Saint Quirin – Kleine Perle in den Nordvogesen

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Ich weiß im Grunde gar nicht so genau, warum ich Saint Quirin im Département Moselle so mag. Weder verzückt es mit mittelalterlichen Fachwerkornamenten, noch gewinnt es den sprichwörtlichen Blumentopf mit überbordenden Geranien vor den Fenstern. Es kommt eher mit rauem Charme daher. Trotzdem wurde die Gemeinde zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs gewählt. Meiner Meinung nach zu Recht. Vielleicht wegen des sehr überschaubaren Tourismus, der Saint Quirin belebt und motiviert jedoch nicht überformt. Vielleicht, weil man spürt, dass hier Menschen wohnen, die ihr Dorf lieben. Dabei gibt es hier längst keine Boulangerie mehr, sondern nur noch ein kleines Brotdepot im Bureau d’Information Touristique, das sich in der Mairie befindet. Denn ohne Flûte und Baguette geht auch in Saint Quirin gar nichts. Und wer mal eine Wildschweinterrinne oder Honig direkt vom Erzeuger braucht, findet das Gesuchte in der kleinen Épicerie, die dort ebenfalls untergebracht ist. Im Café des Vosges/Bar Tabac werden dafür immer noch ein cremiger Café au Lait oder ein ehrlicher Pastis serviert. Auf unspektakuläre, aber sehr französische, ja, auch vogesische Weise. Ein Restaurant, Atelier Food, für den OttoNormalVerbraucher ist ebenfalls sur place. Sowie ein Gourmetrestaurant, immerhin im Guide Michelin erwähnt: Die elegante Hostellerie du Prieuré. Und dann sind da noch die niedlichen Kanälchen, die Saint Quirin mit seinen Kopfsteinpflaster-Gässchen durchziehen, auf denen es sich so verträumt schlendern lässt. Ein Mini-Mini-Venedig sozusagen. In der Wunderquelle des heiligen Quirinus können PilgerInnen ihre müden Füßen baden, bewacht vom steinernen Äquivalent des stämmigen Soldaten, der seinerzeit vom Gefängnisaufseher zum Märtyrer avancierte, als ihn Kaiser Hadrian enthaupten ließ. Besonders wundertätig soll sich die Source Miraculeuse auf Skrofulose, eine Hautkrankheit, auswirken. Für einen so kleinen Ort ebenfalls bemerkenswert: Die Prioratskirche mit ihren drei markanten, für Lothringen untypischen Zwiebeltürmen. Das alles überragende Bauwerk punktet mit einem Gutteil von Quirinus´ Gebeinen, außerdem einer Silbermannorgel, die regelmäßig für Konzerte bespielt wird. Im Kuriengarten könnt ihr von rührigen Dorfbewohnern hergestellte Dekoobjekte in einem Gewürzkräuter- und Blumengarten bestaunen, bevor ihr dann den ältesten Ortsteil, das Croix Guillaume, erkundet. Die Überreste der gallo-romanischen Siedlung stammen aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Über einen kleinen Waldweg erreicht ihr die leichte Anhöhe fast ohne Anstrengung. Umgeben ist Saint Quirin von dunklen Vogesenwäldern, nicht weit entfernt befindet sich der sagenumwobene Donon. Warum also nicht nach einer Wanderung in Saint Quirin das süße Leben genießen? Und wenn es nur ein Café au Lait im Sonnenschein wäre…

Saint-Quirin ist eine französische Gemeinde mit ca. 703 Einwohnern im Département Moselle, Groß-Region Grand Est. Das Vogesendorf wurde mit dem Prädikat Les Plus Beaux Villages de France zu einem der schönsten Frankreichs gekürt. Nicht weniger als 75 denkmalgeschützte Bauwerke nennt es sein Eigen. Zu empfehlen ist der alljährliche Weihnachtsmarkt, bei dem das ganze Dorf mitmacht, wenn es sein muss, als Wichtel. Unten habe ich euch meinen Artikel dazu verlinkt. Mehr über den bemerkenswerten Ort erfahrt ihr hier.

saint quirin Moselle Grand Est

Schon beinahe am Ortsausgang, Richtung Lettenbach, befindet sich ein ganz besonderes Schmankerl: Das Atelier für Glas Au Verre-Luisant. Die Tochter designt und werkelt, die Mutter verkauft. Seit 1999 stellt Anne Holtzer wunderhübsche Glaskunststücke für jeden Geldbeutel her. Besonders mag ich die niedlichen Vitrails, Glasanhänger, die jedes Fenster zum Strahlen bringen. Leider, wie in meinem Fall, auch mahnen, dass das Fenster dringend mal wieder geputzt werden müsste. Wirklich entzückend: Die Mannele, Pfefferkuchenmännlein aus Glas, mit breitem Grinsen, die sich auch als Kühlschrankmagnet gut machen. Angeschlossen an das Atelier ist ein stilvoller, anheimelnder Laden, in dem ihr auch Erzeugnisse anderer KunsthandwerkerInnen erstehen könnt, z.B. herzallerliebste Filzmäuse. In Lila, Beige, Rosa. Die braucht man zwar nicht unbedingt, sind aber gut für die Seele. So wie die hübschen Riesentassen mit den niedlichen Katzen, die Kosmetikbeutelchen mit den lustigen Dackeln, die filigranen Ohrringe und märchenhaften Kolliers. Um nur einiges zu nennen. Je nach Jahreszeit werden Atelier nebst Garten höchst inspirierend dekoriert. Madame Holtzer steht mit ihrem Unternehmen übrigens in einer langen Tradition, denn schon im 16. Jahrhundert siedelten sich in Saint Quirin und Umgebung die ersten Glasmanufakturen an.

Schöner Empfang: Atelier Au Verre Luisant
Idyllisch: Au Verre Luisant, Saint Quirin

Für einen historischen Überblick kann ich euch diesen SR-Artikel wärmstens empfehlen.

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Phantome mit Esprit aus der Verrerie

Schaut´s euch mal an

Stina Julclub Leben bei den Wichteln

Weihnachtsmarkt in Saint-Quirin

Eisbär in den Vogesen

Hejsan, bevor ich euch auf den Weihnachtsmarkt von Saint Quirin vor drei Jahren mitnehmen, hier eine kleine Notiz:

Am 03. und 04. Dezember 2022 findet der MARCHÉ DE NOEL in Saint Quirin erneut statt. Mit vielen Ständen, Spezereien, Kinderbelustigung, StraßenkünstlerInnen und Konzerten in der Abteikirche. Samstag von 14.00 bis 22.00 Uhr, Sonntag von 10.00 bis 18.00.

So, und jetzt zurück ins Jahr 2019: Auch dieses Jahr findet wieder ein heimeliger Weihnachtsmarkt in St. Quirin, einem der schönsten Dörfer Frankreichs, statt: Am Sonntag, den 1. Dezember 2019 rund um die Place de l’Eglise. Weihnachten, wie es früher war!

Heimelig soll er sein. Kleine, aneinandergekuschelte Häuschen soll es geben, möglichst um ein Kirchlein herum gruppiert. Ein Brunnen mit einem Heiligen drauf, der über den Ort wacht, wäre auch schön. Abend muss es sein, damit man die vielen Lichter umso besser sieht. So, wie es in der Kindheit war, zumindest aber so, wie wir uns den Weihnachtsmarkt unserer Kindheit vorstellen. Mit Mama und Papa auf der Suche nach dem Weihnachtsmann, an einer rosa Wolke aus Zuckerwatte knabbernd. Oder mit einem Tütchen Gebrannte Mandeln in der Manteltasche, das unsere Finger wärmt.

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Warten auf den Weihnachtsmann

All das hat der Weihnachtsmarkt von Saint-Quirin zu bieten, einer kleinen Gemeinde am Fuße des Donon. Das ganze Dorf ist auf den Beinen. Rot und grün gewandete Elfen schwirren geschäftig durch die buntbeleuchteten Gassen. Freudige Aufregung liegt in der Luft. Ein ganzes Jahr hat man geplant, gebastelt, Tänze und Lieder einstudiert.

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Alle machen mit!

Jetzt sind die zwei großen Tage da, Auftakt zur Weihnachtszeit. Richtig viele Leute sind hier unterwegs. Geparkt haben wir am Ortseingang, folgen einfach den anderen Weihnachtsfans. Hören Kinder mit roten Backen fragen: Wann kommt er, der Père Noël? Wann denn, sag doch!?! Ungeduldiges Zupfen am Jackenärmel des Papas.

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Lutins

Unten, da leuchtet eine Kirche, und oben, da leuchtet eine Kapelle. Schon von Weitem hören wir einen Conférencier. Ein wenig ungewöhnlich für uns, doch sehr französisch. So viel gibt es zu erleben, so viele Animations. Gerade werden die herausragenden Organisatoren des Club Vosgien gewürdigt. Applaus von den Umstehenden. Außerdem möchte man wissen, wann das erste Türchen an dem riesigen Adventskalender geöffnet wird.

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Tausend und eine Nacht

Ein Vogesendörfchen, weit weg von der Fachwerkidylle der Elsässischen Weinstraße. Die Häuschen von eher rauem Charme, jetzt festlich geschmückt mit Eisbären, Tannengrün und Co. Kleine Kanäle ziehen sich durch den Ort. Im Wasser spiegeln sich die Lichtergirlanden. Romantisch. St. Nikolaus rudert in einer Barke. Kinder krabbeln in ein unscheinbares Holzhäuschen. Verzücktes Gekreische schallt heraus. Ich passe wohl nicht durch die Tür, sonst hätte ich selbst mal nachgeschaut…

Der Abteigarten hat sich in einen lauschigen Wichtelhag verwandelt. Wer immer schon etwas über isländische Wichtel wissen wollte, kann sich auf großen Schautafeln informieren. Schöne Idee. Und die erste Tanne stammt bekanntlich aus dem… Na? Richtig: Elsass.

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Da kommt also der Weihnachtsbaum her…

Die barocke Kirche mit den markanten Zwiebeltürmen – irgendwie russisch – erstrahlt in Blau, Lila und Weiß. Irgendwie orientalisch. Drinnen gibt ein Orchester fetzige Weihnachtslieder zum Besten. Die Besucher swingen und klatschen mit. Nachher wird man sich die wertvolle Krippe ansehen. Draußen auf dem Vorplatz wärmen sich die Wichtel auf, zupfen an ihren roten Röcken, richten die Ringelstrümpfe. Ein Chor mit Nikaulausmützen rockt gesittet. Die Bommeln, die auf einer Spirale sitzen, wippen fröhlich mit. Père Noël wandert würdevoll durch die Gassen, umringt von Kindern und Erwachsenen. Ein Foto bitte, guter Mann…

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Plus de lutins

Wir schlendern durch die Menge. Ja, Menge. Dieser Weihnachtsmarkt ist bekannt. Und doch gibt es kaum kommerzielle Stände, dafür Selbstgebasteltes, Gestricktes, Gemaltes, Gebackenes, Gedrechseltes von den Bewohnern Saint-Quirins. Sogar Wein kann man kosten. An den Crêpes- und Vin-Chaud-Ständen wartet man geduldig. Für eine Minute fällt der Strom aus. Als die Lichter wieder angehen, kommentieren wir mit einem bewundernden „Aaah!“ Wildfremde lächeln sich zu. Die Stimmung ist gelöst. Ein brauner Riesenhund mit Sorgenfalten auf der Stirn, zupft an meiner Hose. „Der macht nix. Der liebt alle Menschen. Den können Sie ruhig karessieren.“ Folgsam, wenn auch vorsichtig, streichle ich dem Hündchen über den samtigen Kopf. Lieb.

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Zum Anbeißen, aber schlecht für die Zähne

On a du temps. Kunstvolle Adventskränze, Gestecke mit Wichteln allüberall, Bredle. Lebkuchenmännlein lächeln breit. Wichtel treiben Schabernack. Von einem netten jungen Pärchen erstehen wir eine Winterlandschaft auf Birke: Vier Kerzen, ein Eisbär. Auf unserem Couchtisch wird sie uns den Advent erleuchten.

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Offene, freundliche Leute. Wichtel eben…

Die

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Unser Adventsstamm.

Leute sind stolz auf das Geleistete. Das macht diesen Weihnachtsmarkt so echt und einzigartig.Nicht zu viel HighTech, originelle Ausstellungen, offene Menschen. Klar, der Nikolaus samt Rentierschlitten, wie er über den Marktplatz saust: Ein Highlight!

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Le grand jour est la!

Und tatsächlich: Saint-Quirin ist heimelig, die Häuslein kuscheln sich aneinander, ein Heiliger wacht über den Weihnachtsmarkt, Sterne leuchten uns den Weg. Vorfreude. Kindheit. Weihnachten.St._Quirin_Kirche_marche_de_noel_2018_Eingang

Fakten: Saint-Quirin ist ein quirliges nordvogesisches Dorf gallo-romanischen Ursprungs am Fuße des Donons. Über das Jahr finden zahlreiche Veranstaltungen statt, die auf die enorme Kreativität der Bewohner schließen lassen. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde das Örtchen 966 n. Chr. Entstanden um eine sog. Prieuré, ein Priorat, das der Abtei von Marmoutier unterstand, war es lange Zeit ein bedeutendes Pilgerzentrum. Zum erstenmal 1471 erwähnt, findet noch heute ein Mal im Jahr eine große Prozession statt, die Menschen mit Hautleiden heilen soll. Markant ist die barocke Kirche mit ihren beiden in den Nordvogesen untypischen Zwiebeltürmen und der Silbermann-Orgel. Daneben war Saint-Quirin bekannt für seine Glaskunst. Der Ort wurde ausgezeichnet mit„Les plus beaux villages de France“, ist klassifiziert als „Station verte“, und gehört zu den „Villes et villages fleuris“. Die zahlreichen „monuments historiques“ machen Saint-Quirin, umgeben von den blauen Bergen der Vogesen, absolut sehenswert. Auch Kulinarisch hat das Dörfchen einiges zu bieten: Vom preisgünstigen Familien- bis zum Gourmetrestaurant. Empfohlen seien die Auberge de la Forêt in Abreschviller und die Hostellerie du Prieuré im Zentrum.

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Saint-Quirin by night

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