Happy Halloween!

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Sagt euch der Name Frank Zappa noch etwas? Ich hoffe schon, denn dieser geniale Musiker hat einen der schönsten Halloweensongs ever geschrieben. Das Goblin-Girl. From the mystery world, versteht sich. Ist es nicht schön, mit dem Fest der grinsenden Kürbisse und unheimlichen Gestalten in die düstere Jahreszeit (die gerade mit goldenen 20 Oktobergraden glänzt) zu gleiten? Trick or treat? Die einen hassen, die anderen lieben es. Es gehört nicht hierher? Wenn´s aber doch schön ist und das Jahr bereichert? Für mich bedeutet die Zeit um Halloween: Ich kann abends endlich wieder mit einer Tasse Tee, einem guten Buch, einer spannenden Serie auf dem Sofa entspannen, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss, weil draußen der Berg ruft, oder ich im Garten so schön Unkraut rupfen könnte. Ehrlich, ich glaube, selbst den abgebrühtesten Naturgeistern war dieser vor Hitze knackende Sommer des Guten zu viel.

Also: Die dunkle Jahreszeit. Spooky, wenn man sich darauf einlässt. Es gibt wieder Kürbissuppe, die eine oder andere Hexe huscht um die Ecke, merkwürdige Geräusche lassen uns einmal mehr ängstlich über die Schulter blicken. Warum schaut der Hund jetzt so ins Leere und bellt dabei wie verrückt? Und was geht über jenen angenehmen Schauder, den eine gute Gespenstergeschichte uns über den Rücken jagt. Wie jene von Jerry Bundler, von einer versierten Geschichtenerzählerin mit vor Dramatik bebender Stimme vorgetragen. In der Serie Ghosts (auch als BBC-Produktion sehenswert) sind die Geister so liebenswert, dass man direkt Teil der unfreiwilligen Wohngemeinschaft in Button House werden möchte. Selbstverständlich nicht als Gespenst. Dreimal schwarzer Kater!!! Eine unserer ersten Gemeinsamkeiten entdeckten mein Mann und ich, als wir über den Namen eines Schwarz-Weißfilms aus den Sechzigern rätselten. Dabei ging es um ein metaphysisches Experiment auf einem unheimlichen Herrensitz. Und, soviel sei verraten, im Haus wohnt das personifizierte Böse. Der schicksalsschwangere Satz einer Protagonistin „Oh, mein Gott! Wessen Hand habe ich gehalten.“,  war uns beiden im Gedächtnis geblieben. Der Film heißt übrigens Bis das Blut gefriert nach dem Roman Hill House von Shirley Jackson. Und die Hand war nicht jene der Zimmergenossin. Äh, kann jemand die Haare an meinen Armen glätten?

Ähnlich eindringlich, nichts für zarte Seelen ist Die Frau in Schwarz mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe. Die Serie Evil sorgt ebenfalls für schauriges Dämonengruseln, bringt dabei jedoch eine Art von Gemütlichkeit in die Wohnstube, die irgendwie gar nicht sein dürfte. Aber da sind eine tuffe Psychologin, ein zweifelnder Priester, eine medial versierte Nonne, ebenfalls tuff, und eine Menge düstere, olivgrüne Tapeten, wie sie für Horrorfilme obligatorisch sind. Was will man mehr? Insgeheim vermute ich ja, dass besagter Wandschmuck in vielen amerikanischen Behausungen zur Standardausrüstung gehört und bedauerlicherweise gar nicht stört. Halloween hin oder her.

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Die Bilder in diesem Beitrag stammen übrigens aus dem kleinen Ort Fénétrange am Rande der Nordvogesen, im Département Moselle. Abseits der Touristenströme, mit einer Menge verblichenen Charmes. Ein verlassenes Genesungsheim, in dem es garantiert spukt, ist sozusagen das gruselige Sahnehäubchen. Unheimlich heimelig dagegen sind die Stadtwanderungen mit dem Nachtwächter bei Einbruch der Dunkelheit.

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Tatsächlich werden wir am kommenden Sonntag mit anderen Halloweenfans auf dem Château Lichtenberg im Krummen Elsass herumgeistern. Diese lädt am letzten Oktoberwochenende zu einem Event, das für Kinder nicht geeignet ist, und also auch mich das Fürchten lehren wird. Erinnere mich da an einen alemannischen Faschingsumzug mit gar grauslichen Gestalten, der ein ansonsten beschauliches Schwarzwalddörfchen und ja, auch mich in Angst und Schrecken versetzte. Nur ein gewaltiges Schinkenbrot konnte mich damals wieder erden, ein ebenso gewaltiges Bier meine Kehle besänftigen. Die war nämlich von meinen unzähligen Schreckensschreien ein wenig angegriffen. Nun also Château Lichtenberg. Mein Mann als maskierter Frontman (ist ja schon schrecklich genug) aus der noch schrecklicheren Serie Squidgame, die ich, das möchte ich betonen, nicht schaue, da sie mir zu blutig ist. Ich erscheine, Achtung, Kontrastprogramm! als putziges, wenn auch schon betagtes Goblingirl. Dazu bringe ich naturgegeben alles mit, was ein solches Wesen braucht, außer der grünen Gesichtsfarbe, die ich aber, je nach Schreckenslevel, vielleicht gratis dazubekomme. Denn was, wenn ein echter Psychopath sich, sagen wir mal, als Ersthelfer verkleidet, schwächelnden Burgbesuchern teuflisch grinsend eine echte, unheilvolle Spritze in den Oberarm jagen würde? Gar mit einem Serum, das noch nicht vollständig ausgetestet ist! Oder ich müsste mal für kleine Goblins und erblicke beim ausgiebigen Händewaschen im Spiegel hinter mir eine Freddy KrügerIn mit einem Messer, das nicht von Pappe ist?

Fenetrange Lichtenberg Chateau Halloween

Da kann man dann nichts machen, tröstet mein Mann verhalten. Nun, hoffen wir das Beste. Und wenden uns kulinarischen Hotspots zu:

Im Restaurant Hotel Muhlheim au Soleil gibt es, wie uns das offenbar übermotivierte Übersetzerprogramm verrät, als Menübestandteile Bein vom Wildschwein und Gemüsegärtner. Also, wem da nicht das Wasser im Munde zusammenläuft…

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Auf Französisch hört sich das doch besser an. Traut euch einfach hin!

Wer mit der ganzen Familie halloweenmäßig unterwegs sein möchte, kann sich ebenfalls auf der Lichtenberg austoben. Nur solltet ihr vorher das Programm lesen, das ich euch unten verlinkt habe, damit ihr nicht am falschen Tag mit euren Kids anrückt. Vielleicht habt ihr ja Lust den wunderbaren, preisgekrönten Film Coco anzusehen. Übrigens, habe gerade recherchiert: Von wegen Goblins und putzig! Die sind ja richtig fies! Aber jetzt hab ich, wie gesagt, schon alles parat. Vielleicht gibt es ja auch Goblins ohne spitze Ohren. Die hab ich nämlich vergessen.

Übrigens: Fénétrange mit seiner mittelalterlichen Altstadt geht auch so:

Fenetrange

Oj. Mein Mann hat mir gerade eine oberscharfe Pfefferone als Paprika kredenzt. Brauche einen Arzt. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Eure Stina

Schluss mit dem Dornröschenschlummer. Burg Lichtenberg geht mit der Zeit!

Lichtenberg Elsass Alsace Burg Chateau Boucle Wandern Ruine

Googelt man nach den schönsten Burgen in den Nordvogesen oder dem Alsace Bossue, dem Krummen Elsass, fällt schnell der Name Lichtenberg. Das ist zunächst mal der Ort, der verschlafen am Fuße jener Anhöhe träumt, die über einen leichtgängigen Fußmarsch von höchstens zehn Minuten zu erreichen ist. Darauf nämlich thront die gleichnamige Burg. Die Lichtenbergische also. Noch brennt uns die Sonne heiß auf den Nacken, bald aber führt der Weg durch einen schattigen Kastanienhain. Schlauberger können auch mit dem Auto nach oben fahren, in die Wanderschuhe schlüpfen und so tun, als hätten sie die gesamten Vogesen passiert, ohne auch nur einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen. Das ist natürlich unlauter und wird mit einer sofortigen Vierteilung der mitgebrachten Sandwi(t)ches geahndet. So, jetzt, wir: Einmal an der wehrhaften Burgmauer vorbei, durch das mächtige, eisenbewehrte Tor hindurch, und wir betreten die Innenanlagen.

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Dem italienischen Architekten Andrea Bruno ist das Kunststück gelungen, eine mittelalterliche Burg in die Moderne zu führen. Altes Gemäuer trifft zeitgemäße, ja, futuristische Architektur. Zu der Ruine aus rosa Vogesenstein gesellt sich Kupfer, Glas und Holz. Ein merkwürdiges Gebilde ragt, scheinbar freihängend, aus der Burgmauer hervor. Abgefahren, würde man Neudeutsch sagen. Theoretisch könnten kommende Generationen die Burg sogar wieder in den Urzustand versetzen. Ich allerdings würde es so lassen. Carta von Venedig hin oder her. Denn mit dieser Art Modulsystem ist Burg Lichtenstein nicht nur ein Relikt aus längst vergangener Zeit, nein, sie katapultiert sich ins 21. Jahrhundert, wird zum Gemeindezentrum, zum Architekturhotspot, zum Ort für spielerischen Umgang mit der Vergangenheit. Neben den obligatorischen Führungen finden hier (Rollen-)Spiele-Events statt, man kann die Burg für Kindergeburtstage buchen, die Laienschauspieltruppe Théâtre de Lichtenberg gibt derzeit Karl Valentins Posse Chevalier Unkenstein et les Raubritter. Auf Elsässisch, versteht sich. Mal sehen, ob ich meinen Mann zu einem Ausflug überreden kann… Das ist nämlich Volkstheater, und da hat er irgendwie ein Ohnsorg– bzw. Komödienstadel-Trauma. Jo, mei!

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Wir folgen den numerisch ausgeschilderten, ausgetretenen Pfaden, wie schon Tausende vor uns. Denn Burg Lichtenberg erfreut sich, abgesehen von jenem bereits verblichener Burgbewohner (Was wäre eine Burg ohne Gespenster?), auch regen touristischen Zuspruchs. Wir machen Platz für eine Reisegruppe in Birkenstocks und Sandalen mit Klettverschluss. Weiße Socken inbegriffen. Nur so viel sei verraten: Alle sprechen Deutsch. Drei Augenblicke später stöckelt eine junge Französin recht unbekümmert über die unebenen Platten. Klischees erfüllt. Wir wenden uns also den Vogesenkämmen zu, die in üblich dunkelblauer, smaragdgrüner Manier das Auge weiten, einfach grandios wirken. Uns denken lassen, dass das mit dem Klimawandel doch gar nicht so schlimm sei. Aber, he, Leute, es ist so schlimm!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Jedenfalls: Waldbaden von oben. Tatsächlich findet man auf der Burg allenthalben ein ruhiges, lauschiges Plätzchen, wo es sich verweilen lässt. Da wäre z.B. die uralte, schattenspendende Linde, wohin die Liebespaare gerne verschwinden. Wie zwei scheue Rehe hüpft uns gerade eins davon entgegen. Mit ziemlich roten Köpfen. Nun, konnten wir ja nicht ahnen. Mit den ganzen herabhängenden Zweigen und so. Die stöckelnde Französin balanciert derweil auf der Burgmauer. Reines Gottvertrauen, sag ich mir. Ich finde die Burgmauer an dieser Stelle gar nicht mal so dick. In die Kasematten, so erfährt die deutschsprachige Reisegesellschaft gerade, flüchtete sich noch im Zweiten Weltkrieg die gesamte Lichtenberger Bevölkerung. Musste Monate vor dem Feind in Dunkelheit und Kälte ausharren. Wer wolle, schlägt die Reiseführerin jetzt vor, um die trüben Gedanken zu vertreiben, könne den Bergfried bekraxeln. Ich schließe mich den in Mehrheit betagten Teilnehmenden an und befinde, nein, das muss nicht sein. Außerdem küsst sich gerade schon wieder das Liebespaar da oben. Unter wehender Flagge. Wieviel Platz, frage ich mich, könnte da oben also noch für uns 10 bis 15 Schuhplattler sein?

Der Architekt: Andrea Bruno ist ein international anerkannter Architekt, der sich auf die Restaurierung alter Gemäuer spezialisiert hat. So durfte er sich bereits am piemontesischen Castello di Rivoli, am römischen Amphitheater von Tarragona in Spanien, und bei den archäologischen Ausgrabungen von Maà auf Zypern austoben. Zudem ist er Berater des italienischen Auswärtigen Amtes und der Unesco. Guter Mann!

Wir werfen noch einen Blick in die Lego-Ausstellung Licht´ en briques, wo Bauklötzchen-Enthusiasten in mühevoller Kleinarbeit eine mittelalterliche Landschaft mit allem, was dazu gehört, zusammengepuselt haben. Sehr süß und 100% Lego, wie der Flyer verspricht. Apropos süß. Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Stück Kuchen niemals abgeneigt bin. Zurück also zum Event-Raum, der äußerst funktional, skandinavisch hell und luftig ist, lustige Holzspiele parat hält, und gerade auf eine mittelalterliche Spielesession für Groß und Klein vorbereitet wird. Die freundliche Dame vom Einlass, wie es sich gehört in schwarzem Gothic-Outfit, betreut auch die Cafeteria. Lässig und unaufgeregt verteilt sie Eis, Mineralwasser, Torte an die brav in Reihe wartenden Touristen. Als handele es sich um den berühmten Zaubertrank des kleinen gallischen Dorfes. Irgendwie müssen die mitbekommen haben, dass Hektik von diesen Burgmauern abgehalten wird, wie der Vampyr vom Knoblauch. On a du temps. Es muss gesagt werden: Im Burgcafé gibt es sagenhafte Tarte au Myrtille, sagenhaften Kaffee und sagenhafte Orangina. Wenn das kein Burgsommer ist!

Lichtenberg Burg Chateau Elsass Vogesen

Die Burg: Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut, wird die Burg der Herren von Lichtenberg unter Konrad von Lichtenberg, Bischof zu Straßburg, um 1286 großzügig erweitert. Im Zeitalter der Renaissance werden, auf Wunsch des neuen Burgherren, des Grafen von Hanau Lichtenberg, renommierte Architekten mit dem Umbau beauftragt. Darunter Daniel Specklin, der berühmte Städtebaumeister Straßburgs. Eine prächtige Residenz entsteht. Mit Türmen, Ringmauer, Burggraben, Exerzierplätzen. Unter Vauban wird Burg Lichtenberg zu einem wichtigen militärischen Stützpunkt. 1678, nach der Belagerung und Eroberung der Burg durch Truppen des Sonnenkönigs, Ludwig XIV, fällt sie an den französischen Staat. Jahrzehntelang schützt sie die Nord-Ostgrenze Frankreichs zuverlässig. Erst 1870, während des deutsch-französischen Krieges, wird die Burg so stark bombardiert, dass sie vollständig niederbrennt. 1992 erweckt man sie dann aus ihrem Dornröschenschlaf. Seither ist die Anlage, dank auch der Bevölkerung von Lichtenberg, Ausstellungsort, Begegnungsstätte, Dokumentationszentrum für mittelalterliche Burgen. (Quelle: Burg Lichtenberg)

Übrigens: Im burgeigenen Shop könnt ihr Schilde und Schwerter für kleine Ritter, Hexenkochbücher, Freundschaftsbändchen, Kräuterteemischungen u.v.m. erstehen. Eben alles, was der Mittelalterfan so braucht!

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Wer übernachten möchte, findet hier, hier und hier Informationen. Essen und übernachten könnt ihr hier. Um Lichtenberg herum gibt es eine Vielzahl Hotels, Restaurants, Gîtes. Da der idyllische Ort zum Biosphärenreservat Nordvogesen gehört, außerdem in einer der schönsten Regionen des Elsass liegt, hat man einiges für den Tourismus getan.

Müde kehren wir nach Hause zurück, machen uns eine Tasse des mitgebrachten BioTees. Conrad le Bâtisseur, steht drauf. Drin sind Melisse, Himbeeren, Grüne Minze, Orangenblüten, Brombeeren, Kamille sowie Heidekraut. Wir schlafen wie die Babys. Wenn das keine Zauberei ist…

Fahrt mal hin! Einen schönen Sommer wünscht euch

Stina

Waldbaden um Guirbaden

Unseren 20. Hochzeitstag wollten wir mit einer kleinen Wanderung samt anschließendem Essen feiern. Denn hat man in den Vogesen erstmal einen Hügel erklommen, passt nichts besser als ein zünftiges Mahl. Wie ihr spätestens jetzt wisst, bin ich keine übermäßig ausdauernde Wandersfrau, sondern eher eine Flachlandtirolerin. Ich esse aber gern. Wie man ebenfalls sieht. Wenn ich eine Strecke heim- pardon – heraussuche, handelt es sich meist um eine von 2,5 bis 3 Stunden. Rundweg oder hin und zurück (Auf dem Rückweg sieht alles eh nochmal anders aus). Pausen exklusive. Spätestens nach 2,75 Stunden fange ich an zu nörgeln, weil mir scheint, dass meine großen Zehen auf Untertassengröße angeschwollen, meine Wanderschuhe gleichzeitig um mindestens 20 % geschrumpft sind. Oder ich ganz einfach genug Grün gesehen habe. Waldbaden ist ja super, aber in der Badewanne absolviere ich ja auch kein Hochleistungsprogramm. Sondern entspanne beim munteren Plantschen in Fichtennadelgrün. Wie auch hier liegt in der Kürze die Würze. Mit Staunen verfolge ich die stolzen Ausführungen jener, die sechs, sieben Stunden durch unwegsames Gelände traben und dabei ihren einzigen Proviant, einen Proteinriegel aus dem Jahre 2018, für den nächsten Tag aufsparen.

Ein Stina-Weg sollte demnach keine zu steilen Passagen beinhalten, da ich dazu neige den Abstieg auf dem Hosenboden zu absolvieren, weswegen ich schon in Po-polsternden Fahrradhosen gewandert bin. Fesche Wanderer, die durch mich erheitert, in jedem Falle aber ausgebremst werden, mutmaßen für gewöhnlich zweierlei: „Die Arme ist sicher mit ihrem Fahrrad gestürzt und zwar so, dass sie sich nur noch rutschend bewegen kann. Ihr Bike liegt derweil wohl am tiefsten Grund der Schlucht. In diesem Alter sollte man sich nicht überschätzen“ (Falsch!) oder „Was für eine Zimperliese!“ (Richtig!) „Was macht die erst am Donon?!“ Mein Pech also, dass ich Burgen liebe. Denn die muss man sich meist erkraxeln. Da lob ich mir doch das Château de Guirbaden, das auf der Mitte eines angenehm zu gehenden Wanderweges thront.

Château de Guirbaden. Ist zwar eine Burgruine, allerdings die größte im Elsass. Wer hätte das gedacht? 270 m lang, 70 m breit. Eine Höhenburg aus der Stauferzeit, 11. bis 13. Jahrhundert. Ein riesiges Monument, in liebevoller, ehrenamtlicher Arbeit von Freiwilligen aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Schon der beeindruckende Plan an der Burgmauer weist auf die Gewaltigkeit des Projekts hin. Hungerturm, Zitadelle, Wohnbereich, Kapelle, Donnerbalken. Alles da. Ehrfürchtig bestaunen wir die mächtigen Quader, die schon verbaut wurden, sowie jene, die noch einzusetzen sind. Eine Herkulesarbeit. Und da läuft auch schon eine fleißige Helferin mit grasgrünem Helm und Schubkarre hurtig den Berg hinan. Ich denke Muskeln, Ausdauer und ja, die feste Gewissheit, hier etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun, zu bewahren.

Wanderer räkeln sich träge im Sonnenschein. Umsummt von Bienen, Hummeln, umflattert von Schmetterlingen auf bunten Kräuterwiesen. Es duftet würzig. Die Aussicht: Grandios. Von einer Höhe von 565 Metern bestaunen wir die blauen Vogesen um den kleinen Ort Grendelbruch. Schauen schaudernd die steilen Hänge hinab. So, wie die Burg bereits seit über tausend Jahren auf das Vallée de la Bruche blickt. Auf Fototafeln wird das Vorher-Nachher des Projekts anschaulich erklärt. Auch die wechselvolle Geschichte der Burg, die mehrmals zerstört und wiederaufgebaut wurde.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde sie sogar von den Bewohnern selbst geschleift, weil die Schweden im Anmarsch waren. Ab und an lebt das Mittelalter in einem Burgfest farbenprächtig – vor allem auch unblutiger – auf. Dann werfen sich die Einheimischen in Schale, Ritterrüstung genannt, binden sich Schürzen um, setzen sich Kopftuch oder Helm auf, greifen zu Heugabeln und Schwertern um das umtriebige Treiben nachzustellen, das hier wohl einst herrschte. Natürlich weilte auch Friedrich Barbarossa hier. Wo tat er das eigentlich nicht?

Selbstverständlich gibt es auch eine Legende um einen Schatz und eine Odile, Nachfahrin der Templer, die einst mit ihm (mit dem Schatz, nicht mit Friedrich) begraben werden wollte. „Sie wollte nie heiraten und starb jung an einer Krankheit.“, erläutern die Bewahrer von Guirbaden. Das hat man also davon, wenn man unbedingt Junggesellin bleiben will. Niemand sollte erfahren, wo Grab und Schatz zu finden waren. Nun, jemand hat geplaudert. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Chateau Guirbaden Grendelbruch Vallee de la Bruche Vosges Vogesen Wander
Freundliche, engagierte Helfende auf Guirbaden

Sehr viel Genaueres erfahrt ihr auf der Homepage der Burg. Auch über Feste, Führungen und die Möglichkeiten den Fortbestand der Burg durch eine Spende oder sogar Mitarbeit zu sichern. Also auf, ihr Hobby-Archäologenden, frisch ans Werk!

Die angrenzende Gemeinde Grendelbruch ist ein uriges, ruhiges Vogesendörfchen inklusive Wochenmarkt und plätschernden Brunnen. U.a. im Grenouille und Pot au feu soll man sehr gut essen können. Lasst euch am besten vor Ort inspirieren, denn im Umkreis gibt es viele interessante Restaurants. Ausprobiert haben wir das La Schlitte in La Broque,ein apartes Blockhaus am Rande des kleinen Ortes. Hier gelingt das Kunststück traditionell französisch-elsässische Küche mit Experimentierfreude zu paaren. Der norwegische Lachs war ein Gedicht. Das animal glacé für die kleinen Lutins sollte man allerdings nicht wörtlich nehmen. Übrigens war der Service ausgezeichnet. Etwas hochpreisiger geht es in der Auberge Metzger in Natzviller zu, wo ihr auch übernachten könnt. Vergesst aber nicht zu reservieren, denn die Auberge wurde vom Guide Michelin immerhin zum kulinarischen Highlight mit super Preis-Leistungsverhältnis gekürt.

Eine informative Erlebniskarte mit u.a. Fahrradrouten, Fermes Auberges, Themenwanderungen, traditionellen Handwerksbetrieben findet ihr hier. Die jedes Jahr neu erscheinende Broschüre Sentiers plaisir informiert über Wanderungen sowie Veranstaltungen im Vallée de la Bruche.

Guirbaden Chateau Burg Vosges Vogesen Wander Vallee de la Bruche

Der Wanderweg: Am Ortseingang Grendelbruch liegt linkerhand der Friedhof. Ihr aber fahrt rechts in das Quartier du Guirbaden. Rechts an einem Mast seht ihr schon das Wanderweg-Symbol: Ein liegendes Rechteck, rot-weiß-rot. Am Ende der Straße liegen linkerhand Parkplätze. Parkt das Auto und geht weiter geradeaus durch einen Schlagbaum hindurch, auf dem ebenfalls obiges Wanderweg-Symbol zu sehen ist.

Jetzt geht es für ca. 50 Minuten geradeaus (Der Weg ist super gut ausgeschildert). Dann macht der Weg eine Linkskurve. Dieser folgt ihr NICHT. Stattdessen geht ihr immer geradeaus. Haltet euch also rechts. Und da ist auch direkt wieder das Symbol. Der Weg wird jetzt schmaler, uriger, schlängelt sich aufwärts zur Burg. Nach deren Besichtigung geht ihr denselben Weg wieder zurück bis zum Ausgangspunkt. Wetten, dass ihr jetzt Hunger habt! Oder gehört ihr etwa zu jenen Unverdrossenen, die auf dem ebenfalls hier verlaufenden Chemin des Châteaux-Forts d´Alsace von Burg zu Burg wandern möchten? Sei´s drum, essen müsst ihr trotzdem.

Lasst´s euch gutgehn!

Stina Advent