Les délices de la campagne

Warum die Hochebene von Saint Louis in Lothringen einen Besuch wert ist

Es ist vielleicht nicht der spektakulärste Ort am Rande der Nordvogesen, aber die friedvolle Weite der sonnigen Hochebene lohnt einen längeren Spaziergang allemal. Die Rede ist vom lothringischen Saint Louis, das umgeben ist von Weiden, Wiesen und Feldern, kleinen Wäldchen und sonst… recht wenig. Und das ist gut so. So kann man den Blick auf die blauen Berge der Vogesen auch wirklich genießen. Ein knackiger, roter Apfel markiert den Wanderpfad, der gerade durch das Fehlen von Berg und Tal wunderbar kontemplativ wirkt. Obwohl, eine abschüssige Passage bzw. Steigung bleibt euch doch nicht erspart. Entscheiden könnt ihr aber, ob ihr lieber am Anfang aus der Puste kommen, oder am Ende, beim Abwärtsgehen, stramme Waden bekommen möchtet. Findet ihr das Apfel-Symbol erst später, ist das auch nicht schlimm. Im Grunde lenkt die Landschaft eure Füße, trägt euch. Ganz weit weg von allem seid ihr hier. Im wahrsten Sinne des Wortes erhaben über das stressige Gewusel und Gewimmel, welches Menschen sich leider allzu oft abhalten. Ein zwei Bänke gibt es, auf denen ihr verweilen solltet. Am besten mit einer heißen Tasse Tee und etwas mürbem Gebäck. So wird es perfekt. Betrachtet die Kopfweiden, überlegt, was die schon alles gesehen haben mögen. Unter Umständen wohl ebenfalls nicht so viel. Vielleicht sind sie deshalb so alt geworden. Ungefähr in der Mitte eurer Wanderung werdet ihr ein Couvent, einen Konvent finden, der allerdings nicht mehr bewohnt ist. Irgendjemand kümmert sich jedoch. Wohl ein paar rührige DorfbewohnerInnen. Denn da sind junge, gepflegte Bäume und auch das Gebäude selbst macht keinen verlassenen Eindruck. In der kleinen Kapelle, Chapelle Saint-Vincent de Paul, zünden wir eine rote und eine grüne Kerze an. Bei dieser Kombi kann nichts schief gehen. Nur, falls eine Kerzenfarbe einen besseren Draht/Docht nach oben hat.

Saint Louis liegt ca. zehn Kilometer östlich von Sarrebourg, im Nordwesten des Vogesenmassivs, zwischen 215 und 393 m über dem Meeresspiegel. Es gehört zum Departement Moselle des Grand Est, ist Teil des Arrondissement Sarrebourg-Château-Salins und der Pays de Phalsbourg. Freizeitkapitänen wird das Schiffshebewerk in Saint-Louis Arzviller bekannt sein. Nicht weit entfernt liegt natürlich auch das hübsche Städtchen Sarrebourg. 1634, während des Dreißigjährigen Krieges, wurde das Saint Louis vollständig zerstört und entvölkert. Will heißen, wer nicht fliehen konnte, wurde getötet. Erst 1705 siedelten hier wieder Menschen. Immer wieder wurde das Dorf in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Frankreich zerrieben. Heute hat die Gemeinde um die 660 Einwohner, les Ludoviciens, deren Vorfahren aus allen Himmelsrichtungen hierher eingewandert sind. So hat der derzeitige Bürgermeister von Saint Louis, Monsieur Gilbert Fixaris, irische Ahnen! Saint Louis ist ein typisches lothringisches Straßendorf. Die eindrucksvolle Kirche liegt genau im Schnittpunkt der beiden Hauptachsen. Verfahren oder verlaufen kann man sich deshalb tatsächlich nicht. Wenn ihr mehr über die wechselvolle Geschichte des Örtchen wissen möchtet, klickt hier.

Unser Geist ist jetzt wirklich Om, im Einklang mit Körper und Seele. Vor allem, weil ich nicht kraxeln muss. Wer mich kennt, weiß, dass ich eher Flachlandtirolerin bin. Tirilli, tirilla! Der erste Zitronenfalter flattert durch die laue Luft, ein Sperber steht hoch am Himmel, ich habe Kuhmist am Schuh, aber es ist… egal!

Glücklich und beseelt machen wir uns auf dem Heimweg, und da entdecken wir:

Les Délices de nos Campagnes

Schade, wir haben eindeutig zu viele Kekse gemampft um hier anzukehren. Aber am nächsten Tag sind wir wieder zur Stelle. Unter dem Motto «De la fourche à la fourchette»*, das im Deutschen nicht so recht klingen mag – verarbeitet Marine Reichheld in ihrem Restaurant und Cateringunternehmen nur frischste Zutaten, überwiegend solche, die dem Bauernhof ihrer Familie entstammen. So können Zwischenhändler, lange Wege, Tierleid vermieden werden. Nun ja, sieht man davon ab, dass Wurst und Fleisch leider noch nicht aus der Retorte kommen. Als echtes Baurenkind weiß Marine, worauf es bei nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln ankommt, bietet gutes Essen Made im Département Moselle an. Zu vernünftigen Preisen. Und was da auf den Teller kommt, kann sich sehen lassen. In unserem Falle ist das:

Eine delikate Gemüsesuppe, gefolgt von einem großen Stück Pizza, und zum Abschluss eine überdimensionale Schwarzwälderkirschtortenvariation. Ja, das Stück war genauso üppig wie das Wort.

Im hinteren Bereich wird ein großer Saal fleißig für Familienfeste, Geschäftsessen usw. genutzt. Gerade gestern hätte sie eine große Kindtaufe gefeiert, erklärt Marine gutgelaunt. Man sieht ihr an: Die Zubereitung von Essen macht ihr Freude. Flugs zeigt sie uns einen Ordner mit Ihren köstlichen Kreationen. Vom pfiffig dekorierten Lachsschnittchen bis hin zum cremigen Bûche de Noël ist alles dabei. Getreu ihrer Maxime , dass jede von ihr zubereitete Mahlzeit von Herzen komme, reist sie sogar bis in die Schweiz, um dort für das leibliche Wohl ihrer Kunden zu sorgen. Will man allerdings einen der zwei bis drei Tische im vorderen Gastraum ergattern, sollte man reservieren. Denn die sind begehrt, kann man von dort doch einen Blick in die Küche erhaschen.

Also, wenn ihr euch kulinarisch verwöhnen lassen möchtet:

lesdelicesdenoscampagnes@gmail.com

Tel: 0033-684732369 (von Deutschland aus)

119 Rue Du 18 Juin, 57820 Saint Louis, France

Hier erfahrt ihr noch mehr über Les Délices de nos Campagnes.

Ihr seht, viele Gründe führen nach Saint Louis!

Saint Louis Nordvogesen Lorraine Lothringen Vosges du Nord

*Von der Gabel auf die Gabel. Wir möchten hier nur spekulieren, dass mit Ersterem die Mistgabel gemeint ist.

Fahrt mal hin!

Stina

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

Von Labellos, Dobermännern, Fachwerk, Kulturbeuteln und Schlaubergern

Selestat Vieille Ville Alsace Elsass Ried
Gondrexange Etang Weiher Lorraine Lothringen
Wundersame Wasserwege: Gondrexange

Seit gut drei Jahren versuche ich meinen Mann zu einer Spritztour an die Elsässische Weinstraße zu überreden. Nicht, dass wir nicht schon dort gewesen wären. Aber während es mich zu Weinbergen, bunten Fachwerkhäuschen und gut bestückten Patisserien zieht, steht mein Mann auf Wasser. In jeder Form. Deshalb umrundeten wir vorgestern schon den Weiher von Gondrexange. Und ich muss zugeben, ohne diese Wanderung kurz vor Silvester würde mir doch glatt etwas fehlen. Zumal es neben mannigfachen Vogelarten samt stimmungsvollem Wolkenspiel eine ausgesuchte Bäckerei mit prima Croissants, und, wie ich feststellte, auch wunderbaren Bûches de Noël gibt. Gestern nun hätte ich bezüglich Weinstraße dann fast meinen Wunsch durchgesetzt. Wäre da nicht der Rhein in kongenialer Fließrichtung aufgetaucht. Also wieder mal Essig mit der Weinstraße, die buchstäblich ins Wasser fiel.

Kleiner, scheuer Roboter an den Ufern des Rheins bei Rhinau (Foto/Bildtitel: Stefan Strauß)

Allerdings muss ich zugeben: Das Grand Ried zwischen Straßburg und Colmar, flach wie ein Brett, von Wasserstraßen, ellenlangen Alleen durchzogen, entlang schnurgerader Deiche, feenhaltiger Auenwälder und Feuchtwiesen, mit Blick auf die blauen Vogesen… das hat schon was. „Fühle mich“, sagte ich, „ein bisschen wie in Norddeutschland.“ Er fühle sich wie kurz hinter Straßburg, sagte mein Mann. Was er eigentlich meinte, war: Carpe diem!

Im Aux petites Saveurs in Rhinau verkaufte uns eine äußerst freundliche Dame ein paar kulinarisch hochwertige Croissants mit Nussfüllung. Gestärkt wandelten wir über den Deich. Richtung Wasserkraftwerk aus dem Jahre 1963. Ein Omen! Sind wir doch gleich alt. Mein Mann, das Kraftwerk und ich. Der Christopherus mit Kind entpuppte sich von ziemlich nah als Jungfrau Maria mit Sprössling. Denke, ich brauche eine neue Brille. Hurtig schlüpften wir durch ein Tor um vielleicht über die massive Anlage ans andere Ufer zu gelangen, wo es dieselbe Aussicht, immerhin von der anderen Seite, zu bestaunen gab. Angesichts weiterer, diesmal verschlossener Tore verließ uns allerdings der Mut.

Selestat

Musste an jene unglückselige Begebenheit denken, die zwei meiner Freundinnen und mir in Südfrankreich widerfuhr. Auch hier wollten wir abkürzen. Auch hier schlüpften wir durch das Gestänge eines partout verschlossenen Tors. Bis von der anderen Seite lautes, bedrohliches Hundegebell erscholl. Wir beschlossen umzukehren. Was soll ich sagen? Zwei schlüpften durch das Tor, die dritte blieb darin hängen. Im Zuge der Volumenreduzierung kippten wir der Armen Mineralwasser über den Kopf, rieben die Ohren in aller Hast mit einem damals unverzichtbaren Lippenbalsam ein und zogen. Es hat geklappt.

Da wenig von meinem jugendlichen Übermut geblieben ist, ich prinzipiell auch nicht gegen Tiere kämpfe, wollte ich etwaige spitzohrige Dobermänner keineswegs erzürnen, gar gegen sie antreten. Wir beschlossen umzukehren um in Rhinau zu Mittag zu essen.

Dackel Nuri in Selestat

Ein Siebzigerjahre-Waschbecken in dezentem LatteMachiatoBraun, das hat auch nicht jeder. Aber das alte Gasthaus an den Ufern des Rheins schon. Interessant jedenfalls. Wenn auch nicht zielführend. Doch was braucht das Herz des Vogesenbesuchenden mehr als eine betagte Gaststube mit dunkler Holzvertäfelung, nostalgisch geschmücktem Weihnachtsbaum, blütenweißen Papiertischdecken, einem schoppentrinkenden Schlauberger jenseits der Achtzig und einem grünen Kachelofen in der Ecke? Mir fiele da noch mehr auf dem Teller ein. Was frau kredenzte, war zwar superlecker, aber leider wie abgezählt. Sehnsüchtig blickten wir nach den übervollen Salattellern, den glänzenden Spätzle am Entrecôte mit brauner Sauce. Honi soit qui mal y pense. Nachdem zwei Mitarbeitende konzentriert versucht hatten vier Gläser Riesling mit gleichmäßig wenig Flüssigkeit zu befüllen (einer goss, die andere beobachtete), hätten wir eigentlich misstrauisch werden können. Auch, als der alte Herr von Tisch 23 augenzwinkernd meinte, das zweite Glas von rechts könne noch ein bisschen weniger vertragen, hofften wir noch wohlgemut. Ob er nicht an einem anderen Tisch sein Mahl einnehmen wolle als gerade gegenüber der Theke, fragte daraufhin der Eingießende. „Nein“, konterte der Stammgast, „dann kann ich ja nicht mehr den hübschen Mädchen bei der Arbeit zusehen.“ Nun, jeder hat sein Kreuz zu tragen. Und Wegrennen von der Arbeit gilt nun mal als reell unpopulär.

Nachdem wir bezahlt und die elsässische Variante der Muppetshow ihre Tore hinter uns geschlossen hatte, fuhren wir durch pittoreske, topfebene Dörfer Richtung Sélestat. Wer Fachwerkhäuser, Renaissancebauwerke, enge Gässchen liebt, dazu gotische und romanische Kirchen besichtigen möchte, ist hier goldrichtig. Auch die kleinen Weihnachtsmärkte an verschieden Stellen der Stadt waren noch im Gange. Touristen wie Einheimische hatten nach den Festtagen mehrere Gänge heruntergeschraubt, schlenderten durch die malerische Vieille Ville. Kleine Geschäftchen gab es allenthalben, mit Spezereien, Naturkosmetik und Elsässischem Kunsthandwerk. So, wie das Libellule – Merveilles Curiosités & Gourmandises. Ein Hort für selbstgemachte textile Schönheiten, leckeres Gebäck, Schreibmäppchen, Trinkflaschen, wunderschöne Karten, Schlüsselanhänger, Duftkerzen, Taschen, Geldbeutel, Puzzles, Kissen, Handyhaltern, Tabletts, Holzspielzeug uvm. Made in France, Fait Maison, naturellement. „Libellule„, so liest man auf der Homepage, „vereint mit Lust das Universum des Dekorativen mit jenem der Kindheit.“ Ein Kulturbeutel mit Südpol auf der einen und Äquatorialem auf der anderen Seite führte mich echt in Versuchung. Ich mag Pinguine. Und Bären. Zum Glück gibt es einen Webshop, wo man all die Herrlichkeiten auch noch nachträglich bestellen kann. Zum gemütlichen Kaffee- oder Teetrinken nebst kleiner Gâteaux müsst ihr euch allerdings nach Sélestat, in die Rue du 17 Novembre, Nr. 3, begeben. Dort erwartet euch dann die freundliche Madame Emmanuelle, die in diesem zauberhaften Laden für die textilen Handarbeiten steht.

Dackel Nuri in Selestat

Schon neigte sich die Dämmerung über Schindeldächer, spitze Kirchtürme und festlich geschmückte Weihnachtsbäume. Obacht! Im Dunkeln durch Vogesenwälder mit Wildwechsel fahren ist nur bedingt prickelnd. Also: Wie kamen wir von Sélestat wieder nach La Hoube?

Libellule Selestat Elsass Alsace Carte
Meine Schätze

Nun, ein kleines Stückchen Elsässische Weinstraße gab´s dann doch noch, indem wir durch das hübsche Fachwerkstädtchen Andlau fuhren. Dann ging´s aber schon in die Hochvogesen durch Villé (La Montanara!), Champs du Feu (imposante Heidelandschaft), Grendelbruch (charmantes Bergdorf), Urmatt, Niederhaslach, Oberhaslach (wie man sich´s vorstellt), Cascade de Nideck (Großartige Natur!), Wangenbourg, La Hoube (charmant, charmant, charmant). Unterwegs waren wir mit einstündigem Deichspaziergang, Besichtigung von Sélestat von 9:30 bis 17:45 Uhr. Richtig schön war´s, denn wo sieht man schon Ried, Weinberge und Bergkämme auf einmal und fährt sogar hindurch?

Selestat Schlettstadt Alsace Elsass Fachwerk
Finde den Dackel!

So, nun muss ich den Teig für die Käsespätzle machen. Will sagen: Heute werden wir bestimmt satt. Ich weiß, ich bin verfressen.

Fahrt mal hin!

Eure Stina

P.S. Die Käsespätzle waren mäßig. Sollte meine Experimente in der Küche etwas einschränken. (Oder war es gar die Strafe für meine harsche Kritik an der Plât du Jour?) Und die Weinstraße krieg ich schon noch zu sehen! Aber was würde man verpassen, wenn man nicht mal vom Weg abkäme? Also Danke, lieber Stefan!

Ein frohes neues Jahr wünsche ich Euch!

Dieser Artikel erfolgte unaufgefordert und unbezahlt.

We all live in a yellow submarine oder don´ t panic, it´ s organic

Resonances foire Strasbourg Latimeria Finlande foire exposition

Beherzt gedrechselte Holzpferdchen neben hippem Silikonschmuck? Geht das? Résonances, die Kunsthandwerkmesse im elsässischen Strasbourg zeigt, wie´ s gelingt. „Mitschwingen oder Mittönen eines Körpers mit einem anderen“, so lautet die Erklärung für Resonanzen. In der Physik, in der Musik. In Straßburg nun auch zwischen Kunst, Handwerk, Fiktion und Funktion, Erde und Mensch. Eine kreative Explosion, die nach außen drängt, Ausdruck findet für das, was im Innern lange rumorte, brauste, brodelte. Will sagen: Es gab extrem was auf die Augen. 178 internationale Kunstschaffende und -handwerkerInnen trafen sich zu einem illustren Salon européen des métiers d´ art, um zu zeigen, was sich alles aus Metall, Papier, Glas, Ton, Leder, Wolle und anderen – mir bislang nur von diversen Zahnarztbesuchen geläufigen Materialien – erschaffen lässt. Dass dabei auch besagte Holzpferdchen aus elsässischer Produktion nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Obgleich hier nur die Crème de la Crème wunderschön zart bemalter Holztiere brav im Regal verharrte um möglichst bald ein neues Zuhause zu finden. In einem anderen Regal. Wenn´ s gut läuft, in einem Kinderzimmer.

Ansonsten allenthalben ungezügelter Farbenrausch. Allen voran die Designenden. In intellektuellem Schwarz oder paradiesvogelbunter Gewandung harmonierten manche von ihnen gar so sehr mit ihren Werken, dass sie selbst zum Kunstobjekt stilisierten. Alle sehr freundlich und kultiviert, irgendwie gediegen. Angenehm. Enfants terribles toben anderswo.

Beherrschendes Thema war dieses Jahr, ganz klar: La Mer! Korallenriffs aus Porzellan, moränengleiche Röhren, scheinbar pulsierende Drüsen aus Stoff konkurrierten mit artifiziellen Seepferdchen, Kugelfischen sowie manch maritimen Ungeheuer. Überhaupt die Natur: Undurchdringliche Wälder zogen den Betrachtenden in schlingendes Grün, purpurrote Fliegenpilzkolonien, schimmernde Seerosenteiche, Hasen mit Schildkrötenpanzer, quirlige Eichhörnchen lockten uns in unergründliches Dickicht, dunkle Höhlen, Wagemutiges, Rundes, Organisches. All überall Getöpfertes für den umweltbewussten Tisch in erdigen, manchmal auch wasserblauen Tönen, zuweilen ungewohntem Pastellrosa, Teppiche, so dick, dass man glaubt, das Schaf noch blöken zu hören, welches dem Weber die Wolle geschenkt hat. Folgt uns back to nature! Natürlich, auf unserer Erde geht es um die Wurst, die vegane. Da greift eins ins andere.

Woher also nimmt der zurückhaltende, freundliche Finne Juha Luukkonen seine Ideen für sein zierliches Latimeria-Salatbesteck? Aus der Natur. Gibt´ s ja auch ganz viel davon in seinem Heimatland. Auf was sitzen wir diesen Herbst? Auf Kieselsteinen nachempfundenen Filzkissen. Wir öffnen uns. Interieur wird Exterieur. Und umgekehrt. Die farbtiefe, florale Tapete mit hervorlugenden Buschbabies leitet nahtlos zum Kirschlorbeer im Garten über. „Entschuldigung, du hast da einen Käfer am Hals.“ „Mais non, das ist meine neue Kette!“ Wir holen uns Baumstämme ins Haus und bestücken sie mit quallenartigen, schwebenden Papierleuchten. Dass man sich da bisweilen wie bei einem Besuch im Naturkundemuseum vorkommt, ist, denke ich, durchaus gewollt. Filigran ausgestattete Schaukästen entführen uns in eine Welt, die voller Wunder ist. Ein bisschen gruselig auch. Ein Gesamtkunstwerk, das sich im Werk dieser Kreativen in alle Richtungen verzweigt, um dann wieder zusammenzufließen. Nachbildungen menschlicher Organe werden zu unter Glasglocken ausgestellten Preziosen: Ein blutrotes Herz, eine Lunge aus ätherischem Gewebe, die Bläschen aus Pailletten, zart verästelt wie ein Lebewesen aus dem Ozean. Aus dem wir – Nicht vergessen! – alle irgendwann gekrabbelt sind. Perlenbestickte Geschmeide aus Seide, Filz, Silikon oder Metall lassen uns zur Meerjungfrau, wenn nicht gar zur Unterwasserkönigin, mutieren. Schlingpflanzenbewehrtes, schleifenverziertes Schuhwerk, das einer Madame Pompadour zur Ehre gereicht hätte, umschmeichelt kokett unsere Füße. Diese Aufmerksamkeit haben die Hochleister, die uns durch den Alltag tragen, ja auch allemal verdient.

Wunderbar sind auch die japanisch inspirierten Papierkunstwerke. Eine Fleißarbeit, die ihren Preis hat. Nähme man all diese phantastischen Ausgeburten kreativer Köpfe zusammen, ergäbe sich eine überaus prächtige, opulente, magische Komposition, eine Szenerie, der man sich schwer entziehen kann. Sozusagen die Quintessenz all dessen, was auf unsere Erde zu verschwinden droht, weil wir zu doof und zu bequem sind, seine Einzigartigkeit zu erkennen.

Marie Claire Z ERNY: Le bon motif

Erde an Menschheit. Ich habe verstanden: Es geht um Texturen, in Beziehung setzen, unerwartete Kombinationen, Spannungen aus verschiedenen Materialien schaffen, neue Perspektiven eröffnen. Darum ging es bei Kunstschaffenden wohl schon immer. Jedoch so spielerisch, überbordend, achtsam, schillernd, dekadent und gleichzeitig ursprünglich – das ist neu. Hier hat niemand Angst vor Stilverletzungen, hier ist Freude an Farbe, Form und Materie. Das möchte man anfassen, darüberstreichen, auf der Haut fühlen. Und dieser merkwürdige schwarze Hut, den die Dame am Stand von Nelly Bichet Chapeaux trägt, erinnert mich stark an einen Zylinder. Nur umgekehrt. Reminiszenz an Casablanca, den Verrückten Hutmacher? Hauptsache, das Gehirn assoziiert, gerät in Schwingung, zeigt Resonanz. Diese Messe ist wie Alice im Wunderland, Rotkäppchen und der böse Wolf, Jenseits von Afrika, Bernd das Brot, Kuriositätenkabinett und Andy Warhol in einem. Ein Farbenrausch, ein Fest für die Sinne.

Und dann ist da noch die umwerfende Stine von Happy Knit in Kopenhagen. Sie stellt Kleidung, Heimtextilien und Accessoires mit Tiefgang her. So wie den Schal mit den stilisierten Toren, der den Gedanken des Verzeihens sich und anderen gegenüber bestrickt. Dreiecke, die in Kreise übergehen, symbolisieren Trauer. Das Eckige, Schmerzhafte wird zur kostbaren Perle, zum Kleinod, zum Andenken an die Verstorbenen, die so für immer in uns bleiben. Doch das erzählt euch Stine in diesem kleinen Video am besten selbst.

Und da wären wir wieder bei den ziselierten Holzherzchen, Pferdchen und Brezeln der elsässischen Kooperative Alsatrucs, die den MessebesucherInnen entzückte Ah´ s und Oh´ s entlocken. Sie passen mit ihrer Heile-Welt-Attitude genauso auf die Résonances wie die plakative Silikonplastik in grellem Fleischrosa, die man sich – abgesehen vom Preis – nur schwerlich im heimischen Wohnzimmer vorstellen kann. Denn im Wunderland darf alles nebeneinander bestehen, miteinander kommunizieren, sich inspirieren. Den Geschmack – gibt´´´ s nicht. Reden wir doch lieber von Vielfalt. Und dem, was uns eint. Alles, was wir wollen, ist eintauchen, mit der Welt, die uns umgibt, verschmelzen, uns im Farbenrausch verlieren, Neues erfahren, im Wesentlichen wiedergeboren werden. Ist doch NATÜRLICH!

Liebe AusstellerInnen resp. Kunstschaffende, verzeiht, wenn ich nicht allen den ihnen gebührenden Platz in diesem Artikel eingeräumt habe, manchmal sogar nicht mehr wusste, von wem die wundervolle Skulptur, die hübsche Brosche stammte. Daher verlinke ich jetzt mal die Ausstellenden, die offizielle Seite, sowie die Seite für BewerberInnen. Denn vielleicht wollt ja auch ihr Teil des Ganzen werden. Von hier aus könnt ihr euch locker zu den jeweiligen Interessensgebieten durchklicken.

Résonances ist eine Hommage an den genialen wie berühmten Straßburger Manfred Thierry Mugler, einen herausragenden Kreativen der Modebranche. Die Messe fand dieses Jahr zum zehnten Mal statt, widmet sich der Quintessenz des Kunsthandwerks mit einer außergewöhnlichen Auswahl an 180 DesignerInnen aus sieben europäischen Ländern. Auf einer Ausstellungsfläche von 6100 qm werden wegweisende Trends aus den Bereichen Möbel, Dekoration, Skulptur, Mode, Beleuchtung, Grafik und Tischkultur gezeigt. Komplettiert wird die Messe durch Performances, Workshops und Vorträge.

Besucht die nächste Messe!

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Medovik: Ukrainisch-russisch-tschechische Honigtorte. Ein slawisches Gedicht!

Medovic Honigkuchen Honigtorte Milchmädchentorte russisch Prag Rezept einfach schnell

Wer hat’s erfunden? Egal. Ob ihr diese oberleckere Torte den Tschechen, den Ukrainern, den Russen oder sonst einem slawischen Volk zuschreibt: Sie ist einfach genial! Meine französischen Nachbarn waren so begeistert, dass ich sogar eine Einladung in den neuen Whirlpool bekam. Den feinen Geschmack verleiht dem exquisiten Backwerk, das auch den Namen Medovic trägt, die süße Milchmädchenpaste. Diese kommt nicht, wie ihr vielleicht annehmt, in die Creme sondern in den Teig. Gebacken werden daraus vier bis fünf Böden, zwischen die Ihr dann eine Melange aus Sahne, Honig und Creme Fraîche streicht. Übrigens: Keine Angst vor den vielen Teigschichten! Mit etwas Organisationstalent bekommt ihr sie schnell und einfach hin. Besonders gut schmeckt die Milchmädchentorte mit ungesüßtem Schwarztee. Denkt nur dran, dass die Torte ca. 12 Stunden in einem kalten Raum oder im Kühlschrank durchziehen sollte. Traut euch!

Natürlich gibt es auch Rezepte mit mehr Böden. Umso aufwendiger wird der Honigkuchen dann aber. Das überlasse ich gerne den absoluten Backprofis und Perfektionisten.

Für den Teig braucht ihr:

400 g Milchmädchen (Das ist fertige gesüßte Kondensmilch aus Dose oder Tube)

2 Eier

170 g Mehl (Type 405)

½ Päckchen Backpulver

Für die Creme:

400 g gekühlte Schlagsahne

2 Päckchen Sahnesteif

200 g Creme fraîche

2 EL Vanillezucker

2 EL Honig

Für das Finish:

4-5 gehäufte EL gemahlene Haselnusskerne

1 ½ EL Zucker

Zubereitung Teig:

Milchmädchen mit Eiern mit dem Mixer auf höchster Stufe ca. 50 Sekunden verrühren.

Mehl mit Backpulver mischen. Über die Ei-Milchmädchen-Masse sieben und ca. 20 Sekunden auf höchster Stufe unterrühren.

Backen des Teigs:

Backofen auf 180° Umluft vorheizen.

Den Boden einer Springform (⌀ 26 cm) mit Backpapier auskleiden.

Nacheinander im vorgeheizten Backofen vier Tortenböden aus dem Teig backen. Dazu jeweils ein Viertel des Teigs wie einen Crêpe oder einen dünnen Pfannkuchen kreisförmig auf dem Boden der Form verstreichen. Am besten einen halben Zentimeter Rand zum Springformrand lassen. Dann müsst ihr nach dem Backen den Tortenboden nicht vom Rand wegkratzen. Jeden Boden 7 Minuten im unteren Drittel dicht unterhalb der Mitte des Backofens backen. Tortenböden jeweils herausnehmen und vollständig auskühlen lassen. Das geht sehr schnell, sodass ihr zügig mit dem Füllen der Torte beginnen könnt.

Die Logistik:

Tortenboden Nr. 1 backen. Springformenrand lösen. Mit dem Tortenheber (siehe Foto) den Tortenboden auf eine Kuchenplatte heben. Auskühlen lassen. Springformenrand wieder um den Backformboden legen. Darauf achten, dass keine Teigreste am Backpapier kleben. Falls doch, vorsichtig abkratzen.

Teig für Tortenboden Nr. 2 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Tortenboden mit dem Tortenheber herausnehmen und auf diesem erkalten lassen.

Tortenboden Nr. 1 mit Frischhaltefolie abdecken und Tortenboden Nr. 2 darauf gleiten lassen.

Springformrand wieder um den Backformboden legen. Teig für Boden Nr. 3 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Tortenboden mit dem Tortenheber herausnehmen und auf diesem erkalten lassen.

Tortenboden Nr. 2 mit Frischhaltefolie abdecken und Boden Nr. 3 vom Tortenheber draufgleiten lassen.

Tortenboden Nr. 4 auf demselben Backpapier in der Form verstreichen und backen. Springformrand lösen. Boden mit Tortenheber herausnehmen, auf diesem erkalten lassen.

Zubereitung der Creme:

Gekühlte Sahne mit Sahnesteif steif schlagen.

Vanillezucker, Honig und Creme Fraîche gleichmäßig unter die Sahne rühren.

Tipp: Honig, falls er zu fest ist, kurz erwärmen, bis er flüssig und glatt wird, und abkühlen lassen.

Füllen der Torte:

Boden Nr. 1 auf der Tortenplatte umdrehen, sodass die poröse Seite nach oben zeigt. Mit einem Viertel der Creme bestreichen. Boden Nr. 2 genauso auflegen. Mit Creme bestreichen. Ebenso mit Boden Nr. 3 verfahren und mit Creme bestreichen. Boden Nr. 4 mit der porösen Seite nach unten auflegen. Mit Creme bestreichen. Etwas Creme auch am Rand verstreichen. Das mit dem Rand, könnt ihr sicher besser als ich…

Finish:

Gemahlene Haselnüsse in einer Pfanne mit dem Zucker hellbraun rösten. Etwas abkühlen lassen und die Torte damit bestreuen. Achtung: Beim Rösten ständig rühren, da die Nüsse sonst schnell verbrennen!

Medovic Milchmädchentorte Honigkuchen russisch Prag backen Rezept einfach schnell

Die Torte am besten über Nacht kalt stellen und… genießen!

Happy Halloween!

Halloween Jutta Stina Strauß Julclub Geist Gespenst

Sagt euch der Name Frank Zappa noch etwas? Ich hoffe schon, denn dieser geniale Musiker hat einen der schönsten Halloweensongs ever geschrieben. Das Goblin-Girl. From the mystery world, versteht sich. Ist es nicht schön, mit dem Fest der grinsenden Kürbisse und unheimlichen Gestalten in die düstere Jahreszeit (die gerade mit goldenen 20 Oktobergraden glänzt) zu gleiten? Trick or treat? Die einen hassen, die anderen lieben es. Es gehört nicht hierher? Wenn´s aber doch schön ist und das Jahr bereichert? Für mich bedeutet die Zeit um Halloween: Ich kann abends endlich wieder mit einer Tasse Tee, einem guten Buch, einer spannenden Serie auf dem Sofa entspannen, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss, weil draußen der Berg ruft, oder ich im Garten so schön Unkraut rupfen könnte. Ehrlich, ich glaube, selbst den abgebrühtesten Naturgeistern war dieser vor Hitze knackende Sommer des Guten zu viel.

Also: Die dunkle Jahreszeit. Spooky, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt wieder Kürbissuppe, die eine oder andere Hexe huscht um die Ecke, merkwürdige Geräusche lassen uns einmal mehr ängstlich über die Schulter blicken. Warum schaut der Hund jetzt so ins Leere und bellt dabei wie verrückt? Und was geht über jenen angenehmen Schauder, den eine gute Gespenstergeschichte uns über den Rücken jagt. Wie jene von Jerry Bundler, von einer versierten Geschichtenerzählerin mit vor Dramatik bebender Stimme vorgetragen. In der Serie Ghosts (auch als BBC-Produktion sehenswert) sind die Geister so liebenswert, dass man direkt Teil der unfreiwilligen Wohngemeinschaft in Button House werden möchte. Selbstverständlich nicht als Gespenst. Dreimal schwarzer Kater!!! Eine unserer ersten Gemeinsamkeiten entdeckten mein Mann und ich, als wir über den Namen eines Schwarz-Weißfilms aus den Sechzigern rätselten. Dabei ging es um ein metaphysisches Experiment auf einem unheimlichen Herrensitz. Und, soviel sei verraten, im Haus wohnt das personifizierte Böse. Der schicksalsschwangere Satz einer Protagonistin „Oh, mein Gott! Wessen Hand habe ich gehalten.“,  war uns beiden im Gedächtnis geblieben. Der Film heißt übrigens Bis das Blut gefriert nach dem Roman Hill House von Shirley Jackson. Und die Hand war nicht jene der Zimmergenossin. Äh, kann jemand die Haare an meinen Armen glätten?

Ähnlich eindringlich, nichts für zarte Seelen ist Die Frau in Schwarz mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe. Die Serie Evil sorgt ebenfalls für schauriges Dämonengruseln, bringt dabei jedoch eine Art von Gemütlichkeit in die Wohnstube, die irgendwie gar nicht sein dürfte. Aber da sind eine tuffe Psychologin, ein zweifelnder Priester, eine medial versierte Nonne, ebenfalls tuff, und eine Menge düstere, olivgrüne Tapeten, wie sie für Horrorfilme obligatorisch sind. Was will man mehr? Insgeheim vermute ich ja, dass besagter Wandschmuck in vielen amerikanischen Behausungen zur Standardausrüstung gehört und bedauerlicherweise gar nicht stört. Halloween hin oder her.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Die Bilder in diesem Beitrag stammen übrigens aus dem kleinen Ort Fénétrange am Rande der Nordvogesen, im Département Moselle. Abseits der Touristenströme, mit einer Menge verblichenen Charmes. Ein verlassenes Genesungsheim, in dem es garantiert spukt, ist sozusagen das gruselige Sahnehäubchen. Unheimlich heimelig dagegen sind die Stadtwanderungen mit dem Nachtwächter bei Einbruch der Dunkelheit.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Tatsächlich werden wir am kommenden Sonntag mit anderen Halloweenfans auf dem Château Lichtenberg im Krummen Elsass herumgeistern. Diese lädt am letzten Oktoberwochenende zu einem Event, das für Kinder nicht geeignet ist, und also auch mich das Fürchten lehren wird. Erinnere mich da an einen alemannischen Faschingsumzug mit gar grauslichen Gestalten, der ein ansonsten beschauliches Schwarzwalddörfchen und ja, auch mich in Angst und Schrecken versetzte. Nur ein gewaltiges Schinkenbrot konnte mich damals wieder erden, ein ebenso gewaltiges Bier meine Kehle besänftigen. Die war nämlich von meinen unzähligen Schreckensschreien ein wenig angegriffen. Nun also Château Lichtenberg. Mein Mann als maskierter Frontman (ist ja schon schrecklich genug) aus der noch schrecklicheren Serie Squidgame, die ich, das möchte ich betonen, nicht schaue, da sie mir zu blutig ist. Ich erscheine, Achtung, Kontrastprogramm! als putziges, wenn auch schon betagtes Goblingirl. Dazu bringe ich naturgegeben alles mit, was ein solches Wesen braucht, außer der grünen Gesichtsfarbe, die ich aber, je nach Schreckenslevel, vielleicht gratis dazubekomme. Denn was, wenn ein echter Psychopath sich, sagen wir mal, als Ersthelfer verkleidet, schwächelnden Burgbesuchern teuflisch grinsend eine echte, unheilvolle Spritze in den Oberarm jagen würde? Gar mit einem Serum, das noch nicht vollständig ausgetestet ist! Oder ich müsste mal für kleine Goblins und erblicke beim ausgiebigen Händewaschen im Spiegel hinter mir eine Freddy KrügerIn mit einem Messer, das nicht von Pappe ist?

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Da kann man dann nichts machen, tröstet mein Mann verhalten. Nun, hoffen wir das Beste. Und wenden uns kulinarischen Hotspots zu:

Im Restaurant Hotel Muhlheim au Soleil gibt es, wie uns das offenbar übermotivierte Übersetzerprogramm verrät, als Menübestandteile Bein vom Wildschwein und Gemüsegärtner. Also, wem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft…

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Auf Französisch hört sich das doch besser an. Traut euch einfach hin!

Wer mit der ganzen Familie halloweenmäßig unterwegs sein möchte, kann sich ebenfalls auf der Lichtenberg austoben. Nur solltet ihr vorher das Programm lesen, das ich euch unten verlinkt habe, damit ihr nicht am falschen Tag mit euren Kids anrückt. Vielleicht habt ihr ja Lust den wunderbaren, preisgekrönten Film Coco anzusehen. Übrigens, habe gerade recherchiert: Von wegen Goblins und putzig! Die sind ja richtig fies! Aber jetzt hab ich, wie gesagt, schon alles parat. Vielleicht gibt es ja auch Goblins ohne spitze Ohren. Die hab ich nämlich vergessen.

Übrigens: Fénétrange mit seiner mittelalterlichen Altstadt geht auch so:

Fenetrange

Oj. Mein Mann hat mir gerade eine oberscharfe Pfefferone als Paprika kredenzt. Brauche einen Arzt. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Eure Stina

Traenheim: Zum Weinen schön

Wichtel lutin Herbst Pfifferling Aquarell Stina Julclub

Ich habe Spinnweben im Gesicht, und dabei ist es noch nicht mal Halloween. Nein, der Altweibersommer schüttet seine güldenen Strahlen über mir aus. Und eben auch eine Menge Spinnweben. Nach einer langen Dürreperiode hat es endlich geregnet. Die Natur atmet auf. Eigentlich wollten wir ja auf den Flohmarkt nach Marmoutier. Wer aber stattdessen nach Wasselonne fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn in diesem Vogesenstädtchen sonntägliche Stille herrscht. Wo wir allerdings schon hier sind, können wir auch die Gegend erkunden. Alles im kraftstoffmäßig abgesteckten Rahmen, versteht sich. Wir wollen ja keinen Kredit für einen kleinen Ausflug aufnehmen müssen. Nach Traenheim wollten wir immer schon. Nicht wegen des Namens sondern weil der kleine Ort von Weitem so anheimelnd durch die Weinberge schimmert. Es ist der vierte September. Die größte Hitze ist vorbei. Unser Dackel braucht Auslauf. Und ich liiiebe Weinberge!

Der Altenberg de Bergbieten ist eine elsässische Weinlage. Seit 1983 ist sie Teil der Alsace Grand Cru Appellation, gehört damit zu den 50 potentiell besten Lagen des Elsass. Das Weinanbaugebiet gehört zur Gemeinde Bergbieten, liegt allerdings zwischen den beiden pittoresken Dörfern Traenheim und Bergbieten, ca. 25 km westlich von Straßburg. Das günstige Mikroklima sowie die Bodenqualität lassen die Traube für Riesling und Gewürztraminer zu hervorragenden Weinen reifen. Diese werden derzeit von vier Winzern aus Traenheim sowie einer Genossenschaft produziert und verkauft.

Nur selten gelingt es mir, meinen Mann in die Reben zu locken. Dabei gibt es doch nichts Schöneres als dieses transparente Zusammenspiel aus Weinblättern, knorrigen Stämmen, prallen Weintrauben, in blaudunstigen Nebel gehüllten Bergkämmen. Die Rebstöcke schön ordentlich in Reihen und irgendwie Toscana. Traenheim selbst zeigt sich an diesem frühherbstlichen Sonntagmorgen in strahlendem Sonnenschein. Brunnen plätschern, Schmetterlinge und Schwalben segeln glückselig durch die frische, klare Luft. Vielleicht werden die Schmetterlinge auch von den Schwalben gejagt, flattern um ihr Leben. Nun denn, kein Paradies ist vollkommen. Traenheim also: Ein sauberes, aufgeräumtes Dörfchen mit schmucken Fachwerkhäusern, edlen Weingütern und einem Gasthaus, in dessen lauschigem Innenhof man sich elsässische Spezialitäten schmecken lassen kann. Wein wird hier seit dem Jahre 1050 angebaut. Merowinger und Römer haben in dem kleinen Ort ihre Spuren hinterlassen.´´´ Von wegen Wein und dem guten Klima für die Knochen.

Folgt einfach der Hauptstraße, und ihr findet linkerhand eine große Schautafel mit Standortbestimmung. Sentier Viticole klingt verlockend, und schon durchwandern wir in einem großen Bogen Weinberge und Dorf. Dazu braucht man inklusive kleiner Pausen auf den Aussichtsbänken nicht mehr als eine Stunde. Diese Zeit solltet ihr euch allerdings nehmen, da ihr großartige Ausblicke auf die Vogesen wie die elsässische Ebene genießen könnt. Wenn ihr die die Informationen auf den edlen Plexiglastafeln allesamt lesen möchtet, solltet ihr eine halbe Stunde mehr einplanen. Alternativ könnt ihr den Sentier Viticole auch an der Place de la Fontaine beginnen.

Le Loejelgucker: Ein stilvolles, nicht ganz billiges, dafür exquisites Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert. In Gaststube, Winstub und Gewölbe kommen FeinschmeckerInnen auf ihre Kosten Natürlich darf der Flammkuchen, die tarte flambée nicht fehlen. Montags- bis Freitagsmittags gibt es die Plat du Jour, entweder Vorspeise und Hauptspeise oder nur Hauptspeise, zu einem überaus guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Sehenswert: Die Wandmalereien von Jean
Cramer
aus dem Jahre 1946, die die Arbeiten im Weinberg im Jahreslauf zeigen.

Le Loejelgucker – Auberge de Traenheim

Einen gelungenen Ausflug zu diesem sonnenverwöhnten Fleckchen Erde stelle ich mir so vor: Erst eine kleine Wanderung durch den Sentier viticole, dann die Einkehr im Le Loejelgucker. Bei einem guten Glas Wein könnte man auch schon eine Fahrradtour planen, die sich, auf der ebenfalls hier verlaufenden, idyllischen Route des Vins anbietet. Gen Abend machen sich WeinkennerInnen während einer Weinprobe mit den Spitzenerzeugnissen der hiesigen Domänen vertraut. Dann allerdings braucht man einen BOP, eine noch bewusst operierende Person, die einen wieder nach Hause kutschiert.

Fahrt mal hin

Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

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Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

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Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

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Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina

Cimetière Gallo-Romain / Keltisch-Römischer Friedhof im lothringischen Walscheid

Walscheid Lothringen Keltisch-Romanischer Friehof Cimetiere gallo-romain

Ob wir den Wanderweg zum keltisch-römischen Friedhof, dem Cimetière Gallo-Romain, auch wirklich in 2 Stunden packen, ist fraglich. Denn der Anstieg vom Rande des kleinen lothringischen Ortes Walscheid hinauf ist schweißtreibend und anstrengend. Aber auch abwechslungsreich. Kleine Bäche bahnen sich sprudelnd ihren Weg ins Tal, spektakuläre Felsformationen, die so typisch für die Nordvogesen sind, ragen unvermittelt neben uns auf. Aber wir wollen sie unbedingt sehen, die geheimnisvolle Ruhestätte von Kelten und Römern. Schnaufend folgen wir dem roten Kreis-Symbol. Nach ca. 40 Minuten entlohnt uns der atemberaubende Ausblick vom Hohwalschplatz für die Mühen. Ein kleines Schmankerl zwischendurch, bevor es zum eigentlich Hotspot geht. Wer es schon mal bis zu diesem Felsen geschafft hat, braucht nur noch ein paar Meter Geduld. Die Grillhütte ist ganz neu. Ich könnte hier auch bleiben, Merguez grillen, kauend und sinnierend auf die samtig grünen Bergketten schauen und warten, ob sich um Mitternacht etwas tut.

Immer dem roten Kringel nach. Ob rechts oder links herum. Viele Wege führen nach Rom.

Uff, die Hälfte ist geschafft. Auf einer kleinen Lichtung liegt er dann endlich. Le Cimetière. Das Wort kommt übrigens von Coemeterium, Spätlateinisch für Ruhestätte. Das liegt nahe. Wie die Verstorbenen, die an diesem Ort ihre letzte Heimstatt gefunden haben. Und irgendwie ist es hier auch ruhig und friedlich. Mitten im Wald. Auf dieser Anhöhe, die jetzt so still erscheint. Nur das stetige Summen diverser Hummeln und Bienen ist hörbar. Wir wandern bewegt zwischen den Stelen umher. Wer hier wohl seine letzte Ruhe gefunden haben mag? Wie kleine Häuser sehen sie aus, die Grabstätten, haben verschiedene Größen. Alle ruhen auf einem Sockel, werden geschützt von einem Satteldach. Durch ein kleines Loch konnten Opfergaben gesteckt werden. Nach einer großangelegten Ausgrabung 1862 wurden die schönsten Stücke in die Museen von Saverne, Strasbourg, Colmar und Metz überführt. Offenbar findet man sie aber auch in Parks und wohl leider auch bei privaten Sammlern. Wir spüren, das ist ein alter Platz. Hier ist viel passiert. Wer weiß, ob uns nicht gerade jetzt so ein alter Kelte beobachtet, gestützt auf seinen Stock…

Knorrige Zeitzeugen

Still ist es hier also. Man hört den Wald, die Vögel. So war es hier nicht immer. Denn die Anhöhe wurde schon im 9. Jahrhundert vor Christus besiedelt. Von dem einstigen Dorf Les Trois Saints – abgeleitet von drei Figuren auf einem Grabmal – und seiner Burg sind nur noch ein paar Steine übrig. Einige Jahrhunderte lang lebten die Menschen dort von Ackerbau, Viehzucht und Jagd. Wie sollen wir uns das vorstellen? Sah es aus wie bei Asterix und Obelix? Vertrugen sie sich mit den Römern. Hatte man untereinander geheiratet, Kinder gezeugt? Trägt der alte Kelte, der uns beobachtet, karierte Hosen? Der kleine Friedhof gehört zu einer Reihe von Überbleibseln aus längst vergangenen Zeiten. Säuberlich umrahmt von einer neuzeitlichen kleinen Mauer, damit man nicht zufällig dran vorbeiläuft. Einige Grabstätten sind mit geometrischen Mustern geschmückt, manche tragen sogar ein Abbild der Dahingeschiedenen. Das bringt sie uns näher. Sind ja nur durch ein paar Jahrhunderte von uns getrennt. Ganz still sind wir jetzt, nehmen die gelassene Atmosphäre in uns auf. So viele waren vor uns da. So viele werden nach uns da sein.

Quelle: Schautafel am keltisch-römischen Friedhof Walscheid

Auf dem Rückweg kommen wir an eine immense Wanderweg-Kreuzung mit den Steinkreuzen von Hengstbourg und Beimbach. Ab hier verwandelt sich das beschauliche Bergabwandern in eine aparte Kletterpartie. Bäume wurden gefällt, liegen quer über dem Weg. Da ich kein Klettergenie bin, absolviere ich den Parcours, indem ich mich auf den jeweiligen Stamm setze, die Beine dann auf die andere Seite schwinge. Das ist nicht schwierig, nur ein wenig umständlich. Und ein wenig beängstigend. Habe die beunruhigende Vision auf einem dieser riesigen Ungetüme talabwärts zu sausen. Aber normalerweise hält so ein Stamm…

Urig.

Geschafft! Nach tatsächlich 2 Stunden, inklusive Verweildauer. Ein Erlebnis! Ist es besonders heiß, könnt ihr nach der Tour ein erfrischendes Bad im Étang de Walscheid nehmen, danach im Café de la Grotte Volkstümliches – natürlich auch Flammekueche – speisen. Oder ihr fahrt einfach nach Hause, vielleicht in euer Feriendomizil und lasst diesen wunderbaren Ort der Stille in eurem Geiste noch etwas nachwirken. Wir vergessen dich nicht, alter Kelte.

Immer dem roten Kringel nach: Der Wanderweg ist supergut ausgeschildert. Hier findet ihr genauere Infos! Und hier. Verlaufen könnt ihr euch nicht. Und ihr müsst auch nicht auf dem Friedhof übernachten.

Wandert mal hin!

Stina Advent

Lustiges Hasenleben in St. Wendel – Zauberhaftes auf dem Ostermarkt

Hase Zeichnung Stina Ostern

Lange habe ich so etwas Zauberhaftes nicht mehr gesehen… Aber fangen wir von vorne an. „Wir könnten doch mal wieder einen Flohmarkt besuchen!“, schlug mein Mann letzten Sonntag vor. Wohlgemerkt bei eisigen Minusgraden und einem Wind, gegen den auch Drei-Wetter-Taft nichts mehr ausgerichtet hätte. Meine Begeisterung hielt sich demnach in Grenzen. Sah mich schon mit Handschuhen in muffigen, mit Zeitungspapier ausgeschlagenen Kisten gründeln, während mein Mann die 5000ste Sonnenbrille erstehen würde.

In St. Wendel sei Ostermarkt, versuchte es Stefan, äußerst listig, weiter. Das war ja was ganz anderes! Ostern! Mein Lieblingsfest! Ich mag alles, was mit Ostern zu tun hat: Hasen, Küken, Eier, Schäfchen. Natürlich nur aus Schokolade oder lebendig. Nun ja, die Eier… Mein Frühlingsfest, wenn endlich alles wieder grünt und sprießt! Normalerweise eröffne ich die Ostersaison kurz nach Weihnachten, ziehe sie solange in den Sommer, bis Nachbarn vorbeikommen und fragen, ob ich in eine Zeitfalte gestürzt sei oder nicht mal einfach umdekorieren könne. Habe ich schon gesagt, dass ich Ostern liebe?

Mit unserem kleinen Dackel ging es Richtung St. Wendel, einer hübschen kleinen Kreisstadt im Nordosten des Saarlandes. Umgeben von so idyllischen Orten wie dem… Ostertal! Ein bisschen zu früh waren wir dran, denn die meisten Stände waren noch geschlossen. Jedoch in einem Büdchen war eine Dame emsig dabei kleine, gefilzte Figuren an Zweigen & Co. zu drapieren. Doch ich musste weiter, da mein Mann zum Flohmarkt wollte. Stefan hat eindeutig nicht den Sinn für feinziselierte Wichtel, Hasen, Bienen. Auch in die Ausstellung Lustiges Hasenleben bekam ich, am Rande bemerkt, meinen Gatten nicht.

Doch Koffein zieht immer. Nachdem wir uns mit einem – oh Wunder! – richtig heißen Cappuccino gestärkt hatten, mussten wir erstmal die leckeren Waffeln des Landfrauen-Vereins Mittleres Ostertal probieren. Leute, ich kann euch sagen: So was Köstliches! Mit Kirschen und Sahne! Selbstgemacht und gekonnt. landfrauen eben. Bis neun Uhr abends brauchten wir nichts mehr zu essen.

Zielstrebig lockte ich jetzt meinen Mann Richtung Filz-Stand. Das Schöne an diesem Markt ist übrigens, dass so viel Selbstgestaltetes, Gebasteltes, Gemaltes dabei ist, wobei ich mit Frau Hoffers darin übereinstimme, dass ihr Stand der Schönste ist.

Frau Hoffers filzt nämlich, was die Wolle hält.

Und zwar in ihrem Atelier Wollzauber. An feinen Fäden schweben gelb-schwarz gestreifte Bienchen, Blumenfeen tanzen Ringelreihen, Pipi Langstrumpf swingt mit Herrn Nilsson, Wichtel klettern über Sternenfelder zum Mond, Weidenkätzchenkinder halten sich an Zweigen fest.

Gar nicht so einfach, eine tanzende Pipi einzufangen. Und es hat ja auch, wie man sieht, nicht wirklich geklappt.
Auch schaukelnde Hasen haben ihre Tücken bei Minusgraden.

Das ist so niedlich, so phantasievoll, so entspannend. Die detailreich gefilzten Wesen schweben in einer ganz eigenen Welt. Als würde man in einen Zauberkasten blicken. Nochmal Etwas von den Wurzelkindern lesen. In Elsa Beskows Illustrationen eintauchen. Ein Filzkosmos mit Feen, Elfen, Zwergen, schaukelnden Hasen in roter, gelber oder blauer Latzhose. Dabei habe sie am Samstag schon so viel verkauft, erklärt Dagmar Hoffers, die selbst wie eine fröhliche Fee hinter ihren Schätzen hervorschaut. Bin ich froh, sonst könnte ich mich ja gar nicht mehr entscheiden. Stelle mir mal besser nicht vor, welche Arbeit, welche Geduld, welches Können hinter all dem steht. So gut gefällt mir das, dass mir glatt die Kamera beschlägt. Oder war es Feenstaub?

Mein Budget ist leider schon ein wenig geschrumpft (muss sogar meinen Mann anpumpen), da ich noch eine blauweiße Servierplatte erstanden habe, aber für eine rosa Blumenfee reicht es noch. Leider nicht für mich, denn die Fee ist ein Geschenk für eine liebe Freundin. Zum Glück filzt Frau Hoffers aber auch auf Bestellung, ihre feinsinnigen Kreationen könnt ihr euch aber auch per Post zuschicken lassen oder im Atelier Wollzauber in Kusel abholen.

Das Dackelchen friert. Mein Mann will heim, ein Ventil aus einem frischerstandenen, intakten Espressokocher in einen alten, kaputten einbauen. Eine steife Brise weht uns zu unserem Auto. Die Frisur hat sowas von nicht gehalten. Glücklich schwenke ich eine kleine Papiertüte. Tja, ihr wisst ja, wie das ist. Von jedem Flohmarkt, von jedem Ostermarkt muss ein Piece of the Day mit. Und jetzt ratet mal, was das meine an jenem Sonntag im April war!

Atelier Wollzauber Filzarbeiten Figuren Kusel Hoffers
Flyer Atelier Wollzauber. Mit freundlicher Genehmigung von Frau Dagmar Hoffers.

Ich liiiieeebe Ostern!!!

Kleine Notiz: Aktuelle Konzerte in der Kettenfabrik St. Arnual, Saarbrücken: Gilles Grethen Quartet und Michel Meis 4tet

Kettenfabrik Saarbrücken St. Arnual Jazz Konzert Event Saarland

Kettenfabrik St. Arnual Saarbrücken Jazz

Liebe Jazzfans: Am Freitag, den 18. und Samstag, den 19. März lädt die Kettenfabrik St. Arnual wieder zu zwei hochkarätigen Jazz-Events ein.

Ich verlinke euch einfach mal auf die Homepage des sympathischen Veranstaltungsortes. Dort erfahrt ihr alles Wissenswerte aus erster und bester Hand über JAZZ DE LUX. Wer über die aktuellen Veranstaltungen informiert werden möchte, kann einen informativen Newsletter anfordern.

Übrigens: Auch FreundInnen des Volkstheaters kommen im April auf ihre Kosten!

Unternehmt mal was

Eure Stina