Wohin im Sommer? Nach Gondrexange!

Gondrexange canal kanal

Wie aus Eimern hat es letzte Nacht geschüttet. Sturm ist eine Untertreibung für das, was da gegen Türen und Fenster drückte. Wandern in den Vogesen? Fehlanzeige. Schließlich möchte man nicht wie Ödön von Horváth, seines Zeichens Dichter, von einem herabfallenden Ast erschlagen werden. Zumal auf den Champs Elysées. Was man sich nicht alles aus seinem Studium der Literaturwissenschaften behält! Oder eher: Wie wenig! Irgendwie scheint sich mir dieses, im Fluss der Weltliteratur doch eher marginale Ereignis eingebrannt zu haben. Wann immer der Wind ins Geäst fährt, denke ich: Ödön von Horvárth! Nicht: Kloppstock! Kleiner Germanistenwitz am Rande und Rätselnuss für alle, die immer mal Goethes Werther lesen wollten.

Wir fahren also ins Flachland. Juchhe! Dahin, wo es weite grüne Ebenen, schwarz-weiße Boardercollies und jede Menge Schafe gibt. Wo sich malerisch – bereits umgestürzte Eichen – in der Landschaft fläzen, ihr morsches Geäst gen Himmel strecken. Mitten im Parc Naturel Regional de Lorraine des Grand Est liegt Gondrexange. Etwa 10 km von Sarrebourg erstreckt sich die lothringische Seenplatte: Le Pays des étangs. Ein Eldorado für Wassersportler, Wanderer und maritime Vögel aller Art. Wir parken vor dem Campingplatz in besagtem Gondrexange, einem Örtchen, das aufgrund der eierschalengelben, lachs- und rosagetünchten Häuser – nicht wenige mit südländischem Schrägdach – selbst an einem 1. März mit sonnigem, fast mediterranem Charme unser Herz erwärmt.

Hauptattraktionen sind der Rhein-Marne-Kanal sowie der ausladende See, dessen älteren, kleineren Teil wir zu umrunden gedenken. Vom Parkplatz aus gehen wir ein paar Meter zurück Richtung Hauptstraße, überqueren die Kanalbrücke und biegen dann rechts auf den prima asphaltierten Treidelpfad ab. Immer geradeaus, dem Kanal folgend, vorbei an kleinen Teichen, auf denen gemütlich mancherlei Seevögel paddeln. Schwäne fliegen malerisch über uns hinweg. Schließlich überqueren wir eine grüne Eisen-Brücke. Ca. 150 m weiter klettern wir rechterhand einen kleinen Abhang (1 m) hinauf und folgen dem Pfad durch lichte Buchenwälder, vorbei an sattgrünen Wiesen – Dänemark lässt grüßen.

Ja, es ist matschig. Aber wen stört das, wenn der Liebste Sandwiches und einen verdammt heißen Kräutertee mit Honig aus dem Rucksack zaubert? Zufrieden knabbern wir als krönenden Abschluss unsere mitgebrachten Schokokekse. Am strahlend blauen Himmel segeln weiße Wolken. Ist sie da, hat die Sonne schon richtig Kraft. Zu unseren Füßen sprießen Gänseblümchen, Löwenzahn und strahlend blauer persischer Ehrenpreis. Das ist doch mal ein Frühlingsanfang, wie er im Buche steht! Wie ihr vielleicht wisst, bin ich Enid-Blyton-geprägt. Ja doch, diese altmodische englische Kinderbuchautorin. Ihre Fünf-Freunde sind mir nun mal so ziemlich als erstes literarisches Produkt über den Weg gelaufen. Wie dem Gänschen der Konrad Lorenz. Und so denke ich, wenn ich an Wasser mit Schilf, ausgedehnten Weideflächen mit Schäfchen, und Dörfern mit spitzem Kirchturm vorbeikomme: The famous five, oder einfach fem-böckerna, wie sie auf Schwedisch heißen.

Illustration Gerda Raidt
Wunderbare Illustration von Gerda Raidt aus Enid Blytons „Fünf Freunde meistern jede Gefahr“, Verlag: cbj

Im Hintergrund die blauen Berge, Les Vosges. Wenn das nicht nach Geheimnis riecht! Hier wäre ich auch gerne mit besten Freunden plus Fahrrad entlanggeradelt, hätte Unlauteres aufgespürt um mich abends an Tee und Käsebroten gütlich zu tun! In Sicherheit, bei Mama! Kinderdetektivische Ermittlungsarbeit also, bevorzugt ohne näheren Verbrecherkontakt mit einhergehender Gehirnerschütterung. Wir erinnern uns? Ödön von Horváth…?

Die Landschaft strahlt Weite, Gelassenheit aus. Unser Schritt entschleunigt sich. Es gluckert und plätschert allenthalben. Im April, Mai werden kleine Entenküken auf der gekräuselten Wasserfläche erste Ausflüge wagen. Die Teiche wurden übrigens im Mittelalter von Mönchen zur Fischzucht angelegt. Wären wir, anstatt abzubiegen, geradeaus gegangen, hätten wir den Port du Houillon, seines Zeichens ein Hafen für Freizeitkapitäne, einen sogenannten Port de Plaisance, erreicht, an dem im Sommer rund um die kleine Restauration, den Boots- (ohne Führerschein!) und Fahrradverleih (elektrisch!) munteres Treiben herrscht. Er liegt übrigens am wunderschönen Canal des Houillères de la Sarre, dem Saar-Kohle-Kanal, der ab 1866 zum Transport von Steinkohle diente.

Nach ca. einem Kilometer ebenen Geländes gelangen wir an unseren Ausgangspunkt zurück, den Campingplatz. Mit hauseigenem Plage, auf dem ein einsames quietschgelbes Schippchen liegt. Doch der nächste Sommer kommt bestimmt. Dann werden hier wieder Kinder spielen und ihre neuen Schwimmflügel testen. Es wird nach Eis- und Sonnencreme duften. Vielleicht sogar nach Kokos. Jemand wird eine Zigarette rauchen und der Rauch zu uns herüberwehn, von irgendwoher dudelt ein Radio. Auch das gehört dazu. Jedenfalls zählt Camping-Urlaub zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen. Aufbleiben, bis man vor Müdigkeit auf die Liege kippt. Füße erwursteln sich angenehme Positionen in einem Schlafsack, der immer zu kurz scheint. Draußen am Wäscheseil hängen die nassen Badesachen zum Trocknen. Dumm, dass es heute Nacht regnen wird. Jeden Morgen mit Luftmatratze und Schwimmtier an den Strand. Abends Würstchen vom Grill und Kartoffelsalat. Nudelsalat kam später. Wann ist noch mal die Disco im Dorfgasthof?

Wieso eigentlich muss der Nachwuchs von frühster Jugend an auf Fernreise? Nachhaltiger, oft kreativer kann doch ein Aufenthalt in der Nähe sein. Vielleicht nicht mehr, wenn die Kleinen von überspannten Resort-Animateuren bereits auf Hochleistungs-Freizeitler getrimmt worden sind. Kommt auf die Déformation touristique der Eltern an. Diese Reiseziele im lothringischen Naturpark klingen doch auch gut: Tarquimpol, Rhodes, Langatte. Ersteres ist zudem ein Hort mystischer Erzählungen und eine Fundgrube für Archeologen. Wer möchte nicht der Sage von den Mönchen lauschen, die im Étang de Lindre leben? Maritimes liegt so nah! Brauche eine Kapitänsmütze!

Was kann man hier also für einen gelungenen Urlaub tun? Wandern, Kanu, Barke und Tretboot fahren, zelten, Würstchen braten, eine urige Kota mit rot-weiß-karierten Gardinen mieten, Rad fahren, Vögel beobachten, fischen, schwimmen, sich zum ersten Mal verlieben, Wölkchen zählen, windsurfen, sich nochmal ineinander verlieben, einen Ausflug in die Vogesen unternehmen, Krimis lesen, Boule spielen, Pastis trinken, Tennis spielen, an einem Strohhalm kauen, nichts…

Das Restaurant de la Plage, ehedem übrigens ein sehr gutes, dabei preisgünstiges, hat leider dauerhaft geschlossen. Manno! Der Kota-Grill öffnet wohl erst mit Beginn der Kota-Vermietung. Die Bäckerei L´Ami du pain wird hochgelobt, glänzt mit Spezial(!)-Brot und süßen wie herzhaften Teilchen, öffnet aber erst im März. Wer schon jetzt Hunger hat: Chez Petit Jean im vier Kilometer entfernten Héming macht einen soliden Eindruck. Lasst euch von der dortigen Zementfabrik nicht abschrecken. Denkt Camelot, wehrhafte Burg. Die Leute müssen ja irgendwo ihre Flûtes verdienen. Denkt Moules Frites. Im Seengebiet – früher beliebte Sommerfrische für stressgeplagte Saarbrücker – besitzt jedes Dorf sein kleines Café-Restaurant, wenn nicht sogar einen Gourmet-Tempel.

Ach ja: Hunde sind am Strand leider nicht erlaubt. Dann wandern wir eben mit Nuri und tauchen unsere Zehen woanders in den See.

Übrigens führt der berühmte Fahrradweg EuroVelo 5 über die Treidelpfade des altehrwürdigen Saarkohle- sowie des Rhein-Marne-Kanals. Für eine mehrtägige Tour könntet ihr also in der Keramikstadt Sarreguemines einsteigen um dann durch das pittoreske Saartal über das Krumme Elsass den Parc naturel de Lorraine zu durchcruisen, bis bei Gondrexange der Canal de la Sarre mit dem Canal de la Marne au Rhin zusammenfließt.

Highlights in der Umgebung: St. Quirin, eins der schönsten Dörfer Frankreichs, zudem ein alter Pilgerort mit herzallerliebsten Kanälchen. Sieben Sakralbauten, Les sept roses genannt, zeugen von der bewegten Vergangenheit des Dorfes, lassen sich auf dem gleichnamigen Circuit erwandern. Rundherum gibt es weitere Wanderstrecken, auf denen sich Gallo-Romanisches entdecken lässt. Essen kann man etwas teurer im Restaurant du Prieuré und auch wohnen. Reservierung nicht vergessen!

Abreschviller steht ganz im Zeichen des Waldes. Nach einer ruckelig-romantischen Tour mit dem Train forestier, einer dampfgetriebenen Waldeisenbahn, durch das Tal der Roten Saar, könnt ihr hier formidabel, ebenfalls mit Vorreservierung, in der Auberge de la Forêt speisen. Wenn ihr den – ziemlich authentischen – Indianerangriff, mit dem Einheimische in den Sommermonaten Touristen erschrecken, überlebt… Die Fahrt in der liebevoll gestalteten Museumsbahn macht großen wie kleinen Kindern Spaß. Wissbegierige lernen bei einem Film, was die Eisenbahn hier früher so transportierte. Zwei große Kioske mit Sitzgelegenheit sind angeschlossen. Kauft euch ein Eis, zieht die Badesachen an und kühlt euch im Weiher um die Ecke ab. Abreschviller selbst ist übrigens ein hübscher Ort mit einer wunderbaren Gîte. Es gibt mehrere Wohneinheiten, auch für größere Gruppen. Bei schönem Wetter kann man im Garten einem munteren Bächlein lauschen. Wohnen und sehr gut essen könnt ihr auch im Hôtel du Charme Les Cigognes. Bei schlechtem Wetter reizt ein Innenpool.

Super Tipps rund um die Region findet ihr hier.

Warum also in die Ferne schweifen? Besucht mich auch auf Pinterest!

Entenbildchen, Layout-Elemente von Canva, zusammengebastelt von mir. Alle anderen Fotos in diesem Beitrag von Stina. Beitragsbild von Stefan Strauß.

Schönen Urlaub wünscht euch

Stina

Heute mal ein Taugenichts – Mit dem Fahrrad durch das Hanauer Land

Illustration zu Joseph von Eichendorfs Aus dem Leben eines Taugenichts, Bild, von Julclub

Zuerst die Fakten: E-Bike-Rundtour. Ca. 3-3 ½ Stunden. Teilweise Fahrradwege. Mittlerer Schwierigkeitsgrad. Route: Von Dossenheim-sur-Zinsel über D14 Neuwiller-les-Saverne Richtung ausgewiesene Fahrradstrecke (Kleines Schild mit grünem Fahrrad bzw. kleiner orangener Pfeil) nach Herrenstein. Nicht über D 133 Richtung Bouxwiller/Griesbach! Im Zentrum von Herrenstein rechts abbiegen. Ein Abstecher zur Abtei, die rechterhand liegt, lohnt sich. Wieder auf der Hauptstraße am Hotel-Restaurant Le Herrenstein vorbeifahren. Am Ortsausgang geht es links auf den Fahrradweg 22 bzw. 62 Richtung Bouxwiller. Hier kurzer Abstecher ins Zentrum mit seinen Fachwerkhäusern und Salon de thé Au charme du passé. Auf demselben Weg wieder aus dem Ort hinausfahren, D4 Richtung Obersoultzbach. Auf die D7 nach Weiterswiller abbiegen. Richtung Neuwiller-les-Saverne fahren. Weiter nach Herrenstein, diesmal geradeaus weiterradeln nach Dossenheim-sur-Zinsel.

Weitere Details zum Radfahren im Hanauer Land findet ihr hier!

Und jetzt… Stimmung!

Hatte mir gerade wieder einmal Joseph von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts zu Gemüte geführt. Da drängte es mich, es jenem gleich zu tun. Statt im Garten auf einer Liege zu lümmeln, schwangen mein Mann und ich uns aufs Fahrrad um das Hanauer Land – Le pays de Hanau – zu erkunden. Denn wie heißt es so schön in der Novelle: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.“ Und weit erschien mir die Welt an diesem Tag tatsächlich. Obwohl wir nicht auf Schusters Rappen geschweige denn mit Kutsche unterwegs waren wie der müßige Müllersohn. Und es war auch nicht die schöne Donau, die uns zuweilen begleitete, sondern die weitaus kleinere, ruhigere Zinsel. Doch rechts und links wogten gelbe Felder. Die Heuballen waren artig gerollt. Am hohen Himmel segelten Schwalben dahin. So hätte man vielleicht zu Eichendorffs Zeiten geschwärmt. Und so schwärme ich auch heute noch angesichts pittoresker Fachwerkdörfchen, mit Gärten, die es gut und gerne mit der bunten Blütenpracht vor jenem Eintreiber-Häuschen aufnehmen könnten, das dem Luftikus wie zufällig in den Schoß fällt. Sehe ihn direkt vor mir, wie er so auf seiner Bank sitzt, im gediegenen Morgenrock seines Vorgängers, eine Pfeife schmaucht und den Lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Einmal den Spießer in sich ausprobiert, um dann neugierig zu neuen Ufern aufzubrechen. Unversehens fühlt man sich in die Zeit um 1826 versetzt, als die spätromantische Novelle erschienen ist.

Wächter aus Sandstein an der Abtei in Herrenstein, Neuwiller-les-Saverne
Wächter aus Sandstein an der Abtei in Herrenstein, Neuwiller-les-Saverne

Immer wieder erstaunlich ist auch, was sich mit dem Fahrrad, abseits der ausgetretenen Pfade entdecken lässt. Nie im Leben hätten wir doch gedachtt, dass in Herrenstein eine mächtige romanisch-gotische Abtei den Ortskern dominiert. Der Grundstein dazu wurde im 8. Jh. gelegt. Die Einheit von romanischer Doppelkapelle, dem ältesten Teil der Abtei, gotischer Basilika und weitläufigem Vorplatz strahlt eine wunderbar kontemplative Ruhe aus. Stellt euer Rad beiseite, genießt den Augenblick. In der Kirche gibt es auch kostbare Wandteppiche aus der Zeit um 1500 zu bestaunen. Immerhin trägt die Anlage den Titel monument historique. Wie wäre es jetzt mit einem Picknick mit frischem Baguette? Auf dem Weg nach Bouxwiller könnt ihr auf der Ferme Herrenstein den Käse dazu kaufen.

Super leckerer Blaubeerkuchen: Au charme du passé, Bouxwiller
Super leckerer Blaubeerkuchen: Au charme du passé, Bouxwiller

Unser Piece of the day war allerdings das Au charme du passé in Bouxwiller. Ein liebevoll dekorierter Salon de thé, ausgestattet mit einer Fülle von Antiquitäten samt Kuriosa, in einem Seitengässchen der Grand Rue. Hier bekommt ihr den wohl besten Blaubeerkuchen des Grand Est. Mit einer wunderbar luftigen Baiserhaube. Selbst gebacken vom Hausherrn, der von Berufs wegen ein vielbeschäftigter Schreinermeister ist. Das Cafe dagegen ist die Domaine seiner Frau, die ihre Gäste mit Charme und Warmherzigkeit empfängt. Ihre Zitronencremetorte, den Pflaumenkuchen und den Erdbeerkuchen mit Nuss hätten wir gerne noch gekostet, aber ein Stück und ihr seid pumperlsatt. Jeder Tisch erzählt von Madames Leidenschaft für Nostalgisches, das man hier natürlich auch erstehen kann. Vom Steiff-Dackel bis zu elsässischen Trachten im Puppenformat – hier wird man fündig. Im Sommer sitzt man in einer hübschen Gasse, umgeben von typischen Fachwerkhäuschen. Natürlich an Tischen mit blütenweißer Spitzentischdecke.

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La Tarte!

Wunderschön dekoriert…

Weiter ging´s also mit kugelrunden Bäuchen. Vorbei an Obstwiesen, kleinen Weilern, leuchtenden Gärten mit Astern, Dahlien und, klar, strahlend gelben Sonnenblumen.

Obersoultzbach

 

Und da ist er wieder, der Taugenichts, wie er fiedelnd seines Weges zieht. Sicher hätte er bei der kleinen Kirmes in Obersoultzbach aufgespielt. Ich seh ihn vor mir: Mit spindeldürren, langen Beinen, wehenden Haaren und fliegenden Rockschößen. Ein Sinnbild des Sommers, der Lebensfreude, Leichtigkeit in jeder Pore. Und einer guten Portion Gelassenheit. Und wer möchte schon das Arbeiten erfunden haben?  Immer der Nase lang. Auch wenn ihn zuweilen das Heimweh drückt. Er wagt und gewinnt. Bis er schließlich seine Liebste findet, die zwar keine Gräfin ist, dafür aber geduldig auf ihren Angebeteten gewartet hat, während er im fernen Italien Erfahrungen sammelte. „Sie lächelte still und sah mich recht vergnügt und freundlich an“, schreibt von Eichendorff am Ende seiner Erzählung, die, auch wenn, oder gerade weil sie manchmal so abstrus mit Zufällen spielt, unser Herz erwärmt. „…und von fern schallte immerfort die Musik herüber, und Leuchtkugeln flogen vom Schloß durch die stille Nacht über die Gärten, und die Donau rauschte dazwischen herauf – und es war alles, alles gut!“

Blumenpracht im Pays de Hanau

Sind die Fahrräder verstaut, könnte ich mir vorstellen im Le Herrenstein einzukehren, oder sogar zu übernachten. Aber davon vielleicht ein andermal.

Obiges Zitat aus dem Taugenichts stammt aus dem entsprechenden Reclam-Bändchen. Eine unterhaltsame, schnoddrige Zusammenfassung als Video mit Playmobilmännchen und -frauchen findet ihr auf YouTube. Selbstverständlich solltet ihr danach schleunigst eine Hängematte aufsuchen und das ganze Büchlein genießen. Eine spätsommerliche Portion Gelassenheit wünscht euch

Stina

Mit dem Fahrrad zu den Sternen – Véloroute du canal de la Marne au Rhin und Hotel Restaurant A l´étoile im elsässischen Mittelhausen

Angler am Canal Marne Rhin

Maritimes Feeling mitten im Elsass? Ich empfehle eine 2-Tages-Tour mit dem Fahrrad entlang des Rhein-Marne Kanals, auf der Véloroute du canal de la Marne au Rhin. Hin und zurück. Im Juni, wenn der Gelbsenf blüht, kleine Enten erste Ausflüge mit ihrer Mutter wagen. Ein friedvolles, entspannendes Erlebnis. Freundliche Menschen radeln auf dem Weg, ein paar Meter weiter schippern Freizeitkapitäne frohgemut vorüber. Manche, wie es sich gehört, in blau-weiß gestreiftem T-Shirt. In der Ferne grüßen die blauen Kämme der Vogesen.

Fahrradweg Canal Marne Rhin Elsass, Alsace
Immer am Kanal lang…

Wir starten von Lutzelbourg. Wer möchte, kann sich hier mit ein paar Crêpes für die Weiterfahrt stärken. Hin und wieder gibt es auch scharfe Merguez und kaltes Bier. Der kleine Ort rüstet langsam aber sicher für Fahrradtouristen und Wanderer auf, die in entgegengesetzter Richtung zu uns zum Plan Incliné in Arzviller unterwegs sind. Ein bisschen Budenzauber also zum Auftakt. Dann rauf auf die Räder und ab auf den wunderbaren, gut ausgebauten Eurovélo 5, der sich von London über Strasbourg bis nach Brindisi erstreckt. Vorbildlich beschildert und – vor allem – eben. Auch ungeübte Fahrradfahrer können sich hier ihre Etappen zusammenstellen, Ein- und Ausblicke genießen. Ein Gasthof zum Übernachten findet sich immer. Mit dem E-Bike haben wir knapp 46 km pro Tag geschafft, Tourentempo.

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Weite.

Auf dem Kanal tummeln sich schon diverse Hausboote, die man in Lutzelbourg mieten kann. Nach kurzer Einweisung darf man die auch ohne Bootsführerschein durch die zahlreichen Schleusen steuern. Je mehr Leute mitfahren, desto billiger wird das kostspielige Vergnügen. Wir passieren Saverne, eine kleine Residenzstadt mit geschäftiger, fachwerkgeschmückter Einkaufsstraße, Schloss Rohan, Burg und der altehrwürdigen Maison Katz. Wie wäre es mit einem Eis? Nein, wir sind im Fahrradrausch; mit 20 Sachen brausen wir den Kanal entlang. Über uns kreisen die Störche. Im Gras quakt es verräterisch. Farben wie aus einem Aquarell. Sie wissen schon, jenes, das man in den Sechzigern als Sommeridyll vor Augen und an der Wand hatte.

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Fast wie am Meer

Lichtes Grün, blasses Blau, strahlendes Gelb. Schäfchenwolken. Auf den Feldwegen gutgelaunte Sommerfrischler, bunte Tupfen im Sommerlicht, fröhlich winkend. Wir winken zurück. Ideal zum einhändig Fahrradfahren-Üben. Man versteht, was es heißt, wenn der Himmel hoch ist. Vogelgezwitscher allenthalben. Wir passieren Steinbourg, benannt nach den Steinbrüchen, die noch heute die schönsten Platten liefern. Außerdem ist ´s ein Storchendorf, das sich der Wiederansiedlung des elsässischen Wahrzeichens widmet. Gerade jetzt kann man die Störche in ihren Nestern bei der Aufzucht der Jungen beobachten. Lupstein, Dettwiller folgen. Aufgeräumte, kleine Vogesendörfer. An einem Schleusenhäuschen vor Hochfelden, bekannt durch die Météor Brauerei, verzehren wir Baguette mit Käse. Fehlt nur noch das Bier. Tatsächlich finden wir ein kleines Büdchen mit Sitzplätzen im Freien. Ein Huhn pickt um unsere Füße herum. Die Bierleitung müsste mal gereinigt werden. Wäre idyllisch, wenn die Servicekraft nicht auf die Idee käme, uns mit überlauter Popmusik zu beschallen. Vogelgezwitscher ade.Canal_Marne_Rhin_Saverne_elsass_alsace_cyclist_velo_fahrradweg_fahrrad_beschreibung_plan

Weiter also nach Waltenheim-sur-Zorn mit seinen üppigen Wandmalereien im Lokalkolorit. Witzige, eigensinnige, elsässisch inspirierte personalisierte Briefkästen derselben Künstler, Charly und Barbara Hamm, kann man hier übrigens gleich erstehen oder sich per Internet schicken lassen. Unser Ziel ist das Hotel-Restaurant A l´étoile in Mittelhausen, ca. 18 km vor Strasbourg. Dazu verlassen wir den Eurovélo 5 und strampeln über einen Feldweg, später ein Stück Straße entlang, Richtung Wingersheim, wo die Einheimischen gerade einen Flohmarkt vor imposanter Fachwerkkulisse veranstalten. Auf dem Weg: Der berühmte Hopfen, der sich der Sonne entgegen reckt.

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Ruhig und gelassen

Der Empfang im A l´étoile ist, wie man sagt, chalereux, unsere Wahl ein Glücksfall. Eine gutgelaunte Gästeschar verlässt gerade das Restaurant. Unser kleiner Hund wird gestreichelt. Man fragt, woher wir kommen. Hier soll es den Gästen gut gehen. Deshalb kommen sie wohl auch immer wieder. Das familiengeführte, traditionsreiche Hotel mit fantastischem Schwimmbad und eigenem Spa-Bereich ist elsässisch gepflegt. Ruhig liegt es in einer pittoresken Seitengasse, ist Mitglied des Logis de France. Seit 1978 leiten es Monsieur Jacques Bruckmann, alias Jacky, und seine Frau Chantal. Gemeinsam mit Fernand Mischler, dem Sternekoch des Cheval Blanc in Lembach, entwickelte Monsieur Bruckmann eine Küche, die elsässische Kochkunst mit zeitgenössischen, bisweilen sogar exotischen Genüssen vereint.

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Warmherziger Empfang: Die Bruckmanns mit Dackel Gaston

Wir checken ein. Merken, dass wir nicht nur das Hundefutter, sondern auch eine Hose für meinen Mann vergessen haben. Da er nur eine kurze Fahrradhose mithat, bekommt er kurzerhand meine Jeans (Ja, ich bin muskulös…). Ich verstecke meine längere Radlerhose, so gut es geht, unter einer langen Weste. Underdressed stiefeln wir ins Restaurant, das gewiss feinerer Kleidung würdig wäre. Aus seiner Tragetasche entwischt der Dackel, bringt beinahe die Kellnerin zu Fall. Gläser klirren. Sie fängt sich professionell. Wir schämen uns, die Crew nimmt´s lächelnd.

Gaststube A l´étoile Mittelhausen Elsass, Alsace
Elsässische Gemütlichkeit, aber nicht nur…

Was nun suchen wir, wenn wir ins Elsass reisen? Jawohl, Tradition. Holzvertäfelung, karierte Tischdecken und elsässische Spezialitäten. Nur dass Letztere hier einen, zwei, drei  Ticks delikater, eleganter, pfiffiger kredenzt werden. Eine gekonnte Liaison von Gemütlichkeit und Innovation. Einen Tisch sollte man hier auf jeden Fall reservieren, denn das Restaurant ist überschaubar, und gerade darum so gemütlich. Nachdem wir an der Bar einen Picon und einen Kir au vin blanc getrunken, sowie zwei delikate Mini-Flammkuchen schnabuliert haben, bestellen wir das Menu zu 30 Euro.

Vorspeise Menu A l´étoile Mittelhausen, Alsace, Elsass

 

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Er darf nicht fehlen.

Forellenterrine mit Schnecken an einer fluffigen Schaumsoße, danach zart gebratenes Schweinefilet mit Pistazienkruste mit selbstgemachten Spätzle, zum Abschluss eine gehaltvolle Mousse mit Marc de Gewürztraminer nebst Mango-Sorbet. Pot-au-feu, Tafelspitz, steht genauso auf der Speisekarte wie Jakobsmuscheln thailändisch mit Gemüse. Sicherlich nichts um sich samstags die Wampe voll zu schlagen, aber für Genießer exzellent. Und glauben Sie nicht, dass Sie nicht satt werden! Der Service ist umsichtig, jedoch dezent, persönlich.

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Einladend.

Mit kugelrunden Bäuchen, belebt vom Rouge de Marlenheim, unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang durch den idyllischen Ort, in dem gerade sämtliche Rosen ihr Bestes geben. Auf der Anhöhe erblicken wir ein Kirchlein, die Kapelle von Hohatzenheim aus dem 12. Jahrhundert. Bis dorthin schaffen wir es heute nicht mehr. Unser Dackelchen hüpft uns glücklich um die Beine. Im Korb, auf dem Fahrrad, kann man ja doch nur schlafen. Sieht so ein perfekter Tag aus? Bis auf die lärmende Bude in Hochfelden auf jeden Fall. In unserem gemütlichen Zimmer – nebst frecher Tomi Ungerer– Radierung – liege ich noch ein wenig wach. So viele Eindrücke, aufgereiht wie an einer Perlenschnur…

Am nächsten Morgen: Ein kleines, aber feines Frühstücksbuffet samt frischgebackenem Kuchen. Die Bruckmanns sind schon wieder voll aktiv, um das Wohl der Gäste besorgt. Noch schnell ein Foto mit den Hoteliers. Aber bitte mit Dackel. Sie haben nämlich ihren eigenen: Gaston. Und, wie es scheint, ist er genauso ein Sturkopf wie unser Jungspund. Also: Hoch die Dackel und lächeln. Wir kommen sicher wieder! Angemessen gekleidet. Merci für die schöne Zeit in Ihrem Haus und Ihre wunderbare Gastfreundschaft!

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Einfach Zucker, dieses Restaurant!

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Schleusenhäuschen in Mintgrün.

Am Kanal entlang geht´s zurück nach Lutzelbourg mit seinem kleinen Yachthafen, Port de Plaisance. Und wieder entdecken wir Neues. Spannend, so ein Rückweg. Wir zeigen rechts und links: Also da müssen wir aber auch mal hin… Unsere Pos tun weh. Ganz langsam zieht es auch ein bisschen in den Knien. Von einem Boot winken leicht verkaterte Gestalten in blau-weißen Ringelshirts. Schließlich war gestern Vatertag. Mit letzter Kraft erreichen wir den kleinen Hafen. In einem kleinen Laden mit einheimischen Produkten ersteht mein Mann Baguette und Käse. Moment mal, war das nicht gestern….?

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Elsass-Tassen von Julclub

Fahrt unbedingt mal hin

Eure Stina