Ferien auf Väddö

Was wünscht man sich, wenn man an Schweden denkt? Javisst, klar, schönes Wetter. Petrus hin oder her. „Es gibt kein schlechtes Wetter.“, sagen die Schweden, „Nur schlechte Kleidung.“ Also haben wir die schicken Kleidchen und Sandaletten im Koffer gelassen, stattdessen Vlies-Pullover samt langen Hosen hervorgekramt und sind losgestiefelt.

Fiskeläge. Fischerhütten in Bylehamn

„Älskade Väddö“, geliebtes Väddö, so macht eine Broschüre des Väddö Turistrȧd auf die wirklich traumhafte Schäreninsel vor den Toren Stockholms aufmerksam. Touristen verirren sich selten hierher. Verwunderlich. Denn Väddö hat alles zu bieten, was eine schwedische Insel braucht: Blaues Meer, Sandstrände, kleine Badebuchten, nach Honig duftende Wälder, liebevoll gehegte Gärten, Schafe, Kühe und natürlich jede Menge roter Holzhäuser. Und ICA´s, Läden die alles anbieten, was der Urlauber in der schwedischen Natur braucht. Tändstickor (Zündhölzer), Kochtöpfe, Angeln, knatschige, aber wunderbar genuine gifflar (Zimtwecken), falls man sich einmal im wilden Wald verläuft. Nicht zu vergessen, die auffallend freundlichen Menschen, die sich immer über einen netten Plausch freuen. Im Supermarkt mit einem freudig-überraschten „Hej!“ begrüßt zu werden, als sei man eine alter Bekannte, die gerade von einer zehnjährigen Weltumseglung zurückgekehrt ist – das hat schon was. Vor allem, wenn man zum ersten Mal hier einkauft.

Kalles randiga kaviar. Luxus aus der Tube

Väddö. Das ist Astrid Lindgrens Ferien auf Saltkrȧkan pur. Mit Stina, Tjorven, Pelle, der hübschen Malin, dem tierliebenden, immer ein wenig melancholischen Pelle und natürlich Bootsmann, dem treuen Bernhardiner. Baden, Schippern, Hering essen, in hellen, schillernden Nächten, Aug in Aug mit Eulenmutter und Eulenkind, Hasen, Rehen, ab und an Elchen. Da kann es passieren, dass man so um 3, 4 Uhr nachts aufwacht, schlaftrunken in die Küche tapst, Kaffee kocht, den Tisch deckt, die Butter aus dem Kühlschrank holt… im Glauben, dass schon heller Morgen sei. Sich dann selig wieder ins Bett zu kuscheln – das ist Urlaub. Hat man dazu noch – wie wir – ein hübsches rotes Holzhaus gemietet samt Miniatur-Segelbooten sowie Leuchttürmen auf den weißgestrichenen Fensterbänken, steht einem schwedischen Sommer nichts mehr im Wege. Begleitet von Vogelgezwitscher resp. Auerhahnschrei, begann zumindest ich meinen Tag tapfer und genau zweimal mit einem typischen välling, warmer Getreidegrütze, mit filmjölk und lingonsylt, Preiselbeergelée, um festzustellen, dass meine Erinnerung an den Brei aus Kindertagen weitaus positiver waren, als er dann tatsächlich geschmeckt hat. Lag wahrscheinlich am Mischungsverhältnis. Was soll ich sagen? filjmölk und lingonsylt gewannen so langsam das Übergewicht. Ich ebenfalls. Bewegung war angesagt. Unter Bienengesumme, Hummelflug und Mückenattacken gelangte man in 300 m Entfernung zu einer kleinen Badebucht. Ett dopp i vattnet, ein kurzes Eintauchen in die kühlen Fluten, hat sich dann allerdings nur unser Dackelchen getraut.

Hier meine Highlights für eine einwöchige Reise nach Väddö über Stockholm bei jedem Wetter:

Stockholm_havet_kajen_skepp_gamla_stan_Altstadt
Meine schwedischen Farben…
… natürlich in Stockholm

  • Wenn ihr fliegt, dann vermutlich nach Stockholm. Schon wenige Stunden in dieser wunderherrlichen Stadt genügen, um zu wissen: Hier muss ich wieder hin. Und zwar exklusiv. Wir sind in Gamla Stan, der pittoresken Altstadt, herumgewandert, haben – gegenüber von Gudrun-Sjödén – im Café Kladdkakan, was so viel heißt wie klebriger Kuchen), unvergleichliche kanelbullar, einen ostkaka (Käsekuchen) sowie ein Stück äußerst frische und delikate princesstȧrta genossen. Eigentlich wollten wir zum Café Vetekatten, einem sehr alten, sehr berühmten… Aber, was soll ich sagen: Wir hatten echt Hunger und haben das Vetekatten nicht gefunden. Das Parken unseres Mietautos in der Nähe von Kungsgatan hat unser Budget empfindlich getroffen. Stockholm möchte, dass man sein Auto zuhause lässt. Gut. Das wissen wir jetzt. Zum Trost haben wir uns im Systembolaget (dem staatlich kontrollierten Alkoholladen) mit Norrlands guld eingedeckt, ein Bier, das schmeckt und sich prima mit Fischen verträgt.
  • Auf Väddö selbst sollte man sich in den Tag hineintreiben lassen. Was es gibt, verpasst man nicht, denn man fährt irgendwie, irgendwann sowieso daran vorbei. Selbst wenn man kein Mietauto hat, ist der öffentliche Nahverkehr ziemlich gut ausgebaut. Man braucht zwar ein paar Stunden länger, tut es aber den Schweden gleich, indem man eiskalt entschleunigt.Väddö skärgard
  • In Grisslehamn gibt es einen kuscheligen kleinen Hafen mit Fischräuchereien, kleinen Restaurants und Cafés, die u.a. räksmörgȧsar anbieten, Krabbensandwiches mit Majo, Ei, Salat und eben fangfrischen Krabben. Wir haben das Café Vischan ausprobiert, das auf ökologisch macht. Dass die kleine Gaststätte ein wenig improvisiert wirkt, macht ihren Charme aus. Alle sind freundlich, alles schmeckt super, ist aber zu wenig für die saftigen Preise. Gleich gegenüber findet ihr auch einen Ableger des Outlet-Centers Edblads hjärta mit Kleidung, Keramik und Schmuck in nordischem Design. Im Hotell Havsbaden kann man sicher stilvoll wohnen und schlemmen; uns zog es jedoch mehr in die kleinen Fischerhütten.

    Kleine Kunstwerke: Salta fiskar, Salmiakhaltige Lakritzfische.
  • In Grisslehamn fahren die Fähren der Eckerö linjen über das Ålands hav, das ȧländische Meer, nach Eckerö, ein kleiner Ort im Niemandsland auf den finnischen Åland-Inseln. Die Fahrt ist nicht teuer. Die Einheimischen nutzen mit Kind und Kegel die steuerlichen Vorteile zum Einkaufen von Alkohol jeglicher Couleur. Mit Trolleys schleppen sie ihn aus dem Duty-Free-Shop in ihre gemütlichen Wohnstuben. Hier gilt: Der Weg ist das Ziel. Gut gelaunte Menschen, richtig gute MusikerInnen zur Unterhaltung, sogar ein Quiz, bei dem man die Kenntnisse über seine finnische/schwedische Heimat testen kann. Die Hin- und Rückfahrt lässt sich wunderbar mit einem Cocktail oder einer Tüte Salta fisk versüßen. Insgesamt ein vergnügliches, zudem sehr skandinavisches Event. In zahlreichen Restaurants kann man zudem sehr gut und günstig essen. Wer mehr Zeit auf den Inseln verbringen möchte, der sollte von Kapellskär nach Mariehamn, liebevoll Kleine Großstadt genannt, übersetzen.
  • Auf dem Weg nach Grisslehamn gibt es eine kleine Abzweigung nach Gȧsvik. Das dortige Outlet-Center Edblads hjärta lockt mit einem Gartencafé und sehr günstigem Modeschmuck der gleichnamigen Marke. Erstaunlich erschwingliches, geschmackvolles nordisches Design in wirklich großer Auswahl. Auch ideal als Mitbringsel.
    Väddö_bylehamn_glass_eis_gardmejeri
    Üppig und lecker

  • Nach ausgiebigem Shopping haben sich alle ein Mega-Eis aus der Väddö Gȧrdsmejeri, ebenfalls auf dem Weg nach Grisslehamn, verdient. Dort gibt es das Hamburger-Restaurant Bonden och Burgaren, so ungefähr: Der Bauer und sein Burger, sowie ein sommerlich-frisches Eis-Café, Bondens Glasskalas, Des Bauern Eis-Fest. Am hofeigenen Landungssteg legen Skipper aus benachbarten Schären an um sich an Gefrorenem zu laben. Hamburger, Eis und Sahne stammen aus eigener Produktion. Von allesamt namentlich bekannten, freilaufenden Kühen. Auf der anderen Straßenseite kann man sie besuchen. Mit dem Traktor eine Kuhsafari (Hallo? Natürlich ohne Schießen!) machen. Der Bauer erzählt Wissenswertes. Der Anhänger ist immer voll. Man hat sich ökologischem Landbau verschrieben, ist sendungsbewusst.
    Auf der anderen Seite; Der König und die Königin

    Auf dem weitläufigen Gelände hat die findige Bauernfamilie ein weiteres gemütliches, mysig(-es) Café installiert, wo sogar schon die königliche Silvia nebst Carl Gustav das berühmte Eis schleckten. In der angeschlossenen butik dreht sich alles um das profitable Milchtier. Draußen drücken die kleinen Besucher ihren Eltern die knallorangenen Schwimmwesten in die Hand, um im Streichelzoo Kaninchen mit Grashalmen zu pieken. Sehr sommerlich all das, sehr schwedisch. Das Eis, die Sahne sind so gut, dass die Leute Schlange stehen und platziert werden.

  • Wenn ihr über Grisslehamn hinausfahrt, erreicht ihr Singö. Hier wird es ruhiger, privater. Man bleibt unter sich, gibt sich kühler. Obwohl öffentlich, betrachtet man hier die Strände als Privateigentum. Trotzdem lohnt es sich über kleine Brücken, vorbei an traumhaften Buchten zu fahren, einen Blick auf die sündhaft teuren Sommerresidenzen reicher Stockholmer zu werfen. Es gibt sogar eine Singö-Krimireihe. Ja, Verbrechen hat in der kleinsten Hütte Platz! Quirliger war es in der anderen Richtung.
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    Gewebte Geschichte in der Domkyrka zu Uppsala

  • Eineinhalb Stunden entfernt liegt Uppsala. Bekannt vor allem wegen des Gassenhauers „Ein Student aus Uppsalallalla…“, seiner altehrwürdigen Universität und seines Doms. Der Botaniker Carl von Linné, dem wir die in Latein verfasste Systematisierung der Pflanzen verdanken, ist allgegenwärtig. Am eindrucksvollsten wohl im Botanischen Garten, den man kostenlos durchstreifen kann. Eine Offenbarung für jeden Pflanzenliebhaber, der glaubte, in Schweden wüchse nur Irisch Moos. Die Altstadt ist ruhig und überschaubar. Im Café Linné gibt es eine reiche Kuchenauswahl. Hier vertrödeln Studierende verregnete Sommertage, lesen im schummrigen Licht (Schlecht für die Augen!) ihre Aufzeichnungen vom letzten Semester. Auf Papier. Die Uhren ticken hier langsamer. Mütter mit haufenweise Kinderwagen tauschen sich aus. Der Dom ist erwartungsgemäß mächtig und nordisch schlicht.
  • Kista: Ein liebevoll restaurierter hembygdsgȧrd, ein Bauernhof als Freilichtmuseum aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, auch wenn seine Wurzeln bis ins Mittelalter hineinreichen. Über die Öffnungszeiten solltet ihr euch vorher informieren. Dann kann man hier sogar fika, kaffeetrinken. Um friedlich herumzuwandern ist es aber erlaubt das Tor zu öffnen, dann hindurch zu schlüpfen, wenn man es hinter sich wieder schließt. Könnte ja sein, dass ein paar Schafe dieselbe Idee hatten. In der Nähe hat man sogar Grenzsteine aus Wikingertagen gefunden. Ob es sich bei den ebenfalls entdeckten Steinansammlungen um Grabstätten handelt – da möchte man sich noch nicht festlegen. Auch wenn so etwas für Schwedenfans längst Tatsache ist. Auf Kista feiern die Väddöer Mittsommer, hier heiraten sie, feiern Geburtstage. Außerdem lässt man in einem Spektakel den Sommer 1719 wiederaufleben, als russische Truppen die schwedische Küstenlinie überfielen, wobei sie keinen Stein, keine Planke auf der anderen ließen. Bei einem kleinen Spaziergang von hier aus zum Mossberg kann man über Felder und Wiesen und den Golfplatz schauen. In der Ferne blitzt sogar ein Stückchen blaues Åland-Meer.
  • An lauen Sommerabenden könnt ihr direkt über dem Wasser kleine Gerichte genießen und über die Bucht von Barnens ö schauen. Schwalben werden gefährlich nah an euren Köpfen vorbeisirren. Wenn es kühler wird, könnt ihr euch in ein paar Decken wickeln und weiter träumen. Das Barnens Ö Krog & Scen liegt an der Hauptstraße Richtung Simpnäs. Manchmal gibt´s sogar ein Konzert. Ein typisches Sommerrestaurant und -café, das nur von Mitte Juni bis Mitte August geöffnet ist. An kühleren Abenden/Tagen empfiehlt sich für empfindlichere Naturen warme Kleidung. Der im Süden von Väddö befindliche Teil Barnens ö, Insel der Kinder, dient auch heute noch als barnkoloni, als Ferienstätte für Stockholmer Sprösslinge.
  • Das Vikingabyn Storholmen öffnet dieses Jahr leider erst in der zweiten Hälfte Juli. In genuiner Umgebung toben sich engagierte Freizeit-Wikinger aus. Man erfährt, wie ein solcher gekleidet war, was er gegessen, was er so gedacht hat, wie er die Axt warf. Laut diverser Einheimischer ein wirklich lohnender Besuch. Nicht nur für Kinder. Die Wikinger sind allerdings nicht immer zugange. Auf der Webseite findet ihr alle Events.

    Vorgeschmack auf die American Car Show in Norrtälje
  • Norrtälje, die Hauptstadt der Region Roslagen, zu der Väddö gehört, erreicht man auf gewundenen Wegen durch wunderschöne Landschaft. Seen, Wälder, runde Felsbrocken rote Häuschen, Möwen, Seen, Wälder, runde Felsbrocken, rote Häuschen, Möwen… Ein einziger, wohltuender Garten. Das Städtchen selbst ist beschaulich. In der Altstadt findet man alles, was das Herz begehrt: Schicke Mode, Antiquitäten, Schwedisches Design wie z.B. Tischwäsche von Ekelunds, gewebte Teppische, stilvoll-schlichte Keramik.
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    Immer gut besucht: Café Hörnan in Norrtälje
    Sonnige Prinsesstarta

  • Unbedingt besuchen solltet ihr das betagte, gemütliche Café Hörnan in Norrtälje. Hier schmeckt die Princesstȧrta, das Kanelbulle nochmal so gut. Und ihr wisst ja: Kaffet är med pȧtȧr. Sprich: Kaffett e me´ potor. Oder ihr fragt: E kaffett me´ potor? Man bezahlt einmal Kaffee und kann sich dann nehmen, so viel wie man will. Alljährlich findet hier im Sommer die American Car show statt. Amerikanische Schlitten und deren Besitzer schieben sich durch den Ort, bevor am Hafen ausgiebig zu Rockabilly gefeiert wird. Leider am Tag unserer Abreise. Die Black Ingvars mit ihren abgedrehten Covers bekannter Lindgren- und Abba-Songs- hätten wir gerne gehört.
  • Gut, reichlich und günstig gegessen haben wir zum Abschluss in Älmsta, dort wo nur der Kanal die Insel vom Festland trennt, im Ankaret, The Anchor. Nicht das gemütlichste Restaurant, aber mit freundlichem Service und super Salatbuffet, leckeren Pizzas und anderen Speisen, die satt machen. Hier gehen die Einheimischen hin, wenn sie der ganzen Familie was Gutes tun wollen, ohne einen Kredit aufnehmen zu müssen.
  • Einen loppis, Hausflohmarkt, zu besuchen, daran kommt man wohl nicht vorbei. Überall locken sie mit zerlesenen Taschenbüchern, verstaubten Porzellantellern, sogar Kleinmöbeln.
    Bylehamn? Loppisfynd? En hemlighetens tavla?

    Vielleicht findet man aber gerade hier – oft zu selbstgewählten Preisen – den eisernen Kerzenständer, der uns im Winter leuchten und an unsere Schwedenreise erinnern wird.

  • Was könnt ihr auf Väddö noch machen? Eigentlich alles: Wandern, im Meer und auf dem Väddö Kanal paddeln, segeln, Fahrrad fahren, fischen, golfen, lesen, faulenzen, grillen, kitesurfen, Ausstellungen, Konzerte besuchen, schwedische Spezialitäten kosten, beten, dass ihr noch eine Runde schwimmen könnt, bevor euer Urlaub zu Ende ist.
  • In einer Touristeninformation bzw. einem ICA solltet ihr euch die bereits erwähnte Broschüre für euer Urlaubsjahr schnappen. Hier ist alles verzeichnet, was ihr für einen wunderbaren Aufenthalt in Roslagen braucht.
    Zwergdackel Teckel Rauhaar
    Dackeln im Sturm

    Wieder zuhause im Saarland

Älskade Väddö. Geliebtes Väddö. Ich kann die stolzen Inselbewohner durchaus verstehen.

Eure Stina