseher. So um 21:30 müssen wir eingeschlafen sein. Dann, 2 Uhr nachts: Vor unserem Fenster stehen gutgelaunte Männer mit ihren Trolleys und prosten sich mit Bier zu. Von ferne höre ich krakeelende Studierende. Unser Hund bellt nicht mal mehr ob des Aufruhrs. Er käme sonst zweifelsfrei hinter den Atem.

9 Uhr. Taumele übernächtigt in den Frühstücksraum. Eine handbemalte Tapete, schätze mal 17. Jh., spannt sich über die Wände. Exotische Vögel in arabeskem Grün. Ein riesiger Messingleuchter spendet schummriges Licht. Im Hintergrund gediegener Jazz. Das Frühstück ist 1A, lässt nichts zu wünschen übrig. Die übrigen Gäste wirken ausgeruht. Ihre Zimmer gehen nach hinten raus. Meidet Zimmer 1-3!

Da ist er ja wieder: Der Wind! Meine Wollmütze hat sich jetzt schon bezahlt gemacht. Es ist Samstagmorgen. Wir stiefeln los. Diesmal überqueren wir von der St Baafs-Kathedrale kommend linkerhand die Hauptstraße, gehen Richtung Kouter. Dahinter liegt das modernere, weniger pittoreske, jedoch nicht minder spannende Gent. Geschäfte und Cafés jenseits des Touristentrubels. Die freundliche Frau aus dem alteingesessenen Zigarrengeschäft bringt Wasser für unseren Hund. Er müsse ja Durst haben, bei dem ganzen Geshoppe. Ein aufgewecktes Pärchen mittleren Alters zückt derweil seine Portemonnaies um uns ein Bild ihres Pudelmischlings zu zeigen. Die Frau heißt Helga, erfahren wir. Sie heiße nur so, erklärt sie augenrollend, weil ihr Vater ein Faible für Deutsche habe. Helga komme ja ursprünglich aus dem Nordgermanischen, tröste ich sie. Sie wirkt nicht überzeugt, lacht sich aber einen Ast. Dann verkündet sie, wir sähen jünger aus als wir seien. Was soll ich jetzt davon halten?

Im De Krook, einem durchaus futuristischen Gebäude, sitzen Menschen aller Altersstufen, surfen, unterhalten sich, trinken Kaffee. „Bibliothek und Ort für Wissen, Kultur und Innovationen“, der emsig genutzt wird. Die Genter wirken sehr zufrieden mit ihrer Stadt. Mir steigt der Duft frischgebackener Waffeln in die Nase. Meinem Mann steht der Sinn nach weiteren Bier-Degustationen. Der Kompromiss ist ein Besuch des Genter Altars. Da aber jeweils einer mit dem Dackelchen draußen in der Kälte warten muss, verschieben wir diesen Augenschmaus auf unseren nächsten Besuch in Gent und statten Sint Baafs nur einen kurzen Besuch ab. Wir schnüren noch ein wenig durch die Gassen. Auf dem Vrijdagmarkt mit seinen Gildehäuseren – die erste Bude stand hier bereits 1199 – erstehe ich eine kommerzielle Waffel. Knatschig, klebrig, obersüß! Waffel-Trauma.

Aber im Kaufhaus Post Plaza, da erschnuppere ich das beste Parfüm meines Lebens. Ich sage nicht, was es kostet. Aber ich verrate, dass es mein Budget bei Weitem überstiegen hätte. Dennoch erzählt mir die freundliche Verkäuferin alles über die Marke. Man habe es mit einem ausgeklügelten imaginären Clan, einer duften Familie zu tun, den Penhaligons. Jedes Mitglied habe seinen eigenen Charakter samt entsprechendem Duft. Wer würde nicht gerne einmal wie The impudent cousin Matthew, der unverschämte Cousin Matthew, oder Roaring Radcliff duften? An The Tragedy of Lord George, The Revenge of Lady Blanche oder einem Duft namens Terrible Teddy möchte ich vielleicht nicht mit schuld sein. Mein Favorit ist Heartless Helen. Hoffentlich offenbart sich hier kein Konflikt zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Nur so viel: Kopfnote: Rosa Pfeffer, Mandarine; Herznote: Tuberose, Jasmin; Basisnote: Hölzer, Cashmeran. Meine Güte!

Mittagsschläfchen im Hotel. Vor dem Fenster stehen… Na, ihr wisst schon. Bald geht´s wieder los. Wir laufen durch die Gassen, die wir noch nicht erkundet haben, hinter der Greevenburg, daneben. Da, ein gemütliches Waffel-Café. Mein Mann hätte eher Lust auf ein Bier. Er schwärmt vom Alchemist. Da gibt es den besten Gin Tonic der Stadt. Schade nur, dass ich gar keinen Gin mag. Aber ich will mal keine Herzlose Helen sein. Doch es gibt auch Bier. Ein helles für die Dame, ein dunkles für den Herrn. Ganze Familien strömen in die winzige Kneipe. Ein armes Gnu guckt zu. Draußen Betriebsamkeit. Einfach nur dasitzen und Leute gucken. Der Magen knurrt. Wir scheitern im Sint Jorishof, s.o.! Ganz Gent hat reserviert. Überall. Speisen in einem Imbiss.

Um 21 Uhr sind wir wieder zurück. „Party!“, ruft uns die patente Rezeptionistin zu, als wir in Zimmer 1 verschwinden. 21.30: Wir geben die Schlummerles.

Gent Altstadt Julclub

Sonntag. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Wir genießen das üppige Frühstück. War der feuchte Fleck an der Decke gestern auch schon da? Und die Delle? Wir erfahren, es gebe einen Wasserschaden. Die Managerin kümmere sich darum. Derweil schleicht die Reinemachfrau umher, als fürchte sie um ihr Leben. Stuntmäßiges Stürzen vom ersten Stock in den Frühstücksraum gehört sicher nicht zu ihrer Arbeitsbeschreibung. Auch mein Mann mahnt zur Flucht. Gutgelaunte Männer mit Trolleys winken uns hinterher. Adieu Zimmer Nr. 1. Noch schnell 50 rosarote Tulpen zu tatsächlich 10 Euro am Kouter Plein gekauft, wo sonntagsmorgens ein Blumenmarkt stattfindet. Ich ahne einen Hauch von Früüühling! Sollen wir nicht noch eine Waf…?

gent bibliothek
Volksnahe Bibliothek, innovatives Kulturzentrum: De Krook

Dabei hätte ich so gern noch gesehen:

Gent Hund

Das Schloss von Gerhard dem Teufel: Geeraard de Duivelsteen. Nur, weil er so hieß.

Die Sankt-Bavo- und die Sankt-Peters-Abtei, deren Innenhöfe sehenswerte Oasen für Pflanzenfreunde sind

Das Kunstviertel

Mindestens ein Beginenkloster

Außerdem hätte ich gerne im Tearoom des Café Alice ein lekker Broodje gegessen. Dort kann man sein Winkelmandje, seinen Einkaufswagen, auch online mit Törtchen, Quiches & Co. füllen.

Wir kommen wieder. Wenn es wärmer ist. Dann besuchen wir auch den Botanischen Garten der Universität.

Ausführliche Infos zu Gent findet ihr – wie gesagt – in dieser wunderbaren Broschüre zum Gratis-Download: visitgent

Fahrt mal hin

Gent kouter