Mystischer Wasserwald bei Hultehouse

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Es gibt Orte, die haben eine ganz besondere Atmosphäre. Hier zwitschern die Vögel lauter, Blätter rascheln geheimnisvoll im Wind, die Strahlen der Sonne wirken wärmer. Euch streift der Atem der Geschichte. Ja, es wird einem ganz spirituell zu Mute. So ein Ort ist die keltisch-römische Siedlung im Wasserwald.

Nasses Moos auf glitschigen Felsen ist gar nicht so selten, jetzt, Ende Januar. Zumal in den Nordvogesen. Immerhin ein Mittelgebirge. Mit bisweilen rauem Charme. Die warme Decke liegt ganz allein zuhause, während mein Mann und ich uns auf einem Felsen, auf meinem Schal, drängeln, die letzten Lebkuchen knabbern und heißen Pfefferminztee trinken. Dackel Nuri inspiziert derweil die Gegend. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre sind wir jetzt schon dem – zumindest am Anfang – gut beschilderten Pfad mit dem gelben Punkt auf den Leim gegangen. Immer hat er uns über unwegsames Gelände, durch matschiges Gras, über rutschige Baumstämme geführt. Man hätte es eigentlich wissen müssen. Mystisch ausgedrückt: Irgendjemand wollte nicht, dass wir so mir nichts dir nichts – oder überhaupt – zum Wasserwald kommen. Einfacher: Wir haben´s vermasselt. Damit euch das nicht passiert, ihr safe and sound am Wasserwald ankommt, findet ihr am Ende des Artikels eine Wegbeschreibung.

Die kleine Ansiedlung ist nämlich ganz leicht über einen gut begehbaren Fußweg von Hultehouse aus zu erreichen. Packt eine Decke zum Draufsitzen ein, eine Thermoskanne mit Tee oder Kaffee und ein paar Brote, Kuchen, Croissants. Was immer euch einfällt. Denn ihr werdet verweilen. Auf den alten Steinmauern sitzen. Durchatmen, zur Ruhe kommen. Auch mal ruhig sein, nicht reden. Eben dem Wald, der Natur, dem besonderen Ort die Kommunikation mit euch überlassen.

Ist das nicht schön? Einfach mal nicht reden!

Die Überreste des Dorfes im Wasserwald aus gallo-römischer Zeit (3. vorchristliches Jahrhundert) befinden sich an der Grenze der Departements Bas-Rhin und Moselle auf einer kleinen Hochebene der Nordvogesen. Die einstigen Bewohner des kleinen gallischen Dorfes gehörten zu dem Stamm der Mediomatriker, die sich erfolgreich gegen die römischen Invasoren (Romans go home!) und deren Kultur zur Wehr setzten. Asterix, ick hör dir trapsen. Sie waren Selbstversorger, lebten das, was historisch gesehen als Kultur der Vogesengipfel gilt.

Seht ihr ihn auch, den blauen Punkt neben unserem kleinen Hund? Muss eine Elfe sein oder so was ähnliches. Natürlich könnt ihr den Wasserwald auch als einen Haufen bemooster Steine, ein paar übriggebliebene Grundmauern betrachten, euch die Sonne auf der Nase tanzen lassen. Aber vielleicht ist da doch noch etwas mehr… Oder ihr stammt, wenn ihr aus dem Saarland kommt, sogar von den ehemaligen Bewohnern, den Mediomatrikern, ab. Ihr seid besonders rebellisch? Allergisch gegen Römertöpfe? Ganz klar: Potentielle Wasserwald-Fans!

Archäologische Fundstücke aus dem Wasserwald könnt ihr übrigens im Musée de Sarrebourg ebendort bestaunen.

Nur ein Haufen alter Steine oder Kraftort? Probiert´s aus!

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Bitte nach links abbiegen!

Ausgangspunkt ist der kleine Weiler Hultehouse oberhalb von Lutzelbourg in den Nordvogesen. Von Lutzelbourg aus schlängelt sich eine Straße nach Hultehouse, die dort in die Hauptstraße übergeht. Dieser folgt Ihr immer weiter nach oben Richtung Chalet Club Vosgien du Limmersberg. An der Kreuzung Rue de la Côté und Route de Dabo seht ihr schon die Wanderwegweiser. Biegt nach links ab. Immer geradeaus, den Berg hoch. Am Wasserhäuschen könnt ihr parken. Oder auch im Ort, der sehr beschaulich ist.

Grenzwertig: Borne

Jetzt wird es ein bisschen tricky. Nur NICHT nach rechts auf den Wasserwaldweg mit dem gelben Punkt abbiegen! Haltet euch links. Der Weg zum Wasserwald war nämlich ehemals mit diesem gekennzeichnet, endet aber im Nirgendwo. Der neue Weg wurde mit dem blau-weißen liegenden Rechteck bzw. dem roten Kreis, und dem grünen Punkt zusammengelegt. Am einfachsten ist es, wenn ihr dem Wegweiser vom Parkplatz am Wasserreservoir aus zum Chalet des Club Vosgien du Limmersberg mit dem gelben Dreieck folgt, am Chalet, das linkerhand liegt, vorbei und immer geradeaus wandert. Ab hier ist der Weg gut ausgeschildert (mittleres Bild) und führt euch schnurgerade zum Wasserwald.

So könnt ihr auch wieder zurückwandern. Auf dem Weg werdet ihr an ein paar interessanten Grenzsteinen aus dem 18. Jahrhundert vorbeikommen, sog. bornes. Für Hin- und Rückweg braucht ihr bei normalem Tempo eine gute Stunde.

Viel Spaß! Grüßt mir die Waldgeister und Ahnen

Stina Julclub Leben bei den Wichteln
#julclubmeinlebenbeidenwichteln

Les délices de la campagne

Warum die Hochebene von Saint Louis in Lothringen einen Besuch wert ist

Es ist vielleicht nicht der spektakulärste Ort am Rande der Nordvogesen, aber die friedvolle Weite der sonnigen Hochebene lohnt einen längeren Spaziergang allemal. Die Rede ist vom lothringischen Saint Louis, das umgeben ist von Weiden, Wiesen und Feldern, kleinen Wäldchen und sonst… recht wenig. Und das ist gut so. So kann man den Blick auf die blauen Berge der Vogesen auch wirklich genießen. Ein knackiger, roter Apfel markiert den Wanderpfad, der gerade durch das Fehlen von Berg und Tal wunderbar kontemplativ wirkt. Obwohl, eine abschüssige Passage bzw. Steigung bleibt euch doch nicht erspart. Entscheiden könnt ihr aber, ob ihr lieber am Anfang aus der Puste kommen, oder am Ende, beim Abwärtsgehen, stramme Waden bekommen möchtet. Findet ihr das Apfel-Symbol erst später, ist das auch nicht schlimm. Im Grunde lenkt die Landschaft eure Füße, trägt euch. Ganz weit weg von allem seid ihr hier. Im wahrsten Sinne des Wortes erhaben über das stressige Gewusel und Gewimmel, welches Menschen sich leider allzu oft abhalten. Ein zwei Bänke gibt es, auf denen ihr verweilen solltet. Am besten mit einer heißen Tasse Tee und etwas mürbem Gebäck. So wird es perfekt. Betrachtet die Kopfweiden, überlegt, was die schon alles gesehen haben mögen. Unter Umständen wohl ebenfalls nicht so viel. Vielleicht sind sie deshalb so alt geworden. Ungefähr in der Mitte eurer Wanderung werdet ihr ein Couvent, einen Konvent finden, der allerdings nicht mehr bewohnt ist. Irgendjemand kümmert sich jedoch. Wohl ein paar rührige DorfbewohnerInnen. Denn da sind junge, gepflegte Bäume und auch das Gebäude selbst macht keinen verlassenen Eindruck. In der kleinen Kapelle, Chapelle Saint-Vincent de Paul, zünden wir eine rote und eine grüne Kerze an. Bei dieser Kombi kann nichts schief gehen. Nur, falls eine Kerzenfarbe einen besseren Draht/Docht nach oben hat.

Saint Louis liegt ca. zehn Kilometer östlich von Sarrebourg, im Nordwesten des Vogesenmassivs, zwischen 215 und 393 m über dem Meeresspiegel. Es gehört zum Departement Moselle des Grand Est, ist Teil des Arrondissement Sarrebourg-Château-Salins und der Pays de Phalsbourg. Freizeitkapitänen wird das Schiffshebewerk in Saint-Louis Arzviller bekannt sein. Nicht weit entfernt liegt natürlich auch das hübsche Städtchen Sarrebourg. 1634, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Saint Louis vollständig zerstört und entvölkert. Will heißen, wer nicht fliehen konnte, wurde getötet. Erst 1705 siedelten hier wieder Menschen. Immer wieder wurde das Dorf in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zerrieben. Heute hat die Gemeinde um die 660 Einwohner, les Ludoviciens, deren Vorfahren aus allen Himmelsrichtungen hierher eingewandert sind. So hat der derzeitige Bürgermeister von Saint Louis, Monsieur Gilbert Fixaris, irische Ahnen! Saint Louis ist ein typisches lothringisches Straßendorf. Die eindrucksvolle Kirche liegt genau im Schnittpunkt der beiden Hauptachsen. Verfahren oder verlaufen kann man sich deshalb tatsächlich nicht. Wenn ihr mehr über die wechselvolle Geschichte des Örtchen wissen möchtet, klickt hier.

Unser Geist ist jetzt wirklich Om, im Einklang mit Körper und Seele. Vor allem, weil ich nicht kraxeln muss. Wer mich kennt, weiß, dass ich eher Flachlandtirolerin bin. Tirilli, tirilla! Der erste Zitronenfalter flattert durch die laue Luft, ein Sperber steht hoch am Himmel, ich habe Kuhmist am Schuh, aber es ist… egal!

Glücklich und beseelt machen wir uns auf dem Heimweg, und da entdecken wir:

Les Délices de nos Campagnes

Schade, wir haben eindeutig zu viele Kekse gemampft um hier anzukehren. Aber am nächsten Tag sind wir wieder zur Stelle. Unter dem Motto «De la fourche à la fourchette»*, das im Deutschen nicht so recht klingen mag – verarbeitet Marine Reichheld in ihrem Restaurant und Cateringunternehmen nur frischste Zutaten, überwiegend solche, die dem Bauernhof ihrer Familie entstammen. So können Zwischenhändler, lange Wege, Tierleid vermieden werden. Nun ja, sieht man davon ab, dass Wurst und Fleisch leider noch nicht aus der Retorte kommen. Als echtes Baurenkind weiß Marine, worauf es bei nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln ankommt, bietet gutes Essen Made im Département Moselle an. Zu vernünftigen Preisen. Und was da auf den Teller kommt, kann sich sehen lassen. In unserem Falle ist das:

Eine delikate Gemüsesuppe, gefolgt von einem großen Stück Pizza, und zum Abschluss eine überdimensionale Schwarzwälderkirschtortenvariation. Ja, das Stück war genauso üppig wie das Wort.

Im hinteren Bereich wird ein großer Saal fleißig für Familienfeste, Geschäftsessen usw. genutzt. Gerade gestern hätte sie eine große Kindtaufe gefeiert, erklärt Marine gutgelaunt. Man sieht ihr an: Die Zubereitung von Essen macht ihr Freude. Flugs zeigt sie uns einen Ordner mit Ihren köstlichen Kreationen. Vom pfiffig dekorierten Lachsschnittchen bis hin zum cremigen Bûche de Noël ist alles dabei. Getreu ihrer Maxime , dass jede von ihr zubereitete Mahlzeit von Herzen komme, reist sie sogar bis in die Schweiz, um dort für das leibliche Wohl ihrer Kunden zu sorgen. Will man allerdings einen der zwei bis drei Tische im vorderen Gastraum ergattern, sollte man reservieren. Denn die sind begehrt, kann man von dort doch einen Blick in die Küche erhaschen.

Also, wenn ihr euch kulinarisch verwöhnen lassen möchtet:

lesdelicesdenoscampagnes@gmail.com

Tel: 0033-684732369 (von Deutschland aus)

119 Rue Du 18 Juin, 57820 Saint Louis, France

Hier erfahrt ihr noch mehr über Les Délices de nos Campagnes.

Ihr seht, viele Gründe führen nach Saint Louis!

Saint Louis Nordvogesen Lorraine Lothringen Vosges du Nord

*Von der Gabel auf die Gabel. Wir möchten hier nur spekulieren, dass mit Ersterem die Mistgabel gemeint ist.

Fahrt mal hin!

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Happy Halloween!

Halloween Jutta Stina Strauß Julclub Geist Gespenst

Sagt euch der Name Frank Zappa noch etwas? Ich hoffe schon, denn dieser geniale Musiker hat einen der schönsten Halloweensongs ever geschrieben. Das Goblin-Girl. From the mystery world, versteht sich. Ist es nicht schön, mit dem Fest der grinsenden Kürbisse und unheimlichen Gestalten in die düstere Jahreszeit (die gerade mit goldenen 20 Oktobergraden glänzt) zu gleiten? Trick or treat? Die einen hassen, die anderen lieben es. Es gehört nicht hierher? Wenn´s aber doch schön ist und das Jahr bereichert? Für mich bedeutet die Zeit um Halloween: Ich kann abends endlich wieder mit einer Tasse Tee, einem guten Buch, einer spannenden Serie auf dem Sofa entspannen, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss, weil draußen der Berg ruft, oder ich im Garten so schön Unkraut rupfen könnte. Ehrlich, ich glaube, selbst den abgebrühtesten Naturgeistern war dieser vor Hitze knackende Sommer des Guten zu viel.

Also: Die dunkle Jahreszeit. Spooky, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt wieder Kürbissuppe, die eine oder andere Hexe huscht um die Ecke, merkwürdige Geräusche lassen uns einmal mehr ängstlich über die Schulter blicken. Warum schaut der Hund jetzt so ins Leere und bellt dabei wie verrückt? Und was geht über jenen angenehmen Schauder, den eine gute Gespenstergeschichte uns über den Rücken jagt. Wie jene von Jerry Bundler, von einer versierten Geschichtenerzählerin mit vor Dramatik bebender Stimme vorgetragen. In der Serie Ghosts (auch als BBC-Produktion sehenswert) sind die Geister so liebenswert, dass man direkt Teil der unfreiwilligen Wohngemeinschaft in Button House werden möchte. Selbstverständlich nicht als Gespenst. Dreimal schwarzer Kater!!! Eine unserer ersten Gemeinsamkeiten entdeckten mein Mann und ich, als wir über den Namen eines Schwarz-Weißfilms aus den Sechzigern rätselten. Dabei ging es um ein metaphysisches Experiment auf einem unheimlichen Herrensitz. Und, soviel sei verraten, im Haus wohnt das personifizierte Böse. Der schicksalsschwangere Satz einer Protagonistin „Oh, mein Gott! Wessen Hand habe ich gehalten.“,  war uns beiden im Gedächtnis geblieben. Der Film heißt übrigens Bis das Blut gefriert nach dem Roman Hill House von Shirley Jackson. Und die Hand war nicht jene der Zimmergenossin. Äh, kann jemand die Haare an meinen Armen glätten?

Ähnlich eindringlich, nichts für zarte Seelen ist Die Frau in Schwarz mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe. Die Serie Evil sorgt ebenfalls für schauriges Dämonengruseln, bringt dabei jedoch eine Art von Gemütlichkeit in die Wohnstube, die irgendwie gar nicht sein dürfte. Aber da sind eine tuffe Psychologin, ein zweifelnder Priester, eine medial versierte Nonne, ebenfalls tuff, und eine Menge düstere, olivgrüne Tapeten, wie sie für Horrorfilme obligatorisch sind. Was will man mehr? Insgeheim vermute ich ja, dass besagter Wandschmuck in vielen amerikanischen Behausungen zur Standardausrüstung gehört und bedauerlicherweise gar nicht stört. Halloween hin oder her.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Die Bilder in diesem Beitrag stammen übrigens aus dem kleinen Ort Fénétrange am Rande der Nordvogesen, im Département Moselle. Abseits der Touristenströme, mit einer Menge verblichenen Charmes. Ein verlassenes Genesungsheim, in dem es garantiert spukt, ist sozusagen das gruselige Sahnehäubchen. Unheimlich heimelig dagegen sind die Stadtwanderungen mit dem Nachtwächter bei Einbruch der Dunkelheit.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Tatsächlich werden wir am kommenden Sonntag mit anderen Halloweenfans auf dem Château Lichtenberg im Krummen Elsass herumgeistern. Diese lädt am letzten Oktoberwochenende zu einem Event, das für Kinder nicht geeignet ist, und also auch mich das Fürchten lehren wird. Erinnere mich da an einen alemannischen Faschingsumzug mit gar grauslichen Gestalten, der ein ansonsten beschauliches Schwarzwalddörfchen und ja, auch mich in Angst und Schrecken versetzte. Nur ein gewaltiges Schinkenbrot konnte mich damals wieder erden, ein ebenso gewaltiges Bier meine Kehle besänftigen. Die war nämlich von meinen unzähligen Schreckensschreien ein wenig angegriffen. Nun also Château Lichtenberg. Mein Mann als maskierter Frontman (ist ja schon schrecklich genug) aus der noch schrecklicheren Serie Squidgame, die ich, das möchte ich betonen, nicht schaue, da sie mir zu blutig ist. Ich erscheine, Achtung, Kontrastprogramm! als putziges, wenn auch schon betagtes Goblingirl. Dazu bringe ich naturgegeben alles mit, was ein solches Wesen braucht, außer der grünen Gesichtsfarbe, die ich aber, je nach Schreckenslevel, vielleicht gratis dazubekomme. Denn was, wenn ein echter Psychopath sich, sagen wir mal, als Ersthelfer verkleidet, schwächelnden Burgbesuchern teuflisch grinsend eine echte, unheilvolle Spritze in den Oberarm jagen würde? Gar mit einem Serum, das noch nicht vollständig ausgetestet ist! Oder ich müsste mal für kleine Goblins und erblicke beim ausgiebigen Händewaschen im Spiegel hinter mir eine Freddy KrügerIn mit einem Messer, das nicht von Pappe ist?

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Da kann man dann nichts machen, tröstet mein Mann verhalten. Nun, hoffen wir das Beste. Und wenden uns kulinarischen Hotspots zu:

Im Restaurant Hotel Muhlheim au Soleil gibt es, wie uns das offenbar übermotivierte Übersetzerprogramm verrät, als Menübestandteile Bein vom Wildschwein und Gemüsegärtner. Also, wem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft…

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Auf Französisch hört sich das doch besser an. Traut euch einfach hin!

Wer mit der ganzen Familie halloweenmäßig unterwegs sein möchte, kann sich ebenfalls auf der Lichtenberg austoben. Nur solltet ihr vorher das Programm lesen, das ich euch unten verlinkt habe, damit ihr nicht am falschen Tag mit euren Kids anrückt. Vielleicht habt ihr ja Lust den wunderbaren, preisgekrönten Film Coco anzusehen. Übrigens, habe gerade recherchiert: Von wegen Goblins und putzig! Die sind ja richtig fies! Aber jetzt hab ich, wie gesagt, schon alles parat. Vielleicht gibt es ja auch Goblins ohne spitze Ohren. Die hab ich nämlich vergessen.

Übrigens: Fénétrange mit seiner mittelalterlichen Altstadt geht auch so:

Fenetrange

Oj. Mein Mann hat mir gerade eine oberscharfe Pfefferone als Paprika kredenzt. Brauche einen Arzt. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Eure Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

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Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

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Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina

Für Freunde des Brotes: Boulangerie-Pâtisserie-Epicerie „L´Ami du Pain“ in Gondrexange

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„C´est notre meilleure table.“, mit diesen Worten geleitet uns der junge Mann in der weißen Schürze an einen runden Stehtisch. By the way: Es ist auch der einzige. Doch das tut dem Charme der kleinen Boulangerie/Pâtisserie/Epicerie L’AMI DU PAIN im Herzen von Gondrexange keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das selbstgebackene Brot in vielen leckeren, gar vollwertigen Varianten, die diversen Eclairs und Pains au Chocolat könnten besser nicht schmecken. Gute Wahl, meint Jean Klein, als ich mich für ein üppiges Schnittchen aus Rumcreme auf Ananas auf zartestem Biskuit entscheide. Eine Kreation seines Bruders Luc, auf die Jean sehr stolz ist. Das merkt man. Dazu einen köstlichen Cappuccino mit leckerem Milchschaum. Alles comme il faut.

Wir stehen an unserem Stehtisch und schauen uns um. Alles, was der Mensch für ein gelungenes Essen braucht, findet er hier. Emsige Hanni-und-Nanni-Leserinnen werden sich bei diesem Sortiment an die Mitternachtspartys im fiktiven Internat erinnert fühlen. Wer wäre nicht gerne dabei gewesen, wenn Enid Blytons Protagonistinnen heimlich und kichernd eine Köstlichkeit nach der anderen aus dem Fresskorb zauberten? Das L’AMI DU PAIN würde ich eher mit einer Wundertüte vergleichen, die einem ein staunendes Ah! entlockt, auch wenn das Ambiente erfrischend unkompliziert und gerade nicht trendy ist. Spirituosen, Elsässer Wein, Fleisch- und Wurstwaren aus der Region, Mehl von einer hiesigen Mühle, Eier vom Bauern, Konserven, wenn´ s mal schnell gehen muss. Und Maggi. Unverzichtbares Kulturgut nun auch in Lothringen. Alles mit Liebe ausgesucht, auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten. Aus dem Schaufenster leuchtet uns ein Ständer mit Lollies entgegen. Den bunten, runden, die man so gut in die eine Backe schieben kann. Ich überlege, ob ich mir später noch so einen gönne. Da kommt auch schon unsere Bestellung. Die georderten Kuchen und Kaffees selbst an den Tisch tragen? Kommt nicht in die Tüte. Diesen Service lässt sich Monsieur Jean nicht nehmen.

Seit fast vier Jahren betreiben die beiden Brüder Luc und Jean Klein das Lebensmittelgeschäft mit Schwerpunkt Boulangerie/Pâtisserie. Denn einer der beiden ist, wie es scheint, ein äußerst geschickter und kreativer Patissier, der andere ein aufmerksamer, kompetenter, äußerst sympathischer Verkäufer. Dass der See von Gondrexange gerade um die Ecke liegt, nebst Campingplatz, ist sicher nicht von Nachteil. Das Gewässer ist übrigens auch ein Vogelschutzgebiet, das man in knapp 1 1/2 Stunden umrunden kann. Eben wie ein Topfdeckel und daher für Wandermuffelnde wie Ornithologende mit schwerem Gerät gleichermaßen geeignet. Etwas mehr könnte schon los sein in dem kleinen lothringischen Ort, beklagt Monsieur Klein. So wie früher. Doch der Laden läuft richtig gut, trifft einen Nerv im Zeitalter scheinbar omnipotenter Supermärkte. Warum immer noch bei Food-Magnaten kaufen, die ihre Zulieferer nicht selten auspressen wie Zitronen? Wer weiß? Vielleicht verbringen schon bald kinderreiche Familien, zivilisationsmüde StädterInnen ihre Ferien in Gondrexange, mit Wandern, Fahrradfahren, Zelten, eben allem, was ohne Flugzeug und All-Inclusive zu haben ist. Zumal ja auch die wilden Vogesen in unmittelbarer Nähe sind.

Ein Herr betritt den Laden, kauft seine Ration Flûtes für das Wochenende. Man merkt ihm an: Er genießt die Nähe hier. Das Persönliche. Wie wir, die wir, geschützt vor dem nebligen, nasskalten Novembertag, am Tisch lehnen und köstliche Kuchen und Teilchen verzehren. So üppig, dass unser Mittagessen leider ausfallen muss.

Das L’AMI DU PAIN, so erklärten Luc und Jean in einer Annonce anlässlich der Eröffnung 2018, lade die Leute ein vorbeizukommen, über Gott und die Welt zu reden, sich auszutauschen. Und das, so betonen sie auf der dorfeigenen Webseite, bei 35 °C im Sommer wie 25 Grad in der Nebensaison. Schließlich sei die 112, rue de la Marne schon immer ein Mittelpunkt von Gondrexange gewesen.

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Und wirklich: Im Sommer könnt ihr die mit Kreativität, Freude und Können gemachten Spezialitäten von L’AMI DU PAIN sogar auf dem Vorplatz genießen. Wenn das Geschäft weiterhin so gut läuft, werden die beiden Brüder allerdings bald ein paar Tische mehr aufstellen müssen. Und ja, dann kauf ich mir auch einen Lolli.

Das L’AMI DU PAIN findet ihr 112, Rue de la Marne, 57815 Gondrexange.

Probiert´´ s mal aus und kauft unbedingt auch Brot, Wein und eben alles für euer Mitternachtspicknick!

Eure Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Von der Leine, aber nicht von der Rolle: Jazz in der Kettenfabrik

Kettenfabrik Saarbrücken St. Arnual Jazz Konzert Event Saarland

Welche Konzerte finden wann in der Saarbrücker Kettenfabrik im Stadtteil St. Arnual statt? Das Team des rührigen Jazzclubs ist mit Herzblut dabei, wenn es darum geht Jazzfans mit Events der Extraklasse zu erfreuen. Die sind in der alten Industrieanlage stets klein, aber fein. Und vor allem: Handverlesen. Ich verlinke euch einfach mal auf die Website der Kettenfabrik. Dort könnt ihr euch auch für den Newsletter anmelden, auf dass ihr kein Konzert mehr verpassen möget!

Das Logo der St. Ingberter Kettenfabrik. Mit freundlicher Genehmigung der Organisatoren.
Beitragsbild: Steffen C. Weber auf Pixabay

La Houba – Der Cocktail, der aus den Vogesen kam

La Hoube Cocktail La Houba

Ich geb es zu: Ich bin eine alte Cocktail-Schlürferin. Zu hohen Fest- und Feiertagen genehmige ich mir ein Mixgetränk. Mit oder ohne Alkohol – Hauptsache, es schmeckt. Mag sein, dass der Wohnzimmerschrank meiner Eltern mich entsprechend faszinierte, in dem es tatsächlich eine Minibar gab. Als Kind fand ich natürlich eher die kleinen Gabeln in der dazugehörigen Schublade interessant, mit denen sich z.B. Cocktailkirschen vortrefflich aufspießen ließen, und mit deren Hilfe man immer wieder sein Glas fand. An ihrem Ende befand sich eine schwarze Katze, ein Kleeblatt oder ein Herz. Im Einsatz habe ich sie allerdings kaum gesehen. Allenfalls wurde der Eiskühler für Martini Bianco oder Rosso gebraucht. Ein Spiegel an der Rückwand sowie eine kleine Lampe, die man an einer Schnur an- und ausknipsen konnte, machten aus dem kleinen Gefach einen geheimnisvollen Ort. Ich weiß noch, dass ich mir gerne die bunten, verschnörkelten Etiketten auf den Flaschen ansah. Gleich nebenan wurden die alten Rommé-Karten mit den garstigen Jokern aufbewahrt, mit denen wir ebenfalls zu hohen Festtagen bis tief in die Nacht spielten, wahlweise Knabbergebäck oder Weihnachtsplätzchen naschten. Später wurde der dunkle Mahagonischrank (seiner Zeit der letzte Schrei) durch eine helle Schrankwand im Wohnzimmer ergänzt. Auch hier gab es Schubladen, mit dunkelgrünem Filz ausgelegt, damit sowohl Untersetzer als auch Korkenzieher nicht das Furnier verkratzten. Natürlich auch eine Leuchte, die sich wundersam in den Gläsern spiegelte. Kam Besuch, wurde die Schranktür nach unten geklappt und ein Likörchen ausgeschenkt.

La Hoube Cocktail

Mag auch sein, dass ich noch immer inspiriert werde, wenn ich die eleganten Hausbars in Filmen aus den Fünfzigern oder Sechzigern sehe. Drei Männer im Schnee, die Zürcher Verlobung, Dashiell Hammetts Der dünne Mann. Die Herren im Anzug, die Damen im Petticoat oder eleganten Kostüm. Gut, auch eine Steghose mit Norwegerpullover wäre nicht schlecht. Doch, meinem Traum von einer gelungenen – ich sage wirklich GELUNGENEN – Silvester-Party kommen diese Szenarien tatsächlich nahe. Bin da etwas altmodisch. Und das Frauenbild dieser Zeit, – na, da möchte man ja gar nicht drüber reden. Schauderhaft. Da musste meine Generation noch ganz schön was ausbaden.

Und noch eins: Schluckspechte, die alles in sich kippen, finde ich einfach nur eklig. Aber: Einen Cocktail ab und an, mit einer grünen Olive, halte ich für edel und festlich. Gerade, dass es nicht zur Gewohnheit wird, macht es so fein. Habe mir sogar ein kleines Mix-Set geleistet, inklusive Rezepten. Mein Lieblings-Cocktail in diesem Büchlein ist ein alkoholfreier mit hellem Traubensaft. Doch hier komm zunächst einer, der es in sich hat, vielleicht weil er aus den tiefen Vogesenwäldern stammt. Sehe Kaminfeuer vor mir, man klopft sich den Schnee von den Schultern, wirft die Mützen hinter sich  – und da ist es schon: Das Tablett mit La Houba – der feurigen Schönheit aus den Bergen. Kreiert von meinem Mann. Benannt nach einem kleinen, mystischen Bergdorf mit Blick auf den Felsen von Dabo. Nicht geschüttelt, nicht gerührt.

Also: Einfach nacheinander in ein Glas tun, Zitrone an den Rand, Pfefferminzblatt schwimmen lassen und genießen. Und grämt euch nicht, dass die Bestandteile nicht aus den Vogesen stammen. Hauptsache, sie passen hierher! Wer nicht soviel Wodka möchte, tut einfach die Hälfte rein. Es geht ja in erster Linie um den Geschmack, oder?

Stina Advent

Erinnerung an Vic-sur-Seille

Pays Saulnois

VORAB: KLEINER NACHDENKLICHER EXKURS

Vic sur Seille

Es gibt Tage, an die möchte man sich immer wieder erinnern. Wie an jenen in Vic-sur-Seille, einem Städtchen mit einem Hauch Romeo und Julia. Doch häufig schwirren wir von einer Attraktion zur nächsten, lassen einen Ort allzu schnell hinter uns, um Neues zu entdecken. Rastlosigkeit nennt man das wohl. Wie oft habe ich mir schon gesagt: An diesen Ausflug, an diesen schönen Tag will ich mich noch ganz lange erinnern. Ich werde ihn mir immer wieder hervorholen um mich daran zu erfreuen. Ganz so wie das Foto eines geliebten Menschen. Und dann? Der Alltag packt uns mit Macht. Hält uns fest im Griff. Verdrängt, die wunderbaren Augenblicke! Es bedarf schon einer riesigen Kraftanstrengung, das kleine, gut verschlossene Päckchen unserer Erinnerung wieder hervorzuzaubern. Einmal habe ich ein Buch über eine sibirische Schamanin gelesen. Sie empfahl, jeden Abend vor dem Einschlafen ein Bild, ein Foto zu betrachten, das einen selbst in einer glücklichen Situation zeigt. Zur Verjüngung sozusagen. Um uns dem nahezubringen, was uns ausmacht. Was wir uns wünschen. Wo wir gerne nochmal wären. Ich versuche das manchmal mit Musik, oder einem Buch, das mir kostbare Stunden beschert hat. Meine Favoriten sind dabei Kenneth Grahames „Wind in den Weiden“ und die frühen Inspector-Jury-Romane von Martha Grimes. Ich denke, es funktioniert, das Zurückbeamen. Wir sind ja nicht nur, als was wir heute erscheinen. Und sind wir denn das, wovon wir glauben es zu sein? Alte Fragen, ich weiß. Häufig weiß man eher, was man nicht ist. Was man erlebt hat, aber nicht mehr erleben möchte. Und wie lautet die positive Antwort? Ich arbeite dran.

ZUFRIEDENHEIT. Ich meine das ganz wörtlich. Ich möchte keinen Anfeindungen, von welcher Seite auch immer, ausgesetzt sein. Ja, wir wachsen an unseren Herausforderungen. Aber ehrlich: Wer befindet sich schon gerne in einer Situation, in der er gemobbt, ausgenutzt oder gar erniedrigt wird? Ich für meinen Teil halte es da lieber mit Lemmy von Motörhead, der folgenden markigen Rat an die Menschheit weitergab: „Haltet euch von den Idioten fern!“ Drastisch, ja, aber im Kern gesundheitsfördernd. Tatsächlich traf ich auf meinem bisherigen Lebensweg eine nicht geringe Zahl Angehöriger oben genannter Spezies. Getarnte und ungetarnte. Dachte, ich könnte sie durch super tiefgründige Gespräche ändern. Wurde enttäuscht. Nährte damit jene Melancholie, die vielen Jugendlichen eigen ist. Schätze mal, eine Unterhaltung mit mir war häufig schwerverdaulich, denn ich war eine ganz normale, unsichere Jugendliche, die sich nicht vorstellen konnte, einmal über 50 zu werden. Denn wie konnte man mit all der Trauer über die bereits verlorene Welt (Atomkraft? Nein danke!) überleben? Eine Welt, die zudem noch so viele falsche Fünfziger bereithielt. Tja, ich hab´s geschafft, und so viel mehr entdeckt, wofür es sich zu leben lohnt. Jetzt, mit 57, fühle ich mich stark und voller Energie. Es gelingt mir immer mehr offenen Herzens zu erleben. Natürlich würde ich gerne schreiben, dass es mir langsam egal wird, was andere über mich denken. Ist schon besser geworden, aber ich bin wohl noch nicht bereit fürs vollkommene Darüberstehen. Ich werde wohl noch mit achtzig (hoffentlich!) auf der Yogamatte liegen und beim obligatorischen „Lass los!“ erst recht ins Nachdenken über irgendeine blöde Situation kommen. Aber wenn ich z.B. in meinem Garten in der Erde buddle oder den Blumen beim Wachsen zusehe, dann fühle ich mich nicht darüber, nicht darunter, sondern mittendrin und denke: „Hej, du bist Teil von etwas Großem. Nimm dich nicht so verdammt wichtig. Sei achtsam für das, was dich umgibt, wozu du gehörst. Lebe mit offenem Herzen UND HALTE DICH VON DEN IDIOTEN FERN!

Vic sur Seille Grand Est

Was ich also eigentlich erzählen wollte, war, dass mein Mann seine Leidenschaft für Campingutensilien entdeckt hat. Er nennt jetzt einen kleinen Gaskocher, eigentlich nur eine Gaskartusche, sein eigen. An den Grundmauern des Schlosses von Vic-sur-Seille hat er uns einen Espresso gekocht. Zwei schmucke Tässchen hatte er mitgebracht. Einen Löffel und Zucker. In einer Bäckerei am Ort hatten wir zwei Pâtés de Lorraine erstanden, die wir dazu verzehrten. Eine merkwürdige Kombination – zugegeben. Gleichzeitig besser als jedes Fünf-Gänge-Menü. Ich werde das nie vergessen: Über uns eine Platane (Oder Kastanie? Jedenfalls ein Baum). Die Vögel – ganz wichtig – zwitscherten.  Unser kleiner Dackel wartete auf einen Happen Pâté – ganz ungesund – und wir überlegten unsere nächsten Schritte. Denn in  Vic-sur-Seille kann man einem Rundgang von 1,5 Stunden folgen, den wir in etwas unorthodoxer Reihenfolge angetreten hatten. Den Plan zu diesem Parcours historique erhält man im ortsansässigen Touristenbüro, wo eine sehr kompetente junge Dame im Feen-Outfit, schwarzer Spitzenrock und Gothic-Mieder, die Region des Pays du Saulnois vertritt.

Wer am Place Jeanne d´Arc parkt, trinkt am besten erst mal was im gegenüberliegenden Café, bewegt sich dann geradeaus auf das Office du Tourisme zu, das an sich schon sehenswert ist, befindet es sich doch im Hôtel de la Monnaie, einem gotischen Gebäude von 1456. Um die fünfzehn Hotspots – Gebäude aus Renaissance und Gotik, einen Bauernhof aus dem 18., das Château des Évèques de Metz aus dem 17. Jahrhundert, das Dominikanerkloster oder das wunderbare Tympan sculpté aus dem 14. Jahrhundert zu entdecken, wandert man über sonnenbeschienene Plätze, durch schummrig-mittelalterliche Gassen; späht hie und da über Glyzinien-überwucherte Mauern, durch schmiedeeiserne Tore in verwunschene Gärten und Innenhöfe und fragt sich, ob man sich noch im Hier und Jetzt befindet. So südlich, so zeitvergessen mutet das Örtchen an. Wären da nicht die parkenden Autos, so könnte man sich leicht einen schmachtenden Romeo vorstellen, der zu seiner Julia auf einen mehr oder weniger massiven Holzbalkon klettert.

Vic sur Seille eglise

Nur wenige Touristen verirren sich hierher, was den Charme des hell sandsteinfarbenen Vic-sur-Seille indessen nur steigert. Ein besonderes Highlight ist das Museum zu Ehren Georges de la Tours, der 1593 hier das Licht der Welt erblickte. Als einer der berühmtesten Barockmaler Frankreichs ist er nicht nur im Louvre sondern auch im Metropolitan Museum of Art vertreten. Der Falschspieler mit dem Karo-Ass und den Verdacht schöpfenden Protagonisten von 1635 ist eines seiner bekanntesten Werke. Aber selbst wenn ihr, wie wir, keine Zeit mehr für einen Museumsbesuch habt: Geht einfach offenen Auges durch den Ort und schaut auch mal nach oben. Dann entdeckt ihr vielleicht sogar das steinerne Schweinchen an einem Hausgiebel.

Tympan sculpté

Was ist eigentlich Vic-sur-Seille, und wo liegt es?

Vic-sur-Seille ist eine französische Gemeinde mit ca. 1300 Einwohnern im Département Moselle in der Region Grand Est. Es liegt im Arrondissement Sarrebourg, Château-Salins. Am charmantesten beschreibt es die ortseigene Webseite:

„Die Vergangenheit unserer kleinen Stadt, die vom Wasser der Seille gebadet wird, ist seit langem von Wohlstandsperioden geprägt, die mit Salz, Weinbau und der Anwesenheit der Bischöfe von Metz verbunden sind, die ihre architektonische Originalität stark beeinflusst haben. Neben dem Museum, das den Namen des berühmtesten Kindes des Landes, Georges de La Tour, trägt, verbirgt Vic-sur-Seille eine Vielzahl von Kuriositäten in seinen engen und gepflasterten Straßen, einer Reihe von Gebäuden mit bemerkenswerter Architektur… Wie jedes Stadtzentrum, die ehemalige Hauptstadt eines Kantons, investiert Vic-sur-Seille weiterhin in seine Zukunft und konzentriert sich auf die Verbesserung und den Schutz seines Erbes, seiner Landschaftsgestaltung und seiner Entwicklung. Tourismus und Shopping, assoziative und festliche Aktivitäten. Besucher oder neue Einwohner, wir hoffen, dass Sie auf dieser Website mit Neid unsere kleine Stadt sowie diejenigen und diejenigen entdecken können, die sie reich machen.“

Essen könnt ihr übrigens u.a. im Restaurant Bistro des Amis, direkt am Place Jeanne d´Arc, oder im Traiteur L´évent, das mit experimenteller und innovativer Küche auf regionaler Basis wirbt. Weitere Infos findet ihr hier und hier.

Unser kleiner Stadtrundgang fand schon Ende Juni statt. Kurz nachdem die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland wieder offen, und die erste Corona-Welle überstanden war. Ich habe seitdem häufig an diesen friedvollen Ausflug in dieser besonderen, außerhalb von Zeit und Raum liegenden Stadt gedacht. Heute habe ich meine Erinnerungen wieder hervorgekramt und darin geschwelgt. Alles, was man dazu braucht, ist etwas Zeit. Wusstet ihr übrigens, dass der Dalai Lama eine neue CD gemacht hat? Ein Gebet mit musikalischer Untermalung. Läuft gerade im Hintergrund. Verstehe kein Wort. Muss ich aber auch nicht. Ist trotzdem schön.

Vic sur Seille Zentrum

Haltet die Ohren steif! Om!

Eure Stina

Vom Donon über Plombières-les-Bains nach Gérardmer und zurück

Abseits ausgetretener Pfade die blauen Berge zu erleben, das wollten wir. Folgt uns auf eine wunderbare 2Tages-Reise von den Nordvogesen in die Südvogesen und retour!

September. Kaiserwetter: Stahlblauer Himmel, leuchtendes Gelb, flammendes Orange. Mit Hund und Kegel starten wir unsere Vogesentour von La Hoube im lothringischen Teil der Nordvogesen aus. Möglichst kleine Straßen wollen wir befahren, Autobahnen vermeiden. Allez hop, los geht´s auf die serpentinenreiche Piste Richtung Donon. In Abreschwiller empfängt uns der heimelige Duft des Herbstes. Holzfeuer, nachtfeuchtes Laub: Erinnerungen an die Zeit, in der ich mit meiner Mutter im hinteren Teil unseres Gartens, gleich bei den Himbeeren, Feuerchen entfacht habe um in der Glut Kartoffeln zu garen. Wir passieren St. Quirin, eines der schönsten Dörfer Frankreichs, wo das Café des Vosges, natürlich in der Rue du Général de Gaulle, kundenfein gemacht wird. Es duftet nach frischgebrühtem Kaffee, knusprigen Croissants, aber wir schrauben uns auf gewundenen Straßen, über Haarnadelkurven weiter in die Vogesen hinein. Kühe, Schafe, hippe Highland-Rinder, schattige Weiler mit pickenden Hühnern. In dem hübschen Bergdörfchen Raon-sur-Plaine erstehen wir endlich ein paar ofenfrische Croissants samt einer delikaten Quiche Lorraine. Der farbenfroh aufgepeppte, entzückende kleine Ort eignet sich hervorragend als Ausgangspunkt für Wanderungen mit herrlichen Aussichten rund um den Donon. Wer die ruhige Bergatmosphäre genießen möchte, kann im Hôtel Restaurant de la Poste, natürlich in der Rue du Donon, logieren oder sich ein Ferienhäuschen bzw. eine Wohnung mieten.

Schautafel am Lac de la Plaine

Raon-sur-Plaine mit ungefähr 146 Einwohnern liegt im Plaine-Tal, 430 Meter ü.M. Es ist die nördlichste Gemeinde des Départements Vosges, Arrondissement Saint-Dié-des-Vosges. Drum herum liegt das Département Bas-Rhin. Nur drei Kilometer weiter erhebt sich der sagenumwobene, 1008 Meter hohe Donon, der höchste Berg der Nordvogesen. Einen Artikel zu einer Wanderung auf den Donon mit seiner gallo-romanischen Geschichte findet ihr hier.

 In-Celles-sur-Plaine, Grand Est, Departement Meurthe-et-Moselle steuern wir die Base nautique an. Mit Campingplatz, Kiosk, Minigolf, Restaurants und kleinen Holzhäusern direkt am See, die man mieten kann, ein richtiges Freizeit-Eldorado. Leider nur bis Ende August könnt ihr mit Tretbooten oder Kanus den Lac de la Plaine erkunden, der sich in unmittelbarer Nähe zum weitaus größeren Lac de Pierre Percée befindet, jedoch mit einem wunderbaren Mittelgebirgspanorama punktet. Wer möchte, kann die Seen auf einer Voie verte umradeln. Siebziger Jahre-Feeling kommt auf, als wir unseren Gaskocher auspacken um an einem der vielen Picknickplätze frischen Espresso zu kochen und unsere lothringischen Köstlichkeiten zu verzehren. Im Wasser dümpeln Enten, Schwäne ziehen ihre Kreise, auf Molen hocken merkwürdige schwarze Vögel mit langen Hälsen, die ihre Flügel zum Trocknen ausstrecken. Celles-sur-Plaine selbst ist eine wunderliche Mischung aus Bergdorf, See-Idylle und Holzindustrie mit einem Händchen für Sommerfrische.

Simplement nature: Mitten in der Natur erfährt man Wisssenswertes über Aroma-Pflanzen, medizinische Heilkräuter und andere Naturprodukte. Außerdem werden Verkostungen und Ausstellungen geboten. Gruppenreisende können hier eine Gîte mieten.

La Hallière: Anfang des 19. Jahrhunderts erbautes hydraulisches Sägewerk.

Edelstein- und Mineralienfans kommen in dieser Region ebenfalls auf ihre Kosten. Die urigen Läden mitten in der Pampa lohnen einen Stopp.

Auf gewundenen Straßen erreichen wir um die Mittagszeit Épinal, denn hier wollen wir die Cité de l´Image bestehend aus Bilderbogen-Museum samt Druckerei besuchen.

Épinal Vosges Vogesen
Erstmal einen Kaffee…

Seit drei Jahrhunderten widmet sich die Cité de l´Image dem Druckereigewerbe. Und so präsentiert das Museum eine außergewöhnliche Sammlung typischer, farbiger Bilderbögen mit nostalgischem Charme, aktualisiert durch zeitgenössische Kunstwerke, die sich mit der langen Tradition dieser volkstümlichen Druckerzeugnisse auseinandersetzen, sie überraschend neu interpretieren. Temporäre Ausstellungen machen den Besuch der Cité zu einem kurzweiligen, zuweilen auch gruseligen Vergnügen.

Im historischen Zentrum der Hauptstadt des Département Vosges, das von der mächtigen Basilika St. Maurice aus dem 11. Jahrhundert, einer mittelalterlichen Festung nebst Englischem Park sowie der Mosel dominiert wird, stärken wir uns mit einem Kaffee. Schläfrig liegt Epinal an diesem Mittag da. Shoppen ist nicht, denn die Geschäfte haben Mittagspause. Selbst die Markthalle döst im Ruhemodus. Gleich gegenüber des Cafés mache ich mich im Office du Tourisme schlau, denn ich bin ein Touristenbüro-Nerd, liebe diese bunte Flut an Information, die mich Neues, Niegesehenes entdecken lässt. Mit dem Auto sind es ca. 5 Minuten zur Cité. Parken können wir kostenlos. Für sechs Euro pro Person tauchen wir ein ins Universum der Bilderbögen, einer Frühform des Comics, wie mir scheint. Kurioses wechselt sich mit Historischem ab. Ist manchmal auch dasselbe. Die temporäre Ausstellung zur – oft leidvollen – Geschichte des Wolfes ist nichts für schwache Nerven. Unser eigener kleiner Wolf, der bislang brav in seiner Hundetasche ausgeharrt hatte, stimmt in das (dezente) Geheul aus den Lautsprechern ein. Zeit zu gehen, bevor das Ganze infernalisch wird, denn Nuri hat ein recht durchdringendes Geläut. Im angeschlossenen Museumsshop finden wir ein schönes Plakat, das meinen Mann an seine Zeit als Druckvorlagenhersteller erinnert. Muss ein schöner Beruf gewesen sein, was er so erzählt. Das Affiche wird in unserem Wohnzimmer einen Ehrenplatz erhalten.

Weitere kulturelle Épinal-Highlights findet ihr hier.

So viel Buntes auf die Augen macht hungrig und müde. Wir stärken uns mit einem Baguette aus einer bretonischen Bäckerei. Man weiß ja nicht, wann genau wir unser Abendessen bekommen werden, denn wir haben eine Spezialvariante französicher Gastlichkeit mit, ja, Abendmahl gebucht. Gespannt steuern wir unser Chambre d´hôtes, Le Prieuré, das Priorat, in Aydoilles an. Die Landschaft verändert sich, sanfter schwingen sich die Berghänge ins Tal hinab. Ein wenig Spielzeugeisenbahn-Flair. Im Herzen des kleinen Dorfes mit dem komplizierten Namen könnt ihr mit Charme und Authentizität logieren. Die ältesten Teile des kleinen Klosters datieren aus dem 15. Jahrhundert. Der eindrucksvolle Empfangsraum mit riesigem Kamin versetzt in eine andere Zeit. Würde mich nicht wundern in diesem dickwandigen Gewölbe einem Abt oder Ritter zu begegnen. Im Winter prasselt hier sicher ein wärmendes Feuer. Der Hausherr, distinguiert–freundlich, erscheint. Wir sinken auf ein rotes Sofa, harren der Dinge, die da kommen mögen. Ein ausgestopfter Dachs leistet uns Gesellschaft. So wie eine Madonna in blau erleuchteter Nische, die über das Gästebuch wacht. Ein neu eintretender Gast hält uns für die Besitzer. Wohl, weil wir so dahingestreckt in den Polstern ruhen. Nein, nein, wehren wir ab, wir sind auch nur Gäste. Da erscheint auch schon erneut Monsieur, der wahre Patron, bittet uns ihm zu folgen. Über eine ausgetretene Steintreppe, ein dämmriges Zimmer passierend – Wilder Wein rankt üppig vor den Sprossenfenstern – geht’s in unsere Herberge für eine Nacht. Alles da, auch ein anachronistischer Fernseher. Dezent verteilt finden wir durchaus dekorative Attribute des Christentums: ein altes Gebetbuch, Heiligenbildchen, wie auch meine Oma sie hatte und zur Erbauung gerne verstreute. Das Badezimmer ist modern und dreimal so groß wie unseres zuhause. Wie in Frankreich üblich sind Laken und Bettdecke so stramm unter die Matratze gezogen, dass man erst mal tüchtig mit den Füßen strampeln muss um sich den nötigen Freiraum zu erkämpfen. Für ein erholsames Nickerchen sinke ich in ein dickes, weiches Kopfkissen…

Vor dem Abendessen ergehen wir uns im weitläufigen Garten nebst Tennisplatz. Wahnsinnig viele Vögel sind im dichten Grün unterwegs. Ja, auch singende Nachtvögel gäbe es hier, versichert uns der Hausherr stolz. Nachtigall, ick hör dir trapsen. Eine Dame ruft uns à table. Da ist auch wieder der andere Gast, ein junger Herr aus Lyon. Auf Geschäftsreise. Der Traum jeder Schwiegermutter. Gespeist wird mit Monsieur und Equipe, einfach aber schmackhaft. Highlight ist das leckere, hausgemachte Brot. Auf ebenfalls hausgemachte Desserts folgt eine umfangreiche Käseplatte, welche der Gastgeber eingehend erläutert. Der Rosé stamme aus dem Languedoc. Gutgelaunt entscheide ich: Ein, zwei Gläschen können nichts schaden. Die Unterhaltung verläuft kultiviert, Französisch, Englisch, Deutsch, wie´s gerade passt. Ich erkläre, woher das schwedische skål kommt, rufe damit – wie immer – angenehmes Schaudern hervor. Der Wein dreht mich auf, ich schlafe schlecht. Was aber nicht an der außergewöhnlichen Unterkunft liegt. Höre ich da jemanden seufzen? Schleifen schwere Kutten über den steinernen Boden? Gar Ketten? Meine Phantasie wird durch solch geschichtsträchtige Gemäuer angeregt; ich kann nichts dafür. Hoffe, es war nur der Gesang der Nachtigall, die sich vielleicht verkühlt hat, somit nicht in stimmlicher Höchstform tirillierte.

Beim Frühstück treffen wir ihn wieder, den schon in jungen Jahren weltgewandten Herrn aus Lyon nebst einem Paar aus Belgien. Alle bestens ausgeruht und frisch wie der junge Tag. Reisetipps werden ausgetauscht, Bonne route gewünscht. Man wird sich wohl nicht wiedersehn, aber interessant war´s trotzdem, obwohl ich ja so meine Small-Talk-Bedenken hatte. Alter Schwede!

Prieuré Aydoilles Épinal
Dachs, pass auf…

Heute bin ich dran mit den Ideen für´s Sich-treiben-Lassen. Nicht schlecht, nach gerademal drei, vier Stunden Schlaf. Mein Mann gibt mit den Reiseerlebnissen vom Vortag an. Das soll ich erst mal toppen! Nun denn: Die Landschaft hinter Epinal ist nicht spektakulär, mutet eher wie ein großer, zusammenhängender Garten an. Aber ein schöner. Eine verflixte Umleitung, die uns immer wieder in dasselbe Dörfchen lenkt, bringt mir Punktabzug. Obwohl ich es liebe über klitzekleine Sträßchen zu kutschieren, möchte ich hier nicht mein restliches Leben verbringen. Mein Mann wird ungeduldig (Punktabzug!). Und so rauschen wir – Umleitung hin oder her – einem beherzten Einheimischen durch die gesperrte Straße hinterher, Richtung Belfort. Ich wühle in den Tourismusbroschüren. Wo seid ihr, ihr besonderen, niegesehenen Highlights? Erspähe ein kleines Schild. Die Eingebung. „Lass uns nach Plombieres-les-Bains abbiegen!“, meine ich betont beiläufig, „Da soll es einen terrassierten Garten geben.“ Eine lange Promenade erstreckt sich rechts und links der Hauptstraße, ziemlich bald links geht es zu den Jardins en terrasses.  Joj!, da hat sich jemand verwirklicht. Ein Hort der Phantasie, voll mit Gewürz- und Zierpflanzen, mit (Binsen-)Weisheiten auf kunstvoll arrangierten Täfelchen und Steinen gespickt. Wir kraxeln über relativ planlos erscheinende Wege (so wäre das auch bei mir geworden), steigen auf Steinmäuerchen. Gesamteindruck: Pittoresk. Ein paar (etwas) rauchende Jugendliche lungern im Schatten eines Steinhäuschens, lauschen den Ausführungen einer Dame über naturgemäße Gelee-Herstellung. Hummeln delektieren sich an purpurnen Sonnenhüten, Schmetterlinge tanzen durch die Luft, Vögel schwirren in Bodennähe: Der Garten hat Seele, leitet zudem in schöne, gut gekennzeichnete Wanderwege über, die vielleicht auch mit Kindern respektive mit mir zu bewältigen sind?!?

Wir spazieren wieder ins Tal hinab, unter uns eines der zahlreichen Thermalbäder des lothringischen Teils der südlichen Vogesen: Voilà, Plombières-les-Bains. Die Stadt der tausend Balkone. Eine Kleinstadt mit Charakter. Zu den 100 Plus Beaux Détours de France, den 100 schönsten Umwegen Frankreichs zählend. Bereits vor dem 5. Jahrhundert v. Chr. von den Kelten bevölkert. Und wer anders als die Römer mit ihrer Vorliebe für´s Planschen in warmem Wasser baute hier vor 2000 Jahren die erste Therme? Napoleon III, Kaiserin Josephine, Voltaire und Beaumarchais kurten hier. Verträge wurden im Glanze klassizistischer Architektur unterzeichnet und mit einem Glas Crémant d´Alsace besiegelt.

Doch gemach: Plombieres-les-Bains ist ein Kurort, eine station anti-stress, auf der Routes des Bains mit dem verblichenen Charme der Jahrhundertwende. Umgeben von Vogesenausläufern lockte er selbst die Pariser Hautevolée mit seiner guten Luft und den Anwendungen gegen Rheuma und Frauenleiden. Das Römische Bad und Spa-Zentrum Calodaéd: Das sind noch heute Waldeslust, Vogesenduft, heilendes Quellwasser, Wellness, Wohlbefinden und Schönheitssalons. Das Spa, durch Napoleon III. erbaut, ist ein architektonisches und historisches Juwel, das seinesgleichen sucht. Interessant finde ich die sechstägige Schnupperkur in den noch völlig intakten Anlagen. Weitere Infos (auch in Corona-Zeiten) findet ihr hier.

Plombières_les_Bains Vosges
Kurgäste
Shopping in Plombières
Entspanntes Shopping in Plombières-les-Bains

Und als wäre solche Pracht nicht genug, gibt es zudem einen Miniaturen-Park, eine Gulliver-Welt also mit berühmten französischen Bauwerken, einen Abenteuerpark, Botanische Lehrpfade und hübsche Wanderstrecken. Außerdem finden Musikfestivals statt. Zwar sind die goldenen Zeiten des Kurhauses, das jetzt ein Kino beherbergt, vorbei, doch über den Platz wehen weiterhin klassische Klänge und jene aus den Roaring Twentys. An der Fassade prangen großformatige Fotos aus den Fünfzigern und Sechzigern: Die Großen der französischen Musikgeschichte. Alle sind sie hier aufgetreten. In Petticoat und Perlenkette. In Smoking und gewienerten Lackschuhen. Überhaupt scheint hier eine kleine Stadt erfolgreich dem Bädersterben zu trotzen, indem sie ein wahres Füllhorn an charmanten Ideen über den immer noch zahlreichen Touristen auskippt.

Aus der Blütezeit
Die Renommiermeile in ihrer vollen Blüte

Die verblichene Pracht der Häuser am Ortseingang täuscht. Ihr denkt vielleicht: „Hier müsste mal renoviert werden.“ Ja, stimmt, aber fahrt weiter bis zu dem ersten Platz an der Kirche und trinkt erst mal einen Kaffee in einem der Restaurants. Und dann macht euch auf Richtung Kurhaus, wo sich das Städtchen zusehends „verjüngt“, bis ihr euch in dem charmanten kleinen Zentrum à la Marienbad mit heiterem Flair samt recht kuriosen Läden wiederfindet. Wer sich traut, kann die Altstadt auf dem Rücken eines Pferdes auf sich wirken lassen, geführt von einer Fremdenführerin mit Cowboyhut. Ich sagte doch, es ist kurios.

Plombières les Bains Orangerie

Von der im klassizistischen Pomp gehaltenen Orangerie klingt leises Gläserklirren und Besteckgeklapper herüber. Für 18,50 bekommt man auf der Terrasse oder im schier umwerfenden Speisesaal unter den Blicken gestrenger Damen und Herren aus Gips sowie ausladendem Kristalllüster ein Drei-Gänge-Menü vom Feinsten serviert. Der Service ist aufmerksam, kompetent und äußerst freundlich. Der Herr am Empfang des angeschlossenen Hotels lässt es sich nicht nehmen unseren Dackel zu streicheln. Das ist nett und nicht selbstverständlich. Im Foyer sichte ich einen goldenen Gepäckwagen, Marke Hallo? Hotel Sacher, Portier! Logiert man hier, empfiehlt sich eine wohltuende Wellness-Behandlung. Ein schöner Weihnachtsmarkt im November gehört ebenfalls zum festen Repertoire Plombières. Werde versuchen meinen Mann zu einem eintägigen Kurzurlaub im nahenden Winter in just jenem Etablissement zu überreden. Plombieres-les-Bains ist ja so cool! Yeah!

Hat mir weitaus besser gefallen als Luxeuil-les-Bains, obwohl dieses mit Renaissance-Bauwerken und ebenfalls mit Wellness und Badefreuden wirbt. Wir sind jetzt zwei Tage unterwegs und haben schon so viel Unterschiedliches gesehen. Betrachten wir es als Stippvisite, die Lust auf einen längeren Aufenthalt macht.

Plombières les Bains Centre
Kurbad Plombières les Bains Vosges

Wir haben sozusagen eine Kehrtwendung hingelegt, Richtung La Bresse, befinden uns jetzt in den sagenhaften Hochvogesen mit ihren herrlichen, atemberaubenden Ausblicken. Alpin, nur ohne Schnee. Unser Ziel ist Gérardmer. Die bunten Vogesenhäuschen weichen Chalets aus grauem Stein und Holz. Im mondänen Gérardmer herrscht gediegener Betrieb. Man trifft sich zum Essen, lustwandelt am See. Am nächsten Morgen werden wir per Tretboot den Lac de Gérardmer erkunden, wegen der sengenden Sonne aber nicht mal die halbe Stunde schaffen. Eiii, meine Knie! Oh nein, wir werden älter! Schnell noch ein Geschenk für die Schwiegereltern. Das ist knieschonend und macht Spaß. Als Wäsche-Hauptstadt ist der Kauf einer Tischdecke, eines Nachthemdes oder edler Bettwäsche geradezu ein Muss. Werde den flotten Schlafanzug für die Schwiegermutter in ein knallrotes Geschirrtuch einschlagen, wobei letzteres entschieden sinnlicher ist als ersteres. Sorry, der Schwiegervater geht diesmal leer aus. In doppelter Hinsicht, hi! Aber noch ein Schlafanzug von LinVosges wirkt irgendwie nicht so prickelnd. Für die ebenfalls edlen Tisch-, Bett- und Nachtwäscheprodukte der renommierten Marke Blanc des Vosges fehlt meinem Mann leider der Sinn und die Geduld. Nehme an, er knabbert noch an der Bilderflut von Èpinal. Haben wir das wieder gespart.

Wunderschön: Lac de Gérardmer

Übernachten und hervorragend essen können Shoppingmüde in der Auberge du lac in Xonrupt-Longemer, nur ca. fünf Minuten vom Zentrum Gérardmers entfernt. Die Zimmer des familiengeführten Hotels sind einfach, der Service super. Die hellen, modernen Gasträume mit alpenländischem Charme geben dem Gast, was er sucht: Gemütlichkeit samt Vogesenfeeling. Staubige Kupfergefäße oder jahrhundertealte Strohblumen-Arrangements sucht man hier – Gott sei Dank! – vergebens. Leute mit Hund sind übrigens herzlich willkommen.

Besonders die Nachspeisen sind üppig und extravagant. Selbst eine Kugel selbstgemachtes Mirabellen-Eis mit Sahne kommt so opulent wie inspiriert daher, dass es eine Augenweide ist. Und die „kleine“ Portion Choucroute garnie bzw. Salade Vosgienne packe sogar ich. Bei einem Spaziergang um den Lac de Longemer könnt ihr das reichhaltige Mahl abtrainieren und sogar schwimmen gehen. Außerdem lässt sich Überschüssiges auch bei einer Partie mit dem Tretboot abstrampeln. Jetzt in der Nachsaison wirkt die Freitzeitanlage recht beschaulich. Im Sommer steppt der Bär am Strand mit Eisbüdchen und Waffeln mit Sahne. Im Winter locken weiter oberhalb Skifreuden.

Wir sind wieder on the road. An den Hotspots Col de la Schlucht, Lac Blanc, Lac vert usw. vorbei. Karge Landschaften, Krüppelkiefern, Skilifte, Rodelbahn, wahnsinnige Ausblicke über die Hochvogesen.

Wieder ins Tal. Hinter Saint-Dié-des-Vosges wird die Landschaft wieder interessant, sommerlich, lieblich. Entzückende kleine Weiler mit Namen wie La grande Fosse laden zum Verweilen ein. Die Jardins de Callunes, Gärten der Besenheide, in Ban-de-Sapt werden unser letzter Halt sein. Sie erstrecken sich über 4 ha und sind – laut garteneigenem Flyer – in acht verschiedene Landschaftsbereiche unterteilt:

  •     Der Kiefernhain
  •     Der Heidegarten
  •     Der Staudengarten
  •     Der blumenreiche Graben
  •     Das Tablett
  •     Der kleine Bergsee
  •     Der große Steingarten
  •     Der Steinbruch

Sich zwischen einer Müllkippe und einer Gartenanlage zu entscheiden fiel den Dorfbewohnern nicht schwer. Unter der Regie des Gartenbauarchiteten Jacques Couturieux realisierte die Kommune zwischen 1994 und 1996 in dem verträumten Vogesenörtchen einen Landschaftsgarten für wahre Pflanzenenthusiasten. Auf einer Höhe von 550 Metern. Schon im Jahr der Eröffnung heimste dieser den ersten Preis für Gärten und Parks Lothringens ein.

Hunde sind leider verboten. Ich versuche es trotzdem. Schließlich ist der Dackel ein (Garten-)Zwerg und die Tasche extra für derartige Gelegenheiten konzipiert. Bleibt der Hund auch in der Hundetasche? Sûre? Versprochen. Na dann. Der freundliche Herr erlaubt´s, indem er uns einen Wegeplan in die Hand drückt. Über einem kleinen Gebirgssee summt es, das dazugehörige Bächlein gluckst und gluckert munter vor sich hin. Wilde, zauberhaft gewachsene Eichen gibt es hier, einen Kiefernhain, Rhododendren, Hortensien, einheimische Stauden, Berglorbeer und natürlich Heidekräuter. Ein Garten der Kontemplation, der Ruhe. Bänke laden zum Verweilen ein. Es zwitschert. In der kleinen Restauration kann man Kaffee trinken, im Lädchen gibt´s Nachhaltiges: Vogelhäuschen, Blumenzwiebeln, Pflanzen, Marmelade, Gartendeko im angesagten Rost-Style. Man wirbt um Unterstützung, denn so ein Terrain muss gepflegt werden. Deshalb sind die selbst gezogenen Pflanzen, die verkauft werden, einen Tick teurer, allerdings auch an schwierige Gartenwelten aklimatisiert. Im Frühling kommen wir wieder. Vielleicht zum Rhododendron-Fest. Denn zu Ehren der Pflanzen finden hier auch verschiedene Events statt. Doch nicht nur die Jardins de Callunes sind sehenswert, auch die freundlichen, bunten Dörfchen in der Gegend um das Vallée du Hure sind für all jene, Abgeschiedenheit, Natürlichkeit und Ruhe suchen. Außerdem lockt ein weitverzweigtes Netz von Wanderwegen. Übernachten kann man im Logis Hôtel Restaurant des Roches in Saales oder La ferme de Marion in Ban-de-Sapt bzw. diversen Gîtes.

jardins de callunes Vogesen Saint Dié
In den Jardins de callunes

Über Schirmeck, Niederhaslach, Oberhaslach, Cascade de Nideck fahren wir zurück nach Wangenbourg. Aber das ist eine andere Geschichte. Unser Häuschen steht noch. Der Dackel freut sich, dass er wieder ohne Leine rennen darf. Sind total fertig, bipp und alle. Nächstes Mal nehmen wir uns wenigstens Zeit für ein Mittagsschläfchen. Aber schön war´s trotzdem!

Und das sagt mein Mann, der häufig mit seinem leuchtend gelben Motorrad unterwegs ist: „Normalerweise fahre ich über die D44 den Donon hinauf. Hinter Saint-Quirin lohnt es sich aber die D 993 zu nehmen, die quasi parallel zur normalen Motorradstrecke verläuft, Richtung Turquestein/Blancrupt. So kommt man auf direktem Wege zum Lac de la Plaine und weiter auf landschaftlich schönen Strecken nach Épinal, Plombières-les-Bains. Gérardmer sowie durch die Hochvogesen mit ihren Bergseen.“

Plombières_les_Bains Vogesen Vosges
Holladihiiija

War jedenfalls eine super Idee mal so zu fahren, da dieser Weg abseits der üblichen Touristenströme liegt, jedoch mit herrlichen Landschaften überrascht.

Der darf ja nicht fehlen!

Seht´s euch an!

Eure Stina

La Paloma ohé – Wir sehn uns wieder am Étang de Lindre

Mehr als einen Flügelschlag, nämlich zwei Anläufe, brauchten wir, um uns den sagenumwobenen Étang de Lindre zu erwandern. Das erste Mal kamen wir gerade bis Tarquimpol, bis uns heftiger Regen und Wind ins sichere Auto zurück trieben. Ein Kommentar zu meinem Artikel über Gondrexange hatte uns neugierig gemacht. Untote Mönche, Wassergeister… Riefen uns da nicht die lothringischen Nebel von Avalon? Leider hatten sie nichts von einem Regenschirm gesagt.

Man muss sie mögen, diese Landschaft. Manche werden murren: Zu eben, zu wenig los, zu viele Schafe. Ja, all dies trifft auf das Pays Saulnois zu, das, so lesen wir, touristisch wenig zu bieten hat. Außer man steht auf eben „zu wenig los“ und mag Schäfchen, die bei Regen zugegebenermaßen eher traurig daher trotten, im Sonnenschein aber übermütig von Löwenzahn zu Gänseblümchen hüpfen. Wenn ich echt mal in mich gehen möchte, dann ist dieser Landstrich genau das Richtige. Schon stelle ich mir vor, wie der Wind bauchige, anthrazitfarbene Wolken übers Land treibt, während ich mich, den Mantelkragen hochgeschlagen, gegen peitschende Herbststürme stemme. Ganz allein auf weiter Ebene und, sagen wir, zwanzig Jahre jünger. Die Gischt vom nahegelegen See peitscht mir ins Gesicht. Marke Dartmoor. Hund von Baskerville. Irgendein alleinstehender, gutaussehender Graf harret meiner hinter einem Ginsterbusch, damit er mich halbverhungert zum Tee und süßen Petitfours einladen kann. Über mir rauschen Wildgänse mit schrillem Schrei gen Süden… Aber noch ist Sommer. Marke Grillgut und Dosenbier.

Daran ändert auch das jäh auftauchende Schloss nichts, das, wenngleich geraniengeschmückt, wunderbar in diese introvertierte, bei Regen dezent düstere Szenerie passt. Wen wundert´s, dass in jenem Château ein Esoteriker namens Stanislas de Guaita (1871-1922) das diffuse Licht der Welt erblickte um späterhin den kabbalistischen Rosenkreuz-Orden zu gründen. Heute, beim, wie gesagt, zweiten Anlauf, wirkt das Château keineswegs düster, sondern äußerst gastfreundlich. Fürstlich übernachten soll man hier können, exklusives Frühstück inklusive, bevor man zu einer Wanderung oder Radtour auf dem Circuit des étangs aufbricht. Wenn man den Hausherrn schön bittet, so erfahre ich aus dem wunderbaren SR-Beitrag von Natalie Weber, erzählt er das eine oder andere gruselige Schmankerl aus der Region. Das Château d’Alteville gehört zu dem kleinen Örtchen Tarquimpol, das am Südufer des Étang de Lindre, auf einer Halbinsel gelegen ist und zum Parc naturel régional de Lorraine zählt. Bei knapp 65 Einwohnern, plus/minus, und einem (hoffentlich) in Frieden ruhenden Esoteriker, steppt hier nicht gerade der Bär. Dicht an dicht drängen sich die putzigen Häuschen im typischen lothringer Graubeige. Einzige Farbtupfer: Die bunten Fensterläden und Türen. Und die üppigen Geranien. Irgendwie bretonisch. Irgendwie maritim. Irgendjemand muss hier leben, sonst würden ja die Blumen vertrocknen. Wir aber treffen nur einen struppigen Hund mit Schielauge, der sich von uns streicheln lässt. Das Dorf ist, wie der Hund, die Ruhe selbst. Um die archäologischen Details zu erkunden, die sich in Hauswänden, Torbögen etc. verstecken, wollen wir wiederkommen. Am Ortseingang wacht, rund und massiv wie ein Bergfried, die für Lothringen sehr untypische Dorfkirche. Dann gibt es eine Rue du théatre, die doch tatsächlich auf eines der größten Amphitheater Galliens hinausläuft, welches allerdings nur aus der Luft auszumachen ist. Tarquipol liegt nämlich an der alten Römerstraße von Metz nach Straßburg, und so konnten hier schon mal 12.000 Zuschauer bei Spiel und Spaß an frittierten Otternasen knabbern. 1274 zum ersten Mal als „Tackempail“ erwähnt, durchlief der Weiler deutsch-französische Namensmetamorphosen, die allesamt etwas mit „Teich“ zu tun hatten. Trotzig überlebte es auch die deutsche Besatzung, indem es elegant vom plumpen „Taichen“ zum geheimnisvollen Tarquimpol zurückkehrte. So hieß es schon während des Dreißigjährigen Krieges. Sind wir froh! Denn merke: Nazis haben keine Phantasie! Und wenn, dann nur schlimme.

Im 10. Jahrhundert begannen Mönche den kleinen Fluss Seille, die umliegenden Weiher und Sümpfe aufzustauen um Fische zu fangen und zu züchten. Einmal im Jahr wird das Wasser des Teichs, der doch vielmehr ein See ist, abgelassen, wobei sich die Kanäle zur Freude der Fischer mit Karpfen, Schleien und Hechten füllen. Schon scharren internationale Archäologen mit den Füßen, können sie doch endlich nach den Relikten vergangener Zeiten gründeln. Will man allerdings etwas über Mönche wissen, die auf dem Grunde des Sees immer noch unermüdlich der Fischzucht frönen, gar lockenden Feen erliegen oder vor gottlosen Wüstlingen erschauern, muss man tief in der Volksseele graben. Oder den Schlossherrn befragen. Unter Umständen bringt mir dieser Reim den Pulitzer-Preis ein. Da! Schon wieder!

Um den eigentlichen Weiher zu umrunden, sollte man sich nach Lindre-Basse begeben. Der schnurgerade Weiler liegt ca. 3 Kilometer von Dieuze, einem typisch lothringischen Städtchen mit – natürlich – einer Bar du Centre sowie einer Bar Place, in der man seinen Apéritif genießen kann, entfernt. Ein kleines, aber feines Restaurant wirbt mit regionalen Spezialitäten. Aber davon später. Zunächst einmal fahren wir durch die unaufgeregt ebene Landschaft, die der Seele, ach, so gut tut. Links und rechts Getreidefelder, dazwischen goldene Sonnenblumen, kleine Wäldchen, die sicherlich viel Wild bergen, da Rehe und Füchse über die Straße wechseln. Lindre-Basse, ebenfalls in lässiger Beschaulichkeit, überrascht am Ende der Hauptstraße mit einem überwältigenden See-Panorama. Über uns segeln Schwalben, Störche landen auf ihren Nestern, Fischreiher gründeln nach dem, was sie halt so fressen, Enten jeglicher Couleur paddeln im Schilf. Wir blicken über den größten Fischweiher Frankreichs (620 Hektar!) samt Vogelschutzgebiet. Ein Paradies für Ornithologen, die, ausgerüstet mit Fernglas, Anglerhut und glänzenden Augen Richtung Vogel-Beobachtungs-Stand pilgern. Ein grauhaariger Herr führt mit großer Geste ein gut situiertes Pärchen in die Geheimnisse des Étang de Lindre ein. Wir vermuten, man kann ihn buchen.

Blau, grau und gelb ruht der See. Über uns der hohe Himmel, Schäfchenwolken, allenthalben Gezwitscher. SOMMER. Im Hintergrund die dunstig blaue Vogesenkette. AusflüglerInnen relaxen auf Aussichtsbänken, in der Aire-de-pique-nique wird Käse, Baguette und Wein ausgepackt. Rechts von uns liegen die steineren Fischzucht-Becken, die derzeit allerdings kein Wasser tragen, links geht´s die Staumauer – Obacht! – hinab. In entgegengesetzter Richtung befindet sich die ornithologische Kinderstube, wo Hunde keinen Zutritt haben. Wir lenken unseren Dackel also wieder Richtung Fischbecken. Zwei Wanderpfade führen um den See. Die Kurzpromenade „Sentier des Paysages“ von 1,8 sowie der etwas längere „Sentier Lindre-Tarquimpol“ von 8 km. Dabei sollte man sich immer links halten, also immer am Seeufer entlang gehen. So kommt man auch an den Beobachtungsstationen vorbei.

Der Weiher selbst blitzt nur noch ab und an durch, da Waldpassagen und Schilf ihn verdecken. Ist aber trotzdem schön. Nimmt man ein Stück wenig befahrener Straße in Kauf, kann man also bis nach Tarquimpol wandern, muss dann aber wieder umdrehen, denn es handelt sich nicht um Rundwanderwege! Für Wissensdurstige gibt es das Centre piscicole, das Fisch(erei)-Zentrum in Lindre-Basse gegenüber der Staumauer, das Spannendes und Wissenswertes über lokale Geschichte, Traditionen, kulturelles Erbe, Umwelt, Natur und touristische Sehenswürdigkeiten zu bieten hat. Enthusiasten hängen noch 3 Kilometer dran um sich von Dieuze aus über den Sentier de l´étang des Esserts zu nähern. Dieuze ist übrigens eines der Tore zum wunderbaren Parc naturel régional de Lorraine. In der kleinen Stadt wurde früher Salz gewonnen. Zahlreiche Bauten wie die Porte des Salines Royales zeugen davon.

Weiter Himmel

Passend zur Salzgewinnung gibt es in Dieuze das kleine Restaurant La Poêle à Sel – Restaurant Traditionnel & Cuisine Maison mit gemütlicher Außenterrasse. Leider hat die Küche Sonntagabend geschlossen, sodass wir unseren Besuch auf ein anderes Mal verschieben mussten. Die Betreiber waren jedenfalls ausnehmend freundlich. Irgendwann also mehr dazu.

sentier des paysages Lindre-Basse
Wo sind wir eigentlich?

Also: Wenn ihr mal ein wenig Meerfeeling mitten in Lothringen genießen wollt, ist der Étang de Lindre genau das Richtige. Und die Nordvogesen sind ja auch nicht weit. Man hat sozusagen beide Extreme in unmittelbarer Nähe. I love it! Einen schönen Juli wünscht euch

Stina

Jemand mit Regenschirm

Pays des étangs – Land der Teiche

So nennt man die weitläufige, weitverzweigte Seenlandschaft, die sich im Osten Lothringens befindet. Bekannt sind vor allem Stauseen wie Stockweiher oder Mittersheimer Weiher. Sie dienen als Speicherbecken für den parallel zur Saar verlaufenden Saar-Kohlen-Kanal, der die Saar mit dem Rhein-Marne-Kanal verbindet und somit in das umfangreiche Netz französischer Wasserstraßen einbindet.

Der Étang de Lindre liegt zusammen mit 11 weiteren Weihern in der Domaine de Lindre, einer ca. 1000 Hektar großen Naturlandschaft, die aufgrund ihrer umfangreichen, einzigartigen Flora und Fauna als Teil des europäischen Schutzgebiet-Netzes NATURA 2000 ausgewiesen sind. Es steht zudem als RAMSAR-Gebiet auf der Liste des Weltnaturerbes zum Schutz von Feuchtgebieten.

Die Domaine de Lindre gehört zum Kanton Le Saulnois des Arrondissements Sarrebourg-Château-Salins. Die übergeordnete Verwaltungseinheit ist das Département Moselle der Region Gand Est.

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